Leitsatz (amtlich)
1. Der Senat bleibt dabei, daß in einer Gaststätte zum Tanz spielende Musiker regelmäßig auch dann Arbeitnehmer des Gastwirts sind, wenn sie nicht dauernd für ihn tätig sind.
2. Zwischen den nebenberuflich tätigen Angehörigen einer solchen Musikergruppe kann ein gesellschaftlicher Zusammenschluß mit der Folge, daß Vertragspartner des Gastwirts nicht der einzelne Musiker, sondern die Gemeinschaft als solche ist, nur angenommen werden, wenn eindeutige Abreden unter den Musikern feststellbar sind.
Normenkette
EStG 1961 §§ 19, 38
Tatbestand
In der Gastwirtschaft des Steuerpflichtigen spielen an den Wochenenden und Feiertagen aus vier bis sechs nebenberuflichen Musikern bestehende Tanzkapellen. Sie treten unter Phantasienamen auf und sind bei den Darbietungen einheitlich gekleidet. Der Steuerpflichtige verhandelt nicht mit den einzelnen Musikern, sondern regelmäßig mit dem Leiter der Gruppe. An diesen zahlt er auch die Gage, ohne daß ihm die Verteilung auf die einzelnen Mitglieder bekannt ist. In den Gagen waren pauschale Vergütungen für Reisekosten und zum Teil für die Gestellung einer Mikroanlage (Verstärker) enthalten. Lohnsteuerkarten legten die Musiker nicht vor. Der Steuerpflichtige führte jedoch zu eigenen Lasten eine Lohnsteuer von 25 v. H. an das FA ab. Dabei kürzte er die Gagen um den Anteil für Fahrtkosten und die Mikroanlage. Das FA, das den Abzug nicht anerkannte, forderte vom Steuerpflichtigen für die Jahre 1963 und 1964 entsprechende Lohnsteuer und Kirchensteuer nach.
Zunächst wandte der Steuerpflichtige ein, die Fahrt- und Mikropauschalen seien für die Musiker Werbungskosten; auch habe er ein "Instrumentengeld" gezahlt, das als Werkzeuggeld nach Abschn. 2 Abs. 2 Nr. 4 LStR steuerfrei bleibe. Mit der Klage machte er in erster Linie geltend, mit den einzelnen Spielern habe kein Arbeitsverhältnis bestanden, sondern nur mit der Kapelle als festgefügter Musikervereinigung in der Form einer Personengesellschaft.
Das FG trat dieser Auffassung bei und führte in seiner in EFG 1968, 123 veröffentlichten Entscheidung aus: Die Musiker seien nicht einzeln, sondern als Musikkapelle im Rahmen eines gesellschaftlichen Zusammenschlusses in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) aufgetreten. Die Kapellenleiter hätten namens der GbR die Verträge abgeschlossen und einheitliche Gagen für die gesamte Kapelle ausgehandelt. Die Musiker seien zudem unter klangvollen Phantasienamen und in einheitlichen Uniformen aufgetreten und hätten dadurch auch äußerlich ihren Zusammenschluß gezeigt. Personengesellschaften könnten aber keine Arbeitnehmer im steuerlichen Sinne sein, so daß auch der einzelne Musiker nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen gewesen sei. Dieser habe auch nicht dadurch, daß er pauschalierte Steuerabzugsbeträge abgeführt habe, die Verpflichtung übernommen, durch Falschberechnung entstandene Fehlbeträge nachzuentrichten.
Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung von § 19 EStG bzw. § 1 LStDV. Der Steuerpflichtige macht geltend, schon aus den Gründen der Entscheidung des BFH VI R 272/66 vom 29. September 1967 (BFH 90, 316, BStBl II 1968, 87) sei eine Lohnsteuernachforderung für das Jahr 1963 unzulässig.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA ist begründet.
