Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Abwahl der Nutzungswertbesteuerung; Umfang des dazugehörenden Grund und Bodens
Leitsatz (amtlich)
1. Die Nutzungswertbesteuerung kann rückwirkend abgewählt werden. Eine Altenteilerwohnung und der dazugehörende Grund und Boden gelten dann zu dem Zeitpunkt als entnommen, bis zu dem der Nutzungswert letztmals angesetzt wurde. Der Entnahmegewinn bleibt außer Ansatz.
2. Nach dem für die rückwirkende Abwahl der Nutzungswertbesteuerung bestimmten Zeitpunkt kann weder eine Nutzungsänderung noch eine Veräußerung der Wohnung und des dazugehörenden Grund und Bodens einen Einfluss auf die Steuerbefreiung haben.
Normenkette
EStG § 52 Abs. 15 Sätze 4, 6-7, § 4 Abs. 1, § 13 Abs. 4 Sätze 2, 4-5
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) und ihr verstorbener Ehemann unterhielten einen land- und forstwirtschaftlichen Verpachtungsbetrieb in der Rechtsform einer BGB-Gesellschaft. Der Gewinn wurde für das Normal-Wirtschaftsjahr der Land- und Forstwirte durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt. Zum Sonderbetriebsvermögen der Klägerin gehörte u.a. das Hofstellengrundstück in einer Gesamtgröße von 6 072 qm. Auf dem ungeteilten Grundstück befanden sich in den Streitjahren (1989 und 1990) die Hoffläche mit Wirtschaftsgebäuden, Garagen, ein Wohngebäude mit zwei gleich großen Wohnungen sowie eine Garten- und eine Weidefläche. Eine der beiden Wohnungen war fremdvermietet, die andere Wohnung diente als Altenteilerwohnung und unterlag im Veranlagungszeitraum 1986 und danach der Nutzungswertbesteuerung gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 15 Sätze 2 ff. EStG. In den Streitjahren wurden diese Wohnung und der Hausgarten von der Mutter der Klägerin als Altenteilerin genutzt. Die Mutter verstarb im März 1991. Danach wurde die Wohnung fremdvermietet.
Mit ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung für 1989 vom 23. Januar 1992 beantragten die Gesellschafter der Betriebsgemeinschaft unwiderruflich, den Nutzungswert der Altenteilerwohnung ab 1. Januar 1990 nicht mehr zu besteuern. Mit einer am 29. Januar 1992 nachgereichten Anlage beantragten sie die steuerfreie Entnahme des anteiligen Wohngebäudes einschließlich bebauter Fläche und der am Wohngebäude liegenden Rasen- und Zierflächen sowie des seit Jahren (auch schon vor 1986) ausschließlich durch die Altenteiler genutzten Hausgartens von 1 220 qm, der durch ein Wirtschaftsgebäude von der Altenteilerwohnung getrennt war. Die Nutzung der Fläche als Hausgarten endete mit dem Tod der Altenteilerin. Die betreffende Fläche wurde im Jahre 1993 vermessen und mit Vertrag vom 23. Mai 1993 als Bauland veräußert, nachdem bereits zum 30. Juni 1992 die Betriebsaufgabe erklärt worden war.
Im Anschluss an eine Außenprüfung folgte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) dem Begehren auf steuerfreie Entnahme nicht in vollem Umfang. Er sah nur die Hälfte der in unmittelbarer Nähe des Wohngebäudes befindlichen Fläche von 460 qm (bebaute Fläche zuzüglich der am Gebäude befindlichen Zierflächen) als zur Altenteilerwohnung gehörend an. Hinsichtlich des durch die Altenteilerin genutzten Hausgartens von 1220 qm ging das FA von einer steuerpflichtigen Entnahme aus, ermittelte einen Entnahmegewinn von 104 920 DM, rechnete diesen als laufenden Gewinn den Wirtschaftsjahren 1989 und 1990 zu und erließ die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide.
Nach erfolglosem Vorverfahren gab das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 163 veröffentlichten Gründen der Klage statt.
