Leitsatz (amtlich)
Auch gelegentliche (z. B. nur ein- oder zweimalige) Leistungen im Jahr können Aufwendungen für den Unterhalt i. S. des § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG sein. In solchen Fällen ist jedoch besonders sorgfältig zu prüfen, ob der Zahlungsempfänger unterstützungsbedürftig ist, und ob die Leistungen dazu geeignet und bestimmt sind, dessen laufenden Lebensbedarf zu decken.
Normenkette
EStG 1975 § 33a Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine Ehefrau sind jugoslawische Staatsangehörige, die im Jahre 1976 (Streitjahr) in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) wohnten und arbeiteten. Mit ihrem gemeinsamen Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Streitjahr beantragte der Kläger, Aufwendungen für den Unterhalt seiner 65 und 67 Jahre alten, in Jugoslawien lebenden Eltern in Höhe von 3 000 DM als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Zum Nachweis legte er eine Bescheinigung seiner Heimatgemeinde vom 7. Januar 1977 vor, nach der er mit seinen Eltern einen gemeinsamen Haushalt habe, zur Zeit im Ausland tätig sei und die Eltern unterhalte und daß kein anderer Haushaltsangehöriger beschäftigt sei. Nach vier vorgelegten Einlieferungsscheinen der Deutschen Bundespost überwies er an seinen Vater am 18. Mai 1976 1 000 DM und am 30. Juli 1976 zweimal den Betrag von 2 000 DM und einmal von 1 000 DM, insgesamt im Streitjahr somit 6 000 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte auch im Einspruchsverfahren, in dem der Kläger nunmehr den überwiesenen Betrag von 6 000 DM geltend machte, die Berücksichtigung der Zahlungen ab.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage zum Teil statt. Es führte aus:
Die Überweisungen des Klägers seien dem Grunde nach Unterhaltsleistungen i. S. des § 33 a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1975. Auch gelegentliche oder einmalige Zahlungen könnten Unterhaltsleistungen sein, wenn sie für den laufenden Lebensunterhalt bestimmt seien oder ihn für eine gewisse Zeit ermöglichten (Urteile des FG Düsseldorf vom 22. Februar 1978 VIII 762/ 76 L, Entscheidungen der Finanzgerichte 1978 S. 432 EFG 1978, 432 -; vom 20. Dezember 1978 VIII 193/77 L, EFG 1979, 232 und vom 24. April 1979 XV 38/78 L, EFG, 1979, 552). Es sei nicht zu vermuten, daß der Kläger mit den Überweisungen erspartes Vermögen habe verlagern wollen. Denn der Betrag von 6 000 DM sei für den Unterhalt von zwei Personen nicht offensichtlich überhöht und der Kläger und seine Ehefrau hätten sich auch nach dem Streitjahr in der Bundesrepublik aufgehalten. Eine Vermögensverlagerung sei auch nicht sinnvoll, denn die Geldentwertungsrate sei in der Bundesrepublik regelmäßig geringer als in den anderen Ländern.
Die Eltern des Klägers seien nach der vorgelegten Bescheinigung im Streitjahr unterstützungsbedürftig i. S. des § 33 a Abs. 1 EStG gewesen. Da sie im Rentenalter ständen, sei es glaubhaft, daß sie in Jugoslawien keine Arbeit mehr gefunden hätten. Die Unterhaltszahlungen seien jedoch nur bis zur Höhe des Existenzminimums als zwangsläufig i. S. des § 33a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 2 EStG 1975 anzusehen. Nach dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BdF) vom 26. Oktober 1979 IV B 6 - S 2365 - 85/79 (BStBl I 1979, 622) seien deshalb die Beträge des § 33 a Abs. 1 Sätze 1 und 3 EStG für in Jugoslawien lebende Unterstützungsempfänger um ein Drittel zu ermäßigen. Die Unterhaltsleistungen des Klägers seien folglich nur in Höhe von 4 000 DM abziehbar.
