Leitsatz (amtlich)
Bei einem Pachtvertrag mit Heimfallklausel wird eine steuerpflichtige Verpachtung eines kommunalen Betriebs gewerblicher Art nicht dadurch begründet, daß im Rahmen des weiterbestehenden Pachtverhältnisses ein bloßer Pächterwechsel stattfindet (sog. Vertragsübernahme).
Normenkette
KStG § 1 Abs. 1 Nr. 6
Tatbestand
Zwischen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - einer Großstadtgemeinde - und der B-Verlags-KG - Verlags-KG - bestand während der Streitjahre 1964 bis 1968 ein Vertragsverhältnis, wonach diesem Unternehmen das ausschließliche Recht zur Errichtung und Ausnutzung von Anschlagsäulen zur Wirtschaftswerbung im Stadtgebiet gegen ein näherbezeichnetes Entgelt übertragen worden war. In dem für die Streitjahre maßgeblichen Vertrag vom 13. Oktober 1959 war die Mindestzahl der Anschlagsäulen auf 150 festgesetzt worden, die sich bei fortschreitender Bebauung um 30 erhöhen sollte. Die Anschlagsäulen waren auf Kosten des Werbeunternehmens zu beschaffen und zu errichten. Nach dem Wortlaut des Vertrages wurden die zur Zeit des Vertragsabschlusses vorhandenen Säulen dem Werbeunternehmen ohne besondere Entschädigung zu Eigentum überlassen. Bei Beendigung des Vertrages sollten sämtliche Anschlagsäulen ohne Entschädigung in das Eigentum der Stadtgemeinde übergehen.
Dieser Vertrag löste einen annähernd gleichlautenden Vertrag zwischen denselben Vertragsbeteiligten vom 26. März 1955 ab, in dem allerdings ein niedrigeres Entgelt und eine andere Mindestzahl von Anschlagsäulen vereinbart waren. Dem zuletzt genannten Vertrag gingen im wesentlichen gleiche Vertragsbeziehungen mit der G-AG voraus, die zu demselben Firmenverband wie die KG gehörte. Der Vertrag mit der G-AG war am 6./7. September 1948 geschlossen worden. Mit ihm war ein Vertragsverhältnis aus der Vorkriegszeit wieder aufgenommen worden. Am 10./13. Juli 1972 vereinbarten die Klägerin und die Verlags-KG in einem Nachtragsvertrag, daß bei Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht wie bisher die Anschlagsäulen entschädigungslos an die Klägerin zurückfallen, sondern ihr zum Kauf angeboten werden sollen.
Aufgrund einer Betriebsprüfung sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) in der Überlassung der Werbung durch Anschlagsäulen eine gewerbliche Betätigung i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG i. V. m. § 1 Abs. 3 KStDV. Das FA faßte diese Betätigung mit der Vermietung von 68 Schaukästen (Vitrinen) zu Werbezwecken zu einer einheitlichen gewerblichen Betätigung der Klägerin zusammen. Es veranlagte die Klägerin in den Streitjahren mit den aus dieser Tätigkeit erzielten Gewinnen zur Körperschaftsteuer. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
In ihrer Klage, in der sie beantragte, sie hinsichtlich der Einkünfte aus der Überlassung der Werbung mit den Anschlagsäulen von der Körperschaftsteuer freizustellen, machte die Klägerin im wesentlichen geltend, mit dem Firmenkreis, dem das Recht zur Anschlagsäulenwerbung übertragen worden sei, beständen seit der Vorkriegszeit vertragliche Beziehungen. Infolge der Änderung der Rechtsform der G-AG und der Umorganisation der Firmengruppe sei mit der jetzt firmierenden Verlags-KG ohne Änderung des Rechtsverhältnisses am 26. März 1955 ein mit den früheren Vereinbarungen gleichlautender Vertrag abgeschlossen worden. 1948 seien nur 38 Anschlagsäulen und 17 Plakattafeln vorhanden gewesen, die praktisch wertlos gewesen seien. In der Folgezeit seien alle Anschlagsäulen von der Pächterin angeschafft worden. Sie, die Klägerin, habe daher ihrer Pächterin keine Einrichtungsgegenstände zur Nutzung überlassen. Es müsse auch berücksichtigt werden, daß im Jahre 1972 der entschädigungslose Heimfall bei Beendigung des Vertrages aufgehoben worden sei. Die Klägerin beanstandete ferner die Zusammenfassung mit den Einkünften aus der Vermietung der Vitrinen.
