Entscheidungsstichwort (Thema)
Phasengleiche Aktivierung von Dividendenansprüchen
Leitsatz (amtlich)
Dem Großen Senat werden gemäß § 11 Abs. 4 FGO folgende Rechtsfragen zur Entscheidung vorgelegt:
1. Kann ein Unternehmer, der in seinem Betriebsvermögen eine Mehrheitsbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft hält und kraft seiner Stimmenmehrheit diese Gesellschaft beherrscht, seinen Anspruch aus einer nach Ablauf seines Geschäftsjahres beschlossenen Gewinnausschüttung der Gesellschaft in seiner Steuerbilanz zum Ende des betreffenden Geschäftsjahres ("phasengleich") aktivieren?
2. Besteht ggf. die Möglichkeit der phasengleichen Aktivierung allgemein oder nur unter bestimmten Umständen? Ist sie insbesondere davon abhängig,
- daß im Zeitpunkt der Erstellung der Bilanz des beherrschenden Unternehmens ein Gewinnverwendungsbeschluß oder ein Gewinnverwendungsvorschlag der beherrschten Gesellschaft vorliegt,
- daß die beteiligten Unternehmen einem Konzernabschluß i.S. der §§ 290 ff. HGB unterliegen oder
- daß im konkreten Einzelfall bereits am Bilanzstichtag die spätere Ausschüttung wahrscheinlich war?
Orientierungssatz
1. Der vorlegende Senat tritt dafür ein, an den bisherigen Rechtsprechungsgrundsätzen zur phasengleichen Aktivierung von Dividendenansprüchen nicht festzuhalten. Er geht vielmehr davon aus, daß ein Dividendenanspruch des Gesellschafters erst in dem Zeitpunkt entsteht, in dem das zuständige Gremium des Beteiligungsunternehmens eine entsprechende Gewinnausschüttung bzw. Gewinnverwendung beschließt. Einer Aufgabe der bislang angewandten Regeln zur phasengleichen Bilanzierung steht weder die Rechtsprechung des BGH noch diejenige des EuGH entgegen.
2. Die Rechtsprechung des Senats zur phasengleichen Aktivierung von Dividendenansprüchen (Urteil vom 3.12.1980 I R 125/77) ist durch die späteren Senatsentscheidungen zur Mindestbesitzzeit (Urteile vom 21.5.1986 I R 190/91 und I R 199/84) nicht geändert, sondern lediglich für bestimmte Fallgestaltungen präzisiert worden. Das reicht für die Anwendung des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 nicht aus.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1 S. 1, § 5 Abs. 1 S. 1; HGB § 252 Abs. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
FG Münster (EFG 1996, 213) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, deren Stammkapital in den Streitjahren (1985 und 1986) zu 100 v.H. von der X gehalten wurde. Ihr Wirtschaftsjahr stimmt mit dem Kalenderjahr überein. Im Jahr 1985 bestand ein vortragsfähiger Verlust aus dem Jahr 1980 in Höhe von 10 235 009 DM.
Am 23. Dezember 1985 erwarb die Klägerin mit Wirkung vom gleichen Tage von der X ca. 84 v.H. des Grundkapitals der H-AG zu einem Kaufpreis von 39 250 000 DM zuzüglich Börsenumsatzsteuer (49 063 DM). Den Kaufpreis beließ die X, die die Beteiligung an der H-AG im April/Mai 1985 erworben hatte, der Klägerin als Darlehen. Dieses Darlehen konnte gemäß Beschluß der Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 23. Dezember 1985 bis zum 31. Dezember 1991 in Stammkapital umgewandelt werden.
Am 24. Juni 1986 beschloß die Hauptversammlung der H-AG, deren Wirtschaftsjahr ebenfalls mit dem Kalenderjahr übereinstimmt, die Feststellung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 1985. Gleichzeitig wurde beschlossen, je Stammaktie eine Dividende von 29 DM auszuschütten. Für die Klägerin ergab sich hieraus eine Dividende --einschließlich Kapitalertragsteuer und anrechenbarer Körperschaftsteuer-- in Höhe von 8 835 212 DM.
Der Jahresabschluß der Klägerin auf den 31. Dezember 1985 wurde am 25. Juni 1986 aufgestellt und testiert. In ihm wurde die Dividende der H-AG einschließlich der anrechenbaren Steuern als Ertrag des Jahres 1985 erfaßt. Auf dieser Basis ermittelte die Klägerin für das Jahr 1985 ein Einkommen vor Verlustabzug in Höhe von 10 327 935 DM, so daß sich nach Abzug des vorgetragenen Verlustes (10 235 009 DM) ein zu versteuerndes Einkommen von 92 926 DM ergab. In ihrer Steuererklärung für das Jahr 1986 berücksichtigte die Klägerin demgemäß die Dividende der H-AG für das Jahr 1985 nicht. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte zunächst den Steuererklärungen für beide Streitjahre, stellte jedoch die Steuerfestsetzungen jeweils gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO 1977) unter den Vorbehalt der Nachprüfung.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung änderte das FA diese Bescheide nach § 164 Abs. 2 AO 1977, da es nunmehr --dem Prüfer folgend-- annahm, daß der Anspruch auf die Dividende der H-AG bei der Klägerin erst bei der Veranlagung für 1986 zu erfassen sei. Demgemäß ging es nunmehr von zu versteuernden Einkommen in Höhe von 0 DM für 1985 und von 13 803 806 DM für 1986 aus. Die hiergegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 213 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG Münster vom 10. März 1995 9 K 3507/92 K die Körperschaftsteuerbescheide 1985 und 1986 vom 26. April 1991 dahingehend zu ändern, daß die Körperschaftsteuer 1986 auf der Basis eines zu versteuernden Einkommens von 4 968 590 DM festgesetzt und das zu versteuernde Einkommen 1985 auf 92 925 DM und 1986 auf 4 968 594 DM festgestellt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Anrufung des Großen Senat erfolgt zur Klärung der im Tenor genannten Fragen, da diese im Streitfall entscheidungserheblich sind und zugleich grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 11 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufweisen:
1. Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage:
Das FG hat sein klageabweisendes Urteil im wesentlichen auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur "phasengleichen Aktivierung" gestützt. Diese geht dahin, daß ein Anspruch auf Zahlung einer Dividende zwar grundsätzlich erst dann als Wirtschaftsgut entsteht --und folglich in der Steuerbilanz des Dividendenberechtigten zu aktivieren ist--, wenn das zuständige Gremium innerhalb des Beteiligungsunternehmens eine entsprechende Gewinnausschüttung beschließt (BFH-Beschluß vom 18. September 1996 I B 4/96, BFH/NV 1997, 283; BFH-Urteil vom 26. November 1998 IV R 52/96, BFHE 187, 492, BStBl II 1999, ..., jeweils m.w.N.). Der Dividendenberechtigte kann und muß den Dividendenanspruch jedoch unter bestimmten Voraussetzungen (hierzu im einzelnen unter III. 1.) bereits zu einem früheren Zeitpunkt aktivieren, wenn er innerhalb des Beteiligungsunternehmens einen beherrschenden Einfluß ausüben kann. Eine solche vorgezogene Aktivierung kommt nach der bisherigen Rechtsprechung des vorlegenden Senats allerdings nur dann in Betracht, wenn das Beherrschungsverhältnis während des gesamten Geschäftsjahres der Beteiligungsgesellschaft bestanden hat, dessen Ergebnis ausgeschüttet wird (BFH-Urteile vom 21. Mai 1986 I R 190/81, BFHE 147, 27, BStBl II 1986, 815, 820; vom 21. Mai 1986 I R 199/84, BFHE 147, 44, BStBl II 1986, 794). Die letztgenannte Voraussetzung ist im Streitfall unstreitig nicht erfüllt.
