Leitsatz (amtlich)
1. Vor Erlaß einer richterlichen Durchsuchungsermächtigung hat das FG zu prüfen, ob die formellen allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben sind.
2. Im Regelfall ist die Durchsuchungsermächtigung zu befristen.
2. Die Durchsuchungsermächtigung ist dem Vollstreckungsschuldner nicht zuzustellen.
Normenkette
AO 1977 § 287; FGO § 53 Abs. 1-2; ZPO §§ 758, 761
Tatbestand
Der Vollstreckungsschuldner, Antragsgegner und Beschwerdegegner (Vollstreckungsschuldner) betreibt ein Taxiunternehmen. Er schuldet dem Antragsteller und Beschwerdeführer (Finanzamt - FA -) erhebliche Steuerbeträge. Am 15. Oktober 1979 pfändete das FA Forderungen des Vollstreckungsschuldners bei zwei Bankinstituten, bei denen dieser Konten unterhielt; sie blieben im wesentlichen ohne Erfolg. Bei einer Kassenpfändung am 26. Oktober 1979 ergab sich ein Betrag von 6, 50 DM. Am 1. November 1979 unternahm der Vollziehungsbeamte einen erneuten Vollstreckungsversuch. Nach dem Bericht des Vollstreckungsbeamten ergab sich dabei im wesentlichen folgendes: Der Beamte traf im Büro des Vollstreckungsschuldners dessen Mutter an, die sich auf Befragen mit dem Betreten der Räume einverstanden erklärte, aber darauf aufmerksam machte, daß kein Geld in der Kasse sei. Bevor die Beamten die Wohnung wieder verlassen wollten, bestand die Mutter des Vollstrekkungsschuldners darauf, mit ihrem Rechtsanwalt - der auch Prozeßbevollmächtigter des Vollstreckungsschuldners im vorliegenden Beschwerdeverfahren ist - zu telefonieren. Dieser ließ sich mit dem Beamten verbinden und fragte ihn, ob er einen Durchsuchungsbefehl habe. Als das verneint wurde, sagte der Anwalt, daß die Vollstreckungsbeamten sofort die Wohnung verlassen sollten, sonst würde er mit der Polizei erscheinen.
Am 10. Dezember 1979 beantragte das FA beim Finanzgericht (FG) den Erlaß einer richterlichen Durchsuchungsermächtigung für die Wohnung des Vollstrekkungsschuldners Bergsteig 1 a in A-Stadt zum Zwecke der Pfändung aufgrund rückständiger Steuern in Höhe von 118 695 DM. Das FA gab dabei an, daß der Vollstrekkungsschuldner mit Frau S zusammenwohne. Er sei am 31. Oktober 1979 von einem Grundstückskaufvertrag zurückgetreten, in den Frau S am gleichen Tage eingetreten sei. Es bestehe daher der Verdacht einer Vollstreckungsvereitelung. Die vorherige Anhörung des Vollstreckungsschuldners würde den Erfolg einer Durchsuchung gefährden.
Mit dem angefochtenen Beschluß lehnte das FG den Antrag ab und legte die Kosten des Verfahrens dem FA auf. Zur Begründung führte es aus:
Die Durchsuchung einer Wohnung sei ein schwerer Eingriff, der einen generellen Verzicht auf eine Prüfung nicht zulasse, ob ein Ausnahmefall vorliege, der der Durchsuchung entgegenstehe. Zur Wahrung der Wirksamkeit des Grundrechts aus Art. 13 des Grundgesetzes (GG) sei es geboten, eine Wohnungsdurchsuchung nicht in Abwesenheit des Wohnungsinhabers durchzuführen. Ein Vollstreckungverfahren zur Wohnungsdurchsuchung müsse also grundsätzlich die Gewährung rechtlichen Gehörs für den Wohnungsinhaber einschließen. Nur in besonders begründeten Ausnahmefällen komme der Erlaß einer richterlichen Durchsuchungsanordnung ohne Anhörung des Vollstreckungsschuldners in Betracht. Die Gewährung rechtlichen Gehörs erweise sich insbesondere dann als dringlich, wenn die Wohnung nicht nur vom Vollstreckungsschuldner benutzt werde, sondern wie hier auch von anderen Personen. Es sei bisher nicht geklärt, ob der Vollstreckungsschuldner und Frau S überhaupt gemeinsam alle Räume der Wohnung benutzten und ob womöglich ein Untermietsverhältnis bestehe, das einzelne Räume von der Mitbenutzung durch den Vollstreckungsschuldner ausschließe. Da das FA bisher keine Angaben gemacht habe, die dem Gericht eine Nachprüfung der insoweit bedeutsamen Umstände ermöglichten, müsse die beantragte Durchsuchungsermächtigung abgelehnt werden.