Mit seiner dagegen gerichteten, vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts und trägt im Wesentlichen vor: Die steuerfreie Entnahme des der Wohnung zugehörigen Grund und Bodens umfasse nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur die für die private Nutzung der Wohnung erforderlichen üblichen Flächen, wobei auch deren künftige Nutzung zu berücksichtigen sei (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1996 IV R 43/95, BFHE 181, 333, BStBl II 1997, 50). Gegen die Erforderlichkeit der Flächen für die künftige Nutzung einer Wohnung spreche aber die in absehbarer Zeit (von etwa sechs Jahren) mögliche Nutzung als Bauland. Da die Nutzung des Grundstücks als Hausgarten mit dem Tod der Altenteilerin eingestellt worden sei und man es zu diesem Zeitpunkt bereits zum Verkauf als Bauland vorgesehen habe, sei es für die Altenteilerwohnung nicht mehr erforderlich gewesen. Unstreitig sei die Fläche auch bereits zum Entnahmezeitpunkt, dem 31. Dezember 1989 zur Bebauung geeignet gewesen. Zwar habe erst der Tod der Altenteilerin die veränderte Zweckbestimmung des Grundstücks und den Antrag auf Abwahl der Nutzungswertbesteuerung ausgelöst. Der BFH habe aber die Betrachtung und Einbeziehung einer künftigen Nutzung, die erst durch Umstände ausgelöst wurde, die nach dem Entnahmestichtag eingetreten sind, nicht ausgeschlossen. Auf Grund der Lage des Grundstücks an der einen Seite der Gesamtfläche sei schon vor der Abtrennung des Hausgartens vom Altenteilerwohnhaus die Beurteilung als selbständiger Grundstücksteil möglich gewesen.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Zutreffend hat das FG nicht nur die mit dem Altenteilerhaus bebaute und die unmittelbar an dieses Gebäude grenzende Fläche, sondern auch den etwas abseits auf dem Hofgrundstück belegenen Hausgarten als dem Wohnhaus der Altenteilerin zugehörenden Grund und Boden behandelt, der steuerfrei Privatvermögen werden konnte.
a) Mit der nach § 52 Abs. 15 Satz 4 EStG a.F. zulässigen Abwahl der Nutzungswertbesteuerung der Wohnung zum 31. Dezember 1989 galten das zu Altenteilerzwecken genutzte Wohnhaus der Klägerin sowie der dazugehörende Grund und Boden zu dem Zeitpunkt als entnommen, bis zu dem § 13 Abs. 2 oder § 13a Abs. 3 Nr. 4 und Abs. 7 EStG a.F. letztmals angewendet wurden (§ 52 Abs. 15 Satz 6 EStG a.F.).
Im Streitfall gehörte der Nutzungswert der Altenteilerwohnung nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG a.F. zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft. Zwischen den Beteiligten besteht Einigkeit darüber, dass die Klägerin die Nutzungswertbesteuerung zum 31. Dezember 1989 abgewählt hat und dass dies im Unterschied zu einer Entnahme rückwirkend geschehen konnte (Senatsurteil vom 12. September 2002 IV R 66/00, BFHE 199, 572, BStBl II 2002, 815, zu 1.b der Entscheidungsgründe). In Bezug auf das Wohnhaus selbst und den angrenzenden Ziergarten hat das FA deshalb auch die zutreffenden Folgerungen aus der Entnahmefiktion des § 52 Abs. 15 Satz 6 EStG a.F. gezogen und den darauf entfallenden Entnahmegewinn außer Ansatz gelassen (§ 52 Abs. 15 Satz 7 EStG a.F.). Streitig blieb danach allein die von der Altenteilerin bis zu ihrem Tod als Hausgarten genutzte Fläche, die nach Erklärung der Betriebsaufgabe zum 30. Juni 1992 am 23. Mai 1993 als Bauland veräußert wurde.
b) In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das FG auch diese Hausgartenfläche als zur Altenteilerwohnung dazugehörenden und steuerfrei ins Privatvermögen zu überführenden Grund und Boden behandelt.
