Leitsatz (amtlich)
1. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß die Investitionsprämie nach § 32 KohleG zu versagen ist, wenn die Betriebstätte, zu welcher die angeschafften oder hergestellten Anlagegüter gehören, innerhalb von drei Jahren seit der Anschaffung oder Herstellung entgeltlich veräußert wird.
2. Die dreijährige Verbleibdauer gilt auch für unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens.
Normenkette
KohleG § 32
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Beschwerdegegner) war bis Ende 1973 Inhaber eines ...werkes. Mit Wirkung vom 31. Dezember 1973 veräußerte er das Unternehmen. Für die in den Jahren 1971 bis 1973 getätigten Investitionen - hauptsächlich Herstellungskosten unbeweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens - beantragte der Beschwerdegegner die Gewährung der Investitionsprämie nach § 32 des Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete vom 15. Mai 1968 - KohleG - (BGBl I 365, BStBl I 1968, 939 i. d. F. des Art. 9 StÄndG 1969 vom 18. August 1969, BGBl I, 1211, BStBl I 1969, 477). Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (FA) versagte in den Einkommensteuerbescheiden 1971 bis 1973 die Investitionsprämie, da die Wirtschaftsgüter nicht mindestens drei Jahre in der Betriebstätte des Beschwerdegegners verblieben seien. Für das Jahr 1972 setzte das FA aus anderen Gründen die Einkommensteuer auf 0 DM fest. Über die gegen die Einkommensteuerbescheide 1971 und 1973 erhobene Sprungklage ist noch nicht entschieden.
Auf den Antrag des Beschwerdegegners setzte das FG die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1971 in Höhe von 13 898 DM und für 1973 in der vollen beantragten Höhe aus. Es hielt für rechtlich zweifelhaft, daß die Investitionsprämie für die Herstellung unbeweglicher Wirtschaftsgüter versagt werden könne, weil in der Vorschrift des § 32 KohleG für solche Objekte das Erfordernis eines dreijährigen Verbleibens in der Betriebstätte nicht erwähnt sei. Soweit der Beschwerdegegner die Investitionsprämie für bewegliche Wirtschaftsgüter begehre, fehle es an einer Aufgliederung nach Wirtschaftsgütern im Sinne der Nrn. 1 und 2 des § 32 Abs. 3 KohleG.
In seiner Beschwerde, welcher das FG nicht abhalf, beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1971 und 1973 als unbegründet zurückzuweisen. Es trägt vor, daß sich die vom FG vermißte Aufschlüsselung der Investitionsobjekte nach unbeweglichen und beweglichen Wirtschaftsgütern aus den Akten (Betriebsprüfungsbericht) im einzelnen ergebe. Die Vorschrift des § 32 Abs. 3 Nr. 1 KohleG verlange, daß die beweglichen Wirtschaftsgüter drei Jahre lang in der Betriebstätte des Steuerpflichtigen verblieben. Daran fehle es, wenn innerhalb dieses Zeitraums die Wirtschaftsgüter mitsamt der Betriebstätte veräußert werden. Für unbewegliche Wirtschaftsgüter fordere das Gesetz die dreijährige Bindung zwar nicht ausdrücklich. Die für bewegliche Wirtschaftsgüter vorgeschriebene Bindung gelte indes für sie sinngemäß.
Der Beschwerdegegner beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet.
Nach § 32 Abs. 1 KohleG können Steuerpflichtige, die den Gewinn auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung nach § 5 EStG ermitteln und nach dem 30. April 1967 in einem Steinkohlenbergbaugebiet eine Betriebstätte errichten oder erweitern, auf Antrag für die nach dem 30. April 1967 und vor dem 1. Januar 1972 (Begünstigungszeitraum) im Zusammenhang mit der Errichtung oder Erweiterung der Betriebstätte angeschafften oder hergestellten abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nach Maßgabe des § 32 Abs. 2 bis 7 KohleG einen Abzug von der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer für den Veranlagungszeitraum der Anschaffung oder Herstellung bis zur Höhe von 10 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vornehmen. Nach Abs. 3 des § 32 KohleG dürfen bei der Bemessung des abzugsfähigen Betrags nur berücksichtigt werden:
1. die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Begünstigungszeitraum geliefert oder fertiggestellt worden sind und mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in der errichteten oder erweiterten Betriebstätte verbleiben,
2. die Herstellungskosten von unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Begünstigungszeitraum in einem Steinkohlebergbaugebiet fertiggestellt worden sind.