Das FG wies die Klage mit folgender Begründung ab: Der im Jahre 1959 geschlossene Vertrag sei zwar als Fortführung des nahezu unveränderten Vertrages aus dem Jahre 1955 anzusehen. Die Klägerin habe damals aber mit der Verlags-KG als einem neuen Vertragspartner - wenn auch mit Zustimmung der G-AG - kontrahiert. Die KG sei mit der G-AG nicht identisch gewesen. Mit Beendigung des Vertrages mit der G-AG aus dem Jahre 1948 seien der Klägerin mindestens 111 Anschlagsäulen entschädigungslos heimgefallen. Sie sei in der Lage gewesen, diese Anschlagsäulen der neuen Pächterin, der Verlags-KG, zur Nutzung zu überlassen. Damit erweise sich die Überlassung des Rechts zur Errichtung und Ausnutzung der Anschlagsäulen in Verbindung mit der Überlassung gebrauchsfähiger Anschlagstellen an die Verlags-KG als Verpachtung eines Betriebes gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Der Nachtragsvertrag von 1972 diene entgegen der Auffassung der Klägerin nicht der Klarstellung des Willens der Vertragspartner, sondern beinhalte eine eindeutige Vertragsänderung, die auf die steuerlichen Verhältnisse der Streitjahre nicht zurückwirken könne.
In ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Nach der das Steuerrecht beherschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise sei als Vertragspartner seit der Vorkriegszeit bis heute unverändert derselbe Firmenverband anzusehen. Sie habe keinen Einfluß dahin gehabt, in welcher Weise sich dieses Unternehmen organisierte. Es könne nicht zu ihrem, der Klägerin, steuerlichen Nachteil ausfallen, daß sie dem Wunsch des Firmeninhabers, wegen der von ihm vorgenommenen Änderungen innerhalb des Firmenverbandes den Vertrag umzustellen, nachgekommen sei. Wirtschaftlich habe sich damit nichts geändert. Die Vertragsänderung von 1972 müsse auch bei Beurteilung der Verhältnisse der Streitjahre berücksichtigt werden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung entsprechend ihrem Klageantrag zu erkennen.
Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Das FG und die Beteiligten gehen bei der rechtlichen Würdigung zutreffend von den Grundsätzen des Urteils des erkennenden Senats vom 5. Juli 1972 I R 83/70 (BFHE 106, 215, BStBl II 1972, 776) aus, wonach die entgeltliche Überlassung des Rechts zur Einrichtung und Ausnutzung von Anschlagstellen auf öffentlichen Wegen und Plätzen für sich allein in der Regel noch nicht einen Betrieb gewerblicher Art oder die Verpachtung eines solchen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG darstellt. Eine Betriebsverpachtung ist nach der auf den RFH zurückgehenden Rechtsprechung nur anzunehmen, wenn das Pachtverhältnis Umstände aufweist, die ein Eindringen des Verpächters in das gewerbliche Leben und damit seine Mitwirkung bei der Betriebsgestaltung des Pächters erkennen lassen. Wird zur Betriebsführung der Besitz größeren Inventars erfordert, ist die Mitverpachtung von Inventarstücken notwendig (RFH-Urteil vom 25. Januar 1944 I 191/43, RStBl 1945, 42; Urteil des BFH vom 22. Juli 1964 I 136/62 U, BFHE 80, 235, BStBl III 1964, 559).