Das FG sehe keine rechtliche Möglichkeit, die erforderlichen Angaben durch Anhörung des Vollstreckungsschuldners und von Frau S einzuholen. Wenn ein FA ausdrücklich den Erlaß einer richterlichen Durchsuchungsermächtigung ohne vorherige Anhörung des Vollstrekkungsschuldners beantrage und darauf nach gerichtlicher Rückfrage beharre, sei das FG gehindert, von sich aus den Vollstreckungsschuldner von dem anhängigen Verfahren zu benachrichtigen. Das FA müsse die rechtliche Möglichkeit haben, seine von der Auffassung des FG abweichende Meinung zu der Frage der Gewährung rechtlichen Gehörs notfalls im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) klären zu lassen.
Die vom FA vorgetragenen Gründe für die Nichtanhörung reichten nicht aus. Der Hinweis auf den Rücktritt vom Kaufvertrag müsse nicht so gewertet werden, wie es das FA getan habe. Selbst wenn aber der Vollstreckungsschuldner dieses Vermögensobjekt der Vollstreckung habe entziehen wollen, folge daraus noch nicht, daß er nun auch alle pfändbaren Gegenstände aus seiner Wohnung entfernen werde, wenn er vorher von der beabsichtigten Durchsuchung erfahre.
Mit seiner Beschwerde beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und für die Zeit vom 21. bis 28. Januar 1980, hilfsweise für die Zeit vom 20. Februar bis 20. März 1980, hilfsweise innerhalb eines vom Gericht zu bestimmenden Zeitraums, spätestens jedoch bis zum 20. März 1980, den Erlaß einer richterlichen Durchsuchungsermächtigung in den vom Vollstreckungsschuldner genutzten Räumen in Bergsteig 1 a, A-Stadt, zum Zwecke der Pfändung aufgrund rückständiger Steuern, beschränkt auf einen Gesamtbetrag in Höhe von 118 695 DM, hilfsweise beschränkt auf einen vom Gericht zu bestimmenden Betrag, ohne Anhörung des Betroffenen durch Vollziehungsbeamte des FA.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zum Erlaß der beantragten Durchsuchungsermächtigung.
Nach § 287 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) in verfassungskonformer Auslegung ist der Vollziehungsbeamte nur befugt, Wohn- und Geschäftsräume sowie Behältnisse des Vollstreckungsschuldners zu durchsuchen, wenn eine entsprechende richterliche Durchsuchungsermächtigung erteilt worden ist, es sei denn, es sei Gefahr im Verzuge (vgl. Beschluß des BVerfG vom 3. April 1979 1 BvR 994/76, BVerfGE 51, 97, BStBl II 1979, 601, für den entsprechenden Fall des § 758 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Das FA hat dementsprechend beantragt, richterlich eine Durchsuchungsermächtigung zu erteilen.
1. Der Antrag ist zulässig.
Das FA hat entgegen der Auffassung des Vollstrekkungsschuldners ein Rechtsschutzbedürfnis für diesen Antrag. Dieses liegt schon deshalb vor, weil die Vollziehungsbeamten bei dem Versuch einer Kassenpfändung am 1. November 1979 im Büro des Vollstreckungsschuldners darauf hingewiesen worden waren, sie brauchten eine richterliche Durchsuchungsermächtigung.
