Leitsatz (amtlich)
1. Von einer deutschen Kapitalgesellschaft an eine in den USA ansässige Kapitalgesellschaft entrichtete Vergütungen für technische Unterstützung und Beratung sowie für die Hingabe von Informationen über Fabrikationsmethoden, Verfahren und Rezepte einschließlich der Beratung bei der Anwendung dieser Methoden, Verfahren und Rezepte können - ggf. anteilig, soweit sie für die Nutzung ungeschützter Erfindungen und sonstiger Betriebsgeheimnisse gezahlt werden - als Entgelt für die "zeitlich begrenzte Überlassung gewerblicher Erfahrungen" im Sinne § 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG anzusehen sein und somit zu Einkünften im Sinne § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG führen.
2. Einer Besteuerung solcher Einkünfte in der Bundesrepublik Deutschland steht jedoch Artikel VIII DBA-USA 1954 entgegen, da diese Abkommensvorschrift Vergütungen für die Nutzung ungeschützter Erfindungen und Betriebsgeheimnisse mitumfaßt.
2. Soweit die unter 1. genannten Vergütungen für die im Wege einer laufenden Beratung erfolgende Übermittlung von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten geleistet werden, sind § 21 Abs. 1 Nr. 3, § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG jedenfalls dann nicht anwendbar, wenn die Verwertung dieser Kenntnisse nicht durch Vertrag zeitlich begrenzt ist.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 1 Nr. 3, § 49 Abs. 1 Nr. 6; DBA USA 1954 Art. 8
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige), eine Kapitalgesellschaft nach amerikanischem Recht mit Sitz in den USA, unterhält in der Bundesrepublik keine Betriebstätte und hat auch keinen ständigen Vertreter bestellt. Am 20. Mai 1955 schloß sie mit der E-GmbH ein Abkommen über technische Beratung. In diesem Abkommen erklärte sich die Steuerpflichtige bereit, der E-GmbH technische Unterstützung und Beratung bezüglich der Herstellung der Erzeugnisse, die auch die Steuerpflichtige herstellt, zu gewähren. Sie verpflichtete sich, der E-GmbH ausführliche Informationen über die durch sie angewandten "Methoden, Verfahren und Rezepte" bei der Fabrikation der betreffenden Erzeugnisse zu geben. Ferner hatte sie bei Bedarf eigenes Fachpersonal an die E-GmbH zu entsenden, um diese bei der Anwendung der besagten Methoden, Verfahren und Rezepte zu beraten und zu unterstützen. Schließlich war vereinbart, daß Beauftragte der E-GmbH von Zeit zu Zeit die Werke der Steuerpflichtigen in den Vereinigten Staaten besuchen konnten, um weitere Informationen über die angewandten Herstellungsmethoden zu gewinnen. Für diese Leistungen hatte die E-GmbH an die Steuerpflichtige für alle Produkte, die unter das Abkommen fielen, 1 v. H. der Netto-Verkaufserlöse zu zahlen. Zuzüglich waren alle Gehälter und Vergütungen der Beauftragten zu zahlen oder zu erstatten, die die Steuerpflichtige an die E-GmbH aufgrund der Vereinbarung entsandte.
Der Revisionskläger (FA) sah die Vergütungen, die der Steuerpflichtigen in den Streitjahren 1956 bis 1961 aufgrund der Vereinbarung zugeflossen waren, als Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Inland im Sinne von § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG an und veranlagte sie unter Schätzung der Betriebsausgaben zur Körperschaftsteuer 1956 bis 1958. Für die Jahre 1959 bis 1961 erließ das FA gemäß § 50a EStG in Verbindung mit § 73g EStDV gegen die Steuerpflichtige einen Körperschaftsteuer-Nachforderrungsbescheid.
