Leitsatz (amtlich)
Ein Unternehmer, der auf Grund eines Abbauvertrags Bodenbestandteile (Kies, Sand, Geröll) gewinnt und veräußert, kann für seine Lieferungen in der Regel die Großhandelsvergünstigung des § 7 Abs. 3 UStG nicht in Anspruch nehmen.
Normenkette
UStG § 7 Abs. 3
Tatbestand
Der Revisionskläger (Steuerpflichtige – Stpfl. –), ein Fuhrunternehmer, liefert u. a. Sand, Kies und Geröll an gewerbliche Unternehmer. Diese Gegenstände baut er aus einer Sandgrube ab, deren Eigentümer eine Stadtgemeinde ist. Mit dieser hat er am 4. November 1959 einen als „Abgrabungsvertrag” bezeichneten Vertrag abgeschlossen, nach dem ihm das Recht zusteht, von einer bestimmten im Abbauplan angegebenen Fläche Sand, Kies und Geröll abzugraben. Als Entgelt wurde für den abgebauten cbm Kies … DM, für den abgebauten cbm Sand … DM und für den abgebauten cbm Geröll … DM festgesetzt (§ 1 des Vertrages). Nach § 4 des Vertrages war mit dem Abbau innerhalb eines Jahres ab Vertragsabschluß zu beginnen. Ferner waren die in dieser Vorschritt enthaltenen Bedingungen betreffend die abschnittweise Abgrabung und die Neuprofilierung und Verpflanzung des Geländes nach erfolgtem Abbau zu beachten. Nach § 8 des Vertrages durfte der Stpfl. Bauwerke auf dem Abbaugelände nur mit Zustimmung des Eigentümers errichten. Für den Fall der Nichtausnutzung des Vertrages durch Nichtabgrabung über einen ununterbrochenen Zeitraum von einem Jahr sowie bei Nichteinhaltung der in den §§ 4 und 8 Ziff. 1 vorgesehenen Verpflichtungen war der Stpfl. zur Zahlung einer Vertragsstrafe von … DM verpflichtet (§ 20 des Vertrages).
Streitig ist, ob der Stpfl. für die Kies-, Sand- und Geröll-Lieferungen den ermäßigten Steuersatz des § 7 Abs. 3 UStG in Anspruch nehmen kann. Er hat diese Lieferungen in seiner Umsatzsteuererklärung als steuerbegünstigte Großhandelslieferungen behandelt und mit 1 % des Entgelts versteuert.
Das Finanzamt (FA) hielt die Voraussetzungen für eine Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht für gegeben und setzte demgemäß die Steuer gemäß § 7 Abs. 1 UStG auf 4 % des Entgelts fest. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der Berufung (Klage) hatte der Stpfl. keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) nahm an, daß der Stpfl. die abgebauten Bodenfrüchte nicht erworben, sondern gewonnen habe. Gegenstand des Vertrages sei nicht die Lieferung von Gegenständen gewesen. Dem Stpfl. sei eine bestimmte Grundfläche zur Abgrabung zwecks Gewinnung von Kies, Sand und Geröll überlassen worden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH), der sich das Schrifttum angeschlossen habe, seien Abbauverträge über Mineralien und sonstige Bodenschätze in der Regel Pachtverträge. Dieser Grundsatz stehe auch mit dem bürgerlichen Recht in Einklang. Ein Ausnahmefall liege, wie der Vertrag im einzelnen zeige, nicht vor. Beschränkungen und Verpflichtungen, die in dem Vertrag enthalten seien, stünden der Beurteilung als Pachtvertrag nicht entgegen. Desgleichen könne aus der Bemessung des Entgelts Gegenteiliges nicht hergeleitet werden. Die Vertragspartner selbst hätten den Vertrag auch nicht als Kaufvertrag, sondern als Abgrabungsvertrag bezeichnet.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Stpfl., die gemäß § 184 Abs. 2 FGO als Revision zu behandeln ist. Entscheidend sei die Würdigung der Gesamtheit der einzelnen Vertragsbestimmungen. Diese gewährten dem Stpfl. aber nicht den Gebrauch des gepachteten Grundstücks und den Genuß seiner Früchte, sondern gäben ihm ein fest umrissenes Recht zur Entnahme einer genau bestimmten Menge von Bodenbestandteilen. Nach der Rechtsprechung sei die bürgerlichrechtliche Auslegung von Rechtsverhältnissen auch für das Steuerrecht maßgebend. Nach bürgerlichem Recht sei aber die Überlassung der Kiesabfuhr bis zur Erschöpfung der Kiesgrube Kauf (Soergel-Siebert, Kommentar zum BGB, II. Band 9. Auflage vor § 581, Anm. 9 S. 331).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Stpfl. den ermäßigten Steuersatz gemäß § 7 Abs. 3 UStG nicht anwenden kann, wenn er die Bodenbestandteile Sand, Kies und Geröll auf Grund eines Pachtvertrages aus dem gepachteten Grundstück gewonnen hat (Plückebaum-Malitzky, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 9. Auflage Tz. 4486 a und 4510). Es liegt in diesem Fall kein abgeleiteter, sondern ein originärer Erwerb vor, der die Großhandelsvergünstigung ausschließt. Die Frage, ob ein Pacht- oder ein Kaufvertrag gegeben ist, ist nach ständiger Rechtsprechung des RFH (Urteil V A 389/36 vom 4. Juni 1937, Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Bd. 41 S. 313 – RFH 41, 313 –, RStBl 1937, 999; V 255/39 vom 28. Juli 939, RStBl 1939, 943), der sich der Bundesfinanzhof (BFH) angeschlossen hat (Urteil V 153/55 U vom 23. Oktober 1957, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 65 S. 585 – BFH 65, 585 –, BStBl III 1957, 457), nach bürgerlichem Recht zu entscheiden. Nach der herrschenden Meinung sind aber bürgerlich-rechtliche Abbauverträge über Bodenbestandteile in der Regel als Pachtverträge anzusehen (Palandt, Kommentar zum BGB, vor § 581; BGB-Kommentar der Reichsgerichtsräte und Bundesrichter, vor § 535 Anm. 10; Enneccerus-Lehmann, Kommentar zum BGB, Schuldrecht, II. Teil zu § 137 S. 574). Die gleiche Auffassung wird auch in ständiger Rechtsprechung vom RFH und vom BFH vertreten (RFH-Urteil V 255/39 vom 28. Juli 1939, a. a. O.; BFH-Urteil VI 169/59 S vom 21. Oktober 1960, BFH 72, 119, BStBl III 1961, 45).
Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Pachtvertrages sind nach § 581 BGB zu beurteilen. Danach muß dem Pächter der Gebrauch der gepachteten Sache und der Genuß der Früchte, soweit sie nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft als Ertrag anzusehen sind, eingeräumt werden. Zu den wesentlichen Merkmalen eines Kaufvertrages gehören die Verpflichtung des Verkäufers zur Übergabe der Kaufsache und Verschaffung des Eigentums an dieser sowie die Bezahlung des vereinbarten Kaufpreises und die Abnahme der verkauften Sache durch den Käufer. Welcher dieser Fälle vorliegt, ist nach dem tatsächlichen Inhalt der Vereinbarungen unter Würdigung der Gesamtheit der Vertragsbestimmungen zu entscheiden. Das FG mußte im vorliegenden Fall auf Grund des Vertrages vom 4 November 1959 davon ausgehen, daß ein Pachtvertrag vorliegt. Für diese Beurteilung spricht schon die Bezeichnung des Vertrages als „Abgrabungsvertrag”. Durch diesen Vertrag ist dem Stpfl. eine bestimmte Grundstücksfläche zur Gewinnung von Kies, Sand und Geröll überlassen worden. Es ist ihm das Recht eingeräumt worden, das Grundstück in der im Vertrag näher vereinbarten Weise zu nutzen und die gesamten Bodenbestandteile für seine Zwecke abzubauen. Nach § 8 Ziff. 4 des Vertrages ist der Stpfl. berechtigt, die Fläche teilweise zur landwirtschaftlichen Nutzung Dritten zu überlassen. Er darf den Wald roden und verwerten (§ 8 Ziff. 11) und ist verpflichtet, die abgebaute Fläche in bestimmter Weise zu profilieren und zu bepflanzen und den ganzen Abbaugegenstand in Obhut zu nehmen (§ 4 Ziff. 11 des Vertrages). Alle diese Bestimmungen sprechen für einen Pachtvertrag. Aus der Vertragsbestimmung, wonach der Stpfl. der Verpächterin eine etwaige Umsatzsteuer „von der Hand” zu halten hat (§ 9), ist zu entnehmen, daß die Vertragsparteien selbst einen Kaufvertrag nicht haben schließen wollen. Gegenüber diesen Merkmalen kann den beschränkenden und verpflichtenden Vereinbarungen, die von dem Stpfl. für den Abschluß eines Kaufvertrages angeführt werden, eine entscheidende Bedeutung nicht zukommen. Die Beschränkung auf eine bestimmte Art der Ausbeute und des Gebrauchs des überlassenen Gegenstands steht der Annahme eines Pachtvertrages ebensowenig entgegen, wie die Verpflichtung zur Abtragung der Bodenbestandteile und zum Abbau innerhalb einer bestimmten Zeit, Diese Pflichten erklären sich im vorliegenden Falle aus dem Interesse der Verpächterin, das Grundstück nach dem Abbau in bestimmter Weise zu verwenden und aus der Bemessung des Pachtentgelts, das sich nach der Höhe der entnommenen Güter richtet. Sie können auf die Beurteilung des Rechtsverhältnisses keinen maßgebenden Einfluß haben. Vertragsstrafen können bei Pachtverträgen und bei Kaufverträgen vereinbart sein, ohne daß daraus ein Schluß auf die Art des Vertragstyps gezogen werden kann. Auch aus der Bemessung des Entgelts kann nicht auf einen Kaufvertrag geschlossen werden. Die Höhe der Vergütung richtet sich zwar nach der Menge des entnommenen Materials. Die Vergütung bleibt aber trotzdem ein Entgelt für die Gebrauchsüberlassung eines Grundstücks mit dem Recht auf Fruchtziehung durch Gewinnung von Bodenbestandteilen. Sie wird also für eine Leistung gewährt, die die typischen Merkmale der Verpachtung aufweist (§§ 581 Abs. 1, 99 Abs. 2 BGB). Dies gilt um so mehr, als die Menge des nutzbaren Materials bei Vertragsabschluß noch unbestimmt war. Die Annahme eines Pachtvertrages wird auch noch nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Stpfl. die gesamten verwertbaren Bestandteile an Kies, Sand und Geröll abzutragen hatte, da die übrigen Vertragsbestimmungen unbedenklich die Annahme eines Pachtvertrages rechtfertigen. Der Hinweis auf die Ausführungen in dem Kommentar von Soergel greift deshalb ebenfalls nicht durch.
Fundstellen
Haufe-Index 514872 |
BFHE 1967, 328 |