Leitsatz (amtlich)
Die Tätigkeit eines berufsmäßigen Konkurs- und Vergleichsverwalters ist keine freiberufliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist berufsmäßiger Konkurs- und Vergleichsverwalter. Streitig ist, ob er eine freiberufliche Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) oder, wie der Beklagte und Revisionskläger (FA) meint, eine sonstige selbständige Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG) ausübt und ob ihm also die Vergünstigung des § 18 Abs. 4 EStG zusteht.
Das FG gab der Klage statt und führte zur Begründung aus, der BFH habe zwar in dem Urteil vom 29. März 1961 IV 404/60 U (BFHE 73, 100, BStBl III 1961, 306) die Auffassung vertreten, ein berufsmäßiger Konkurs- und Vergleichsverwalter übe keine freiberufliche Tätigkeit im Sinn des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus; dem könne sich der Senat jedoch nicht anschließen. Der BFH habe geprüft, ob der Beruf des Konkurs- und Vergleichsverwalters einem der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Berufe ähnlich sei, nicht jedoch, ob der Beruf in wesentlichen Punkten mit mehreren der im Gesetz genannten Berufe verglichen und alsdann als freiberuflich anerkannt werden könne. Nach der früheren Rechtsprechung des RFH und der älteren Rechtsprechung des BFH enthalte der Zusatz "ähnliche Berufe" in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht einen allgemeinen Grundsatz in dem Sinne, daß alle Berufe, die gewisse allgemeine Merkmale hätten, als freie Berufe angesehen werden müßten. Diese Rechtsprechung habe einen im Gesetz nicht genannten Beruf nur dann als freien Beruf angesehen, wenn er einem der im Gesetz aufgeführten Berufe ähnlich gewesen sei. Bereits im Urteil des BFH vom 14. November 1957 IV 84/57 U (BFHE 66, 4, BStBl III 1958, 3) sei eine Wandlung gegenüber der früheren einengenden Rechtsprechung festzustellen. Der BFH habe für den Beruf eines Kompaßkompensierers dessen Berufstätigkeit mit den Berufen eines Landmessers und Ingenieurs verglichen und ausgeführt, ein "ähnlicher" Beruf sei immer dann gegeben, wenn dieser in wesentlichen Punkten mit einem oder mehreren der ausdrücklich angeführten Berufe verglichen werden könne. In gleichem Sinne habe der BFH in dem Urteil vom 18. Juli 1963 IV 120/62 U (BFHE 77, 646, BStBl III 1963, 557) und in dem Urteil vom 24. Februar 1965 I 349/61 U (BFHE 82, 46, BStBl III 1965, 263) entschieden. Ein Grund, den Charakter eines freien Berufes bei Ähnlichkeit mit einem im Gesetz genannten Beruf zu bejahen, bei Ähnlichkeit mit mehreren der genannten Berufe aber zu verneinen, sei auch nicht ersichtlich. Auch die Vereinigung von zwei freien Berufen zu einem neuen Beruf hebe nicht den Charakter als freier Beruf auf. Demgegenüber habe der BFH in dem Urteil IV 404/60 U die Berufstätigkeit eines Konkurs- und Vergleichsverwalters einseitig dahin gehend beurteilt, daß sie mehr auf eine kaufmännisch-praktische Tätigkeit ausgerichtet sei. Er habe zwar nicht verkannt, daß für diesen Beruf qualifizierte Kenntnisse auf den einschlägigen Rechts- und Wirtschaftsgebieten nötig seien. Die auf kaufmännischem Gebiet liegende Tätigkeit eines Konkurs- und Vergleichsverwalters bilde jedoch lediglich die eine Seite seiner Aufgaben. Die Hauptaufgabe liege auf öffentlich-rechtlichem Gebiet. Der Konkursverwalter sei ein Organ der Zwangsvollstreckung, das für die Befriedigung der Gläubiger Sorge tragen solle. Bei den Aufgaben eines Konkursverwalters griffen die kaufmännischen Aufgaben und die Aufgaben auf rechtlichem Gebiet eng ineinander. Häufig träten schwierige rechtliche und tatsächliche Fragen auf. Bekanntlich griffen die Konkursgerichte auch bei