Auf die gegen die Körperschaftsteuerbescheide 1956 bis 1958 und gegen den Körperschaftsteuer-Nachforderungsbescheid 1959 bis 1961 erhobene Sprungklage, mit der die Steuerpflichtige das Bestehen eines Steueranspruchs an sich bestritt und zudem vorsorglich Teilverjährung hinsichtlich der Jahre 1956 bis 1958 geltend machte, hob das FG die angefochtenen Bescheide ersatzlos auf. Es begründete seine Entscheidung damit, daß ein Tatbestand der beschränkten Steuerpflicht (§§ 2, 6 KStG, §§ 15 KStDV und § 49 EStG) nicht erfüllt sei, insbesondere, daß keine Einkünfte aus selbständiger Arbeit gegeben seien. Zum Wesen der freiberuflichen oder sonstigen selbständigen Arbeit im Sinne des § 18 EStG gehöre als wesentliches Merkmal persönliche Arbeitskraft. Dieses Tatbestandsmerkmal erfülle die Steuerpflichtige als Kapitalgesellschaft nicht. Dies allein sei jedoch nicht ausschlaggebend, denn für die Entscheidung komme es nicht auf die Rechtsform der Steuerpflichtigen, sondern auf das Wesen der aus dem Inland bezogenen Einkünfte an. Zur Beurteilung dieses Wesens dürften auch bei Beachtung der isolierenden Betrachtungsweise die im Ausland bestehenden Verhältnisse nicht außer Betracht gelassen werden. Von ausschlaggebender Bedeutung sei es, ob die Tätigkeit der Steuerpflichtigen gegenüber der E-GmbH ihrer Art nach ebensogut außerhalb eines Gewerbebetriebs, also auch von einer natürlichen Person habe ausgeführt werden können. Dies sei nicht der Fall. Der von der Steuerpflichtigen mit der E-GmbH geschlossene Vertrag sei seinem wesentlichen Inhalt nach als ein sogenannter know-how-Vertrag zu charakterisieren, da er in erster Linie die bloße betriebstechnische Beratung sowie die informatorische Überlassung von Herstellungsrezepten und Produktionsverfahren zum Gegenstand habe. Diese Art der Beratung könne aber ihrer Natur nach nicht außerhalb eines gewerblichen Betriebs, d. h. ohne mit ihm in einem inneren Zusammenhang zu stehen, erbracht werden. Dabei werde nicht verkannt, daß betriebstechnische Beratung allgemein ihrem Wesen nach freiberuflicher Art sein könne. Werde die Beratungstätigkeit jedoch erst dadurch ermöglicht, daß entsprechende industrielle Produktionserfahrungen bestehen, und werde neben der bloßen Beratung die Ausnutzung von Herstellungsgeheimnissen und dergleichen gestattet, so könne eine derartige know-how-Beratung unmöglich durch einen selbständig Tätigen im Sinne des § 18 EStG erbracht werden. Gerade die Tätigkeit der Steuerpflichtigen gegenüber der E-GmbH sei aber dadurch gekennzeichnet, daß sie ihre Produktionserfahrungen, die sie bei der Herstellung der gleichen Gegenstände in ihrem Unternehmen gewonnen habe, an die E-GmbH weitergebe. Diese Weitergabe habe in einem unmittelbaren Zusammenhang zu der sonstigen gewerblichen Tätigkeit der Steuerpflichtigen gestanden, so daß auch die daraus resultierenden Einkünfte als gewerbliche Einkünfte im Sinne von § 15 EStG anzusehen seien.
§ 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG biete mangels einer Betriebstätte im Inland keine Besteuerungsgrundlage. Auch auf § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG könne ein Steueranspruch nicht gestützt werden, weil die know-how-Gebühren keine Zahlungen aufgrund eines Miet- oder Pachtvertrages seien (vgl. Urteil des BFH I 174/60 S vom 17. Februar 1965, BFH 81, 641, BStBl III 1965, 230).
Mit der Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Körperschaftsteuer für 1956 auf 122 926 DM, für 1957 auf 120 245 DM, für 1958 auf 129 880 DM, für 1959 auf 149 422 DM, für 1960 auf 168 262 DM und für 1961 auf 167 219 DM festzusetzen. Die Festsetzung des Notopfers Berlin wird für 1956 mit 11 172 DM und für 1957 mit 10 928 DM beantragt. Gerügt wird die Verletzung der §§ 15, 18, 49, 50a EStG, § 73g EStDV, §§ 2, 6 KStG wie § 15 KStDV.
Die know-how-Vergütungen seien nach § 2 in Verbindung mit § 6 KStG, § 15 KStDV und § 49 Abs. 1 EStG inländische Einkünfte im Sinne der beschränkten Steuerpflicht. Die Auffassung, Einkünfte aus einem know-how-Vertrag ließen sich nicht als Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Sinne von § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG qualifizieren, wenn das know-how von einer Kapitalgesellschaft zur Verfügung gestellt werde, finde im geltenden Recht keine Stütze. Würden die Erfahrungen im Wege praktischer Beratung von einem ausländischen Unternehmen überlassen, so sei bei einer Isolierung der inländischen Leistung eine Ausübung oder eine Verwertung selbständiger Arbeit im Inland gegeben. Das gelte auch dann, wenn es sich bei dem Unternehmen um eine ausländische Kapitalgesellschaft handle. Auf welche Weise der beschränkt Steuerpflichtige sich die Kenntnisse, die er weitergeben wolle, verschafft habe, komme es nicht an. Bei einer Beratungstätigkeit liege das Schwergewicht in der zu erbringenden "gedanklichen Leistung" des Beraters, die auch schriftlich übermittelt werden könne. Gedankliche Leistungen seien ein typisches Merkmal der selbständigen Arbeit. Daran ändere sich auch dann nichts, wenn der die Beratung leistende Vertragspartner eine juristische Person sei, die ihre Verpflichtung durch eine natürliche Person erfüllen lasse.
