Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer Arbeitsrecht
Leitsatz (amtlich)
Unter welchen Voraussetzungen liegt bei Hausgewerbetreibenden ein steuerunschädliches nur vorübergehendes Arbeiten unmittelbar für den Absatzmarkt im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 2 HAG vor?
Die Vorschrift des § 22 GewStDV 1955 gibt den Finanzbehörden und Steuergerichten keine Möglichkeit, für die Frage der Gewährung der gewerbesteuerlichen Vergünstigung für Hausgewerbetreibende die Schutzbedürftigkeit im Einzelfall noch besonders nachzuprüfen. Die zur umsatzsteuerlichen Befreiungsvorschrift für Hausgewerbetreibende (ß 4 Ziff. 18 UStG 1951 in Verbindung mit § 44 UStDB 1951) ergangene Rechtsprechung über die Nachprüfung der Schutzbedürftigkeit kann auf die Gewerbesteuer nicht angewendet werden.
GewStG 1955 § 11 Abs. 3; GewStDV 1955 § 22; HAG vom 14. März 1951 (BGBl 1951 I S. 191) § 1
Normenkette
GewStG § 11 Abs. 3; GewStDV § 22; HAG § 1 Abs. 1-2; HAG Abs. 2 S. 2
Tatbestand
Der Steuerpflichtige ist in Heimarbeit für Damenoberbekleidung tätig. Er hat in den Streitjahren für drei Auftraggeber im Lohnauftrag gearbeitet. Im Erhebungszeitraum 1955 hat er 20, im Erhebungszeitraum 1956 24 Werkstattarbeiter beschäftigt, dabei aber selbst wesentlich am Stück mitgearbeitet. Neben der Tätigkeit im Lohnauftrag hat der Bg. seit 1954 an die Firma X. Zuschneideware, und zwar nach einer Bestätigung dieser Firma im Rahmen eines Kommissionsverhältnisses, geliefert. Nach dem Vorbringen des Bg. handelt es sich um ein jährlich zweimaliges, auf Frühjahr und Herbst entfallendes Abstoßen der erarbeiteten Ware. Die Umsätze aus diesen Lieferungen haben nach der Feststellung des Betriebsprüfers 1954 rd. 3 v. H., 1955 rd. 20 v. H. und 1956 rd. 28 v. H. des jeweiligen Gesamtumsatzes betragen.
Streitig ist, ob der Bg. die Steuervergünstigung für Hausgewerbetreibende nach § 11 Abs. 3 GewStG 1955 in Verbindung mit § 22 GewStDV 1955 (Ermäßigung der Steuermeßzahlen für den Gewerbeertrag auf die Hälfte) in Anspruch nehmen kann. Das Finanzamt sowie im Einspruchsverfahren der Steuerausschuß haben die Vergünstigung unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs V 54/56 U vom 13. September 1956 (BStBl 1956 III S. 328, Slg. Bd. 63 S. 344) versagt. Bei den Lieferungen an die Firma X. handle es sich um eine unmittelbare Tätigkeit für den freien Absatzmarkt, die nicht mehr nur vorübergehend im Sinne des § 2 Abs. 2 des Heimarbeitsgesetzes (HAG) vom 14. März 1951 (BGBl 1951 I S. 191) sei, so daß der Bg. hierdurch seine Eigenschaft als Hausgewerbetreibender verloren habe.