der Einsetzung von Konkursverwaltern wegen der erforderlichen Sachkenntnis und Erfahrung, wenn keine hauptberuflichen Konkurs- und Vergleichsverwalter zur Verfügung stünden, zumeist auf Angehörige der rechts-, steuer- und wirtschaftsberatenden Berufe oder auf wirtschaftsprüfende Berufe zurück, d. h. auf Angehörige der freien Berufe. Hierin komme zum Ausdruck, daß die Tätigkeit des Konkursverwalters den Wesensmerkmalen dieser Berufe entspreche, wobei je nach Lage des Einzelfalles die einen oder die anderen Merkmale überwögen. Er nehme die rechtliche Prüfung wie ein Rechtsanwalt und Rechtsbeistand und die wirtschaftliche Prüfung wie ein Wirtschaftsberater und Wirtschaftsprüfer vor. Sein Beruf sei deshalb den Berufen eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistandes, eines Betriebswirts oder Wirtschaftsprüfers ähnlich. Die Tätigkeit des Vergleichsverwalters könne nicht anders beurteilt werden. Dieser sei ein Kontrollorgan des Staates und habe vornehmlich wirtschaftsprüfende und -beratende Aufgaben, seine Tätigkeit ähnele also den Tätigkeiten eines Wirtschaftsprüfers und beratenden Betriebswirts.
Gegen dieses Urteil legte das FA Revision ein.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
1. Soweit das FG davon ausgegangen ist, daß ein ausgeübter Beruf mehreren in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Berufen ähnlich sein könne und ihm dann nicht der Charakter eines den in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgezählten Berufen ähnlichen Berufs abgesprochen werden könne, ist ihm nur bedingt zuzustimmen. Das in der genannten Vorschrift gewählte enumerative Prinzip gebietet, daß das Gesamtbild der ausgeübten Tätigkeit dem Gesamtbild einer der dort aufgezählten Tätigkeiten entspricht. Ist das der Fall, so kann es nicht schädlich sein, wenn einzelne Tätigkeiten, die innerhalb der streitigen Berufstätigkeit ausgeübt werden, zu typischen Tätigkeiten gehören, die auch in anderen freien Berufen ausgeübt zu werden pflegen. Die Argumentation, es handle sich um eine einer der aufgezählten Berufstätigkeiten "ähnliche" Tätigkeit, kann vielmehr hierdurch nur verstärkt werden. In diesem Sinne verglich der BFH in dem vom FG erwähnten Urteil IV 84/57 U die Tätigkeit eines Kompaßkompensierers in erster Linie mit der eines Ingenieurs. Er bemerkte dann, nachdem also die Ähnlichkeit mit dem Ingenieurberuf bereits festgestellt war, mithin, nur zusätzlich, soweit es sich um das Vermessen von Winkeln handele, sei die Tätigkeit auch der eines Landmessers ähnlich. Es ist zuzugeben, daß die dann folgende Bemerkung, ein ähnlicher Beruf sei immer dann anzunehmen, wenn er "in wesentlichen Punkten mit einem oder mehreren" der aufgeführten Berufe verglichen werden könne, mißverständlich sein mag. Sie kann jedenfalls nicht - wie es das FG offenbar will - dahin ausgelegt werden, daß es genügt, wenn die einzelnen Tätigkeiten als solche jeweils von einzelnen der genannten Berufsträger ausgeübt werden, und daß sich bei der "Vereinigung von zwei freien Berufen in einem neuen Beruf" am Charakter des freien Berufs nichts ändern kann. Wollte man das annehmen, so müßte man unausweichlich dazu kommen, daß völlig neue freie Berufe gebildet werden könnten, wenn jede Einzeltätigkeit in irgendeinem der genannten Berufe irgendwie ausgeübt würde, und es wäre dann keine Abgrenzung mehr zu finden zu dem Bild "des" Freiberuflers im allgemeinen, so daß jede Enumeration überflüssig wäre, während § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG offensichtlich nicht vom Berufsbild des Freiberuflers, sondern von bestimmten individuellen Berufsbildern (des Arztes, des Rechtsanwalts usw.) ausgeht.
