Leitsatz (amtlich)
1. Die bei einer unselbständigen Rabattabteilung einer Genossenschaft auftretenden Geschäftsvorfälle wirken für und gegen die Genossenschaft.
2. Die durch die Ausgabe von Rabattmarken vereinnahmten Gelder stellen einen Aktivposten dar; für die Verpflichtung zur Einlösung der Rabattmarken kann eine Rückstellung gebildet werden, die um den Markenschwund für die erfahrungsgemäß nicht zur Einlösung gelangenden Marken zu kürzen ist.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 1, § 5
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) ist eine eGmbH. Gegenstand ihres Unternehmens ist nach § 1 der Satzung in erster Linie "der Betrieb eines Großhandelsunternehmens zum Zwecke der Beschaffung der für das Gewerbe und die Wirtschaft der Mitglieder erforderlichen Waren". Mitglieder sind nach § 2 der Satzung insbesondere selbständige Kaufleute der Kolonialwaren-, Materialwarenund Drogenbranche.
Seit dem Streitjahr 1952 hat die Steuerpflichtige die Ausgabe von Rabattmarken für einen Teil ihrer Mitglieder organisiert. Zu diesem Zweck hat sie eine Rabattabteilung eingerichtet und läßt durch sie Rabattmarken und Sparkarten beschaffen und an ihre interessierten Mitglieder ausgeben. Die Steuerpflichtige behandelte die für die ausgegebenen Rabattmarken eingegangenen Beträge als zweckgebundenes Vermögen (ensprechend § 3 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Preisnachlässe - Rabattgesetz - vom 21. Februar 1934, RGBl I 1934, 120) und legte sie als verzinsliches Bankguthaben an.
Für die Rabattabteilung selbst richtete die Steuerpflichtige eine gesonderte Buchführung ein; ferner stellte sie gesonderte Bilanzen und Verlust- und Gewinnrechnungen auf. Für die Streitjahre (1952 bis 1955) stellte sie die Endsummen dieser gesonderten Bilanzen in ihre eigene Bilanz ein, so daß ein sich bei der Rabattabteilung ergebender Gewinn nicht ausgewiesen wurde.
Bei einer Betriebsprüfung im Jahre 1957 vertrat der Betriebsprüfer die Ansicht, daß die in der Rabattabteilung entstandenen Gewinne bei der Steuerpflichtigen der Körperschaftsteuer zu unterwerfen seien. Diese Gewinne entstehen in erster Linie dadurch, daß bei der Passivierung der Verpflichtungen der Steuerpflichtigen auf Einlösung der an die interessierten Mitglieder ausgegebenen Rabattmarken ein Markenschwund von 2 % zu berücksichtigen ist und daß die Zinsen für die auf der Bank angelegten Beträge sowie die Unkostenbeiträge die tatsächlich in der Rabattabteilung anfallenden Unkosten im allgemeinen übersteigen. Das FA folgte in den nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO berichtigten Körperschaftsteuerbescheiden der Ansicht des Betriebsprüfers.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das FG bestätigte als richtig, wenn das FA bei der Gewinnermittlung einerseits die in der Rabattabteilung der Steuerpflichtigen durch die Ausgabe der Rabattmarken angesammelten Gelder als Aktivposten und andererseits die Verpflichtung zur Einlösung der Rabattmarken als Passivposten angesetzt, hierbei aber einen Abschlag wegen des mit Sicherheit zu erwartenden Markenschwundes gemacht und den auf diese Weise anfallenden Gewinn aus dem sogenannten Markenschwund bei der steuerpflichtigen zur Körperschaftsteuer herangezogen hat. Bei dem genannten Passivposten handele es sich um eine Rückstellung. Wenn man berücksichtige, daß die Einlösung der Sparkarten zu Weihnachten und zum Jahresende besonders zügig erfolge (Urteil des BFH III 317/59 S vom 4. Dezember 1959, BFH 70, 212, BStBl III 1960, 80), so könne man davon ausgehen, daß zum Bilanzstichtag die weitaus überwiegende Zahl der Marken, die während eines Jahres ausgegeben worden seien, zur Einlösung gelangt sei, soweit sie überhaupt zur Einlösung vorgesehen seien.