Mit der Berufung hat der Steuerpflichtige geltend gemacht, er sei in den Streitjahren als Hausgewerbetreibender im Sinne des HAG in Verbindung mit der Bekanntmachung des zuständigen Heimarbeitsausschusses über die Gleichstellung betreffend die Heimarbeit in der Herstellung von Damenoberkleidung vom 11. Januar 1955 anzusehen. Nach dieser Bekanntmachung seien unter anderem die im Lohnauftrag arbeitenden Gewerbetreibenden den in § 1 Abs. 1 HAG bezeichneten Personen gleichgestellt worden, sofern ihr unmittelbarer Umsatz für den Absatzmarkt im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 25 v. H. des Gesamtumsatzes betragen habe. In seinen Umsätzen an die Firma X. seien zudem die für die Anfertigung der Stückware gezahlten Löhne sowie der Stoff enthalten. Letzterer stamme nur aus der sogenannten Zuschneideware, die bei der Ausführung von Lohnaufträgen überschüssig anfalle. Auf die Zahl der angefertigten Stücke gerechnet, mache seine Tätigkeit für den freien Absatzmarkt nur etwa 10 v. H. seiner Gesamttätigkeit aus (nach genauer Angabe im Rechtsbeschwerdeverfahren 8,2 v. H. für 1955 und 10,4 v. H. für 1956). Gegen die Auffassung des Finanzamts spreche auch die Vorschrift des § 22 Abs. 2 GewStDV 1955, die sonst überhaupt keine praktische Bedeutung hätte. Denn eine "andere gewerbliche Tätigkeit" im Sinne dieser Vorschrift könne sich in aller Regel nur in der Richtung auf den freien Absatzmarkt vollziehen. Davon werde auch in Abschn. 70 Abs. 3 GewStR 1955 ausgegangen, wo das Beispiel genannt werde, daß ein Hausgewerbetreibender noch eine andere gewerbliche Tätigkeit, z. B. als selbständiger Schneidermeister, betreibe und beide Tätigkeiten als Einheit zu behandeln seien.
Das Finanzgericht hat der Berufung stattgegeben. Es möge dahingestellt bleiben, ob der Steuerpflichtige nur zeitweise oder während des ganzen Jahres auch Lieferungen an die Firma X. getätigt habe. Es könne ihm steuerlich nicht zum Nachteil gereichen, wenn er die ihm verbliebenen Zuschneidereste derart verwertet habe. Gerade hierin - im guten Zuschneiden und in der eigenen Verwertung der Reste - lägen die von einem Hausgewerbetreibenden erzielten Gewinne. Würde man darin eine steuerschädliche Betätigung im Sinne von § 11 Abs. 3 GewStG sehen, so wäre die Anerkennung einer Steuervergünstigung nach dieser Vorschrift nahezu undenkbar. Der Bg. habe auch nicht die nach Ziff. I, 2 der Bekanntmachung vom 11. Januar 1955 erforderliche Grenze von 25 v. H. des Gesamtumsatzes an Lieferungen für den Absatzmarkt in den Vorjahren überschritten. Dem Urteil des Bundesfinanzhofs V 54/56 U vom 13. September 1956 (a. a. O.) liege ein anderer Sachverhalt zugrunde. Im dortigen Fall habe der Steuerpflichtige zusätzlich Stoffe auf eigene Rechnung eingekauft, verarbeitet und die Fertigware veräußert. Er sei seiner Art nach freier Unternehmer gewesen, während der Bg. im wesentlichen Hausgewerbetreibender geblieben sei.
Mit der Rb. hat der Vorsteher des Finanzamts geltend gemacht, das Finanzgericht habe es zu Unrecht dahingestellt gelassen, ob der Bg. nur zeitweise oder während des ganzen Jahres an die Firma X. geliefert habe. Unschädlich sei nur die vorübergehende unmittelbare Bestätigung für den Absatzmarkt. Im Gegensatz hierzu stehe die ständige derartige Tätigkeit. Entscheidend sei somit das Zeitmoment. Daß die Arbeit für die genannte Firma nicht vorübergehend gewesen sei, ergebe sich schon aus der Höhe der mit ihr getätigten Umsätze. Unerheblich sei es, ob der Bg. nur die ihm verbliebenen Stoffreste oder darüber hinaus auf eigene Rechnung eingekaufte Stoffe verwendet habe. Fehl gehe auch der Hinweis des Finanzgerichts auf Ziff. I, 2 der Gleichstellungsbekanntmachung vom 11. Januar 1955. Denn es handle sich dabei um die Gleichstellung nach § 1 Abs. 2 Buchst. c HAG. In § 22 Abs. 1 GewStDV 1955 sei die Steuervergünstigung nur auf die nach § 1 Abs. 2 Buchst. b und d des genannten Gesetzes gleichgestellten Personen erstreckt. Die Vorschrift des § 22 Abs. 2 GewStDV 1955, auf die der Bg. hingewiesen habe, sei im Streitfall ebenfalls nicht anwendbar; sie setze voraus, daß derjenige, der auf sie Anspruch erhebe, Hausgewerbetreibender im Sinne des § 22 Abs. 1 sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet, da der Vorentscheidung im Ergebnis beizutreten ist.