Zur Bestimmung des "dazugehörenden Grund und Bodens" hat der erkennende Senat auf den bis zur Abwahl der Nutzungswertbesteuerung bestehenden Nutzungs- und Funktionszusammenhang einer Fläche mit der begünstigten Wohnung abgestellt und den Umfang dieser Fläche auch nach der für die künftige Wohnungsnutzung vorgesehenen Zweckbestimmung bemessen (Senatsurteile vom 26. September 2001 IV R 22/00, BFHE 196, 559, BStBl II 2001, 762, und in BFHE 181, 333, BStBl II 1997, 50). Dieser Auslegung ist die Finanzverwaltung (s. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 4. Juni 1997, BStBl I 1997, 630, zu Tz. 4) gefolgt.
Auch die Vorentscheidung geht von diesen Grundsätzen aus. Nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen und den Senat daher bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hat die streitige Gartenfläche seit langen Jahren, bereits im Veranlagungszeitraum 1986 und über den Zeitpunkt der rückwirkenden Abwahl der Nutzungswertbesteuerung (31. Dezember 1989) hinaus, als zur Altenteilerwohnung gehörender Garten gedient. Dieser vor und nach der Abwahl der Nutzungswertbesteuerung bestehende Nutzungs- und Funktionszusammenhang der Gartenfläche mit der Altenteilerwohnung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass sich der Hausgarten in einiger Entfernung von der Wohnung befand und durch ein Wirtschaftsgebäude von dieser getrennt war. In seinem Urteil vom 26. September 2001 IV R 31/00 (BFHE 197, 37, BStBl II 2002, 78) hat der Senat auch eine in einiger Entfernung vom Hofgrundstück belegene und von diesem durch eine Straße getrennte Gartenfläche als zur Wohnung gehörenden Grund und Boden beurteilt, sofern diese vor und nach der Entnahme des Wohnhauses als Hausgarten genutzt wurde. Im Streitfall befand sich der Hausgarten in weitaus geringerer Entfernung von der Wohnung und war zudem noch auf der Hofstelle belegen. Auch die Größe des Gartens gibt keinen Anlass zu Beanstandungen. Mit einer Fläche von 1 220 qm entspricht das Grundstück durchaus noch einem Hausgarten im ländlichen Bereich (Senatsurteil in BFHE 196, 559, BStBl II 2001, 762, zu b der Entscheidungsgründe).
2. Unterliegt es danach keinem Zweifel, dass das fragliche Grundstück auch nach der Abwahl der Nutzungswertbesteuerung seiner ursprünglichen Zweckbestimmung ―einer Nutzung als Hausgarten durch die Altenteilerin― gedient hatte und weiter dienen sollte, so konnte auch die spätere durch den Tod der Mutter hervorgerufene Änderung dieser Zweckbestimmung nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Nach Abwahl der Nutzungswertbesteuerung konnte weder eine Nutzungsänderung noch eine Veräußerung der Wohnung und des dazugehörenden Grund und Bodens einen Einfluss auf die Steuerbefreiung nach § 52 Abs. 15 Satz 7 EStG a.F. haben.
a) Nach den Feststellungen des FG war das Gartengrundstück zwar bereits Ende 1989 zur Bebauung geeignet. Zutreffend hat das FG jedoch ausgeführt, dass die Baulandeigenschaft allein keine Änderung der für die künftige Wohnungsnutzung vorgesehenen Zweckbestimmung des Grundstücks indiziere. Das FA selbst hat aus dem Umstand, dass mit dem Tod der Altenteilerin auch die Zweckbestimmung der Wohnung selbst entfallen war und die Wohnung fremdvermietet wurde, keine nachteiligen Konsequenzen in Bezug auf die Wohnung selbst gezogen. Es hat diese Wohnung nicht etwa dem gewillkürten Sonderbetriebsvermögen der Klägerin mit der Folge zugeordnet, dass sie im Rahmen der Betriebsaufgabe zum 30. Juni 1992 steuerpflichtig in das Privatvermögen hätte überführt werden müssen (vgl. etwa Felsmann/Giere, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, Anm. A 172k), sondern es hat auch insoweit den erst nach der Nutzungsänderung gestellten Antrag auf Abwahl der Nutzungswertbesteuerung rückwirkend anerkannt.