Ohne Einfluß auf die Zulässigkeit des Antrags des FA ist der Umstand, daß dieser Antrag ausdrücklich zusätzlich mit dem Begehren verbunden war, den Vollstrekkungsschuldner nicht zu hören, und der Senat den Vollstreckungsschuldner im Beschwerdeverfahren dennoch gehört hat. Zwar ist damit dem zusätzlichen Begehren des FA nach Nichtanhörung des Vollstreckungsschuldners die Grundlage entzogen worden. Dieses Begehren bezog sich aber lediglich auf die Art und Weise der Durchführung des gerichtlichen Verfahrens in einem Punkt, der formellen Anträgen der Beteiligten nicht zugänglich ist. Es steht nicht in einem solchen Zusammenhang mit dem Antrag auf Erlaß der Durchsuchungsermächtigung, daß sich letzterer erledigt, wenn sich das Begehren auf Nichtanhörung nicht verwirklichen läßt. Das wird bestätigt durch den ausdrücklichen Hinweis des FA, daß es trotz Einschaltung des Vollstreckungsschuldners in das Verfahren an seinem Antrag auf Erteilung der Durchsuchungsermächtigung festhalte.
2. Die richterliche Durchsuchungsermächtigung ist zu erteilen, wenn die formellen allgemeinen Voraussetzungen für die Vollstreckung vorliegen (vgl. insbesondere §§ 251, 254, 257 AO 1977), kein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vorliegt, die Durchsuchung auch sonst nicht aus besonderen Gründen eine unverhältnismäßige Härte für den Vollstreckungsschuldner bedeutet und - im Falle der Beantragung eines besonders schweren Eingriffes (Vollstreckung bei Nachtzeit oder an Sonn- und Feiertagen), was hier nicht gegeben ist - besondere dies rechtfertigende Gründe dafür vorliegen (§ 289 AO 1977). Das ergibt sich aus dem Beschluß des BVerfG vom 3. April 1979 (BVerfGE 51, 97, BStBl II 1979, 601).
Der erkennende Senat hält an seiner im Beschluß vom 5. November 1976 (BFHE 120, 455, 459, BStBl II 1977, 183) geäußerten Auffassung nicht mehr fest, das FG brauche nicht zu prüfen, ob die (formellen) Voraussetzungen für die Vollstreckung gegeben seien (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 287 AO 1977 Anm. 4). Der Senat hatte sich in dieser Entscheidung u. a. auf die Regelungen in den §§ 332 Abs. 5 Satz 3, 372 Abs. 4 der Reichsabgabenordnung (AO) bezogen, die für die Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung durch das Amtsgericht bzw. die Einschaltung des Amtsgerichts bei der Zwangsvollstrekkung in das unbewegliche Vermögen vorsahen, daß das Amtsgericht nicht zu prüfen hatte, ob die Voraussetzungen für diese Maßnahmen vorlagen. Die dem § 332 AO entsprechende Regelung der AO 1977 (§ 284 Abs. 7) enthält diese Einschränkung nicht mehr; lediglich hinsichtlich der Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen ist die Rechtslage gleichgeblieben (§ 322 Abs. 3 Satz 2 AO 1977). Abgesehen aber davon, daß diese Regeln nur beschränkt vergleichbar sind mit der hier zu entscheidenden Frage, darf der Beschluß des BVerfG (BVerfGE 51, 97, BStBl II 1979, 601) nicht außer acht gelassen werden, den der Senat in der zitierten Entscheidung noch nicht berücksichtigen konnte. In diesem Beschluß hat das BVerfG ausgeführt, der in einer Durchsuchung liegende Eingriff solle grundsätzlich nur stattfinden, wenn zuvor eine neutrale, mit richterlicher Unabhängigkeit ausgestattete Instanz geprüft habe, "ob die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen" (Nr. 2 b der Gründe); es hat unter Nr. 3 c der Gründe hinzugefügt, daß "die Vollstreckungsdurchsuchung nur unter bestimmten förmlichen und materiellen Voraussetzungen stattfinden (darf), die einer Nachprüfung zugänglich sind, wenngleich im Vollstreckungsverfahren der Inhalt des Titels keiner materiell-rechtlichen Prüfung mehr unterliegt" (vgl. auch § 256 AO 1977).