Mit der Revision rügt das FA unzutreffende Anwendung des § 33 a EStG. Es meint, der Begriff des Unterhalts erfordere, daß der Unterstützende regelmäßige Leistungen erbringe. Bei nur gelegentlich (z. B. ein- oder zweimal jährlich) geleisteten Zahlungen bestehe die widerlegbare Vermutung, daß es sich hierbei nicht um Unterhaltsleistungen handele (BdF-Schreiben vom 3. November 1975 IV B 6-S-2330-139/75, BStBl I 1975, 1052 und vom 16. Januar 1979 IV B 6-S-2365-3/79, Finanz-Rundschau 1979 S. 92 - FR 1979, 92-).
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -)
1. Entgegen der Rechtsauffassung des FA steht der Umstand, daß der Kläger lediglich an zwei Tagen im Streitjahr, nämlich am 18. Mai und am 30. Juli 1976, Geld an seinen Vater überwiesen hat, der Berücksichtigung dieser Ausgaben als Unterhaltsaufwendungen i. S. des § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG nicht entgegen.
a) Der Begriff des Unterhalts gemäß § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats enger als der i. S. von §§ 1601 ff. BGB. § 33 a Abs. 1 EStG betrifft nämlich nur typische Unterhaltsaufwendungen, so insbesondere für Wohnung, Ernährung und Kleidung des Unterhaltenen (Urteil vom 28. April 1978 VI R 145/75, BFHE 125, 167, BStBl II 1978, 456). Aufwendungen für den Unterhalt i. S. des § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG setzen begrifflich keine laufenden Zahlungen des Unterhaltsverpflichteten voraus. Zu prüfen ist lediglich, ob durch die Unterhaltsleistungen die "laufenden" Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten befriedigt werden sollen. Dies kann ebenso durch laufende wie durch gelegentliche, etwa nur ein- oder zweimalige Leistungen im Jahr und u. U. auch durch die einmalige Zahlung eines Geldbetrages, geschehen. Denn durch derartige Zahlungen kann in gleicher Weise der laufende Lebensbedarf einer Person gedeckt werden.
Der Senat hat dementsprechend schon bisher entschieden, die Üblichkeit von Unterhaltszahlungen werde nicht dadurch in Frage gestellt, daß Zahlungen nicht laufend geleistet werden (Urteil vom 22. Januar 1971 VI R 47/69, BFHE 101, 364, BStBl II 1971, 325). Nach der Rechtsprechung des Senats können daher auch nur gelegentliche oder unregelmäßige Zuwendungen als Unterhaltsleistungen i. S. des § 33 a Abs. 1 EStG anerkannt werden, sofern sie für den laufenden Lebensunterhalt des Empfängers bestimmt sind oder ihn für eine gewisse Zeit ermöglichen (Urteil vom 25. März 1966 VI 320/65, BFHE 86, 457, BStBl III 1966, 534; s. auch Urteile vom 17. Mai 1963 VI 273/62 U, BFHE 77, 164, BStBl III 1963, 378, und vom 2. Dezember 1960 VI 148/59 U, BFHE 72, 200, BStBl III 1961, 76). Die Grundsätze dieser Rechtsprechung sind auf Unterhaltszahlungen von in der Bundesrepublik lebenden Gastarbeitern an ihre im Ausland lebenden bedürftigen Angehörigen in gleicher Weise anzuwenden wie auf Leistungen anderer Steuerpflichtiger an im Inland wohnende Unterstützungsempfänger (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Juni 1979 VI R 85/76, BFHE 128, 236, BStBl II 1979, 660). Die Entscheidung des Senats vom 9. Dezember 1966 VI R 101/66 (BFHE 87, 613, BStBl III 1967, 246), in der ausgeführt ist, nach dem Zweck des § 33 a Abs. 1 EStG könnten nur laufend gezahlte Zuwendungen mit dem Pauschbetrag abgegolten werden, betrifft den Sonderfall der Nachzahlung von Unterhalt für zurückliegende Jahre. Sie ist auf den Streitfall nicht übertragbar.