Gleichwohl ist die Vorlagefrage im Streitfall entscheidungserheblich. Nach Auffassung des vorlegenden Senats kann nämlich, wenn die bisherige Rechtsprechung zur "phasengleichen Aktivierung" dem Grunde nach Bestand haben sollte, an der Forderung nach einer Beteiligung während des gesamten Geschäftsjahres nicht festgehalten werden (hierzu im einzelnen nachfolgend IV.). Dieser Gesichtspunkt würde mithin, für sich allein genommen, nicht zur Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils führen. Vielmehr kommt es für die Entscheidung des Streitfalls letztlich darauf an, ob grundsätzlich bei Bestehen einer Mehrheitsbeteiligung eine vorgezogene Aktivierung von Dividendenansprüchen zulässig ist und welche Einschränkungen ggf. in diesem Zusammenhang zu beachten sind.
Die Entscheidungserheblichkeit dieser Frage scheitert nicht --wie die Klägerin meint-- an § 176 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 AO 1977. Denn § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 käme nur dann zum Zuge, wenn das FA in den ursprünglichen --unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen-- Bescheiden eine später geänderte höchstrichterliche Rechtsprechung angewandt hätte. Daran fehlt es im Streitfall. Denn das FA hatte zwar zumindest in dem ursprünglichen Körperschaftsteuerbescheid 1985 die Berücksichtigung des streitigen Dividendenanspruchs auf die zuvor veröffentlichte Rechtsprechung des Senats zur phasengleichen Aktivierung (Urteil vom 3. Dezember 1980 I R 125/77, BFHE 132, 80, BStBl II 1981, 184) gestützt. Das FG hat jedoch zu Recht angenommen, daß diese Rechtsprechung durch die späteren Senatsentscheidungen zur Mindestbesitzzeit (Urteile in BFHE 147, 27, BStBl II 1986, 815, und in BFHE 147, 44, BStBl II 1986, 794) nicht geändert, sondern lediglich für bestimmte Fallgestaltungen präzisiert worden ist (ebenso BFH-Urteil vom 8. März 1989 X R 9/86, BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714). Das reicht für die Anwendung des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 nicht aus. Eine für den Streitfall erhebliche Rechtsprechungsänderung könnte allenfalls in dem jetzt anhängigen Revisionsverfahren erfolgen, was für die Anwendung des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 nicht
genügt (BFH-Urteil vom 22. Februar 1990 V R 117/84, BFHE 160, 74, BStBl II 1990, 599; von Wedelstädt in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 176 AO 1977 Rz. 18). Daß in der Zeit zwischen dem Erlaß der verschiedenen Bescheide ein oberstes Bundesgericht eine der Klägerin günstige Verwaltungsanweisung verworfen hätte, vermag der Senat ebenfalls nicht zu erkennen, so daß auch auf § 176 Abs. 2 AO 1977 ein Vertrauensschutz der Klägerin nicht gestützt werden kann.
2. Grundsätzliche Bedeutung der Vorlagefrage
Der deshalb entscheidungserheblichen Frage nach den materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer phasengleichen Aktivierung mißt der vorlegende Senat grundsätzliche Bedeutung i.S.des § 11 Abs. 4 FGO bei. Denn diese Frage betrifft zum einen alle bilanzierenden Unternehmen, die eine Mehrheitsbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft halten und von dieser Kapitalgesellschaft Dividenden beziehen. Sie ist mithin nicht nur rechtsformübergreifend, sondern auch für mehrere Einkunftsarten von Bedeutung. Darüber hinaus betrifft sie möglicherweise die Fälle der Betriebsaufspaltung, für die ebenfalls eine Anwendung der Grundsätze zur phasengleichen Aktivierung in Betracht kommen könnte (vgl. Groh, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1998, 813, 818; Saure, Die steuerliche Betriebsprüfung 1998, 131, m.w.N.). Demgemäß sind in der Vergangenheit bereits mehrere Senate des BFH mit der Problematik befaßt gewesen (hierzu nachfolgend unter III. 1.); bei mindestens einem weiteren Senat --nämlich dem III. Senat-- ist derzeit ebenfalls ein einschlägiges Verfahren (III R 21/97) anhängig. Vor diesem Hintergrund hält der Senat es im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung für geboten, daß eine Bestätigung, Änderung oder Fortbildung der bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze vom Großen Senat als senatsübergreifendem Gremium getragen wird.
III. Der vorlegende Senat tritt dafür ein, an den bisherigen Rechtsprechungsgrundsätzen zur phasengleichen Aktivierung von Dividendenansprüchen nicht festzuhalten. Er geht vielmehr davon aus, daß ein Dividendenanspruch des Gesellschafters erst in dem Zeitpunkt entsteht, in dem das zuständige Gremium des Beteiligungsunternehmens eine entsprechende Gewinnausschüttung bzw. Gewinnverwendung beschließt. Deshalb erwirbt auch der mit Mehrheit beteiligte Gesellschafter erst in diesem Moment ein von der Beteiligung zu trennendes und selbständig aktivierbares Wirtschaftsgut. Auch bei ihm kann mithin der Dividendenanspruch erst zu demjenigen Bilanzstichtag aktiviert werden, der dem Gewinnverteilungs- bzw. -verwendungsbeschluß nachfolgt. Diese Einschätzung beruht auf folgenden Erwägungen:
1. Bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung
Die Rechtsprechung zur phasengleichen Aktivierung von Dividendenansprüchen beruht ursprünglich auf der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 3. November 1975 II ZR 67/73 (BGHZ 65, 230) zur zeitlichen Zuordnung von Beteiligungserträgen in Konzernverhältnissen. Dort hat der BGH ausgeführt, daß Beteiligungserträge zwar grundsätzlich erst dann zu aktivieren seien, wenn ein Gewinnverwendungsbeschluß der Beteiligungsgesellschaft vorliegt und hierdurch ein verfügbarer Rechtsanspruch des beteiligten Unternehmens auf einen Gewinnanteil in bestimmter Höhe endgültig begründet worden ist. Eine Ausnahme von dieser Regel gelte jedoch dann, wenn der Gewinnanspruch sich gegen ein verbundenes Unternehmen mit gleichem Geschäftsjahr richte, an dem das ausschüttungsberechtigte Unternehmen mit Mehrheit beteiligt sei. In diesem Fall verfestige sich der Gewinnanspruch des Aktionärs zwar ebenfalls erst mit dem Gewinnverwendungsbeschluß zu einem der Höhe nach bestimmbaren Gläubigerrecht. Ein mit Mehrheit beteiligtes Unternehmen habe es jedoch weitgehend selbst in der Hand, eine von ihm gewünschte Gewinnverteilung in der Beteiligungsgesellschaft durchzusetzen. In welcher Weise es von dieser Möglichkeit Gebrauch mache, stehe in aller Regel in dem Zeitpunkt fest, in dem der Jahresabschluß der Tochtergesellschaft festgestellt worden sei und ein entsprechender Gewinnverwendungsvorschlag vorliege. Deshalb dürfe, wenn diese Situation bereits vor Abschluß der Prüfung bei der Muttergesellschaft gegeben sei, die betreffende Dividende bereits in diesem Abschluß aktiviert werden. Eine solche Vorgehensweise sei vor allem deshalb sachgerecht, weil sie bei verbundenen Unternehmen die Gewinne der Tochtergesellschaft ohne zeitliche Verschiebung im Jahresabschluß der Muttergesellschaft erscheinen lasse, wodurch die Aussagekraft der Bilanz der Muttergesellschaft gestärkt werde. Im übrigen stimme sie mit dem Grundsatz überein, daß wertaufhellende Tatsachen auch dann im Jahresabschluß berücksichtigt werden könnten, wenn sie erst nach Ablauf des Bilanzstichtags erkennbar geworden seien.
