Leitsatz (amtlich)
In einem Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung eines Einkommensteuerbescheides ist Ausgangspunkt für die Bemessung des Streitwertes nur der streitige Einkommensteuerbetrag. Ergänzungsabgabe- und Stabilitätszuschlagsbeträge sind in die Streitwertbemessung nicht einzubeziehen.
Normenkette
GKG § 13 Abs. 1; FGO § 69 Abs. 3
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) hat seine Revision zurückgenommen.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) beantragen, dem FA die Kosten des Revisionsverfahrens aufzuerlegen und den Wert des Streitgegenstandes auf 20 922,75 DM festzusetzen.
Entscheidungsgründe
1. Das FA hat nach § 136 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen. Diese Kostenfolge ist im Streitfall wegen des Kostenerstattungsantrags der Kläger auch förmlich auszusprechen (§ 144 FGO).
2. Das Rechtsschutzinteresse der Kläger an der Festsetzung des Streitwerts durch das Gericht ergibt sich im Streitfall daraus, daß sie eine von den bisherigen Rechtsprechungsgrundsätzen abweichende Streitwertfestsetzung begehren.
Gemäß § 13 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) ist der Streitwert in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist bei Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung zu berücksichtigen, daß hier allein um die vorläufige Befreiung des Steuerpflichtigen von der alsbaldigen Befolgung des Leistungsgebots gestritten wird; das finanzielle Interesse der Steuerpflichtigen ist lediglich auf eine mögliche Zinsersparnis bzw. auf einen solchen Gewinn gerichtet. Um gleichmäßige Ergebnisse zu erreichen, ist dieses Interesse grundsätzlich mit 10 v. H. des Hauptsachestreitwertes festgesetzt worden (vgl. insbesondere den BFH-Beschluß vom 6. Februar 1967 VII B 29/66, BFHE 87, 410, BStBl III 1967, 121). Der Senat sieht keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Im Streitfall liegen keine besonderen Umstände vor, die ausnahmsweise einen abweichenden Vomhundertsatz rechtfertigen könnten (vgl. das BFH-Urteil vom 9. Dezember 1954 IV 437/53 U, BFHE 60, 145, BStBl III 1955, 56).
Ausgehend von dem Revisionsbegehren des FA, die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) aufzuheben, durch die das FA verpflichtet worden ist, wegen
37 330 DM Einkommensteuer,
1 120 DM Ergänzungsabgabe und
1 867 DM Stabilitätszuschlag
die Vollziehung der bei der Veranlagung 1973 ergangenen Bescheide auszusetzen, ist für das Revisionsverfahren (vgl. den BFH-Beschluß vom 9. November 1976 VII R 22/76, BFHE 120, 164, BStBl II 1977, 42) ein Streitwert von 3 733 DM festzusetzen. Die Ergänzungsabgabe- und Stabilitätszuschlagsbeträge sind in die Streitwertbemessung nicht einzubeziehen.
Für das Hauptsacheverfahren in Einkommensteuersachen hat der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß Streitwert nur der jeweilige streitige Einkommensteuerbetrag ist. Sonstige Zuschläge oder Abgaben, die vom Einkommen oder von der Einkommensteuer abhängen, bleiben außer Betracht (vgl. z. B. die BFH-Beschlüsse vom 28. Juni 1978 I R 22/78, BFHE 125, 440, BStBl II 1978, 631, und vom 30. März 1978 IV R 207/74, BFHE 124, 422, BStBl II 1978, 347, mit weiteren Nachweisen). Entsprechendes gilt für das Aussetzungsverfahren. Auch hier ist Ausgangspunkt für die Bemessung des Streitwertes nur der streitige Einkommensteuerbetrag (vgl. den BFH-Beschluß vom 14. April 1967 IV B 23/66, BFHE 88, 195, BStBl III 1967, 321). Daran ändert auch nichts, daß in einem Verfahren nach § 69 Abs. 3 FGO der Umfang der Aussetzung der Vollziehung durch den Antrag des Steuerpflichtigen bestimmt wird (vgl. hierzu den BFH-Beschluß vom 7. November 1968 IV B 47/68, BFHE 94, 120, BStBl II 1969, 85) und daß das Gericht über diesen Antrag nicht (zugunsten des Steuerpflichtigen) hinausgehen darf (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO; BFH-Urteile vom 18. Dezember 1970 VI R 313/68, BFHE 102, 202 [205], BStBl II 1971, 591 [593], und vom 27. Januar 1971 I R 169/69, BFHE 101, 498, BStBl II 1971, 424). Diese Grundsätze gelten nur für Anträge mit prozeßgestaltender Wirkung. Einem Antrag, - zusammen mit der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides - auch die entsprechenden Ergänzungsabgabe- und Stabilitätszuschlagsbescheide auszusetzen, kommt diese Wirkung nur bezüglich des Einkommensteuerbescheides zu. Der Ergänzungsabgabe- und der Stabilitätszuschlagsbescheid sind - bei einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides - von Amts wegen mit auszusetzen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2 Satz 4 FGO, § 361 Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -, vgl. auch § 171 Abs. 10 AO 1977). Das folgt aus der Maßgeblichkeit der festgesetzten Einkommensteuer für diese sogenannten "Folgesteuern", die in den folgenden Vorschriften ihren Ausdruck gefunden hatte. Die Ergänzungsabgabe bemaß sich nach der festgesetzten Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer (§ 3 des Ergänzungsabgabegesetzes - ErgAbgG -). Die Bemessungsgrundlage für die Ergänzungsabgabe konnte nicht durch einen Rechtsbehelf gegen den Ergänzungsabgabebescheid angegriffen werden, sondern nur durch einen Rechtsbehelf gegen den Körperschaftsteuer- oder Einkommensteuerbescheid, der die Bemessungsgrundlage für die Ergänzungsabgabe enthielt. Wurde die Bemessungsgrundlage geändert, so änderte sich die Ergänzungsabgabe entsprechend (§ 8 ErgAbgG). Gleiches galt für den Stabilitätszuschlag (vgl. §§ 2 und 8 des Stabilitätszuschlaggesetzes).
Fundstellen
BStBl II 1979, 441 |
BFHE 1979, 300 |