In welcher Weise diese Prüfung zu erfolgen hat, läßt sich allgemeingültig nicht sagen. Nicht erforderlich erscheint jedenfalls, daß das Gericht stets darauf besteht, daß jeweils die vollstreckbaren Verwaltungsakte und die Leistungsgebote vorgelegt sowie die Zustellung oder Bekanntgabe und das Nichtvorliegen von Vollziehungsaussetzungen durch Vorlage sämtlicher Akten nachgewiesen wird. Das Gericht kann sich auf vielfältige andere Weise die Überzeugung davon verschaffen, daß die Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung gegeben sind. Es kann sich unter Umständen auch allein auf den substantiierten Vortrag des FA stützen, wenn dieser ausreicht, dem Gericht die erforderliche Überzeugung zu vermitteln.
Im vorliegenden Fall bestehen schon aufgrund der Einlassungen des Vollstreckungsschuldners keine Zweifel daran, daß die Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben sind. Daran vermag das Vorbringen des Vollstreckungsschuldners, er habe Aussetzung der Vollziehung beantragt und gegen deren Ablehnung Beschwerde eingelegt, über die noch nicht entschieden sei, nichts zu ändern. Solange eine Aussetzung nicht erfolgt ist, kann die Vollstreckung durchgeführt werden (§ 251 Abs. 1 AO 1977).
3. Es bestehen auch keine sonstigen Gründe gegen die Erteilung der Durchsuchungsermächtigung.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist nicht verletzt. Seine Verletzung könnte in Betracht kommen, wenn es sich bei den Rückständen um geringfügige Beträge handeln würde; denn dann wäre das Interesse der Allgemeinheit an der Beitreibung dieser Rückstände als geringer anzusehen als das Interesse des Vollstreckungsschuldners am Schutz der Unverletzlichkeit seiner Wohnung. So liegt der Fall hier aber nicht. Es handelt sich um hohe Steuerrückstände, die Ende 1979 über 100 000 DM betrugen.
Anhaltspunkte dafür, daß die Durchsuchung der Wohnung eine besondere Härte für den Vollstreckungsschuldner wäre, bestehen nicht.
Der Umstand, daß nach den Angaben des Vollstrekkungsschuldners über seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung noch nicht endgültig entschieden sei, zwingt nicht dazu, mit der Anordnung der Durchsuchung bis zur Bestandskraft der Entscheidung über den Aussetzungsantrag zuzuwarten. Andernfalls würde praktisch ein Aufschub der Vollstreckung allein durch die Stellung eines Aussetzungsantrages erreicht werden. Das widerspräche der gesetzlichen Regelung, wonach die Einlegung von Rechtsbehelfen die Vollziehung von Steuerbescheiden nicht hemmt (§ 361 Abs. 1 AO 1977, § 69 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Auch der Umstand, daß der Vollstreckungsschuldner die Wohnung, deren Durchsuchung das FA beantragt, zusammen mit Frau S, seiner Lebensgefährtin, bewohnt und die Einrichtungsgegenstände angeblich überwiegend ihr gehören, hindert den Erlaß der Durchsuchungsermächtigung nicht. Eine Durchsuchung der Wohnung des Vollstreckungsschuldners ist auch zulässig, wenn darin noch jemand anders lebt und sich dort Gegenstände befinden, die nicht dem Vollstreckungsschuldner gehören oder sich nicht in seinem Gewahrsam befinden (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., § 287 AO 1977 Anm. 6; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 38. Aufl., § 758 Anm. 2). Der genannte Umstand kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Belang sein, daß die Durchführung der Durchsuchung unter diesen Umständen gewisse Schwierigkeiten bereitet. Die Art und Weise dieser Durchführung ist Sache der Vollziehungsbeamten. Sie hat sich im Rahmen des Rechts zu vollziehen und unterliegt nicht den Weisungen dieses Gerichts, das lediglich im Rahmen einer präventiven richterlichen Kontrolle darüber zu befinden hat, ob die Voraussetzungen für den Erlaß einer Durchsuchungsermächtigung vorliegen. Handeln die Vollziehungsbeamten rechtsfehlerhaft, so kann sich der Vollstreckungsschuldner oder ein etwa betroffener Dritter mit den dafür u. U. vorgesehenen Rechtsbehelfen dagegen wehren.