Nach § 11 Abs. 3 GewStG 1955 ermäßigen sich bei Hausgewerbetreibenden die Steuermeßzahlen für den Gewerbeertrag auf die Hälfte. Nach § 22 Abs. 1 GewStDV 1955 gelten als Hausgewerbetreibende im Sinne dieser Vorschrift natürliche Personen, die Hausgewerbetreibende oder Zwischenmeister im Sinne des § 2 HAG vom 14. März 1951 oder ihnen nach § 1 Abs. 2 Buchst. b und d dieses Gesetzes gleichgestellte Personen sind. § 2 Abs. 2 HAG enthält folgende Begriffsbestimmung des Hausgewerbetreibenden: "Hausgewerbetreibender im Sinne dieses Gesetzes ist wer in eigener Arbeitsstätte (eigener Wohnung oder Betriebstätte) mit nicht mehr als zwei fremden Hilfskräften im Auftrag von Gewerbetreibenden oder Zwischenmeistern Waren herstellt, bearbeitet oder verpackt, wobei er selbst wesentlich am Stück mitarbeitet, jedoch die Verwertung der Arbeitsergebnisse dem unmittelbar oder mittelbar auftraggebenden Gewerbetreibenden überläßt. Beschafft der Hausgewerbetreibende die Roh- und Hilfsstoffe selbst oder arbeitet er vorübergehend unmittelbar für den Absatzmarkt, so wird hierdurch seine Eigenschaft als Hausgewerbetreibender nicht beeinträchtigt."
Nach § 1 Abs. 2 HAG können den Hausgewerbetreibenden unter anderem gleichgestellt werden, "wenn dieses wegen ihrer Schutzbedürftigkeit gerechtfertigt erscheint":
...
Hausgewerbetreibende, die mit mehr als zwei fremden Hilfskräften arbeiten;
andere im Lohnauftrag arbeitende Gewerbetreibende, die infolge ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit eine ähnliche Stellung wie Hausgewerbetreibende einnehmen;
Zwischenmeister. Durch die erwähnte Bekanntmachung vom 11. Januar 1955 ist von dem für den Betrieb des Bg. zuständigen Heimarbeitsausschuß für die Herstellung von Damenoberkleidung und verwandten Erzeugnissen die Gleichstellung ausgesprochen worden (Ziff. I):
Für Hausgewerbetreibende mit mehr als zwei fremden Hilfskräften, ausgenommen solche mit mehr als 40 Hilfskräften im Vorjahr (Ziff. II) - § 1 Abs. 2 Buchst. b HAG -;
für im Lohnauftrag arbeitende Gewerbetreibende, sofern ihr unmittelbarer Umsatz für den Absatzmarkt im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 25 v. H. des Gesamtumsatzes betragen hat - § 1 Abs. 2 Buchst. c HAG -;
für Zwischenmeister - § 1 Abs. 2 Buchst. d HAG -. Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, daß, was die Zahl der fremden Hilfskräfte betrifft, der Bg. auf Grund dieser Bekanntmachung des Hausgewerbetreibenden im Sinne des § 2 Abs. 2 HAG gleichgestellt ist. Insoweit gehört der Bg. zu den nach § 1 Abs. 2 Buchst. b HAG gleichgestellten Personen, auf die sich nach § 22 Abs. 1 GewStDV 1955 die Steuervergünstigung des § 11 Abs. 3 GewStG 1955 erstreckt.
Mit Recht hat die Rb. den Hinweis der Vorentscheidung darauf beanstandet, daß der Bg. nicht die in Ziff. I, 2 der Bekanntmachung vom 11. Januar 1955 gezogene Grenze von 25 v. H. des Gesamtumsatzes an Lieferungen für den Absatzmarkt in den Vorjahren überschritten habe. Denn in dieser Hinsicht handelt es sich, wie in der Rb. zutreffend ausgeführt wird, um die Gleichstellung nach § 1 Abs. 2 Buchst. c HAG, die nach dem damals geltenden Recht in die Steuervergünstigung nicht mit einbezogen war (vgl. die spätere Erweiterung der Vorschrift des § 11 Abs. 3 GewStG durch das Steueränderungsgesetz 1961, BStBl 1961 I S. 449). Das Finanzgericht hätte daher prüfen müssen, ob in den Lieferungen des Bg. an die Firma X. noch eine nur vorübergehende unmittelbare Tätigkeit für den Absatzmarkt im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 2 HAG erblickt werden kann.
