Leitsatz (amtlich)
Die für die Revisionsschrift und Revisionsbegründungsschrift notwendige eigenhändige Unterschrift des Rechtsmittelführers oder des Prozeßbevollmächtigten erfordert die handschriftliche Unterzeichnung mit dem vollen Namen; die Abzeichnung mit offensichtlich nur einzelnen Buchstaben des Namens - sog. Paraphe - genügt nicht.
Normenkette
FGO § 120 Abs. 1
Tatbestand
Im finanzgerichtlichen Verfahren hatte der Kläger und Revisionskläger begehrt, seine Hühnerfarm als landwirtschaftliches Vermögen und nicht als Geschäftsgrundstück im Einheitswert-Verfahren auf den 1. Januar 1964 zu bewerten. Die Klage wurde abgewiesen. Prozeßbevollmächtigter war zur Zeit des Ergehens des Urteils Rechtsanwalt und Notar Dr. Kieselmann. Ihm wurde das Urteil am 26. August 1970 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 14. September 1970, der zugleich den Revisionsantrag und die Revisionsbegründung enthielt, legte er Revision ein. Der Schriftsatz, mit Briefkopf Dr. Kieselmann, Rechtsanwalt und Notar, ist handschriftlich mit "Ki" abgezeichnet.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unzulässig.
Das Schreiben vom 14. September 1970 ist zwar innerhalb der Fristen des § 120 FGO beim FG eingegangen; gleichwohl liegt keine rechtzeitig eingelegte Revision mit Revisionsbegründung vor, da das Schreiben, das allein als fristgerechtes Rechtsmittel und als dessen Begründung in Betracht kommt, mangels Unterschrift nicht die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform erfüllt. Spätere fristgerechte Schriftsätze mit voller Unterschrift, die unter Umständen der Ergänzung oder Heilung dienen könnten, liegen nicht vor.
Hinsichtlich der eigenhändigen Unterschrift unter prozessuale Schriftsätze hat der erkennende Senat in verschiedenen Urteilen (III R 86/68 vom 29. August 1969, BFH 97, 226, BStBl II 1970, 89, und III R 127/69 vom 15. Januar 1971, BFH 101, 475, BStBl II 1971, 397) entschieden, daß bestimmende Schriftsätze (Klage, Revision - § 64 Abs. 1, § 120 Abs. 1 FGO -) eigenhändig vom Rechtsmittelführer oder seinem Prozeßbevollmächtigten unterschrieben sein müssen. Weder der Briefkopf, noch eine beigefügte oder bei den Akten befindliche Vollmacht des Klägers auf den Prozeßbevollmächtigten, noch nachträgliche Erklärungen nach Ablauf der Rechtsmittelund Rechtsmittelbegründungsfrist können den Mangel der fehlenden Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten heilen. Die für Klagen und Revisionen notwendige Voraussetzung der eigenhändigen Unterschrift gilt auch für die Revisionsbegründung. Nach dem Beschluß des BFH I R 15/71 vom 14. Juli 1971 (BFH 103, 116, BStBl II 1972, 16) erfordert nach dem Wortlaut des § 120 FGO das "schriftlich begründen" die handschriftliche Unterzeichnung der Revisionsbegründung durch den Revisionskläger oder dessen Prozeßbevollmächtigten. Das BVerfG (2 BvR 667/71 vom 14. Oktober 1971) hat eine Verfassungsbeschwerde gegen den BFH-Beschluß VI R 219/69 vom 30. April 1971, der die handschriftliche Unterzeichnung der Revisionsbegründung für die Zulässigkeit der Revision erforderte, zur Entscheidung nicht angenommen, weil die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg habe (§ 93a Abs. 2 u. 3 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht).
Der BFH hat den Fall der Unterzeichnung eines bestimmenden Schriftsatzes mit abgekürztem Namenszeichen noch nicht ausdücklich entschieden, wohl aber erkennbar unter anderem in den oben genannten Entscheidungen (I R 15/71 und III R 127/69) auf das Erfordernis einer vollständigen Unterschrift dadurch hingewiesen, daß dort eine "Namensunterschrift" und "eine eigenhändige Unterschrift" verlangt wurde.