Daß einmalige oder unregelmäßige Zahlungen keine Unterhaltsleistungen seien, ist zudem weder dem allgemeinen Sprachgebrauch zu entnehmen noch ergibt sich dies aus der Verwendung des Begriffs "Unterhalt" in anderen Gesetzen. Insbesondere enthält § 1612 BGB insoweit keine Einschränkung des Unterhaltsbegriffs. Nach Absatz 1 Satz 1 i. V. m. Absatz 3 Satz 1 dieser Vorschrift soll zwar der Unterhalt grundsätzlich durch Entrichtung einer monatlich im voraus zu zahlenden Geldrente gewährt werden. Aus Absatz 1 Satz 2 des § 1612 BGB ist aber zu entnehmen, daß Unterhaltszahlungen auch in anderer Form geleistet werden können (vgl. auch Urteil des FG Düsseldorf in EFG 1979, 552). Ähnlich besagt z. B. § 21 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), daß Hilfe zum Lebensunterhalt nicht nur durch laufende, sondern auch durch einmalige Leistungen gegeben werden kann.
Diese Auslegung des § 33 a Abs. 1 EStG entspricht seinem Zweck. Die Vorschriften über außergewöhnliche Belastungen bringen den Gedanken der Einkommensbesteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit besonders zur Geltung. Mit diesem Grundsatz wäre es nicht vereinbar, bei Leistungen zur Deckung des gewöhnlichen Lebensbedarfs danach zu unterscheiden, ob sie mehrmals oder nur gelegentlich bzw. nur einmal jährlich erbracht werden. Aus § 33 a Abs. 4 EStG läßt sich ebenfalls nicht herleiten, daß nur mehrmalige Leistungen im Kalenderjahr als Unterhaltsaufwendungen i. S. des § 335 Abs. 1 Satz 1 EStG anzuerkennen seien. Der Höchstbetrag von 3 000 DM gemäß § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG wird zwar nach Absatz 4 dieser Vorschrift nur zeitanteilig gewährt, wenn die Voraussetzungen des § 33 a Abs. 1 EStG nicht im ganzen Kalenderjahr vorgelegen haben. Die Einschränkung bezieht sich aber nur auf Fälle, in denen die in Absatz 1 geregelte Unterhaltsbedürftigkeit nicht während des ganzen Veranlagungszeitraums gegeben ist.
b) Werden Zahlungen nicht laufend, sondern nur gelegentlich, z. B. ein- oder zweimal jährlich, geleistet, so besteht entgegen den vom FA zitierten BdF-Schreiben vom 3. November 1975 (BStBl I 1975, 1052) und vom 16. Januar 1979 (Fr 1979, 92) auch nicht in tatsächlicher Hinsicht eine - allerdings widerlegbare - Vermutung, daß es sich hierbei nicht um Unterhaltsaufwendungen handele. Es ist zwar nicht zu verkennen, daß in der Bundesrepublik beschäftigte Gastarbeiter häufig größere Beträge an ihre Angehörigen im Ausland überweisen, die - ganz oder teilweise - nicht für deren Unterhalt bestimmt sind, sondern anderen Zwecken, so z. B. der eigenen Existenzgründung oder dem Bau eines eigenen Hauses im Heimatland, dienen sollen. Ebenso wie Unterhaltsleistungen können jedoch auch solche Geldüberweisungen gelegentlich, häufig oder gar laufend erfolgen. Die Häufigkeit oder Nichthäufigkeit solcher Zahlungsvorgänge läßt mithin nicht erkennen, welche Zwecke hiermit erfüllt werden sollen. Hinzu kommt, daß es in beiden Fällen aus Gründen der Kostenersparnis oder zur Vermeidung von Zeitaufwand und Formalitäten sachgerecht sein kann, die Zahl der Geldsendungen gering zu halten.
Das FG hat es daher im Streitfall zu Recht nicht für schädlich angesehen, daß der Kläger nur zweimal im Jahr Geldbeträge an seinen in Jugoslawien lebenden Vater überwiesen hat.
2. Voraussetzung für die Anerkennung von Unterhaltsaufwendungen i. S. des § 33 a Abs. 1 EStG ist jedoch bei gelegentlichen oder einmaligen Zahlungen ebenso wie bei laufend aufgewandten Beträgen, daß der Zahlungsempfänger unterstützungsbedürftig i. S. des § 33 a Abs. 1 EStG ist und daß die Zahlungen dazu geeignet und bestimmt sind, den Lebensbedarf des Empfängers zu decken. Dies ist gerade bei gelegentlichen Leistungen besonders sorgfältig zu prüfen.
