Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Ein Westberliner Unternehmer kann Steuerfreiheit nach § 7 Abs. 1 BGH nicht in Anspruch nehmen, wenn er zwar Das Umsatzgeschäft mit einem Unternehmer im Bundesgebiet über Einzelteile einer Maschine abgeschlossen hat, die von ihm hergestellten Gegenstände aber nicht in das Bundesgebiet ausgeführt, sondern im Auftrage der Bestellerin an deren Westberliner Zweigniederlassung gesandt hat und diese Zweigniederlassung die Teile in Maschinen montiert und sodann Maschinen in das Bundesgebiet verbracht hat.
Normenkette
BHG § 7; BerlinFG 1/1
Tatbestand
Der Streit geht um die Anerkennung der Steuerfreiheit nach § 7 des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) - BHG - für Umsätze der Beschwerdeführerin (Bfin.), die in Westberlin die Herstellung feinmechanischer Apparaturen betreibt, in den Veranlagungszeiträumen 1952 und 1953. Die X.-GmbH in A. hatte bei der Bfin. Einzelteile zur Herstellung von Lochkartenmaschinen bestellt. Im Auftrage dieser Firma sandte die Bfin. die Einzelteile jedoch nicht an die Bestellerin nach A., sondern an deren Berliner Zweigniederlassung. Die Berliner Zweigniederlassung montierte die Einzelteile in Maschinen und sandte diese Maschinen zur weiteren Bearbeitung in den Hauptbetrieb der Bestellerin in A.
Das Finanzamt hat, soweit die Lieferungen über die Berliner Zweigniederlassung gingen, die begehrte Steuerfreiheit nach dem BHG versagt. Auch im Berufungsverfahren hatte die Bfin. keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die gegen die Versagung der Steuerfreiheit gerichtete Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
Die Bfin. stützt ihre Auffassung insbesondere auf die Rundverfügung des Landesfinanzamts Berlin vom 1. März 1954 S 4167 - 59/53 (Steuer- und Zollblatt für Berlin 1954 S. 182), die der Bundesminister der Finanzen unter S 4167 K 55 in seine Umsatzsteuerkartei aufgenommen hat. Es ist jedoch vorerst zu prüfen, ob der Bfin. die begehrte Steuerfreiheit schon nach den gesetzlichen Bestimmungen zusteht. Diese Frage ist mit der Vorinstanz zu verneinen. Zwar ist das Umsatzgeschäft mit einem Unternehmer im Bundesgebiet abgeschlossen worden; Gegenstand dieses Umsatzgeschäfts waren jedoch Einzelteile, während in das Bundesgebiet Maschinen gelangt sind, in die die Einzelteile eingebaut worden waren. Es ist also ein anderer Gegenstand und nicht der Gegenstand der Lieferung in das Bundesgebiet gelangt. Es fehlt mithin an der Voraussetzung des § 7 Abs. 1 Ziff. 1 Buchstaben b und d BHG.
Zutreffend hat die Vorinstanz auch ausgeführt, daß die erwähnte Rundverfügung nicht den Tatbestand des Streitfalles trifft; denn dort wird vorausgesetzt, daß die Gegenstände von einem anderen Westberliner Unternehmer bearbeitet oder verarbeitet werden und erst dann in das Bundesgebiet gelangen. Daß dieser andere Westberliner Unternehmer keine Betriebstätte des Abnehmers im Bundesgebiet, mit dem das Umsatzgeschäft geschlossen worden ist, sein darf, geht eindeutig aus der Rundverfügung hervor; denn dort heißt es, daß zwischen dem Unternehmer im Bundesgebiet und den an der Lieferung oder Werkleistung beteiligten Westberliner Unternehmern auf Grund von getrennt abgeschlossenen Verträgen unmittelbare Rechtsbeziehungen entstanden sind. Man kann aber im Streitfalle keineswegs von unmittelbaren Rechtsbeziehungen zwischen der Abnehmerin im Bundesgebiet und ihrer Betriebstätte in Berlin sprechen, auch wenn eine in Berlin gelegene Betriebstätte eines Unternehmers im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 2 Ziff. 2 HGB "Westberliner Unternehmer in Sinne des Gesetzes" ist. § 4 BHG hat den umsatzsteuerlichen Lieferungs- und Unternehmerbegriff nicht außer Kraft setzen wollen, wonach Lieferungen zwischen Betriebstätten desselben Unternehmers nicht denkbar sind. § 4 Abs. 2 Ziff. 2 BHG ist für andere Tatbestände vorgesehen und wird z. B. praktisch, wenn eine Berliner Betriebstätte an einen fremden Abnehmer im Bundesgebiet liefert. Ohne die erwähnte Vorschrift wäre eine solche Lieferung nicht befreit. Im Streitfalle hat zwar die Bfin. rechtlich nur mit dem Unternehmen in A. zu tun, doch ist, wie die Rechtsbeschwerde verkennt, darum noch nicht der Lieferungsgegenstand, sondern ein anderes Verkehrsgut in das Bundesgebiet gelangt. Will aber die Rechtsbeschwerde dartun, daß zufolge § 4 Abs. 2 Ziff. 2 BHG die Zweigniederlassung Westberliner Unternehmer ist, so kann daraus nur geschlossen werden, daß die Bfin. die Verfügungsmacht am Lieferungsgegenstand einem Westberliner Unternehmer, nicht aber einem Unternehmer im Bundesgebiet verschafft hat, wie es das Gesetz voraussetzt.
Die Bfin. kann sich für ihre Auffassung somit weder auf das Gesetz noch auf die erwähnte Rundverfügung stützen, die ersichtlich voraussetzt, daß einem Unternehmer im Bundesgebiet zwei selbständige, von ihm unabhängige Westberliner Unternehmer gegenüberstehen. Der Bfin. ist die Steuerfreiheit somit zu Recht versagt worden. Dieses Ergebnis ist auch wirtschaftlich vertretbar, weil andernfalls, worauf der Beschwerdegegner zutreffend hinweist, die Gefahr besteht, daß für die gleiche Lieferung doppelt Berlin-Hilfe-Vergünstigungen in Anspruch genommen werden könnten. Ob dies im Streitfall tatsächlich geschehen ist, ist dabei nicht entscheidend.
Nach alledem ist die Rechtsbeschwerde mit der Kostenfolge des § 307 der Reichsabgabenordnung als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 408805 |
BStBl III 1957, 272 |
BFHE 1958, 102 |
BFHE 65, 102 |