Es bedarf auch keines Eingehens auf das Begehren des Vollstreckungsschuldners, die Durchsuchung nur in seiner und Frau S' Anwesenheit durchzuführen, und ihn sowie Frau S rechtzeitig vor der Durchsuchung davon zu unterrichten. Es ergibt sich aus § 288 AO 1977, daß die Anwesenheit des Vollstreckungsschuldners bei einer Wohnungsdurchsuchung nicht unbedingt erforderlich ist. Um so weniger gilt das hinsichtlich solcher Personen, die mit dem Vollstreckungsschuldner zusammenwohnen. Es ist Sache der Vollziehungsbeamten, zu entscheiden, ob sie die Durchführung nur in Anwesenheit der genannten beiden Personen und nur nach Vorausankündigung der Durchsuchung durchführen wollen. Das ist eine Frage, wie die Durchsuchung durchgeführt werden soll. Sie ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
4. Das Gericht ist im Regelfall gehalten, in seiner Durchsuchungsermächtigung eine zeitliche Befristung vorzusehen; andernfalls stellte die Ermächtigung eine unbefristete Bedrohung des Vollstreckungsschuldners dar und wäre unverhältnismäßig (vgl. Beschluß des erkennenden Senats vom 7. November 1979 VII B 35/79, BFHE 129, 115, BStBl II 1980, 86; Beschluß des Landgerichts Zweibrücken vom 27. September 1979 4 T 85/79, Monatsschrift für Deutsches Recht 1980 S. 62). Dagegen bedarf es entgegen dem Antrag des FA keiner Beschränkung in bezug auf den Betrag der rückständigen Steuern. Das Gericht kann sich auch begnügen, in seiner Ermächtigung die Adresse der Wohnung zu bezeichnen, die die Vollziehungsbeamten durchsuchen dürfen. Auf Einzelheiten der Wohnungsverhältnisse, ggf. auf die Frage, ob bestimmte Räume von der Durchsuchung ausgeschlossen sind, braucht das Gericht im Regelfall nicht einzugehen. Das gilt im vorliegenden Fall auch deswegen, weil sich aus der Einlassung des Vollstreckungsschuldners ergibt, daß es sich bei der angegebenen Adresse um seine 1 1/2-Zimmer-Wohnung handelt, die er zusammen mit seiner Lebensgefährtin bewohnt.
5. Die Fragen, ob die Vorentscheidung insoweit rechtmäßig war, als sie die Durchsuchungsermächtigung ohne Anhörung des Vollstreckungsschuldners ablehnte, und ob der Senat rechtlich gehalten war, im Beschwerdeverfahren nach §§ 71, 77 FGO die Beschwerdeschrift sowie die weiteren Schriftsätze des FA und die Vorentscheidung dem Vollstreckungsschuldner wie geschehen zuzustellen, können im vorliegenden Verfahren nicht entschieden werden. Sie sind für die Entscheidung über den vorliegenden Antrag des FA nicht mehr entscheidungserheblich, nachdem der Vollstreckungsschuldner im Beschwerdeverfahren gehört worden ist. Auch wenn sich nach näherer Prüfung herausstellen sollte, daß es dieser Anhörung nicht bedurft hätte (vgl. die Entscheidungen des BVerfG in BVerfGE 9, 89 und 18, 399, sowie vom 11. Oktober 1978 2 BvR 1055/76, BVerfGE 49, 329), könnte das nichts daran ändern, daß dem Antrag des FA zu entsprechen und die Ermächtigung zur Durchsuchung unter Aufhebung der ablehnenden Vorentscheidung zu erteilen ist.