Aus diesen Erwägungen heraus hat der BGH die Muttergesellschaft für berechtigt gehalten, unter den beschriebenen Voraussetzungen in ihrem Jahresabschluß einen Dividendenanspruch gegenüber ihrer Tochtergesellschaft auch dann zu aktivieren, wenn die Ausschüttung der Dividende erst nach dem Bilanzstichtag beschlossen worden ist. Der BFH hat sich dieser Betrachtungsweise in der Folge angeschlossen und nach dem Grundsatz, daß ein handelsrechtliches Aktivierungswahlrecht steuerlich zu einem Aktivierungsgebot führt (BFH-Beschluß vom 3. Februar 1969 GrS 2/68, BFHE 95, 31, BStBl II 1969, 291), in den einschlägigen Fällen eine Pflicht des Mutterunternehmens zur Aktivierung des Dividendenanspruchs statuiert (BFH-Urteile vom 2. April 1980 I R 75/76, BFHE 131, 196, BStBl II 1980, 702; in BFHE 132, 80, BStBl II 1981, 184). Später hat er diese Rechtsprechung auf diejenigen Fälle ausgedehnt, in denen die Mehrheitsbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft durch einen Einzelunternehmer gehalten wird (Urteil in BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714).
Eine abweichende Handhabung hat der BFH allerdings dort für möglich erachtet, wo nach der Satzung des Beteiligungsunternehmens dessen Gewinn grundsätzlich nicht ausgeschüttet werden soll und diese Satzungsbestimmung in der Vergangenheit befolgt worden ist (BFH-Urteil vom 19. Februar 1991 VIII R 97/87, BFH/NV 1991, 808). Andererseits hat er bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die stille Gesellschafterin einer GmbH war, eine phasengleiche Aktivierung des Gewinnanspruchs unabhängig vom Zeitpunkt der Feststellung der Bilanz bei der GmbH gefordert (BFH-Urteil vom 19. Februar 1991 VIII R 106/87, BFHE 164, 34, BStBl II 1991, 569). Schließlich hat der IV. Senat in einem Fall, in dem es um die Bilanzierung bei einer Betriebsaufspaltung ging, die Frage nach der Fortgeltung der bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze ausdrücklich offen gelassen (Urteil vom 26. November 1998 IV R 52/96, BFHE 187, 492, BStBl II 1999, ...).
In seiner neueren Rechtsprechung hält inzwischen auch der BGH eine Verpflichtung --nicht nur ein Recht-- des Mutterunternehmens zur phasengleichen Aktivierung von Dividendenansprüchen für gegeben, sofern
- die Muttergesellschaft die Anteile an der Tochtergesellschaft allein
hält und deshalb die Vermutung der Abhängigkeit und
Konzernzugehörigkeit besteht (§ 17 Abs. 2, § 18 Abs. 1 Satz 3 des
Aktiengesetzes --AktG--),
- die Geschäftsjahre beider Unternehmen deckungsgleich sind und
- die Gesellschafterversammlung der Tochtergesellschaft beschließt, den
im Geschäftsjahr erzielten Gewinn ganz oder teilweise auszuschütten.
Er stellt hierbei im wesentlichen darauf ab, daß im Fall der alleinigen Beteiligung der Gewinnverwendungsbeschluß regelmäßig einen hinreichend sicheren Rückschluß auf die am Bilanzstichtag bestehende Ausschüttungsabsicht zulasse. Eine andere Beurteilung sei nur dort geboten, wo der Gewinnverwendungsbeschluß von erst nach dem Bilanzstichtag aufgetretenen Tatsachen beeinflußt worden sei, die sich nicht bereits bis zum Bilanzstichtag angebahnt haben (BGH-Urteil vom 12. Januar 1998 II ZR 82/93, BGHZ 137, 378). Diese Beurteilung, deren europarechtliche Zulässigkeit zuvor durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) bestätigt worden war (EuGH-Urteil vom 27. Juni 1996 C-234/94, DStR 1996, 1093, Internationales Steuerrecht --IStR-- 1996, 352, --Tomberger--, i.d.F. des Urteilsberichtigungsbeschlusses vom 10. Juli 1997, DStR 1997, 1416, IStR 1997, 509), war allerdings für die vom BGH getroffene Entscheidung letztlich nicht tragend (vgl. hierzu Hoffmann/Sauter, GmbH-Rundschau 1998, 318; Groh, DStR 1998, 813).
2. Sonstige Stellungnahmen zur "phasengleichen Bilanzierung"
Im Schrifttum und bei den FG ist die vorstehend beschriebene Rechtsprechung zum Teil auf Zustimmung (z.B. Weber-Grellet, Der Betrieb --DB-- 1996, 2089, 2090 f.; ders., DStR 1998, 1343, 1346; wohl auch Küspert, Betriebs-Berater --BB-- 1997, 877 ff.), zum Teil aber auch auf Kritik gestoßen (neben der Vorinstanz z.B. FG Köln, Urteil vom 10. August 1994 11 K 3664/92, EFG 1995, 109; Wassermeyer, Festschrift für Döllerer, 1988, S. 705 ff.; Kaufmann, DStR 1992, 1677 ff.; Hoffmann, BB 1996, 1051; ders., BB 1997, 1679 f.; ders. in Herzig, Europäisierung des Bilanzrechts, Köln 1997, S. 1, 16; Neu, BB 1995, 399, 401, m.w.N.; Haselmann/Schick, DB 1996, 1529, 1530, m.w.N.; vgl. auch die Nachweise zum Streitstand im BGH-Beschluß vom 21. Juli 1994 II ZR 82/93, DB 1994, 1868). Letztere ist vor allem unter drei Gesichtspunkten geübt worden:
- Zum einen wird angenommen, daß ein von der Beteiligung abgesondertes Gewinnbezugsrecht des Anteilseigners (Mutterunternehmens) erst mit dem Gewinnverwendungsbeschluß des Beteiligungsunternehmens (Tochtergesellschaft) entstehe. Vor der Beschlußfassung bestehe deshalb kein Wirtschaftsgut "Dividendenanspruch", das bei dem Beteiligungsunternehmen aktiviert werden könne (Wassermeyer, a.a.O.).