Der erkennende Senat stimmt mit dem FG insofern überein, als der Vertrag zwischen der Klägerin und der Verlags-KG vom 13. Oktober 1959, der den zwischen denselben Vertragsparteien bestehenden Vertrag vom 26. März 1955 ablöste, kein neues Pachtverhältnis in dem Sinn begründet hat, daß die Klägerin von nun an etwaige an sie heimgefallene Anschlagsäulen an die KG verpachtet und damit einen Betrieb gewerblicher Art begonnen hätte. Die Würdigung des FG, daß es sich hier nur um die Fortführung des bisherigen Vertragsverhältnisses zu teilweise abgeänderten Bedingungen - Erhöhung der Anzahl aufzustellender Anschlagsäulen, höheres Entgelt als bisher - handelte, ist rechtsfehlerfrei. Das FG ist daher zutreffend auf den Vertrag vom 26. März 1955 zurückgegangen, mit dem die Verlags-KG an die Stelle der G-AG in vertragliche Beziehungen zur Klägerin getreten ist. Das FG hat aber den Wechsel des mit der Klägerin kontrahierenden Vertragspartners nicht nach allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten gewürdigt.
Das FG sieht allein als rechtserheblich an, daß die Klägerin bürgerlich-rechtlich mit einem neuen Vertragspartner - der Verlags-KG - in rechtliche Beziehungen getreten, dieser aber mit der Vorgängerin - der G-AG - rechtlich nicht identisch sei. Hieraus wird sodann die für die Klägerin nachteilige Rechtsfolge gezogen, mit der gleichzeitigen Aufhebung des mit der G-AG geschlossenen Vertrags vom 6./7. September 1948 seien die von der G-AG angeschafften Anschlagsäulen auf die Klägerin übergegangen; diese habe nunmehr mit Vertrag vom 26. März 1955 einen aus mindestens 111 verwendungsfähigen Anschlagsäulen bestehenden Gewerbebetrieb an die Verlags-KG verpachtet.
Zu Recht rügt die Revision, daß diese rechtliche Beurteilung den am 26. März 1955 getroffenen Vereinbarungen nicht gerecht werde. Mit der Verlags-KG ist an diesem Tage zwar ein schriftlicher Vertrag über die Überlassung "zur Zeit vorhandener Anschlagstellen" geschlossen worden. Es ergibt sich aber, daß der Vertrag vom 26. März 1955 - insbesondere was die gegenseitigen Rechte und Pflichten einschließlich des von der Pächterin zu zahlenden Entgeltes anbelangt - seinem Wortlaut nach nahezu vollständig mit dem zwischen der Klägerin und der G-AG am 6./7. September 1948 geschlossenen Vertrag übereinstimmt. In § 11 des Vertrages vom 26. März 1955 ist ausdrücklich vereinbart, daß der vorherige Vertrag mit der G-AG aufgehoben werde. Dementsprechend ist unter den Unterschriften der Vertragschließenden auch die schriftliche Zustimmung der G-AG zur Aufhebung des alten Vertrages enthalten.
Diese im Jahre 1955 vorgenommene Neugestaltung der Beziehungen zwischen der Klägerin als der Verpächterin einerseits und der weichenden und neueintretenden Pächterin andererseits hätte es erfordert, die bürgerlichrechtlichen Grundsätze heranzuziehen, die Lehre und Rechtsprechung zur sogenannten Vertragsübernahme entwickelt haben. Es hat sich die Ansicht durchgesetzt, daß die Übertragung eines Schuldverhältnisses im ganzen - vornehmlich bei Dauerschuldverhältnissen und Sukzessivlieferungsverträgen - zulässig ist. Sie darf als einheitliches Rechtsgeschäft nicht in eine Vielzahl von Forderungsabtretungen und Schuldübernahmen zerlegt werden. In ein sonst bestehenbleibendes Vertragsverhältnis tritt an die Stelle einer bisherigen Vertragspartei eine neue. Bei einem derartigen Wechsel ist es unerläßlich, daß alle drei Beteiligten - die beiden ursprünglichen Vertragspartner und der den früheren Partner ersetzende neue Pächter - zusammenwirken. Aus diesem Grund wird vielfach der Wechsel einer Vertragspartei als ein dreiseitiger Vertrag eigener Art angesehen (vgl. zu Vorstehendem die Urteile des BGH vom 29. Oktober 1957 VIII ZR 292/56, Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 581 BGB, Nr. 16; vom 28. November 1969 V ZR 20/66, Wertpapier-Mitteilungen 1970 S. 195 - WM 1970, 195 -; vom 7. März 1973 VIII ZR 204/71, WM 1973, 489; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. I, 11. Aufl., § 35 III; Coester, Monatsschrift für Deutsches Recht 1974 S. 803; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 35. Aufl. § 398 Anm. 4 mit weiteren Nachweisen). Es wird auch für zulässig gehalten, den Übernahmevertrag mit einem Vertrag zu verbinden, der eine Änderung einzelner Bestimmungen des bisherigen Vertrags vorsieht (Larenz, a. a. O.).
