Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält an der im Urteil III 105/62 U vom 8. Januar 1965 (BFH 81, 524, BStBl III 1965, 190) vertretenen Auffassung fest, daß § 64 Nr. 2a BewG in der Fassung vor dem BewG 1965 nur angewendet werden kann, wenn das aus dem Betriebsvermögen entnommene Wirtschaftsgut oder ein Ersatz dafür im Veranlagungszeitpunkt noch im übrigen Vermögen des Steuerpflichtigen vorhanden ist und daß dies nicht der Fall ist, wenn das aus dem Betriebsvermögen entnommene Geld bis zu diesem Zeitpunkt zur Bezahlung nichtbetrieblicher Schulden verwendet worden ist.
Normenkette
BewG i.d.F. vor dem BewG 1965 § 64 Nr. 2a
Tatbestand
Der Kläger ist an einer Kommanditgesellschaft beteiligt, die ihre Abschlüsse zum 31. März erstellt. Antragsgemäß wird bei den Einheitswertfeststellungen für das Betriebsvermögen dieser KG nach § 63 Abs. 3 BewG der Schluß des dem Feststellungszeitpunkt vorangehenden Wirtschaftsjahres zugrunde gelegt. Der Kläger hat in dem Zeitraum zwischen dem 1. April und dem 31. Dezezember 1961 aus dem Betriebsvermögen der KG 55 920 DM entnommen und damit fällige Einkommensteuer, Kirchensteuer und Vermögensteuer bezahlt. In seiner Vermögenserklärung auf den 1. Januar 1962 hat er diese Beträge unter Berufung auf § 64 Nr. 2a BewG vom Vermögen abgesetzt. Das FA hat die Absetzung dieser Beträge unter Hinweis auf das Urteil des RFH III 121/42 vom 6. Mai 1943 (RStBl 1943, 606) bei der Vermögensteuerveranlagung des Klägers zum 1. Januar 1962 durch den Bescheid vom 19. August 1964 nicht anerkannt.
Die Sprungberufung, die nach dem Inkrafttreten der FGO vom FG als Sprungklage behandelt wurde, hatte Erfolg. Das FG führte im wesentlichen aus: In den Fällen des § 63 Abs. 3 BewG würde eine das Betriebsvermögen und das übrige Vermögen berührende Umschichtung des Gesamtvermögens zwischen Abschlußzeitpunkt und Feststellungszeitpunkt dazu führen, daß Wirtschaftsgüter, die aus dem übrigen Vermögen in das Betriebsvermögen überführt würden, überhaupt nicht, und Wirtschaftsgüter, die aus dem Betriebsvermögen in das übrige Vermögen überführt würden, doppelt erfaßt würden. Diese Verschiebung solle § 64 BewG ausgleichen. Soweit es sich nicht um Betriebsgrundstücke (Nr. 1) oder Grundbesitz (Nr. 2 c) handele, also in den Fällen des § 64 Nr. 2a oder 2 b, bleibe das Betriebsvermögen unberührt. Der Ausgleich erfolge nur beim Ansatz des übrigen Vermögens. Durch den Ausgleich werde der Steuerpflichtige vermögensteuerlich ebenso gestellt, als ob er die Vermögensumschichtung innerhalb seines Gesamtvermögens nicht vorgenommen habe. Es werde die richtige Besteuerung herbeigeführt, soweit nicht Änderungen innerhalb des Betriebsvermögens eingetreten seien, die wegen der Maßgeblichkeit des Standes vom Abschlußzeitpunkt außer Betracht bleiben müßten. Der Steuerpflichtige müsse aufgrund des § 63 Abs. 3 BewG eine Besteuerung, die von der für den Feststellungszeitpunkt "richtigen" abweiche, zu seinem Nachteil nur insoweit in Kauf nehmen, als eine tatsächliche Minderung des Betriebsvermögens nach dem Abschlußzeitpunkt am Feststellungszeitpunkt unberücksichtigt bleibe. Bei einer Umschichtung habe er dagegen grundsätzlich Anspruch auf Anwendung der Ausgleichsvorschrift des § 64 Nr. 2a BewG. Eine solche Umschichtung sei zum Beispiel gegeben, wenn Geldwerte aus dem Betriebsvermögen entnommen und dem übrigen Vermögen zugeführt würden, d. h. wenn sie private Geldwerte würden und den Wert des übrigen Vermögens erhöhten. Betriebliche Geldwerte würden auch dadurch dem übrigen Vermögen zugeführt, daß sie zur Bezahlung von nicht betrieblichen Schulden verwendet würden. Denn das Betriebsvermögen sei ein Komplex aus positiven und negativen Vermögenswerten. Es mache rechnerisch und wirtschaftlich gesehen keinen Unterschied, ob mit dem Geld zum Beispiel ein debitorisches Konto ausgeglichen oder eine Schuld bezahlt oder ein positiver Kontostand erhöht werde. In allen Fällen werde durch die Zuführung von Geldwerten das übrige Vermögen gleichermaßen erhöht, genauso wie das Betriebsvermögen durch Zuführung privater