- Zum anderen wird in Abrede gestellt, daß ein später ergehender Gewinnverwendungsbeschluß (bzw. Gewinnverwendungsvorschlag) Rückschlüsse auf die am Bilanzstichtag gegebenen Absichten des (Mehrheits-)Gesellschafters zulasse. Vielmehr sei (auch) im Fall der Mehrheitsbeteiligung davon auszugehen, daß der Gesellschafter bei seiner Entscheidung über die Gewinnverwendung die dem Bilanzstichtag nachfolgenden Ereignisse (Geschäftsentwicklung, allgemeine wirtschaftliche Lage etc.) mitberücksichtigen werde (so z.B. Neu, BB 1995, 399, 401).
- Schließlich wird beanstandet, daß die Rechtsprechung die phasengleiche Aktivierung unter anderem davon abhängig mache, ob der Jahresabschluß des beherrschenden Unternehmens vor oder nach dem Gewinnverwendungsbeschluß (oder ggf. Gewinnverwendungsvorschlag) des beherrschten Unternehmens erstellt worden sei. Hierdurch werde den betroffenen Unternehmen ein Gestaltungsspielraum eröffnet, der weder mit dem Gebot einer objektivierten Rechnungslegung noch mit dem Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung vereinbar sei (Hoffmann, BB 1996, 1051). Das gelte um so mehr, als die in Rede stehenden Gestaltungen noch nach dem Bilanzstichtag erfolgen könnten (Haselmann/ Schick, DB 1996, 1529, 1532).
3. Stellungnahme des vorlegenden Senats
Der Senat hält die Kritik an der bisherigen Rechtsprechung für berechtigt. Er stimmt insbesondere der Auffassung zu, daß es nicht sachgerecht ist, die Möglichkeit der Aktivierung von Dividendenansprüchen von der zeitlichen Reihenfolge der Jahresabschlüsse bei dem beherrschenden Unternehmen einerseits und der beherrschten Gesellschaft andererseits abhängig zu machen. Diese Handhabung führt zu steuerlichen Differenzierungen und in der Folge zu Gestaltungsmöglichkeiten der Unternehmen, die mit dem Gebot einer gleichmäßigen und an der Leistungsfähigkeit orientierten Besteuerung nicht zu vereinbaren sind:
a) Der Große Senat hat in seiner Entscheidung zur steuerlichen Behandlung handelsrechtlicher Aktivierungswahlrechte ausgeführt, es dürfe nicht im Belieben des Kaufmanns stehen, durch die Nichtausübung eines solchen Wahlrechts den zur Besteuerung herangezogenen Gewinn zu vermindern. Die steuerliche Anerkennung von Bilanzierungswahlrechten stünde auch schwerlich im Einklang mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichheit der Besteuerung (Beschluß in BFHE 95, 31, 36, BStBl II 1969, 291, 293). Diese Erwägung, die die seinerzeit getroffene Entscheidung im wesentlichen getragen hat, hält der vorlegende Senat für nach wie vor zutreffend.
b) Die Rechtsprechung zur phasengleichen Aktivierung führt faktisch dazu, daß bei Beherrschungsverhältnissen dem beherrschenden Unternehmen Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet werden, die einem Bilanzierungswahlrecht weitgehend gleichkommen. Insbesondere bewirkt die Anknüpfung der Aktivierungsmöglichkeit an die Zeitfolge der Jahresabschlüsse, daß das beherrschende Unternehmen letztlich allein darüber entscheidet, ob es zu einer vorgezogenen Gewinnerfassung kommt oder nicht. Diese Problematik wird gerade im Streitfall besonders deutlich, in dem die Klägerin als beherrschende Gesellschafterin ihren Jahresabschluß genau einen Tag nach dem Gewinnverteilungsbeschluß der von ihr beherrschten Gesellschaft erstellt hat: Wäre die zeitliche Reihenfolge beispielsweise umgekehrt gewesen, so bestünde auf der Basis der bisherigen Rechtsprechung kein Zweifel daran, daß der Dividendenanspruch bei der Klägerin (erst) den Gewinn des Ausschüttungsjahres erhöhen würde. Angesichts dessen vermag der Senat keine an Sachgründen orientierte Erwägung zu erkennen, die es rechtfertigen könnte, allein wegen der von der Klägerin gesteuerten Zeitfolge eine vorgezogene Berücksichtigung des Dividendenanspruchs für richtig zu halten. Insbesondere ist offensichtlich, daß eine solche Differenzierung nicht auf den Gesichtspunkt der Leistungsfähigkeit der Klägerin am Bilanzstichtag gestützt werden kann. Demgemäß hält der Senat es für geboten, beide Fallgestaltungen im Ergebnis übereinstimmend zu behandeln.
c) Eine solche Gleichbehandlung könnte zwar sowohl durch eine Aufgabe der Rechtsprechung zur "phasengleichen Aktivierung" als auch durch die genau entgegengesetzte Lösung erreicht werden: Sie bestünde auch dann, wenn ein beherrschender Gesellschafter eine später ausgeschüttete Dividende grundsätzlich immer --und insbesondere unabhängig von der zeitlichen Abfolge der verschiedenen Jahresabschlüsse und des Ausschüttungsbeschlusses der Beteiligungsgesellschaft-- "phasengleich" aktivieren müßte (Hoffmann, BB 1997, 1679, 1680). Bei einer Gesamtabwägung der beiden genannten Lösungsmöglichkeiten hält der Senat jedoch nur die erstgenannte für sachgerecht:
aa) Aus § 29 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) ergibt sich, daß bei einer GmbH der Gewinnanspruch der Gesellschafter erst mit dem Gewinnverteilungsbeschluß (§ 29 Abs. 2 GmbHG) entsteht. Eine entsprechende Abhängigkeit des Dividendenanspruchs von Aktionären folgt aus § 58 Abs. 4 AktG. Das ist sowohl aus zivilrechtlicher (BGH-Urteile vom 24. Januar 1957 II ZR 208/55, BGHZ 23, 150, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1957, 588; vom 12. Januar 1998 II ZR 82/93, BGHZ 137, 378; BGH-Beschluß in DB 1994, 1868; Hüffer, Aktiengesetz, § 58 Rz. 26) als auch aus steuerrechtlicher Sicht (z.B. BFH-Urteile in BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714, 717; vom 17. September 1992 I R 24/92, BFH/NV 1994, 578, 579, m.w.N.) unstreitig.