Verjährung des Steueranspruchs sei nicht eingetreten, da die Verjährung durch Ermittlungshandlungen des FA unterbrochen worden sei.
Die Steuerpflichtige beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie beruft sich im wesentlichen auf die Gründe der Vorentscheidung und hält zudem an ihrer Auffassung fest, daß ein etwa entstandener Steueranspruch hinsichtlich der Jahre 1956 bis 1958 verjährt sei.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Der Senat hat in dem Urteil I R 140/66 vom heutigen Tage (BStBl II 1970, 428), auf dessen Begründung im einzelnen Bezug genommen wird, ausgeführt, daß Vergütungen, die für die Übermittlung von Erfahrungen entrichtet werden, sowohl zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit als auch zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören können. Als Einkünfte aus selbständiger Arbeit sind sie jedoch dann nicht anzusehen, wenn die Erfahrungen im Rahmen einer gewerblichen Betätigung übermittelt werden. Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz zu Recht die Erfahrungshingabe ihrer Art nach als Ergebnis einer notwendigen gewerblichen Betätigung und die dadurch erzielten Erträge als gewerbliche Gewinne angesehen. Eine Besteuerung aus § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG kommt jedoch nicht in Betracht, da die Steuerpflichtige im Inland weder eine Betriebstätte unterhält noch einen ständigen Vertreter bestellt hat.
Inwieweit die von der Steuerpflichtigen vereinnahmten Vergütungen als Entgelte für eine zeitlich begrenzte Überlassung von gewerblichen Erfahrungen im Sinne § 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG anzusehen sind mit der Folge einer Steuerpflicht aus § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG, ist weder dem sehr umfassend gestalteten Vertragswerk noch den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz zu entnehmen. Der Senat hält es für denkbar, daß aufgrund des Vertrages auch ungeschützte Erfindungen und sonstige Betriebsgeheimnisse, die einer zeitlich begrenzten Überlassung fähig sind, überlassen wurden und daß die Nutzung durch die Steuerpflichtige auf die Vertragsdauer beschränkt war. Diese Fragen bedürfen indes keiner Vertiefung, denn wenn und soweit im vorliegenden Falle die tatsächlichen Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 Nr. 6 in Verbindung mit § 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG durch Überlassung ungeschützter Erfindungen und Betriebsgeheimnisse erfüllt sein sollten, ein deutscher Steueranspruch somit grundsätzlich zu bejahen wäre, würde dieser Anspruch durch Artikel VIII des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen vom 22. Juli 1954 (BStBl I 1955, 70) - DBA-USA 1954 - ausgeschlossen sein. Nach dieser Vorschrift sind Vergütungen für die Überlassung des Gebrauchsrechts an Mustern, Plänen, geheimen Verfahren und Formeln sowie Vergütungen für die Benutzung der gewerblichen, kaufmännischen und wissenschaftlichen Aurüstung in der BRD steuerbefreit, wenn sie eine amerikanische Körperschaft bezieht, die keine Betriebstätte in der BRD hat. Der Senat hegt keine Zweifel, daß auch Vergütungen für die Überlassung ungeschützter Erfindungen und Betriebsgeheimnisse von dieser Vorschrift erfaßt werden.
Soweit der Vertrag dagegen sonstige, einem urheberrechtlichen Schutz nicht unterliegende Erfahrungen, Kenntnisse und Fertigkeiten (know-how) zum Gegenstand hat und ein Teil der gewährten Vergütungen auf die Überlassung solchen Wissens entfällt, kann eine Besteuerung schon mangels innerstaatlichen Steueranspruchs nicht erfolgen. Denn eine zeitlich begrenzte Überlassung solcher Kenntnisse liegt nicht vor. Dem Senat erscheint es zweifelhaft, ob ein derartiges Gedankengut überhaupt einer zeitlich begrenzten Überlassung fähig ist (vgl. Schmitz, Kommentar zum Internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, S. 824). Er kann diese Frage indes auf sich beruhen lassen, denn die Steuerpflichtige und die E-GmbH haben die Verwertung der laufend zu übermittelnden Erfahrungen, Kenntnisse und Fertigkeiten nicht auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt.
Angesichts dieser Beurteilung konnte die Frage dahinstehen, ob das DBA-USA 1954 in der auf den vorliegenden Fall noch anwendbaren Fassung - d. h. vor Inkrafttreten des Revisionsprotokolls vom 17. September 1965 (BStBl I 1966, 220) - die Besteuerung der Entgelte für die Vermittlung von Erfahrungen, Kenntnissen und Fertigkeiten geregelt hat.
Die Frage der Verjährung bedarf keiner Erörterung, da ein Steueranspruch bereits aus den dargelegten anderen Gründen entfällt.
Fundstellen
Haufe-Index 69045 |
BStBl II 1970, 567 |
BFHE 1970, 116 |