Zu dieser Frage hat der Bundesminister der Finanzen, der auf Ersuchen des Senats dem Verfahren beigetreten ist, folgendermaßen Stellung genommen: "Der Begriff" vorübergehend unmittelbar für den Absatzmarkt arbeiten" läßt sich verschieden auslegen. Einmal kann er den Fall treffen, daß der Hausgewerbetreibende während des größten Teils des Jahres ausschließlich für seine Auftraggeber arbeitet, vorübergehend aber ausschließlich für den Absatzmarkt tätig ist. Andererseits läßt er sich aber auch so deuten, daß der Hausgewerbetreibende zur Hauptsache für seine Auftraggeber arbeiten muß, im geringen Umfang zwischendurch oder nebenbei aber auch unmittelbar für den Absatzmarkt tätig sein darf, ohne daß dies schädlich wäre.
Es mag sein, daß die erstere Deutung näher liegt. Gleichwohl bin ich der Auffassung, daß in beiden Fällen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 des Heimarbeitsgesetzes erfüllt sind. Es ist nicht einzusehen, daß eine geringfügige Tätigkeit für den Absatzmarkt nur dann schädlich "(richtig: unschädlich)" sein soll, wenn sie sich auf eine kurze Zeit des Jahres konzentriert und während dieser kurzen Zeit völlig an die Stelle der eigentlichen Hausgewerbetätigkeit tritt. Der Begriff "vorübergehend" wird deshalb notfalls durch erweiternde Auslegung so aufgefaßt werden müssen, daß er beide Möglichkeiten einschließt.
Meine Auffassung deckt sich mit der des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Dieser hat sich wie folgt geäussert:
"Vorübergehend kann m. E. sowohl ein zeitliches als auch umfangmäßig auszurichtendes Merkmal sein. Es kann sowohl nicht ständig als auch nicht überwiegend bedeuten. Als vorübergehend wird daher solche Arbeit für den Absatzmarkt anzusehen sein, die nur gelegentlich oder auch nebenbei geleistet wird und deshalb unwesentlich für die Gesamtleistung des Betriebes ist.
Eine solche vorübergehende, nur gelegentliche Arbeit für den Absatzmarkt sollte daher nur eine Arbeit sein können, die gegenüber den für den oder die Auftraggeber erbrachten Arbeitsleistungen nicht ins Gewicht fällt und damit unbedeutend bleibt".
Bei der Prüfung der Frage, wann die Arbeit für den Absatzmarkt einen Umfang annimmt, der nach dem vorstehend Ausgeführten schädlich für die Bejahung des Hausgewerbetreibendeneigenschaft ist, wird nicht der Umsatz auf dem Absatzmarkt mit dem Gesamtumsatz verglichen werden können. Es muß beachtet werden, daß der auf dem Absatzmarkt erzielte Umsatz auch Entgeltsteile für den Stoffeinsatz einschließt, während dies bei den Umsätzen aus der Lohnarbeit nicht notwendigerweise der Fall ist. Zweckmäßig ist es, Feststellungen darüber zu treffen, in welchem Umfang die Arbeitszeit der im Betrieb Tätigen auf die Erledigung der Lohnaufträge und auf die Anfertigung der Ware für den Absatzmarkt entfällt. Die Stückzahlen der hergestellten Kleider können hierbei einen geeigneten Aufteilungsmaßstab abgeben, wenn für ihrer Herstellung im wesentlichen die gleiche Arbeitszeit erforderlich ist.
Der Bg. arbeitete nach seinen Angaben bei Zugrundelegung der Stückzahlen der angefertigten Kleider 1955 zu 8,2 % und 1956 zu 10,4 % für den Absatzmarkt. Sollten sich diese Angaben als richtig erweisen, wird m. E. noch eine unschädliche vorübergehende Tätigkeit für den Absatzmarkt angenommen werden können. Ich bin allerdings der Auffassung, daß mit 10,4 % nahezu die Obergrenze erreicht ist. über diesen Satz sollte nicht wesentlich hinausgegangen werden".