Die Höhe des vom FA angesetzten Prozentsatzes für Markenschwund sei nicht zu beanstanden. Die genaue spätere Abrechnung habe im übrigen ergeben, daß die in den Streitjahren laufende Markenserie mit einem Markenschwund von 3,95 % abgeschlossen habe. Die späteren Markenserien wiesen Schwundsätze von 2,58 % und 3 % auf.
Die Steuerpflichtige dürfe zwar den erwirtschafteten Gewinn an ihre Genossen zurückvergüten. Voraussetzung für die Anerkennung als Betriebsausgaben sei aber, daß die Rückvergütung bezahlt sei; die Rückvergütung müsse etwa zwölf Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahres gezahlt oder gutgeschrieben sein. Im vorliegenden Fall sei eine derartige Rückvergütung unstreitig nicht zwölf Monate nach Ablauf des jeweiligen Wirtschaftsjahres gezahlt oder gutgeschrieben worden.
Die Steuerpflichtige hat Rb. eingelegt, die als Revision zu behandeln ist (vgl. § 184 FGO). Sie führt aus, die von den Einzelhändlern für die Markenblocks hinterlegten Gelder seien bei ihr (der Genossenschaft) als zweckgebundenes Vermögen zu verwalten. Es bestehe zu diesem Zweck für jede Rabattabteilung eine gesonderte Buchführung. Ein etwaiger Einnahmeüberschuß sei bei der Genossenschaft erst dann als Gewinn verwirklicht, wenn Beträge von dieser zur Rücklagengewinnvermehrung verwendet würden. Das FG habe nicht berücksichtigt, daß der verbleibende Gewinn um die Druck- und Bearbeitungskosten zu vermindern sei. Diese Sachkosten seien in der I. und II. Serie nur relativ gering angefallen, weil während der Zeit von 1952 bis 30. September 1957 von den rabattgebenden Mitgliedern ein Unkostenbeitrag für jeden Rabattmarkenblock erhoben und zur Kostendeckung verwendet worden sei. An diesen Unkostenbeiträgen seien in dem Zeitraum 1952 bis 1957 insgesamt 43 182,50 DM erhoben und zur Kostendeckung verwendet worden. Wäre die Erhebung der Kostenbeiträge unterblieben, so hätte der Markenschwund allein zur Kostendeckung nicht ausgereicht. Das werde auch durch die nachfolgende Markenserie belegt, für die Kostenbeiträge in der Zeit von 1958 bis 1960 nicht erhoben worden seien.
Der Markenschwund sei ein unrealisierter Gewinn, der erst vereinnahmt werden könne, wenn die Rabattmarkenserie abgerechnet sei. Die Situation bei einer Rabattabteilung sei eine ähnliche wie bei einem Bauvorhaben, das sich über mehrere Jahre erstrecke. Durch die Rechtsprechung sei hier geklärt, daß der Gewinn aus einem Bauvorhaben, der sich über mehrere Jahre erstrecke, in der Bilanz des Bauunternehmers erst dann ausgewiesen werden müsse, wenn das Bauvorhaben abgeschlossen sei. Dieses gelte auch, wenn das Bauvorhaben sich in mehrere Bauabschnitte zerlegen lasse. Auch hier könne man theoretisch einen Teilgewinn nach Erfahrungssätzen auf die einzelnen Baujahre verrechnen. Der Bauunternehmer sei hierzu jedoch nach steuerlichen Grundsätzen zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet.
Die Schätzung des Markenschwundes sei unrichtig. Der Markenschwund sei eine ungewisse Größe. Es stimme mit der Praxis nicht überein, daß der Markenschwund "nach allgemeiner Erfahrung", wie das FG ausführte, nicht unter 2 % liege. Von den von der Prozeßbevollmächtigten der Steuerpflichtigen betreuten 93 Rabattabteilungen von rund 190 Verbandsgenossenschaften sei bei einzelnen Rabattabteilungen festgestellt worden, daß nach Aufruf der Marken der tatsächliche Schwund unter 2 % liege und bei einer Vielzahl die entsprechenden Sachkosten durch den Markenschwund nicht voll abgedeckt werden könnten.
