Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Verlustausgleich besteht darin, daß der für den Veranlagungszeitraum zu berücksichtigende Verlust mit den für diesen Veranlagungszeitraum zu berücksichtigenden Einkünften ausgeglichen wird (Ausgleich zwischen den positiven und den negativen Einkünften).
Normenkette
EStG § 2 Abs. 2, § 10d
Tatbestand
Streitig ist, in welcher Höhe ein in dem Jahr 1956 erlittener Verlust aus Gewerbebetrieb bei der Veranlagung der Bf. für das Jahr 1957 durch Abzug zu berücksichtigen ist. Der Verlust hat 11.742 DM betragen. Sein Ausgleich mit den positiven Einkünften des Jahres 1956 (Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 236 DM und Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 1.276 DM) ergab einen negativen Gesamtbetrag von 10.230 DM, so daß die von den Bf. geltend gemachten Sonderausgaben von 3.205 DM sich nicht auswirkten. Für das Jahr 1957 veranlagte das Finanzamt die Bf. nach einem Einkommen von 6.235 DM, wobei es den Verlust des Jahres 1956 nur in Höhe von 10.230 DM berücksichtigte, weil der darüber hinausgehende Betrag durch die positiven Einkünfte des Jahres 1956 ausgeglichen worden sei. Die Bf. vertraten die Auffassung, daß der Verlust in Höhe von 11.742 DM hätte abgezogen werden müssen. Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.
Mit ihrer Rb. wehren sich die Bf. nach wie vor gegen die Nichtberücksichtigung des Restbetrags von (11.742 - 10.230 =) 1.512 DM. Sie sind der Meinung, daß dieser Restbetrag zu Unrecht als durch die positiven Einkünfte des Jahres 1956 ausgeglichen angesehen werde: die positiven Einkünfte seien bereits durch die Sonderausgaben aufgezehrt worden; der Verlust sei also in voller Höhe erhalten geblieben.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Wie bereits das Finanzgericht in seinem eingehend begründeten Urteil ausgeführt hat, ist der von den Bf. in dem Jahr 1956 erlittene Verlust bei der Veranlagung für das Jahr 1957 nur noch in Höhe von 10.230 DM abzuziehen. Die Angriffe der Bf. gegen die Nichtberücksichtigung auch des Restbetrags von 1.512 DM beruhen, wie das Finanzgericht zutreffend dargelegt hat, auf einer Verkennung der Begriffe "Verlustausgleich" und "Verlustabzug".
Nach § 10 d EStG 1955 - 1957 besteht der Verlustabzug darin, daß ein Verlust, den der Steuerpflichtige in einem bestimmten Veranlagungszeitraum erlitten hat, bei der Veranlagung für einen diesem Veranlagungszeitraum folgenden Veranlagungszeitraum wie eine Sonderausgabe vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden kann. Daß im Streitfall die Voraussetzungen für einen Verlustabzug dem Grunde nach gegeben sind, ist unstreitig. Der Streit geht lediglich um die Höhe, insofern nämlich § 10 d EStG 1955 - 1957 bestimmt, daß der Verlust abgezogen werden kann, soweit er "nicht bei der Veranlagung für die vorangegangenen Veranlagungszeiträume ausgeglichen oder abgezogen" worden ist. Im Streitfall interessiert nur die erste Alternative: der Ausgleich in dem vorangegangenen Veranlagungszeitraum.
Der Ausgleich besteht nach § 2 Abs. 2 Satz 1 EStG darin, daß die positiven Einkünfte eines Jahres mit den negativen Einkünften desselben Jahres verrechnet oder eben, wie das Gesetz sagt, "ausgeglichen" werden. Wenn nach dieser Vorschrift das Einkommen sich einmal aus dem "Gesamtbetrag der Einkünfte" aus den einzelnen Einkunftsarten "nach Ausgleich mit Verlusten" aus den einzelnen Einkunftsarten und zum anderen aus dem "Abzug der Sonderausgaben" ergibt, so kann es nach diesem Wortlaut mit seiner eindeutigen Gegenüberstellung des Gesamtbetrages der Einkünfte hier und Sonderausgaben dort nicht zweifelhaft sein, daß der Ausgleich nur zwischen den positiven und negativen Einkünften erfolgt und mit den Sonderausgaben nichts zu tun hat. Der Ausgleich führt zum Gesamtbetrag der Einkünfte. Nur diese - die positiven und die negativen Einkünfte - spielen hier, wie schon die Bezeichnung "Gesamtbetrag der Einkünfte" selbst erkennen läßt, eine Rolle. Erst wenn der Gesamtbetrag ermittelt ist, kommen die Sonderausgaben zum Zuge. Sie mindern den Gesamtbetrag der Einkünfte (und nur diesen). Ist der Gesamtbetrag - aus welchen Gründen auch immer - kleiner als der Betrag der Sonderausgaben, so können sich die Sonderausgaben mit ihrem über den Gesamtbetrag hinausgehenden Betrag - von dem hier nicht interessierenden Sonderfall des wie Sonderausgaben zu behandelnden Verlustabzugs abgesehen - nicht weiter auswirken.