Für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ist nach § 19 EStG, § 1 LStDV entscheidend, ob der Beschäftigte seine Arbeitskraft schuldet, d. h. ob "die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist". Diese Feststellung ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu treffen. Ebenso wie sonst für die Besteuerung nicht irgendwelche von den Beteiligten gewählte Bezeichnungen oder andere Äußerlichkeiten maßgebend sind, kommt es auch hier allein darauf an, als was das Verhältnis sich nach seiner tatsächlichen Durchführung darstellt. Dabei spielt schon die Art der Arbeit eine Rolle. Gerade für die lohnsteuerliche Beurteilung von Aushilfs- und Nebentätigkeiten hat der Senat in den Entscheidungen VI 183/59 S vom 24. November 1961 (BFH 74, 97, BStBl III 1962, 37) und VI R 228/67 vom 22. März 1968 (BFH 92, 99, BStBl II 1968, 455), ausgesprochen, bei einfachen Arbeiten sei eher eine Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers anzunehmen als bei gehobener, vor allem geistiger Arbeit, die nur in einer gewissen Freiheit hinsichtlich Ort, Zeit und Form ihrer Erledigung geleistet werden könne. Darum seien z. B. Aushilfskräfte in Gaststätten oder Musiker, die in Gaststätten oder Cafés spielen, in der Regel unselbständig (so auch das Urteil des Senats VI R 102/67 vom 11. Juni 1968, BFH 93, 135, BStBl II 1968, 726). Künstlerische oder wissenschaftliche Kräfte würden dagegen gewöhnlich selbständig tätig (vgl. BFH-Entscheidung IV 106/54 U vom 3. November 1955, BFH 62, 296, BStBl III 1956, 110, betreffend einen Berufsmusiker, der vorübergehend beim Rundfunk oder bei Schallplattenaufnahmen mitwirkte).
Nach diesen Grundsätzen müssen im Streitfall die Mitglieder der jeweils für die Feiertage und Wochenenden von ein bis drei (nicht notwendig einander folgenden) Monaten engagierten Musikergruppen als unselbständig im Sinne des Lohnsteuerrechts angesehen werden. Es handelt sich um die in solchen Tanzlokalen üblichen Darbietungen. Künstlerische Aufführungen sind weder vom Wirt beabsichtigt noch werden sie von den Gästen erwartet. Für den Wirt ist die Tanzgelegenheit ein Teil des Angebots an die Öffentlichkeit, mit der er interessiertes Publikum anziehen und das Verzehrbedürfnis anregen will. Auch die Gäste kommen nicht eines künstlerischen Genusses wegen, sondern um sich beim Tanz zu unterhalten, sie sehen in der Tanzgelegenheit eine wichtige Leistung des Wirtes, die sie für ihre Verzehrausgaben mitverlangen können. Einen Mangel der Kapelle, etwa übermäßig lange Pausen, würden sie dem Wirt anlasten, nicht anders, als wenn sie über schlechte Bedienung durch einen Kellner zu klagen hätten. In dieser Funktion der Musiker im Rahmen der Gaststätte kommt ihre Eingliederung in den wirtschaftlichen Organismus des Steuerpflichtigen zum Ausdruck. Es ist also nicht etwa so, als würden sie, gewissermaßen neben dem Steuerpflichtigen als dem Betriebsinhaber stehend, unabhängig von ihm selbständige Leistungen gegenüber dem Publikum erbringen. Mindestens insofern stehen sie unter der Leitung des Steuerpflichtigen und sind seinen Weisungen zu folgen verpflichtet, als sie während der ausbedungenen Zeit im Lokal Tanzmusik zu machen haben. Daß die Musiker keinem allgemeinen Direktionsrecht des Steuerpflichtigen unterliegen, daß er sie z. B. nicht als Kellner oder Spüljungen einsetzen kann, wie er hervorhebt, ergibt sich ohne weiteres aus der besonderen Art der Tätigkeit, für die sie angeworben sind. An diesem Ergebnis ändert der Umstand, daß der Steuerpflichtige die Namen der einzelnen Musiker nicht kannte, ebensowenig etwas wie die Tatsache, daß ihm die Aufteilung der vereinbarten Vergütungen unbekannt blieb. Diese Umstände konnten dem Steuerpflichtigen auch schon deshalb gleich sein, weil er mangels Vorlage von Steuerkarten keine Einzelberechnung vornahm, sondern, wie sein tatsächliches Verhalten zeigt, von vornherein die Absicht einer pauschalierten Lohnsteuerabführung hatte.