Nach einem Beschluß der Verwaltungsorgane der Steuerpflichtigen werde der überschuß an die Mitglie der verteilt. Der erste Beschluß dieser Art soll 1952 gefaßt worden sein. Die Vorlage des Beschlusses sei leider aber nicht mehr möglich, da er bei der Vernichtung der Akten der Rabattabteilung mit vernichtet worden sei. Der zweite Beschluß des gleichen Inhalts laute: "Nach dem Aufruf der alten Rabattmarken soll der sich aus den überzahlten Mitgliederbeträgen ergebende Überschuß an die Mitglieder umsatzmäßig verteilt werden. Die Mitglieder haben von dieser Rückzahlung 4 % Umsatzsteuer zu zahlen. Dieser Vorschlag des Geschäftsführers wurde akzeptiert." Der Beschluß der Verwaltung der Rabattabteilung bezwecke, den verbleibenden Restbetrag aus den von den Mitgliedern eingezahlten und hinterlegten Summen an die Mitglieder nach Maßgabe ihres Markenbezuges zurückzugeben.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Der Einwand, eine Gewinnrealisierung bei der Steuerpflichtigen komme erst in Frage, wenn Überschüsse von der Rabattabteilung an die Steuerpflichtige überführt und von dieser verwendet werden, hat das FG bereits mit zutreffender Begründung widerlegt. Da die Rabattabteilung ein unselbständiger Teil der Steuerpflichtigen ist, wirken die dort auftretenden Betriebsvorfälle für und gegen die Steuerpflichtige; die Buchungen bei der unselbständigen Abteilung sind als Buchungen der Steuerpflichtigen zu werten. Für die steuerrechtliche Beurteilung ist es darum ohne Bedeutung, ob die Streitfrage für einen Rabattsparverein oder die Abteilung einer Genossenschaft zu entscheiden ist.
Da die durch die Markenausgabe vereinnahmten Gelder kein Treuhandvermögen sind, stellen sie bei der Steuerpflichtigen einen Aktivposten dar (vgl. BFH-Urteil III 284/60 S vom 3. November 1961, BFH 74, 47, BStBl III 1962, 21). Nach dem Urteil des Senats I 189/60 U vom 15. November 1960 (BFH 72, 126, BStBl III 1961, 48) kann für die Verpflichtung zur Markeneinlösung eine Rückstellung gebildet werden, die um den sogenannten Markenschwund für die erfahrungsgemäß nicht zur Einlösung gelangenden Marken zu kürzen ist. Die nicht vergüteten Rabattmarken sind grundsätzlich im Jahr der Ausgabe durch Kürzung der Rückstellung als Gewinn zu behandeln. Die hier zu entscheidende Frage liegt wesentlich anders als die von der Steuerpflichtigen zum Vergleich herangezogene Rechtsprechung über die Gewinnrealisierung bei einem einheitlichen Bauvorhaben, das sich über mehrere Jahre erstreckt. Bei der Ausgabe von Rabattmarken geht es um eine Vielzahl einzelner Betriebsvorfälle, die jeweils in den Jahren zu erfassen sind, in denen sie vorkommen.
Daß in den Streitjahren die Höhe der Kürzung vom FA zutreffend vorgenommen worden ist, kann durch den Hinweis auf Druckkosten in den Jahren bis 1958 nicht widerlegt werden; denn hier ist ausschließlich über das Einkommen 1952 bis 1955 zu entscheiden. Der Ausgangspunkt der Vorentscheidung, daß der vom FA angenommene Markenschwund zutreffend sei, ist darum durch die Ausführungen der Steuerpflichtigen nicht widerlegt. Die Schätzung kann auch nicht durch den Hinweis auf den geringeren Schwund in anderen Betrieben angegriffen werden, da die Verhältnisse in den unterschiedlichen Betrieben und auch in den einzelnen Jahren nicht gleichliegen.
Eine Rückvergütung an die Mitglieder ist bezüglich der hier streitigen Jahre und Beträge nach den Feststellungen des FG nicht erfolgt. Auch wenn ein Beschluß der Verwaltungsorgane in dem von der Steuerpflichtigen auch schon in der Berufung vorgetragenen Sinne vorgelegen hat, würde hierdurch der Gewinn nicht beeinflußt, da eine eventuell anzuerkennende gewinnmindernde Rückvergütung nicht vorgenommen worden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 68011 |
BStBl II 1968, 445 |
BFHE 1968, 526 |