Der Bundesminister der Finanzen hat sodann zu dem Streitfall weiter folgendes ausgeführt:
"Es kann festgestellt werden, daß der Bg. bei Zugrundelegung seiner Angaben für 1955 und 1956 hinsichtlich seiner Tätigkeit im Lohnauftrag für Auftraggeber als nach § 1 Abs. 2 Buchst. b des Heimarbeitsgesetzes gleichgestellten Personen angesehen werden kann. Er erhält deshalb die Vergünstigung nach § 11 Abs. 3 GewStG 1955, und zwar auch hinsichtlich des Teiles des Ertrages, der aus der Tätigkeit für den Absatzmarkt herrührt. Welche Bedeutung man auch immer dem § 22 Abs. 2 GewStDV 1955 beimißt, so läßt sich jedenfalls aus dieser Vorschrift der Gedanke entnehmen, daß jemand, der die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 GewStDV 1955 erfüllt, nicht nur hinsichtlich seiner Erträge aus der unter das Heimarbeitsgesetz fallenden Tätigkeit, sondern auch hinsichtlich der Erträge aus der Tätigkeit für den Absatzmarkt Anspruch auf den ermäßigten Steuermeßbetrag hat, wenn er auch die Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 GewStDV 1955 erfüllt."
Der erkennende Senat tritt zunächst dem Bundesminister der Finanzen hinsichtlich der Auslegung des Begriffes "vorübergehend unmittelbar für den Absatzmarkt arbeiten" bei. Sie deckt sich mit der Auffassung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, der in erster Linie zur Beurteilung dieser arbeitsrechtlichen Frage berufen ist. Der Senat schließt sich auch den Ausführungen des Bundesministers der Finanzen zu der Frage an, bis zu welchem Umfang die Arbeit für den Absatzmarkt für die Bejahung der Eigenschaft als Hausgewerbetreibender noch als unschädlich angesehen werden kann. Die hiernach zu ziehende Grenze ist nach dem Ergebnis einer inzwischen vom Finanzamt beim Bg. vorgenommenen Sonderprüfung in den Streitjahren nicht überschritten worden. Danach entfällt auf die Erledigung der Lohnaufträge und auf die Anfertigung der Ware für den Absatzmarkt die gleiche Arbeitszeit, so daß die Stückzahlen der hergestellten Kleider einen geeigneten Aufteilungsmaßstab abgeben können. Diese ergeben eine Tätigkeit des Bg. für den Absatzmarkt für 1955 von 8,3 v. H. und für 1956 von 9,6 v. H. Der Senat ist in der Lage, diese erst im Rechtsbeschwerdeverfahren getroffenen Feststellungen bei seiner Entscheidung zu verwerten. Denn die Vorentscheidung wäre an sich aufzuheben gewesen, damit noch Ermittlungen in diesem Punkt durchgeführt werden. Die Aufhebung einer Vorentscheidung gibt aber dem Bundesfinanzhof gemäß § 296 Abs. 3 AO die Befugnis zur Würdigung tatsächlicher Verhältnisse (vgl. Kühn, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, 6. Aufl., Anm. 3 a zu § 296; Berger, Der Steuerprozeß, Anm. 3 b zu § 296 AO).
Hiernach hat der Bg. in den Streitjahren - abgesehen von der Zahl der fremden Hilfskräfte - die Voraussetzungen der Begriffsbestimmung eines Hausgewerbetreibenden nach § 2 Abs. 2 HAG erfüllt. Hinsichtlich der Zahl der fremden Hilfskräfte war er, wie ausgeführt, nach § 1 Abs. 2 Buchst. b HAG in Verbindung mit Ziff. I, 1 der Bekanntmachung vom 11. Januar 1955 einem Hausgewerbetreibenden gleichgestellt. Gemäß § 22 Abs. 1 GewStDV 1955 ist er daher als Hausgewerbetreibender im Sinne der Vergünstigungsvorschrift des § 11 Abs. 3 GewStG 1955 anzusehen. Der Senat hält es deshalb im vorliegenden Fall - entgegen den Ausführungen des Bundesministers der Finanzen - nicht mehr für erforderlich, die Vorschrift des § 22 Abs. 2 GewStDV 1955 mit heranzuziehen.