Bei der im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung nach § 69 FGO anzuwendenden summarischen Beurteilung der Sach- und Rechtslage erscheint es dem Senat nicht ernstlich zweifelhaft, daß die angeführten Vorschriften des § 32 KohleG nur solche Investitionen begünstigen, die in der Betriebstätte des Steuerpflichtigen verbleiben, und zwar die Anschaffung oder Herstellung beweglicher Wirtschaftsgüter, wenn der Steuerpflichtige während des dreijährigen Bindungszeitraums nach § 32 Abs. 3 Nr. 1 KohleG Inhaber der Betriebstätte geblieben ist, und - in entsprechender Anwendung mit Wirkung zugunsten des Steuerpflichten (d. h. nicht über den Dreijahreszeitraum hinaus) -, wenn diese Voraussetzungen auch für die unbeweglichen Anlagegüter erfüllt sind. Anderenfalls müßte nämlich die Investitionsprämie für unbewegliche Wirtschaftsgüter auch dann versagt werden, wenn die Betriebsveräußerung erst nach Ablauf der Dreijahresfrist stattfindet. Dabei scheiden besondere Fälle der unentgeltlichen Übertragung von Betriebstätten oder Einbringungsvorgänge (vgl. dazu das zum Investitionszulagesetz vom 18. August 1969 - InvZulG 1969 -, BGBl I, 1211, BStBl I 1969, 477, ergangene Schreiben des BdF vom 12. Februar 1970 IV B/2 - S 1987 - 9/70, Abschn. 5 Abs. 5, BStBl I 1970, 226 [228]) aus der Betrachtung aus. In Fällen entgeltlicher Betriebsveräußerung während des Dreijahreszeitraums ist die Verbleibvorschrift des § 32 Abs. 3 KohleG nicht mehr erfüllt. Die Begünstigung der genannten Investitionen ist nach Auffassung des Senats nicht nur objektbezogen, sondern auch personengebunden (vgl. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer einschließlich Nebengesetze, Anm. 53 ff., 56 - Stichwort "Veräußerung" - zu § 1 InvZulG 1969). Die Verbleibvorschrift des § 32 Abs. 3 Nr. 1 KohleG ist derjenigen des § 1 Abs. 5 Nr. 1 InvZulG 1969 wörtlich nachgebildet, ebenso die für unbewegliche Wirtschaftsgüter geltende Vorschrift des § 32 Abs. 3 Nr. 2 KohleG derjenigen des § 1 Abs. 5 Nr. 2 InvZulG 1969. § 1 InvZulG 1969 begünstigt nur die eigene Betriebstätte des Investors; gleiches gilt nach Auffassung des Senats auch für die Investitionsprämie nach § 32 KohleG (vgl. Herrmann-Heuer, a. a. O., Anm. 53 und 56 zu § 1 InvZulG 1969). Diese Auslegung wird bestätigt durch die Änderung der Fassung des § 1 Abs. 3 im InvZulG vom 12. Oktober 1973 - InvZulG 1973 - (BGBl I, 1493, BStBl I, 645). Danach bezieht sich die Verbleibvorschrift des § 1 Abs. 3 Nr. 1 InvZulG 1973 nunmehr ausdrücklich auf die Betriebstätte "des Stpfl.", in § 1 Abs. 3 Nr. 2 InvZulG 1973 werden ausdrücklich die "eigenbetrieblichen Zwekke" des Steuerpflichten erwähnt, denen die unbeweglichen Wirtschaftsgüter mindestens drei Jahre lang dienen müssen. Dabei handelt es sich um Klarstellungen der bisherigen, auch für die Streitjahre maßgebenden Rechtslage (vgl. Herrmann-Heuer, a. a. O., Anm. 24 und 30 zu § 1 InvZulG n. F.).
Da der Senat aus den vorstehenden Gründen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide nicht für ernstlich zweifelhaft hält, ist die Vorentscheidung aufzuheben und der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide abzulehnen.
Fundstellen
Haufe-Index 71119 |
BStBl II 1975, 737 |
BFHE 1976, 313 |