Ist im vorliegenden Fall eine Vertragsübernahme gegeben, hätte das nicht zur Folge gehabt, daß mit dem Ausscheiden der G-AG aus dem Vertragsverhältnis die von dieser während der Pachtzeit errichteten Anschlagsäulen im Wege des Heimfalls in das Eigentum der Klägerin gelangt wären. Es entfiele sodann auch die Annahme, die Klägerin habe der neuen Pächterin - der Verlags-KG - eine größere Anzahl von Inventarstücken überlassen, was wiederum Voraussetzung für die Annahme eines Gewerbebetriebs auf seiten der Klägerin wäre. Da das FG den Sachverhalt nicht unter den rechtlichen Gesichtspunkten der Vertragsübernahme gewürdigt hat, ist die Vorentscheidung aufzuheben.
Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird ermitteln müssen, ob die Klägerin und die an dem Vertragswerk des Jahres 1955 beteiligten Personen einen Austausch der Pächterin im Wege der Vertragsübernahme bezweckt haben. Ist das zu bejahen, scheidet der Vertrag vom 26. März 1955 für die Beurteilung der Steuerpflicht der Klägerin mit ihren Einnahmen aus der Anschlagsäulenwerbung aus. Es muß auf den vorhergehenden Vertrag vom 6./7. September 1948 und gegebenenfalls noch weiter zurückgegangen und geprüft werden, ob seinerzeit die Klägerin der damaligen Pächterin noch brauchbare Anschlagstellen in einer Anzahl überlassen hat, die für sich gesehen die Grundlage eines Gewerbebetriebs bilden können.
Die Vereinbarung aus dem Jahre 1972, wonach die Anschlagsäulen bei Vertragsende nicht mehr entschädigungslos an die Klägerin fallen, sondern dieser zum Kauf angeboten werden, ist für den Streitfall unerheblich. Sie bezweckt eine Vertragsänderung und damit mehr als nur eine Klarstellung des beiderseitigen Parteiwillens. Die bürgerlich-rechtliche Rückbeziehung derartiger Vertragsänderungen vermag eine in der Vergangenheit kraft Gesetzes entstandene Steuer nicht zu beeinflussen.
Das FG wird auch prüfen müssen, ob das FA zu Recht die beiden Betätigungen der Überlassung der Schaukästen (Vitrinen) zu Werbezwecken und der Anschlagsäulenwerbung zu einer gewerblichen Betätigung i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG zusammengefaßt hat. Die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist Steuerrechtssubjekt wegen jedes einzelnen Betriebs gewerblicher Art. Für jeden Betrieb gewerblicher Art, auch für mehrere zulässigerweise zu einer Einheit zusammengefaßte Betriebe, ist das Einkommen besonders zu ermitteln und die Körperschaftsteuer gegen die Körperschaft des öffentlichen Rechts festzusetzen (BFH-Urteil vom 13. März 1974 I R 7/71, BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391).
Es ist ferner fraglich, ob das FA für 1964 noch die Körperschaftsteuer fordern durfte. Eine Steuer für dieses Jahr ist erstmalig in dem zusammengefaßten und mit der Klage angegriffenen Bescheid vom 3. Januar 1972 festgesetzt worden. Dem ging die im Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils erwähnte Betriebsprüfung voraus, die am 13. Juli 1970 begonnen hat. Bei dieser Sachlage ergeben sich Bedenken, ob die Körperschaftsteuer 1964 nicht schon verjährt ist.
Fundstellen
Haufe-Index 72147 |
BStBl II 1977, 94 |
BFHE 1977, 355 |