bb) Eine vorzeitige steuerliche Aktivierung des betreffenden Anspruchs muß allein hieran zwar nicht notwendig scheitern. Denn unter Umständen können auch zivilrechtlich noch nicht entstandene Ansprüche aus steuerrechtlicher Sicht aktivierungsfähige Wirtschaftsgüter darstellen. Voraussetzung hierfür ist jedoch unter anderem, daß bereits am Bilanzstichtag mit einer entsprechenden Zahlung fest gerechnet werden kann (BFH-Urteile vom 9. Februar 1978 IV R 201/74, BFHE 124, 520, BStBl II 1978, 370; vom 12. April 1984 IV R 112/81, BFHE 141, 45, BStBl II 1984, 554). Diese Voraussetzung ist nach Auffassung des Senats in der hier interessierenden Konstellation nicht erfüllt:
aaa) Ob und in welchem Umfang das zuständige Gremium der Beteiligungsgesellschaft die Ausschüttung eines Gewinnes beschließt, hängt nicht allein von Faktoren ab, die bereits am Bilanzstichtag gegeben sind. Vielmehr kann in die Willensbildung, die der Beschlußfassung voraufgeht, eine Vielzahl von später eingetretenen Umständen eingehen. So ist in der Literatur zu Recht darauf hingewiesen worden, daß schon die Höhe des verteilungsfähigen Gewinns nicht selten von der Ausübung bilanzieller Wahlrechte abhängen wird, die erst nach dem Bilanzstichtag erfolgt (Wassermeyer, a.a.O., S. 705, 713; Neu, BB 1995, 399, 401, m.w.N.). Erst recht wird bei der Entscheidung darüber, in welchem Umfang der verteilungsfähige Gewinn tatsächlich zur Ausschüttung gelangt, in aller Regel die bis zum Zeitpunkt der Beschlußfassung eingetretene Entwicklung mitberücksichtigt werden. Nicht zuletzt wird diese Entscheidung häufig von steuerlichen Erwägungen abhängig sein, die der steuerliche Berater der Gesellschaft --und zwar erst nach dem Bilanzstichtag-- an die Gesellschafter herangetragen hat (Neu, BB 1995, 399, 402). Deshalb ist zumindest für den Regelfall davon auszugehen, daß nicht etwa mit dem Gewinnausschüttungsbeschluß (Gewinnverwendungsbeschluß) eine schon am Bilanzstichtag feststehende Entscheidung vollzogen wird. Vielmehr erfolgt diese Entscheidung im allgemeinen im zeitlichen Umfeld der Erstellung des Jahresabschlusses und damit erst nach dem Bilanzstichtag.
Daß dies auch bei Bestehen einer Mehrheitsbeteiligung gilt, macht gerade der Streitfall deutlich: Die Klägerin hat in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin der H-AG deren Ausschüttung ersichtlich so bemessen, daß bei ihr selbst ein Ergebnis entstand, durch das der vorhandene Verlustvortrag vollständig aufgebraucht wurde. Die Höhe der hierfür erforderlichen Ausschüttung war wiederum davon abhängig, welchen Gewinn die Klägerin aus ihrem eigenen operativen Geschäft sowie ggf. aus weiteren Beteiligungen erzielt hatte. Das aber konnte wiederum erst bei der Vorbereitung und Erstellung des Jahresabschlusses der Klägerin zuverlässig festgestellt werden. Vor diesem Hintergrund hält der Senat es für kaum denkbar, daß die Klägerin bereits am Bilanzstichtag fest entschlossen gewesen sein könnte, als Gesellschafterin der H-AG eine Ausschüttung exakt in der später beschlossenen Höhe vorzunehmen. Unabhängig von dieser Beurteilung des konkreten Einzelfalls läuft aber ganz generell die Annahme, daß für einen beherrschenden Gesellschafter die Höhe des später ausgeschütteten Gewinns schon am Bilanzstichtag festgestanden habe, nach Einschätzung des Senats auf eine Fiktion hinaus (ähnlich Neu, BB 1995, 401).
bbb) Hieraus folgt, daß der Gewinnverwendungsbeschluß (Gewinnverteilungsbeschluß) eines beherrschten Unternehmens nicht etwa die bereits am Bilanzstichtag gegebene Situation lediglich "erhellt". Der dahingehenden Argumentation des BGH (BGHZ 65, 230; BGHZ 137, 378) und des X. Senats des BFH (Urteil in BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714, 717) vermag sich der Senat deshalb nicht anzuschließen. Richtig ist vielmehr, daß (auch) im Fall der Mehrheitsbeteiligung nach dem Bilanzstichtag eintretende Umstände als konstitutive Faktoren in die Entscheidung über die Gewinnausschüttung eingehen. Sie können den später entstehenden Zahlungsanspruch des Gesellschafters sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach beeinflussen, so daß nicht angenommen werden kann, daß dieser Anspruch schon am Bilanzstichtag in eindeutiger Form vorhersehbar gewesen sei. Folglich fehlt es auch in Beherrschungsverhältnissen daran, daß die spätere Zahlung bereits am Bilanzstichtag sicher war, und damit an einer notwendigen Bedingung für das Vorliegen eines aktivierungsfähigen Wirtschaftsguts "Dividendenforderung".
ccc) In dieser Bewertung sieht sich der Senat zusätzlich durch eine weitere Erwägung bestärkt:
Handelt es sich bei dem beherrschten Unternehmen um eine GmbH, so ist es dem beherrschenden Gesellschafter ohne weiteres möglich, noch vor dem maßgeblichen Bilanzstichtag einen Beschluß über eine Vorabausschüttung zu bewirken. Hierdurch kann er nicht nur einen sicheren und aktivierbaren Dividendenanspruch herbeiführen, sondern zugleich einen zu diesem Zeitpunkt bestehenden Ausschüttungswillen objektiv und einwandfrei dokumentieren. Macht er von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch, so ist deshalb der Schluß gerechtfertigt, daß er einen entsprechenden Willen noch nicht gebildet hat. Gerade hieran zeigt sich im übrigen, daß der Verzicht auf das Rechtsinstitut der phasengleichen Aktivierung unter einem weiteren Aspekt vorzugswürdig ist: Er beläßt den betroffenen Unternehmen wirtschaftliche Gestaltungsspielräume, führt aber andererseits zu einer Berücksichtigung nur derjenigen Gestaltungen, die im Vorhinein klar und eindeutig gewählt worden sind. Das entspricht den allgemeinen Regeln, die im Ertragsteuerrecht für Vorgänge im Verhältnis zwischen Gesellschaft und beherrschendem Gesellschafter gelten, und ist deshalb nur systemgerecht.
In der im Streitfall vorliegenden Konstellation, in dem es sich bei dem Tochterunternehmen um eine AG handelt, ist die genannte Gestaltungsmöglichkeit zwar grundsätzlich nicht gegeben. Denn nach § 58 Abs. 4 AktG darf eine Zahlung an die Aktionäre erst nach Feststellung des Jahresabschlusses --und damit im neuen Geschäftsjahr-- erfolgen, und auch Abschlagszahlungen kann die Satzung erst für die Zeit nach Ablauf des Geschäftsjahres für zulässig erklären (§ 59 Abs. 1 AktG). Doch läßt sich andererseits gerade diesen Regelungen möglicherweise die Wertung des Gesetzgebers entnehmen, daß vor Ablauf eines Geschäftsjahres und vor dem Vorliegen zumindest eines vorläufigen Jahresabschlusses (§ 59 Abs. 2 Satz 2 AktG) eine wie auch immer geartete "sichere" Position der Aktionäre in bezug auf Dividenden gerade nicht begründet werden kann. Es erscheint zweifelhaft, ob eine solche Wertung bei der Bilanzierung durch den Anteilseigner durch die Annahme konterkariert werden dürfte, daß insoweit auf dessen Pläne am Bilanzstichtag abzustellen ist (ebenso bereits BFH-Urteil vom 26. November 1998 IV R 52/96, BFHE 187, 492, BStBl II 1999, ...). Sofern man dieser Erwägung nicht folgt, wäre ggf. sogar eine unterschiedliche bilanzielle Behandlung bei dem beherrschenden Gesellschafter einer GmbH einerseits und demjenigen einer AG andererseits in Betracht zu ziehen.