Die Vorentscheidung ist im Streitfall aufzuheben, weil sie keine Feststellungen zu der Frage enthält, ob die geltend gemachten Aufwendungen tatsächlich zur Deckung des Lebensbedarfs der Eltern des Klägers im Streitjahr verwandt wurden. Das FG hat dem Kläger den Freibetrag nach § 33 a Abs. 1 EStG für das ganze Streitjahr 1976 gewährt, obwohl der Kläger erstmals am 18. Mai 1976 Geld an seinen Vater überwiesen hat. Es hat auch keine Feststellungen darüber getroffen, ob und gegebenenfalls wann der Kläger im vorangegangenen Jahr seine Eltern unterstützt hat und ob die damals überwiesenen Beträge zur Deckung des laufenden Lebensbedarfs der Eltern bis Ende Mai 1976 ausgereicht haben. Ohne die Feststellung, wovon die Eltern des Klägers in der Zeit vom 1. Januar 1976 bis zum Empfang der Unterhaltsleistung Ende Mai 1976 gelebt haben, kann der Senat die Vorentscheidung des FG nicht dahin überprüfen, ob es ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis kommen konnte, daß die Überweisungen vom 18. Mai 1976 und 30. Juli 1976 dazu geeignet und bestimmt waren, den Lebensbedarf der Eltern des Klägers für das ganze Streitjahr 1976 sicherzustellen. Der Umstand, daß die von der Vorinstanz ausgesprochene Rechtsfolge nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen gedeckt ist, bedeutet eine fehlerhafte Anwendung sachlichen Rechts; dies führt zur Aufhebung der Vorentscheidung (vgl. BFH-Urteil vom 17. April 1975 II R 144/74, BFHE 116, 1, BStBl II 1975, 671). Es kann dahinstehen, ob die Ausführungen des FA auch als Rüge mangelnder Sachaufklärung hinsichtlich der Unterhaltsbedürftigkeit der Eltern des Klägers zu verstehen sind.
3. Der Senat verweist die Sache an das FG zurück, damit es die entsprechenden Feststellungen nachholt. Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung kann das FG zur Abgrenzung der Unterhaltsleistungen von anderen Zwecken dienenden Zahlungen auch nicht auf eine strenge Prüfung der Frage verzichten, ob die Eltern des Klägers entsprechend der von einer jugoslawischen Behörde ausgestellten Bescheinigung tatsächlich unterhaltsbedürftig waren und ob der geltend gemachte Betrag überhaupt dazu dienen konnte, ihren Unterhalt sicherzustellen. Das FG hat die hierzu notwendigen Feststellungen teilweise unterlassen. Es hat insbesondere nicht festgestellt, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Eltern des Klägers in Jugoslawien Renten bezogen haben und ob noch andere, nicht mehr dem Haushalt der Eltern in Jugoslawien angehörende Kinder vorhanden waren, die ebenfalls zum Unterhalt der Eltern des Klägers beigetragen haben. Diese Angaben sind der Bescheinigung der jugoslawischen Heimatbehörde vom 7. Januar 1977 nicht zu entnehmen. Die vorgenannte Bescheinigung bezieht sich im übrigen auch nur darauf, daß der Kläger im Zeitpunkt ihrer Ausstellung die Eltern unterhält, ohne jedoch anzugeben, ob dies auch im Streitjahr 1976 der Fall war.
Nach der Rechtsprechung des Senats trifft den Kläger für die noch aufzuklärenden Umstände eine erhöhte Mitwirkungspflicht, weil es sich um Verhältnisse im Ausland handelt, die ohne seine Mithilfe nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten ermittelt werden können. Der Kläger muß deshalb die vorstehend genannten Umstände zwecks Prüfung der Unterhaltsbedürftigkeit seiner Eltern in der Regel durch detaillierte Angaben in amtlichen Bescheinigungen seiner Heimatbehörde mit deutscher Übersetzung nachweisen (BFH-Urteil vom 20. Januar 1978 VI R 193/74, BFHE 124, 508, BStBl II 1978, 338).
Fundstellen
Haufe-Index 413427 |
BStBl II 1981, 31 |
BFHE 1981, 475 |
NJW 1981, 600 |