6. Der Senat hält es für zweckmäßig, auch über die Art und Weise der Bekanntgabe der Durchsuchungsermächtigung an den Vollstreckungsschuldner zu entscheiden. Er ist an dieser Entscheidung nicht dadurch gehindert, daß über diese Frage grundsätzlich die Geschäftsstelle zu befinden hat (vgl. § 209 ZPO). Die Möglichkeit einer richterlichen Weisung an die Geschäftsstelle in dieser Frage ist dadurch nicht ausgeschlossen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 16. Oktober 1956 VI ZR 174/55, Neue Juristische Wochenschrift 1956 S. 1878 - NJW 1956, 1878 -).
Die richterliche Durchsuchungsermächtigung ist eine Entscheidung eigener Art. Auf sie ist die Regelung des § 53 Abs. 1 und 2 FGO nicht anwendbar, wonach Entscheidungen der FG, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) zuzustellen sind. Das ergibt sich schon aus folgender Überlegung: Auch nach Auffassung des BVerfG in seinem Beschluß in BVerfGE 51, 97, BStBl II 1979, 601 gibt es Fälle, in denen eine richterliche Durchsuchungsermächtigung ohne Anhörung des Vollstrekkungsschuldners erlassen werden kann, wenn zu befürchten ist, daß der gewarnte Schuldner die in der Wohnung befindlichen pfändbaren Sachen beiseite schafft. Ein solches Vorgehen könnte aber niemals zu dem gewünschten Überraschungseffekt führen, wenn die entsprechende Entscheidung dem Vollstreckungsschuldner zugestellt werden müßte, bevor die Verwaltung davon Gebrauch machen kann.
Die Finanzgerichtsordnung enthält keine Regelung für die Bekanntgabe einer richterlichen Durchsuchungsermächtigung an den Vollstreckungsschuldner. Es sind daher die einschlägigen Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend anwendbar (§ 155 FGO). Heranzuziehen ist § 761 ZPO. Das BVerfG hat im zuletzt zitierten Beschluß, der zur Notwendigkeit einer richterlichen Durchsuchungsermächtigung in Fällen der Vollstrekkungsdurchsuchung nach § 758 ZPO ergangen ist, ausdrücklich ausgeführt (vgl. Abschn. II der Urteilsgründe), daß das bei der Erteilung der Durchsuchungsermächtigung einzuhaltende Verfahren ohne besondere Schwierigkeiten in Analogie zu dem Verfahren nach § 761 ZPO gestaltet werden kann. In § 761 ZPO ist vorgeschrieben, daß Vollstreckungsverhandlungen zur Nachtzeit sowie an Sonntagen und allgemeinen Feiertagen nur mit Erlaubnis des Richters erfolgen sollen, und daß die Verfügung, durch die die Erlaubnis erteilt wird, bei der Zwangsvollstreckung vorzuzeigen ist. Aus dieser Vorschrift wird allgemein der Schluß gezogen, daß die richterliche Durchsuchungsermächtigung nicht zuzustellen ist (vgl. Stein-Jonas-Pohle, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 20. Aufl., § 761 Anm. I; Wieczorek, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, § 761 ZPO Anm. C; Zöller, Zivilprozeßordnung, 12. Aufl., § 761 Anm. III). Es besteht kein Anlaß, im Falle der richterlichen Durchsuchungsermächtigung im Rahmen des § 287 AO 1977 anders zu verfahren, weil insoweit die Interessenlage die gleiche ist. Es ist allerdings zweckmäßig, daß der Vollziehungsbeamte dem Vollstreckungsschuldner die richterliche Durchsuchungsermächtigung vor Durchführung der Durchsuchung nicht nur vorzeigt, sondern ihm eine Abschrift davon übergibt, um ihm die Wahrung seiner Rechte zu erleichtern (vgl. auch § 188 Abs. 3 ZPO).
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Es bedurfte lediglich einer Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, da in der ersten Instanz Kosten nicht angefallen sind. Der Vollstreckungsschuldner und sein Prozeßbevollmächtigter waren im Verfahren vor dem FG nicht eingeschaltet und Gerichtsgebühren konnten nicht entstehen (§ 1 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und Nr. 1300 ff. des Kostenverzeichnisses).
Fundstellen
Haufe-Index 73303 |
BStBl II 1980, 399 |
BFHE 1980, 136 |