ddd) Vor diesem Hintergrund muß der Senat nicht der Frage nachgehen, ob die Anwendung des "Erhellungs-"Gedankens auf aktive Wirtschaftsgüter mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung --namentlich mit dem Vorsichts- und dem Realisationsprinzip-- vereinbar ist oder nicht. Er weist deshalb hierzu lediglich darauf hin, daß § 252 Abs. 1 Nr. 4 des Handelsgesetzbuchs (HGB) eine Berücksichtigung nachträglicher Erkenntnisse nur in bezug auf Risiken und Verluste zuläßt und im Gegensatz hierzu hinsichtlich der Gewinne das Realisationsprinzip besonders betont. Daraus läßt sich möglicherweise ableiten, daß nach dem Willen des Gesetzgebers eine retrospektive Beurteilung grundsätzlich nicht zur Annahme einer Gewinnrealisierung soll führen können. Und da durch § 252 HGB lediglich die hergebrachten Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung kodifiziert worden sind, könnte diese Überlegung auch dort durchgreifen, wo es --wie im Streitfall-- um eine Bilanzierung nach altem Recht geht. Selbst wenn sie aber im Ergebnis nicht durchgreifen sollte, ist jedenfalls in bezug auf Dividendenansprüche eines (Mehrheits-)Gesellschafters der "Erhellungs-"Gedanke nicht geeignet, eine phasengleiche Aktivierung zu begründen. Eine solche könnte allenfalls dann sachgerecht sein, wenn die Satzung der beherrschten Gesellschaft eine bestimmte (Mindest-)Ausschüttung vorschreibt (ähnlich Blümich/Schreiber, Einkommensteuergesetz und Nebengesetze, § 5 EStG Rz. 493, m.w.N.); eine solche Gestaltung hat das FG jedoch im Streitfall bisher nicht festgestellt.
cc) Im Ergebnis geht der Senat mithin davon aus, daß gerade der Mehrheitsgesellschafter eine Entscheidung über die Ausschüttung regelmäßig bis zum Bilanzstichtag noch gar nicht getroffen haben wird und im übrigen ohne weiteres in der Lage ist, eine bereits getroffene Entscheidung im weiteren Verlauf zu revidieren. Das steht der Annahme, daß ihm schon am Bilanzstichtag ein sicher absehbarer und deshalb bereits realisierter Dividendenanspruch zustehe, entgegen. Deshalb wird durch den Gewinnverteilungsbeschluß (Gewinnverwendungsbeschluß) der beherrschten Gesellschaft nicht etwa die am Bilanzstichtag bestehende Vermögenslage erhellt, sondern vielmehr erstmals das Wirtschaftsgut "Dividendenanspruch" begründet. Es kann mithin nicht bereits zum Bilanzstichtag aktiviert werden.
dd) Eine grundsätzliche Aufgabe der Rechtsprechung zur "phasengleichen Aktivierung" würde zudem eine Reihe von Detailproblemen entfallen lassen, die sich aus der bisherigen Handhabung ergeben und die bei einer entgegengesetzten Lösung --also einer generellen Aktivierungspflicht-- fortbestehen würden:
aaa) Der X. Senat des BFH hat es für möglich erachtet, von einer vorgezogenen (phasengleichen) Aktivierung abzusehen, falls zwischen Bilanzstichtag (des beherrschenden Unternehmens) und Bilanzierung (des beherrschten Unternehmens) unvorhersehbare wesentliche Umstände eingetreten sind (Urteil in BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714, 718; ebenso z.B. Haselmann/Schick, DB 1996, 1529, 1532). Diese Einschränkung ist auf der Basis des "Erhellungs-"Gedankens zwingend. Andererseits kann sie in der Praxis durchaus Anlaß zu Streit darüber geben, ob im Einzelfall bestimmte Umstände "wesentlich" und "unvorhersehbar" waren. Insoweit dient eine grundsätzliche Abkehr von der phasengleichen Aktivierung mehr als die gegenteilige Lösung der Praktikabilität und der Rechtssicherheit.
bbb) Ähnliches gilt in bezug auf diejenigen Fälle, in denen mehrere zeitlich gestaffelte Teilausschüttungen auf den Gewinn eines Wirtschaftsjahres erfolgen oder in denen sich der zunächst festgestellte und ausgeschüttete Gewinn der Beteiligungsgesellschaft im weiteren Verlauf --zum Beispiel im Zuge einer Betriebsprüfung-- erhöht und nunmehr der Mehrgewinn ebenfalls ausgeschüttet wird. Die konsequente Umsetzung eines Prinzips, nach dem der Mehrheitsgesellschafter immer phasengleich aktivieren muß, müßte dem Grunde nach auch diese Fälle erfassen. Anders könnten auch rückwirkende Gestaltungen nicht verhindert werden. Nach Ansicht des Senats wäre es indessen problematisch, hier die später erfolgenden Ausschüttungen ebenfalls dahin zu deuten, daß durch sie der Wille des Mehrheitsgesellschafters am Bilanzstichtag "erhellt" werde. Auch unter diesem Aspekt würde die genannte Lösung mithin Schwierigkeiten aufwerfen, die durch einen Verzicht auf jegliche "phasengleiche Bilanzierung" ohne weiteres vermieden würden.
ccc) Ferner ist in der Literatur zu Recht darauf hingewiesen worden, daß zumindest fraglich ist, ob nicht das Gebot der phasengleichen Bilanzierung durch einen beherrschenden Gesellschafter konsequenterweise auch auf etwa daneben vorhandene weitere Gesellschafter des beherrschten Unternehmens durchschlagen muß. Denn wenn gegenüber dem Mehrheitsgesellschafter die Erwägung eingreift, daß die nachträgliche Ausschüttung einen bereits am Bilanzstichtag "sicheren" Zahlungsanspruch dokumentiert, kann dies in bezug auf die entsprechenden Ansprüche der übrigen Gesellschafter nicht anders sein (Wassermeyer, a.a.O., S. 705, 710 f.; Haselmann/Schick, DB 1996, 1529, 1532; Knobbe-Keuk, Die Aktiengesellschaft 1979, 293, 301). Folgt man diesem Gedanken, so könnte ggf. ein Minderheitsgesellschafter allein deshalb zu einer vorzeitigen Aktivierung von Gewinnansprüchen gezwungen sein, weil ein anderer --nämlich der Mehrheitsgesellschafter-- im Folgejahr eine Ausschüttung veranlaßt hat. Ob sich diese Rechtsfolge noch daraus ableiten läßt, daß der künftige Zahlungsanspruch im Hinblick auf seine Sicherheit bereits als bilanzierungsfähiges Wirtschaftsgut angesehen wird, erscheint dem Senat zumindest zweifelhaft.