Nach alledem ist dem Finanzgericht im Ergebnis beizutreten. Zutreffend hat es auch darauf hingewiesen, daß dem zur umsatzsteuerlichen Befreiungsvorschrift (ß 4 Ziff. 18 UStG 1951 in Verbindung mit § 44 UStDB 1951) ergangenen Urteil des Bundesfinanzhofs V 54/56 U vom 13. September 1956 (a. a. O.) ein anderer Sachverhalt als der hier gegebene zugrunde liegt. Zudem enthalten die UStDV keine dem § 22 GewStDV 1955 entsprechende Vorschrift, wodurch sich auch in der rechtlichen Beurteilung Unterschiede ergeben. So erstreckt sich die Befreiung der Hausgewerbetreibenden von der Umsatzsteuer mangels einer dahingehenden Vorschrift nicht ohne weiteres auf die nach dem HAG den Hausgewerbetreibenden gleichgestellten Personen. Die Ausdehnung der Steuerbefreiung auf solche Personen ist nur im Rahmen eines als Milderungserlaß anzusehenden Verwaltungserlasses des früheren Reichsministers der Finanzen vom 15. Oktober 1942 (RStBl 1942 S. 969) bis zu einer bestimmten Umsatzhöhe möglich (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs V 53/54 U vom 17. Mai 1955, BStBl 1955 III S. 218, Slg. Bd. 61 S. 54; vgl. auch Plückebaum-Malitzky, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 8. Aufl., Anm. I, 5 zu § 4 Ziff. 18, Textziffern 3288 ff.).
Nach der Auffassung des Senats kann hiernach auch die zur Umsatzsteuer ergangene Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs, wonach für die Gewährung der umsatzsteuerlichen Befreiung im Einzelfall noch das Vorliegen einer besonderen Schutzbedürftigkeit zu prüfen ist (vgl. das Urteil des Reichsfinanzhofs V A 263/36 vom 21. Dezember 1936, RStBl 1937 S. 326, sowie die Urteile des Bundesfinanzhofs V 26/54 U vom 21. Dezember 1954, BStBl 1955 III S. 79, Slg. Bd. 60 S. 207; V 15/56 U vom 30. August 1956, BStBl 1956 III S. 312, Slg. Bd. 63 S. 301, und V 187/58 U vom 24. März 1960, BStBl 1960 III S. 242, Slg. Bd. 70 S. 653), auf die Gewerbesteuer nicht angewendet werden. Der Senat schließt sich hierbei der Ansicht des Bundesministers der Finanzen an, der in einer dem I. Senat des Bundesfinanzhofs gegenüber abgegebenen Stellungnahme hierzu folgendes ausgeführt hat.
"Wenn im § 22 der Gewerbesteuerdurchführungsverordnung 1955 bestimmt wird, daß nach § 1 Abs. 2 Buchstaben b und d Gleichgestellte als Hausgewerbetreibende im Sinne des § 11 Abs. 3 GewStG gelten, so werden hierdurch an die administrative Gleichstellung Rechtsfolgen geknüpft, die es nicht gestatten, im Einzelfall noch die Schutzbedürftigkeit zu prüfen. Nach dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 GewStDV 1955 hat die administrative Gleichstellung Tatbestandswirkung. .... Eine unterschiedliche Beurteilung hinsichtlich der Frage der Nachprüfung der Schutzbedürftigkeit für das Umsatzsteuerrecht und das Gewerbesteuerrecht ist sicherlich nicht wünschenswert. Sie dürfte jedoch bei dem unterschiedlichen Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen kaum vermeidbar sein, zumal die umsatzsteuerrechtliche Begünstigung des Gleichgestellten auf einem Billigkeitserlaß beruht, also zum Ausgleich von Härten getroffen ist. Wie bereits betont, gibt der Wortlaut des § 22 GewStDV 1955 den Finanzämtern keine Möglichkeit, die Schutzbedürftigkeit im Einzelfall zu prüfen, wenn jemand nach § 1 Abs. 2 Buchstaben b und d des HAG gleichgestellt worden ist. Es mag wünschenswert sein, die Steuerermäßigung zu begrenzen, wie dies bis 1954 der Fall gewesen ist und ab 1961 für die nach § 1 Abs. 2 Buchstabe c HAG Gleichgestellten rechtens ist. Hierzu bedarf es jedoch einer Gesetzesänderung."
Da nach alledem das Finanzgericht dem Bg. im Ergebnis mit Recht die Steuervergünstigung des § 11 Abs. 3 GewStG gewährt hat, war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410607 |
BStBl III 1963, 66 |
BFHE 1963, 185 |
BFHE 76, 185 |