Einlagen erhöht werde, wenn damit betriebliche Schulden ausgeglichen würden. Die gegenteilige Auffassung des BFH in dem Urteil III 105/62 U vom 8. Januar 1965 (BFH 81, 524, BStBl III 1965, 190) sei formalistisch und wirtschaftsfremd. Von der unter § 64 Nr. 2a BewG fallenden Vermögensumschichtung, die in der Bezahlung einer Schuld liege, sei der Fall zu unterscheiden, daß nach Zuführungen des Wirtschaftsgutes Geld vom Betriebsvermögen in das übrige Vermögen der Geldwert vor dem Feststellungszeitpunkt verschenkt, verloren oder zum Verbrauch für den Lebensunterhalt verwandt werde. In diesen Fällen sei ein Wertverzehr eingetreten. Entsprechendes müsse bei Anschaffungen von nicht zum sonstigen Vermögen gehörenden Gegenständen gelten. Man könne in diesen Fällen einen am Feststellungszeitpunkt noch vorhandenen Gegenwert nicht darin sehen, daß ein Aufwand aus Privatmitteln erspart worden sei. Da es oft zweifelhaft sein könne, zu welchem Zweck Geld verwendet worden sei, könnten private Steuerschulden nur dann als durch die dem übrigen Vermögen zugeführten Mittel getilgt angesehen werden, wenn ein Zusammenhang eindeutig festgestellt sei.
Mit der Revision beantragt das FA, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es rügt unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Es ist unter Berufung auf das BFH-Urteil III 105/62 U (a. a. O.) der Auffassung, daß im Streitfall § 64 Nr. 2a BewG nicht angewandt werden könne.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Das FG hat sich mit seiner Entscheidung in bewußten Gegensatz zu dem Urteil des Senats III 105/62 U (a. a. O.) gestellt. In diesem Urteil hat der Senat in Übereinstimmung mit dem RFH-Urteil III 121/42 (a. a. O.) entschieden, daß ein Ausgleich nach § 64 Nr. 2a BewG nicht vorgenommen werden könne, wenn die in der Zeit zwischen dem abweichenden Abschlußzeitpunkt und dem Feststellungszeitpunkt aus dem Betriebsvermögen entnommenen Beträge zur Bezahlung von privaten Steuerschulden verwandt worden sind. Der Senat ist zu dieser Entscheidung aufgrund der Erwägung gekommen, daß ein Ausgleich nach § 64 Nr. 2a BewG nach dem Wortlaut dieser Vorschrift nur in den Fällen in Betracht komme, in denen in dem fraglichen Zwischenzeitraum ein Wirtschaftsgut aus einem gewerblichen Betrieb ausgeschieden und dem übrigen Vermögen des Betriebsinhabers zugeführt worden ist. Der Senat war der Auffassung, daß in den Fällen, in denen die aus dem Betriebsvermögen ausgeschiedenen Geldbeträge zur Bezahlung privater Schulden verwandt wurden, die nach dem Gesetzeswortlaut erforderliche Voraussetzung der Zuführung des Wirtschaftsguts zum übrigen Vermögen des Betriebsinhabers nicht erfüllt sei. An dieser Auffassung hält der Senat trotz der Ausführungen des FG auch im Streitfall fest.
Das FG stützt sich bei seiner entgegengesetzten Auffassung vornehmlich auf die Ausführungen von Bähr in Deutsches Steuerrecht 1966 S. 526. Bähr hält das Urteil des Senats III 105/62 U (a. a. O.) für formalistisch und wirtschaftsfremd. Er ist der Meinung, daß der Senat den Sinn und Zweck des § 64 Nr. 2a BewG verkannt habe. Dabei geht er davon aus, daß ein Steuerpflichtiger, der sich für den abweichenden Abschlußzeitpunkt als maßgebenden Stichtag für die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens entscheidet, zwei Risiken eingehe. Das erste Risiko bestehe darin, daß Vermögensminderungen des Betriebsvermögens, die nach dem Abschlußzeitpunkt durch Verluste eintreten, nicht mehr berücksichtigt werden können. Diesem Risiko stehe der Vorteil gegenüber, daß auch Vermögensmehrungen des Betriebsvermögens nach dem Abschlußzeitpunkt, die durch Gewinne entstehen, nicht erfaßt würden. Das zweite Risiko bestehe darin, daß auch Vermögensminderungen nach dem Abschlußzeitpunkt im Betriebsvermögen, die durch Entnahmen entstehen, nicht berücksichtigt werden können. Diesem Risiko stehe kein Vorteil gegenüber, weil Einlagen in das Betriebsvermögen nach dem Abschlußzeitpunkt durch Zuschläge nach § 64 Nr. 2b BewG ausgeglichen würden. Dieses zweite Risiko habe der Gesetzgeber durch die Vorschrift des § 64 Nr. 2a BewG ausgleichen wollen. Abgesehen davon, daß es fraglich erscheint, ob man hier überhaupt vom Eingehen eines "Risikos" sprechen kann, enthalten diese Erwägungen sicherlich einen richtigen Kern. Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß die aus ihnen gezogene Schlußfolgerung, daß der Gesetzgeber das zweite "Risiko" in vollem Umfang durch § 64 Nr. 2a BewG ausgleichen wollte, nicht zwingend ist. Der Senat hat schon in dem Urteil III 105/62 U (a. a. O.) darauf hingewiesen, daß der Zweck des § 64 BewG, die doppelte Erfassung desselben Wirtschaftsguts auszugleichen, einen Ausgleich nur dann erfordert, wenn das aus dem Betriebsvermögen ausgeschiedene Wirtschaftsgut im Veranlagungszeitpunkt noch im übrigen Vermögen vorhanden ist. Es bedeutet schon eine Lockerung dieses Grundsatzes, daß die Rechtsprechung den Ausgleich auch dann zugelassen hat, wenn es sich bei dem aus dem Betriebsvermögen ausgeschiedenen Wirtschaftsgut um Geldbeträge handelt, mit denen andere, der Vermögensteuer unterliegende Wirtschaftsgüter angeschafft und dem übrigen Vermögen zugeführt wurden, die in diesem im Veranlagungszeitpunkt noch vorhanden sind. Diese Lockerung läßt sich aber damit rechtfertigen, daß anstelle des ursprünglich zugeführten Geldbetrages ein anderes Wirtschaftsgut dem übrigen Vermögen "zugeführt" worden ist. Gerade daran fehlt es aber, wenn der ursprünglich zugeführte Geldbetrag für Bezahlung von Schulden verwendet worden ist. Denn selbst wenn man die getilgten Schulden als ein (negatives) Wirtschaftsgut ansieht, ist dieses nicht "zugeführt", sondern "weggefallen". Es liegt nahe, daß der Gesetzgeber gerade nicht in allen Fällen das zweite "Risiko" beseitigen wollte, sondern nur in den Fällen der Zuführung eines Wirtschaftsguts, die gedanklich nur bei aktiven Wirtschaftsgütern möglich ist. Diese Einschränkung erscheint durchaus sinnvoll, wenn man bedenkt, daß in vielen Fällen die Verwendung der aus dem Betriebsvermögen entnommenen Geldbeträge zur Bezahlung von Schulden sich kaum nachweisen läßt. Der Nachweis wird insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige im übrigen Vermögen im Veranlagungszeitpunkt Geldvermögen hat, kaum möglich sein.
Für die Auffassung, daß der Gesetzgeber mit dem Wortlaut des § 64 Nr. 2a BewG bewußt und gewollt den Ausgleich auf bestimmte Fälle beschränken wollte, spricht auch der Umstand, daß die Vorschrift unverändert in das BewG 1965 (§ 107) übernommen wurde, obwohl dem Gesetzgeber bekannt war, daß schon nach der Rechtsprechung des RFH ein Ausgleich nicht gewährt wurde, wenn die aus dem Betriebsvermögen entnommenen Wirtschaftsgüter zur Tilgung privater Schulden verwendet wurden. Hätte der Gesetzgeber diese Rechtsprechung nicht gebilligt, dann hätte es nahegelegen, die Vorschrift in § 107 BewG 1965 so zu fassen, wie es z. B. in der Neufassung des § 74 Abs. 1 Nr. 3 BewG durch das Gesetz zur Änderung des Bewertungsgesetzes 1963 durch den Zusatz "oder zur Tilgung von Schulden verwandt worden ist" geschehen ist.
Der Senat sieht sich nach allem nicht in der Lage, unter Anwendung der Analogie oder der wirtschaftlichen Betrachtungsweise vom Wortlaut des § 64 Nr. 2a BewG in den hier umstrittenen Fällen abzuweichen. Es werden dadurch die Steuerpflichtigen auch nicht etwa einseitig benachteiligt, weil die gleichen Grundsätze auch bei der Anwendung des § 64 Nr. 2b BewG Platz greifen müssen, so daß nach dieser Vorschrift kein Zuschlag zum übrigen Vermögen zu machen ist, wenn die aus dem übrigen Vermögen ausgeschiedenen Geldbeträge nach dem Abschlußzeitpunkt zur Bezahlung betrieblicher Steuerschulden verwandt wurden. Im übrigen kann der Steuerpflichtige in der Regel die Bezahlung privater Schulden mit Betriebsmitteln so gestalten, daß die für ihn ungünstige Folge der Nichtanwendung des § 64 Nr. 2a BewG nicht eintritt.
Da die Vorentscheidung von einer anderen Rechtsauffassung ausgeht, war sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage war abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 69072 |
BStBl II 1970, 637 |
BFHE 1970, 316 |