ddd) Schließlich würde sich bei einem Verzicht auf den Grundsatz der phasengleichen Aktivierung eine Reihe von weiteren Folgefragen erübrigen, die sich durch die bisherige Rechtsprechung ergeben und bei Annahme einer generellen phasengleichen Aktivierungspflicht des Mehrheitsgesellschafters fortbestehen würden. Das gilt etwa für die Fragen,
- aufgrund welcher Buchungsunterlagen der Dividendenanspruch bereits vor dem Ausschüttungsbeschluß in die Bilanz des Mehrheitsgesellschafters eingebucht werden soll (hierzu z.B. Neu, BB 1995, 399, 402 ff.),
- wie sich eine bis zur Ausschüttung eintretende Änderung im Gesellschafterbestand oder in der Beteiligungshöhe auf den zu aktivierenden Anspruch auswirkt (hierzu Neu, BB 1995, 399, 403),
- ob die Annahme einer "Erhellung" der Verhältnisse durch den späteren Ausschüttungsbeschluß eine zeitliche Nähe dieses Beschlusses zum Bilanzstichtag voraussetzt (vgl. hierzu Senatsurteil vom 21. Oktober 1981 I R 170/78, BFHE 134, 311, BStBl II 1982, 121; Kempermann in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 5 Rz. B 89, m.w.N.),
- ob bei Erwerb der Beteiligung im Laufe des Geschäftsjahres der gesamte Jahresgewinn der Beteiligungsgesellschaft gesondert zu aktivieren oder ob nicht der bis zum Erwerbszeitpunkt erwirtschaftete Gewinnanteil konsequenterweise dem Wert der Beteiligung zuzurechnen ist sowie
- wie sich ein vorzeitiger Ausweis der Dividende auf den Körperschaftsteuer-Anrechnungsanspruch des Gesellschafters (§ 36 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) auswirkt und welche körperschaftsteuerrechtlichen Folgen sich hieraus für die beherrschte Gesellschaft ergeben.
Der Senat verzichtet darauf, auf diese sowie auf weitere mögliche Zweifelsfragen im Zusammenhang mit der phasengleichen Bilanzierung (zu ihnen z.B. Blümich/Schreiber, a.a.O.) näher einzugehen. Er ist aber jedenfalls der Ansicht, daß alles in allem eine Abkehr von der bisherigen Handhabung die Klarheit und Praktikabilität der Rechtsanwendung verbessern würde und auch unter diesem Gesichtspunkt anzustreben ist.
4. Verhältnis zur Rechtsprechung des BGH und des EuGH
Einer Aufgabe der bislang angewandten Regeln zur phasengleichen Bilanzierung steht weder die Rechtsprechung des BGH noch diejenige des EuGH entgegen:
a) Die Entscheidungen des BGH zur "phasengleichen Aktivierung" (Urteile in BGHZ 65, 230 und in BGHZ 137, 378) beziehen sich auf die handelsrechtliche Sicht der Problematik. Mit ihr muß die hier vorzunehmende steuerrechtliche Bewertung nicht notwendig übereinstimmen. Zwar gilt nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG das Prinzip der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz. Dieses Prinzip muß jedoch zurücktreten, wenn spezifisch steuerrechtliche Gesichtspunkte eine Abweichung von der handelsrechtlichen Handhabung gebieten. Dieser Gedanke, von dem nicht zuletzt die Entscheidung des Großen Senats zur steuerrechtlichen Behandlung handelsrechtlicher Aktivierungswahlrechte (Beschluß in BFHE 95, 31, BStBl II 1969, 291) getragen wird, greift in dem hier interessierenden Zusammenhang ebenfalls durch.
aa) Nach Ansicht des BGH besteht die Möglichkeit --bzw. die Pflicht-- zur phasengleichen Aktivierung unter anderem nur dann, wenn die Gesellschafterversammlung der abhängigen Gesellschaft über die Feststellung des Jahresabschlusses und die Gewinnverwendung beschließt, bevor die Prüfung des Jahresabschlusses des mit Mehrheit beteiligten Unternehmens abgeschlossen ist (BGH-Beschluß in DB 1994, 1868). Diese Anknüpfung an eine zeitliche Abfolge, die von dem beherrschenden Unternehmen praktisch beliebig gesteuert werden kann, führt gerade zu der nach Auffassung des Senats steuerrechtlich unangemessenen wahlrechtsähnlichen Situation. Das ist genau diejenige Überlegung, die den Großen Senat seinerzeit (Beschluß in BFHE 95, 31, BStBl II 1969, 291) zu einer Abweichung von der handelsrechtlichen Handhabung bewogen hat. Insoweit hält es der Senat für nur konsequent, hier ebenfalls die steuerrechtliche von der handelsrechtlichen Beurteilung abzukoppeln.
bb) Eine solche Abkoppelung muß nicht notwendig in der Weise erfolgen, daß bei Beherrschungsverhältnissen eine generelle, unabhängig von der Zeitfolge der Jahresabschlüsse bestehende Pflicht zur vorzeitigen Aktivierung vorgesehen wird. Denn eine solche Handhabung könnte mit einem weiteren im Ertragsteuerrecht anerkannten Grundsatz kollidieren, nämlich demjenigen, daß im Verhältnis zwischen einer Gesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter rückwirkende Gestaltungen nicht zu berücksichtigen sind:
Bei dieser Bewertung geht der Senat zunächst davon aus, daß eine generelle Pflicht zur phasengleichen Aktivierung nur hinsichtlich derjenigen Gewinne der beherrschten Gesellschaft in Betracht kommt, die später tatsächlich ausgeschüttet werden. In bezug auf thesaurierte Gewinne kann sie also nicht eingreifen. Auch hält der Senat es für kaum denkbar, daß auf den "Erhellungs-"Gedanken beispielsweise eine vorzeitige Aktivierung von Gewinnansprüchen gestützt werden könnte, die zunächst thesauriert und erst in einem späteren Stadium ausgeschüttet worden sind. Im Ergebnis spricht deshalb vieles dafür, daß eine generelle phasengleiche Aktivierung sich allenfalls auf denjenigen Gewinnanspruch beziehen könnte, der aus dem ersten Gewinnverwendungsbeschluß der Untergesellschaft für das betreffende Geschäftsjahr resultiert.
Bei einer solchen Begrenzung hätte es der Mehrheitsgesellschafter der Untergesellschaft aber wiederum in der Hand, durch eine entsprechende Gestaltung der einschlägigen Beschlüsse den bei ihm zu aktivierenden Anspruch im Nachhinein nach Grund und Höhe zu beeinflussen. Damit würde das Anliegen des Steuerrechts, solche Gestaltungen nur mit Wirkung für die Zukunft zu berücksichtigen, letztlich verfehlt. Aus dieser Überlegung heraus sieht der Senat eine geeignete Lösung der Problematik nicht darin, die Rechtsprechung des BGH im Steuerrecht in einer --entsprechend den Gedanken des Großen Senats-- modifizierten Form anzuwenden. Vielmehr geht er davon aus, daß der handelsrechtlich möglicherweise zutreffende Gedanke der phasengleichen Aktivierung dem spezifisch steuerrechtlichen Grundanliegen widerspricht, gerade bei Beherrschungsverhältnissen immer nur an klar und eindeutig im voraus gestaltete Tatbestände anzuknüpfen. Diese Erwägung läßt eine Abweichung der Rechtsprechung des BFH von derjenigen des BGH ohne weiteres zu.
b) Entsprechendes gilt in bezug auf die Rechtsprechung des EuGH (Urteil in DB 1997, 1513), die ebenfalls nur die handelsrechtliche Perspektive der Problematik zum Gegenstand hat. Im übrigen geht der Senat davon aus, daß die Beurteilungskompetenz des EuGH ohnehin nicht auf steuerrechtliche Bilanzierungsfragen ausstrahlt (vgl. hierzu den Senatsbeschluß vom 8. September 1998 I R 6/96, BFHE 187, 215, BStBl II 1999, 129), so daß auch unter diesem Gesichtspunkt eine Bindungswirkung der EuGH-Rechtsprechung nicht besteht. Auf die weitere Frage, ob --und ggf. unter welchen Voraussetzungen-- der EuGH eine phasengleiche Aktivierung für gemeinschaftsrechtlich geboten oder nur für zulässig erachtet hat (vgl. hierzu einerseits Senatsbeschluß in BFH/NV 1997, 283, andererseits Groh, DStR 1998, 813, 816, m.w.N.), muß deshalb hier nicht eingegangen werden.