Das Finanzamt hat demnach zu Recht den Verlust des Jahres 1956 in Höhe von 11.742 DM, soweit diesem die positiven Einkünfte des Jahres 1956 in Höhe von 1.512 DM gegenübergestanden haben, als ausgeglichen angesehen und bei der Veranlagung für das Jahr 1957 nur den Unterschiedsbetrag von (11.742 - 1.512 DM =) 10.230 DM wie eine Sonderausgabe abgezogen. Daß sich die in dem Jahr 1956 geltend gemachten Sonderausgaben wegen des negativen Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgewirkt haben, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Diese Sonderausgaben schon bei der Ermittlung des Gesamtbetrags zu berücksichtigen, indem man sie mit den positiven Einkünften verrechnet, ist, wie bereits dargelegt, nicht möglich.
Die Bf. irren, wenn sie meinen, daß die Auslegung des § 2 Abs. 2 Satz 1 EStG in dem Sinne, wie sie bereits von den Vorinstanzen vertreten worden ist, nicht zwingend sei. Der Wortlaut der Vorschrift ist eindeutig. Eine andere Auslegung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift gar nicht möglich. Sie entspricht auch, wie bereits das Finanzgericht ausgeführt hat, der Systematik des Einkommensteuerrechts und damit dem Sinn und Zweck der Vorschrift.
Im Gegensatz zu der Auffassung der Bf. liegt für sie auch keine Ungerechtigkeit darin, daß die Sonderausgaben des Verlustjahres sich wegen ihrer Außerachtlassung bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte und wegen der Höhe des Verlustes überhaupt nicht ausgewirkt haben und daß ihnen auf diese Weise die Möglichkeit des Verlustabzugs nicht in voller Höhe erhalten geblieben ist. Daß sich Sonderausgaben, wenn der Gesamtbetrag der Einkünfte negativ ist, weder bei der Veranlagung des jeweils in Betracht kommenden Jahres noch bei der Veranlagung eines der folgenden Jahre auswirken, ist eine Regelung, die die Bf. ebenso trifft wie alle anderen Steuerpflichtigen. Daß ein Steuerpflichtiger zu dem Kreis gehört, der bestimmte nicht ausgeglichene Einkünfte eines Jahres ausnahmsweise - nämlich in Gestalt des Verlustabzugs - bei der Veranlagung des folgenden Jahres wie Sonderausgaben geltend machen kann, besagt nicht, daß ihm über diese Begünstigung hinaus auch noch in Abweichung von jenem Grundsatz die Möglichkeit des Abzugs der Sonderausgaben gewährt werden müsse. Wenn die Bf. sich zur Begründung ihrer Auffassung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 90/50 U vom 1. Dezember 1950 (BStBl 1951 III S. 21, Slg. Bd. 55 s. 54) berufen, so ist dabei, wie schon das Finanzgericht ausgeführt hat, übersehen, daß das Urteil sich nur zu der Frage äußert, wie der Verlustabzug durchzuführen ist, und also lediglich die Veranlagung nicht des Jahres der Entstehung des Verlustes, sondern der folgenden Jahre betrifft, ganz abgesehen davon, daß die in dem Urteil vertretene Auffassung mit der des Gutachtens des Bundesfinanzhofs I D 4/50 S vom 25. Januar 1951 (BStBl 1951 III S. 68, Slg. Bd. 55 S. 182) in Widerspruch steht. Wenn in § 10 d EStG 1955 der Begriff des Ausgleichs verwendet wird, so kann dieser nicht anders verstanden werden, als es der Regelung des § 2 Abs. 2 EStG entspricht. Nach dieser Regelung ist der Ausgleich für alle Verluste in ein und derselben Weise durchzuführen und nicht etwa je nachdem verschieden zu handhaben, ob es sich um Verluste handelt, bei denen die Möglichkeit eines Verlustabzugs besteht, oder um Verluste, bei denen diese Möglichkeit nicht in Betracht kommt. Die Auffassung der Bf. würde auf eine Vortragsfähigkeit von Sonderausgaben hinauslaufen. Dies aber würde, wie ausgeführt, der Systematik des EStG widersprechen (vgl. auch das Urteil des Bundesfinanzhofs VI 114/56 U vom 30. August 1957, BStBl 1958 III S. 22, Slg. Bd. 66 S. 51).
Fundstellen
Haufe-Index 409854 |
BStBl III 1961, 6 |
BFHE 1961, 11 |
BFHE 72, 11 |
DB 1961, 17 |