Der BGH hat indessen zu den Anforderungen an die Unterschrift prozessualer Schriftsätze eindeutig Stellung genommen. Diese Entscheidungen sind auch für den BFH im Hinblick auf das Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968 (BGBl I 1968, 661) von Bedeutung. Nach dem BGH-Urteil g. L. 2 StR 550/58 vom 7. Januar 1959 (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Bd. 12 S. 317) zu § 345 Abs. 2 StPO und § 130 ZPO ist unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts zur Revisionsbegründung eigenhändige Unterschrift durch entsprechende Schriftzeichen mit dem vollen bürgerlichen Namen erforderlich. Wenn die Unterzeichnung auch nicht lesbar zu sein brauche, so sei es doch keine Unterzeichnung, wenn das ursprüngliche Schriftbild aus Buchstaben in willkürliche Striche und Linien aufgelöst sei und der Schriftzung charakteristischer Merkmale entbehre. Das Mindesterfordernis sei, daß ein Dritter, der den Namen des Unterzeichnenden kenne, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen könne. Der BGH erkannte im o. g. Fall die Unterschrift des Rechtsanwalts, die aus mehreren zusammenhängenden, teils waagerecht, teils senkrecht verlaufenden Bögen und Linien verschiedener Größen bestand, noch als Grenzfall an, da sie insgesamt noch Schriftzeichen erkennen lasse. Ähnlich sah der BGH in der Entscheidung VII ZR 57/63 vom 14. Mai 1964 (Monatsschrift für Deutsches Recht 1964 S. 747) ein Schriftbild, beginnend mit einem E mit anschließendem Teil bestehend aus einer gewellten Linie mit einem abschließenden Auf- und Abstrich noch als Unterschrift an. Den dort aufgestellten Anforderungen an die Unterschrift für die Unterzeichnung eines bestimmenden Schriftsatzes entspricht der BGH-Beschluß VI ZB 18/70 vom 22. Dezember 1970 (HFR 1971, 307), wonach es grundsätzlich eines individuell geformten Schriftzuges bedürfe, eine Unterschrift jedoch bereits dann vorliege, wenn das dem ersten Buchstaben Nachfolgende nicht aus lesbaren Buchstaben bestehe. Der Beschluß hebt aber als Grundsatz und in der Zitierung vorangegangener BGH-Entscheidungen hervor, daß für die Unterzeichnung eines bestimmenden Schriftsatzes eine sog. Paraphe nicht genüge.
Die vom BGH aufgestellten Grundsätze rechtfertigen im vorliegenden Streitfall nicht die Annahme der notwendigen Unterschrift des Rechtsanwalts Dr. Kieselmann, da sich hier an die Buchstaben "Ki" nicht irgendwelche Linien anschließen, die im Zusammenhang als Schriftzug als Unterschrift gedeutet werden könnten. Bei den beiden Buchstaben des Prozeßbevollmächtigten handelt es sich vielmehr um eine bloße Paraphe. Eine solche genügt nach der Rechtsprechung des BGH als Unterschrift nicht. Denselben Sachverhalt wie im Streitfall betrifft der BGH-Beschluß I a ZB 1/67 vom 13. Juli 1967 (Juristenzeitung 1967 S. 708), nämlich die Unterzeichnung eines bestimmenden Schriftsatzes mit den beiden ersten Buchstaben des Rechtsanwalts (Dr. Yp statt Dr. Ypsilon ausgeschrieben). Dort heißt es: "Die Unterschrift muß aber bei aller Flüchtigkeit erkennen lassen, daß der Unterzeichnende seinen vollen Namen hat niederschreiben wollen. Eine erkennbar abgekürzte Form des Namens kann nicht als Unterzeichnung anerkannt werden."
Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung unter Bezugnahme auf die oben wiedergegebene Rechtsprechung des BFH an. Somit fehlt bei dem Schriftsatz vom 14. September 1970 als Revisionseinlegung und Revisionsbegründung die nach § 120 FGO erforderliche Unterschrift des Bevollmächtigten, so daß nach §§ 124, 126 FGO die Revision durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen ist.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt bereits wegen Fristablaufs (§ 56 Abs. 3 FGO) nicht in Frage.
Eines vorangehenden Hinweises des BFH über die Möglichkeit der Verwerfung der Revision bedurfte es auch unter Beachtung des § 76 Abs. 2 FGO nicht. Dem erkennenden Gericht obliegt nicht die Pflicht, vorher auf die von ihm zugrunde zu legende Rechtsauffassungen hinzuweisen. Es stellt keine den Verfahrensgrundsätzen widersprechende Überrumplung des Klägers oder Revisionsklägers dar, wenn das Gericht in seiner Entscheidung eine Rechtsauffassung vertritt, die im Laufe des Verfahrens nicht erörtert worden ist (BFH-Entscheidung VI R 80/68 vom 15. Oktober 1971, BFH 103, 191, BStBl II 1972, 14). Eine solche dem Revisionskläger ungünstige Rechtsauffassung ist hier der tragende Gesichtspunkt für die Verwerfung der Revision.
Anmerkung: Der Name des Rechtsanwalts wurde geändert!
Fundstellen
Haufe-Index 69642 |
BStBl II 1972, 427 |
BFHE 1972, 497 |