IV.
Sofern sich der Große Senat der hier vertretenen Auffassung nicht anschließen und die Rechtsprechung zur phasengleichen Aktivierung dem Grunde nach bestätigen sollte, wird sich die Frage stellen, unter welchen Voraussetzungen und ggf. mit welchen Einschränkungen eine solche Aktivierung steuerrechtlich zulässig bzw. geboten ist. Dazu sind aus der Sicht des Senats insbesondere folgende Punkte zu bedenken:
1. Kein Erfordernis einer Mindestbesitzzeit
Zum einen geht der vorlegende Senat davon aus, daß an seiner Rechtsprechung zum Erfordernis einer ganzjährigen Beteiligung (Urteile in BFHE 147, 27, BStBl II 1986, 815, und in BFHE 147, 44, BStBl II 1986, 794) nicht festgehalten werden könnte. Diese Rechtsprechung beruht im wesentlichen auf der Erwägung, daß der BGH (BGHZ 65, 230) die Möglichkeit der phasengleichen Aktivierung aus dem Gedanken der Einheitlichkeit des Unternehmens abgeleitet hatte und daß dieser Gedanke nicht für Wirtschaftsjahre zum Zuge kommen kann, in deren Verlauf das Unternehmen überhaupt erst zusammengewachsen ist. Zudem hatte sich der Senat seinerzeit von der Überlegung leiten lassen, daß die Aussagekraft der Bilanz des herrschenden Unternehmens leiden könnte, wenn dort der Ertrag einer erst im Jahresverlauf erworbenen Tochtergesellschaft als Geschäftserfolg des betreffenden Wirtschaftsjahres ausgewiesen wird. Unter beiden Gesichtspunkten kann indessen aus heutiger Sicht die Forderung nach einer ganzjährigen Beteiligung nicht aufrechterhalten werden.
Denn eine auf der "Einheitlichkeit des Unternehmens" aufbauende Argumentation ist schon deshalb nicht hinreichend tragfähig, weil Mutter- und Tochterunternehmen sowohl handels- als auch steuerrechtlich fraglos zwei verschiedene Unternehmen sind. Die entscheidende Frage kann mithin nur sein, ob am Bilanzstichtag des einen --des beherrschenden-- Unternehmens diesem die Gewinnausschüttung des anderen "sicher" ist oder nicht. Allein darauf hat der BGH in seinen jüngeren Entscheidungen (Beschluß in DB 1994, 1868; Urteil in BGHZ 137, 378) denn auch abgestellt. Für die Beantwortung dieser Frage kann es aber nur auf die Verhältnisse am Bilanzstichtag ankommen; ob und ggf. wie lange ein sicherer Anspruch bereits zuvor bestanden hat, ist insoweit nicht erheblich (ebenso Neu, BB 1995, 399, 400; Küspert, BB 1997, 877, 882; FG Berlin, Beschluß vom 26. Oktober 1995 VIII 334/95, EFG 1996, 75, m.w.N.). Unter diesem Aspekt kann mithin die Dauer der Beteiligung kein geeigneter Anknüpfungspunkt für die phasengleiche Aktivierung sein.
Im Ergebnis dasselbe gilt in bezug auf das Kriterium der Aussagefähigkeit der Bilanz des beherrschenden Unternehmens. Denn die Bilanz beinhaltet eine nicht zeitraum-, sondern zeitpunktbezogene Darstellung des Unternehmensvermögens; es geht in ihr immer nur um den Vermögensbestand zum Bilanzstichtag, ohne daß es darauf ankommt, auf welche Weise und zu welchem Zeitpunkt dieses Vermögen erwirtschaftet worden ist. Deshalb wird ihre Aussagefähigkeit dadurch, daß Ansprüche aus erst kurzfristig gehaltenen Beteiligungen in sie eingehen, nicht beeinträchtigt. Zwar wird sich gerade bei einer erst vor kurzem erworbenen Beteiligung eine bevorstehende Gewinnausschüttung in besonderem Maße im Wert der Beteiligung selbst niederschlagen, so daß eine zusätzliche Aktivierung des Dividendenanspruchs zu einem insgesamt überhöhten Vermögensausweis führen kann. Sofern man die Aktivierbarkeit des Dividendenanspruchs dem Grunde nach bejaht, müßte dieses Resultat jedoch hingenommen werden, da der systematisch richtige Ausgleich dann in einer Teilwertabschreibung auf den Beteiligungswert läge und die insoweit bestehenden gesetzlichen Kautelen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und § 50c Abs. 1 EStG) nicht auf der Ebene des Dividendenanspruchs ausgehebelt werden dürften.
2. Maßgeblichkeit der Verhältnisse des Einzelfalls
Der Senat hält es jedoch für denkbar, die Aktivierungsmöglichkeit zwar grundsätzlich zu bejahen, jedoch von zusätzlichen Umständen des Einzelfalls abhängig zu machen oder --umgekehrt-- für bestimmte Konstellationen auszuschließen. Er will dem Großen Senat bei den hierzu anzustellenden Überlegungen nicht vorgreifen. Doch wären aus seiner Sicht beispielsweise folgende Differenzierungen vorstellbar:
- Geltung der Grundsätze über die "phasengleiche Aktivierung" nur für Unternehmen, die einem Konzernabschluß i.S. der §§ 290 ff. HGB unterliegen;
- Pflicht zur "phasengleichen Aktivierung" nur dort, wo die Satzung der beherrschten Gesellschaft ein Ausschüttungsgebot enthält oder über einen längeren Zeitraum Ausschüttungen stattgefunden haben (a.A. aus handelsrechtlicher Sicht BGH-Urteil in BGHZ 137, 378);
- umgekehrt: regelmäßige Aktivierung mit Ausnahme bei gegenteiliger Satzungsklausel oder langjähriger Übung;
- Erfordernis oder --umgekehrt-- Entgegenstehen bestimmter Handlungen oder Erklärungen des Mehrheitsgesellschafters in der Zeit bis zum Bilanzstichtag;
- Berücksichtigungsfähigkeit sonstiger einzelfallbezogener Umstände (z.B. Anlaß für den Erwerb der Beteiligung; wirtschaftliche Lage der beteiligten Unternehmen am Bilanzstichtag, Streitigkeiten unter den Gesellschaftern der beherrschten Gesellschaft etc.).
Um dem Großen Senat eine abschließende Klärung der gesamten Problematik zu ermöglichen, bezieht der vorlegende Senat die Möglichkeit solcher Detailanforderungen ebenfalls in die Anfrage ein.
Fundstellen
Haufe-Index 55745 |
BFH/NV 1999, 864 |
BStBl II 1999, 551 |
BFHE 187, 305 |
BFHE 1999, 305 |
BB 1999, 1206 |
BB 1999, 625 |
BB 1999, 625 (Leitsatz) |
DB 1999, 669 |
DStRE 1999, 249-256 (Leitsatz und Gründe) |
DStZ 1999, 422 |
HFR 1999, 534 |
StE 1999, 164 |