Da der zur Wohnung dazugehörende Grund und Boden auf Grund des einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs das rechtliche Schicksal der Wohnung teilt (s. Leingärtner/Kanzler, Besteuerung der Landwirte, Kap. 17 Rz. 179), kann dieser Zusammenhang beider Wirtschaftsgüter auch nicht durch eine Nutzungsänderung gelöst werden, die nachweislich erst nach dem für die Abwahl der Nutzungswertbesteuerung bestimmten Zeitpunkt vorgenommen und durch Umstände ausgelöst wurde, die ―wie im Streitfall― erst nach diesem Zeitpunkt eingetreten sind. Dass die Klägerin den im Übergangszeitraum von 1986 bis 1998 jederzeit möglichen Antrag erst nach Eintritt der Nutzungsänderung gestellt hatte, ist unschädlich. Dies folgt aus der Zulässigkeit einer rückwirkenden Abwahl der Nutzungswertbesteuerung und entspricht dem Zweck der Übergangsregelungen in § 52 Abs. 15 EStG a.F. Danach hat der Gesetzgeber auf eine Besteuerung der stillen Reserven verzichtet, die durch die zwangsweise Zuordnung der Wohnungen zum notwendigen Betriebsvermögen entstanden sind und die bei allen übrigen Steuerpflichtigen, die ihre eigengenutzten Wohnungen im Privatvermögen hatten, nicht anfielen (Leingärtner/Kanzler, a.a.O., Kap. 17 Rz. 90).
b) Soweit das FA unter Berufung auf die Ausführungen im Senatsurteil in BFHE 181, 333, BStBl II 1997, 50 die Auffassung vertreten hat, der Hausgarten sei im Streitfall für die künftige Nutzung der Altenteilerwohnung nicht erforderlich gewesen, weil ihm bereits zum Entnahmezeitpunkt Baulandqualität zugekommen sei, vermag ihm der Senat nicht zu folgen. Der Hinweis auf die Erforderlichkeit der Flächen für die künftige Wohnungsnutzung in jener Entscheidung bezog sich allein auf die Bemessung des zulässigen Umfangs des zu einer Wohnung gehörenden Grund und Bodens (s. auch Senatsurteil in BFHE 196, 559, BStBl II 2001, 762). Dass der Hausgarten im Streitfall noch eine angemessene Größe aufwies, wird aber auch vom FA nicht bestritten (s.o. 1.b a.E.). Im Übrigen erfolgte die Parzellierung des Teilgrundstücks in dem dem Senatsurteil in BFHE 181, 333, BStBl II 1997, 50 zu Grunde liegenden Fall nicht nur vor Abwahl der Nutzungswertbesteuerung, sondern bereits im Jahre 1984, also vor In-Kraft-Treten der Übergangsregelung des § 52 Abs. 15 EStG a.F. Ungeachtet der weiteren Nutzung dieser abgetrennten Parzelle als Hausgarten war in jenem Fall der Nutzungs- und Funktionszusammenhang des Grund und Bodens mit der Wohnung nach Auffassung des Senats bereits vor der gesetzlichen Aufgabe der Nutzungswertbesteuerung entfallen. Auf den Streitfall lassen sich die Erwägungen im Senatsurteil in BFHE 181, 333, BStBl II 1997, 50 daher nicht übertragen.
Fundstellen
Haufe-Index 1120074 |
BFH/NV 2004, 565 |
BStBl II 2004, 419 |
BFHE 2004, 444 |
BFHE 204, 444 |
BB 2004, 1205 |
DB 2004, 793 |
DStRE 2004, 444 |