Bemerkt sei noch, daß sich das FG nicht auf die BFH-Urteile IV 120/62 U und I 349/61 U für seine abweichende Ansicht berufen kann. In diesen beiden Urteilen ist jeweils ein Vergleich mit nur einem Beruf angestellt worden.
2. Der vom Kläger ausgeübte Beruf ist keinem der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Berufe ähnlich, wie der BFH in dem Urteil IV 404/60 U eingehend begründet hat. Der Senat sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzugehen.
In dem genannten Urteil hat sich der BFH auch schon mit dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Umstand auseinandergesetzt, daß bei der Tätigkeit des berufsmäßigen Konkursverwalters im konkreten Falle die Befassung mit rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen überwiegen kann, daß es indessen hierauf nicht ankommt, weil auf das typische Berufsbild eines solchen Verwalters abzustellen ist, der nicht nur auf rechtlichem und wirtschaftlich-wissenschaftlichem Gebiet, sondern auch auf kaufmännisch-praktischem Gebiet tätig wird. Die Lage ist insoweit nicht anders als bei den in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausdrücklich aufgeführten Berufen. Es entscheidet das typische Berufsbild ohne Rücksicht darauf, ob auch - und oft in größerem Umfang - Handlungen vorgenommen werden, die dieses Berufsbild weniger bestimmen.
Soweit das FG Wert darauf legt, daß die Aufgaben des Konkursverwalters und des Vergleichsverwalters auf öffentlich-rechtlichem Gebiet liegen, muß ihm entgegengehalten werden, daß sich hieraus kein Entscheidungskriterium für die Einordnung unter die Berufe des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ergibt. Abgesehen davon, daß die Tätigkeit fast aller dort genannten Berufsträger gerade nicht auf öffentlich-rechtlichem Gebiet liegt, zählt die Vorschrift sowohl Berufe auf, die eindeutig öffentlich-rechtlichen Charakter haben (Notare), als auch solche, die für die Rechtspflege unterstützende Funktionen haben (z. B. Rechtsanwälte und Patentanwälte), als auch solche, denen eindeutig solche Funktionen nicht zukommen (z. B. Ingenieure, Bildberichterstatter).
Bei der Einordnung der Tätigkeit des Klägers darf schließlich auch nicht übersehen werden, daß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG die vermögensverwaltende Tätigkeit besonders erwähnt, so daß es näher liegt, die Tätigkeit des Konkurs- und Vergleichsverwalters, die im wesentlichen eine solche verwaltende Tätigkeit ist, unter dieser Vorschrift zu erfassen. Es kann zwar nicht daran gezweifelt werden, daß bei der auf Befriedigung der Gläubiger gerichteten verwaltenden Tätigkeit des Konkurs- und Vergleichsverwalters Unterschiede gegenüber der normalen verwaltenden Tätigkeit bestehen. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG ist indessen, wie sich aus der Fassung ergibt, einer auslegenden Anwendung offener als § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
Im übrigen spricht § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung meinte, nur von einer verwaltenden Tätigkeit im Sinne einer die zu verwaltende Masse erhaltenden Tätigkeit, wie die ausdrückliche Aufnahme der Tätigkeit des Testamentsvollstreckers in die Bestimmung zeigt. Dieser übt ebenfalls eine verwaltende und verteilende und damit die zu verwaltende Masse auflösende Tätigkeit aus. Gerade das Beispiel des Testamentsvollstreckers zeigt, daß eine Analogie zu den von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG angesprochenen Berufen naheliegt.
3. Ob der Senat anders zu entscheiden hätte, wenn der Kläger als Rechtsbeistand zugelassen wäre und als solcher die Tätigkeit eines Konkursverwalters ausübte, kann dahingestellt bleiben, da dieser Sachverhalt nicht vorliegt.
Fundstellen
Haufe-Index 70543 |
BStBl II 1973, 730 |
BFHE 1974, 40 |