Das FG rechtfertigt seine von der ständigen Rechtsprechung des Senats abweichende Entscheidung mit dem gemeinsamen Namen der Musikgruppen, mit ihrer einheitlichen Kleidung und damit, daß die Leiter jeweils für die ganze Kapelle mit dem Steuerpflichtigen verhandelt haben. In Wirklichkeit sollen die fremdländisch klingenden Namen und die gleichförmige Bekleidung das Auftreten der Kapelle attraktiver gestalten. Über das Rechtsverhältnis zwischen dem Steuerpflichtigen und den Musikern besagen diese Umstände nichts; sie räumen insbesondere die vorstehend festgestellte Eingliederung in den Geschäftsbetrieb der Gaststätte des Steuerpflichtigen nicht aus. Das Verhandeln nur mit den Kapellenleitern erklärt sich ohne weiteres daraus, daß der Gastwirt praktisch gar keine andere Möglichkeit hat, als eine geschlossene Musikergruppe, eben eine "Kapelle" zu engagieren. Soll aber eine Kapelle eingestellt werden, entspricht es dem Bedürfnis der Beteiligten und empfiehlt sich aus Vereinfachungsgründen, daß nicht jeder der Musiker mit dem Wirt verhandelt, sondern nur einer von ihnen als ihr Wortführer und Beauftragter. Das gilt hier besonders deshalb, weil es sich um Personen handelt, die die Woche über ihrem eigentlichen Beruf nachgehen. Allerdings verständigen die Betreffenden sich untereinander, um zusammen einem Nebenerwerb nachzugehen. Andererseits weiß der Kapellenleiter, wer bereit ist, zur Aufbesserung seines Einkommens an Wochenenden und Feiertagen Tanzmusik zu machen. Aus diesem gegenseitigen Sich-Kennen kann nicht auf das Bestehen eines Gesellschaftsverhältnisses geschlossen werden. Dazu müßten eindeutige Abreden zwischen den Musikern feststellbar sein, mit der steuerlichen Folge einer einheitlichen Feststellung nach § 215 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 AO; ein solcher Zusammenschluß zu einer Mitunternehmerschaft könnte zur Erhebung von Umsatzsteuer oder Gewerbesteuer führen. Derartige Auswirkungen liegen erfahrungsgemäß nicht in der Absicht von nebenberuflichen Freizeitmusikern. Das muß auch im Streitfall gelten.
Das Urteil des FG, dem eine andere Rechtsauffassung zugrunde liegt, muß daher aufgehoben werden. Das gilt auch für das Jahr 1963. Allerdings verweist der Steuerpflichtige insoweit zutreffend auf die Entscheidung des Senats VI R 272/66 (a. a. O.). Danach haftet der Erwerber eines Unternehmens nach § 116 Abs. 1 Nr. 2 AO nur für Steuerabzugsbeträge, die in der Zeit vor Beginn des dem Erwerbsjahr vorangehenden Jahres fällig gewesen (nicht: entstanden) sind. Hier ist die für das Jahr 1963 nachgeforderte Lohnsteuer erst durch den Haftungsbescheid vom 6. April 1965 fällig geworden; der Steuerpflichtige hat den Betrieb aber schon am 1. Januar 1964 von seiner Mutter übernommen. Gleichwohl vermag der Senat nicht durchzuentscheiden, weil noch geprüft werden muß, ob der Steuerpflichtige nicht außerhalb des § 116 AO dem FA für die Lohnsteuer des Jahres 1963 haftet.
Die Sache wird daher an das FG zur Nachholung dieser Prüfung zurückverwiesen. Darüber hinaus muß das FG die Einwendungen des Steuerpflichtigen gegen die Höhe der Haftungsbeträge für beide Jahre untersuchen, wozu es bei der von ihm vertretenen Rechtsauffassung bisher keinen Anlaß hatte.
Fundstellen
Haufe-Index 68390 |
BStBl II 1969, 143 |
BFHE 1969, 222 |