Leitsatz (amtlich)
Die gesetzliche Regelung des Weihnachtsfreibetrages für Arbeitnehmer (§ 19 Abs.3 EStG) verstößt nicht gegen das GG.
Orientierungssatz
1. Die Gewährung des Weihnachtsfreibetrags nach § 19 Abs. 3 EStG kommt in ihrer Wirkung einer "Aufstockung" des allgemeinen Arbeitnehmerfreibetrags gleich und stellt damit die Verstärkung einer Steuervergünstigung dar (Ausführungen zum Zweck des allgemeinen Arbeitnehmerfreibetrags und zur sachlichen Rechtfertigung für die Einführung des allgemeinen Arbeitnehmerfreibetrags).
2. Die Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz bedeutet, daß bei der Auswahl der Sachverhalte, für die eine gesetzliche Regelung getroffen wird, sachgemäß und nicht willkürlich verfahren wird (BFH, BVerfG). Unter Willkür ist dabei nicht die subjektive "Motivation", sondern die objektive Unangemessenheit der in Frage stehenden Maßnahmen zu verstehen. Eine gesetzliche Regelung verstößt nur dann gegen den Gleichheitssatz, wenn sie unter keinem sachlich vertretbaren Gesichtspunkt gerechtfertigt erscheint (BVerfG).
3. Der gegen die unterschiedliche steuerliche Behandlung gewisser Einkunftsarten (vgl. z.B. außer den Freibeträgen für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit die Vergünstigungen bei den Einkünften aus der freien Berufstätigkeit --§ 18 Abs. 4 EStG-- und aus Landwirtschaft und Forstwirtschaft --§ 13 Abs. 3 EStG--) erhobene Einwand, diese pauschale "Gruppengerechtigkeit" verstoße gegen die individuelle, nach der Leistungsfähigkeit des Einzelnen zu bemessende Gerechtigkeit, kann nur als Argument für eine gerechtere gesetzliche Neugestaltung des Einkommensteuerrechts gewertet werden; als Begründung dafür, daß die --nach Einkunftsarten unterschiedlichen-- Regelungen mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar seien, reicht der Einwand nicht aus.
4. Einer Revision, mit der ein Steuerpflichtiger mit Einkünften aus selbständiger Arbeit beantragt, ihm in entsprechender Anwendung des § 19 Abs. 3 EStG einen Weihnachtsfreibetrag zu gewähren, kann das Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden. Der BFH kann zwar angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 19 Abs. 3 EStG nicht aussprechen, daß der Weihnachtsfreibetrag auch denjenigen Steuerpflichtigen zu gewähren ist, die keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beziehen. Er könnte aber, falls er § 19 Abs. 3 EStG für verfassungswidrig ansähe, gemäß Art. 100 Abs. 1 GG das Verfahren aussetzen und die Entscheidung des BVerfG einholen. Dabei würde sich dem Kläger die Möglichkeit eröffnen, daß der Gesetzgeber --nach Feststellung der Verfassungswidrigkeit des § 19 Abs. 3 EStG-- bei Herstellung der Gleichheit eine ihm günstige Regelung trifft, aufgrund derer dem Klagebegehren ganz oder teilweise stattgegeben werden könnte (vgl. BFH-Beschluß vom 1.8.1985 VI R 28/79).
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; EStG § 19 Abs. 3-4; GG Art. 100 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 1; EStG § 13 Abs. 3, § 18 Abs. 4
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bezieht als Partner einer Rechtsanwalts-Sozietät Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Bei seiner Veranlagung zur Einkommensteuer 1978 beantragte er, ihm in entsprechender Anwendung des § 19 Abs.3 des Einkommensteuergesetzes 1977 (EStG) einen Weihnachtsfreibetrag in Höhe von 400 DM zu gewähren.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte diesen Antrag bei der Festsetzung der Einkommensteuer für 1978 ab.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung aus: Die Regelung des § 19 Abs.3 EStG gelte nur für Bezieher von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Sie verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz (Art.3 Abs.1 des Grundgesetzes --GG--), denn sie sei --ebenso wie die Vorschrift zum allgemeinen Arbeitnehmerfreibetrag (§ 19 Abs.4 EStG)-- durch sozial- und gesellschaftspolitische Überlegungen gerechtfertigt.
Mit der --vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen-- Revision rügt der Kläger, daß § 19 Abs.3 EStG mit Art.3 Abs.1 GG nicht vereinbar sei. Für eine Beschränkung des Weihnachtsfreibetrags auf die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit fehle es an einer sachlichen Rechtfertigung. Die Auffassung des FG, es handle sich bei dem Weihnachtsfreibetrag nach § 19 Abs.3 EStG der Sache nach nur um einen neben dem allgemeinen Arbeitnehmerfreibetrag (§ 19 Abs.4 EStG) zu gewährenden weiteren Arbeitnehmerfreibetrag, der die ungünstigere steuerrechtliche Behandlung der Arbeitnehmer ausgleichen solle, treffe nicht zu. Der Weihnachtsfreibetrag wirke sich zwar wie ein Arbeitnehmerfreibetrag aus. Er sei jedoch vom Gesetzgeber nicht unter dem Gesichtspunkt eingeführt worden, der für die Schaffung des Arbeitnehmerfreibetrags maßgebend gewesen sei; der Gedanke eines pauschalen Ausgleichs von Nachteilen, die durch die zeitnahe Erfassung der Arbeitnehmereinkünfte im Wege der Lohnsteuereinbehaltung auftrete, sei zu keiner Zeit Grundlage der gesetzgeberischen Erwägungen gewesen. Der Weihnachtsfreibetrag habe vielmehr in gewissem Umfang der bei Zahlung des Weihnachtsgeldes im Monat Dezember eintretenden Progression Rechnung tragen sollen. Die spätere Erhöhung des Weihnachtsfreibetrags von 100 DM auf 400 DM durch Gesetz vom 4.November 1977 (BGBl I, 1965, BStBl I, 495) beruhe allein auf dem Gedanken, daß dadurch die Kaufkraft der Arbeitnehmerhaushalte erhöht und ein zusätzlicher Impuls für private Konsumausgaben ausgelöst werde.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung dahin abzuändern, daß bei der Bemessung der Einkommensteuer 1978 ein Weihnachtsfreibetrag von 400 DM berücksichtigt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision ist zulässig. Ihr kann insbesondere das Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden.
Die im Revisionsverfahren vertretene Auffassung, der Bundesfinanzhof (BFH) habe ohnehin keine Möglichkeit, dem Rechtsschutzbegehren des Klägers stattzugeben, ist unzutreffend. Der BFH kann zwar angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 19 Abs.3 EStG nicht aussprechen, daß der Weihnachtsfreibetrag auch denjenigen Steuerpflichtigen zu gewähren ist, die keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beziehen. Er könnte aber, falls er die Vorschrift des § 19 Abs.3 EStG für verfassungswidrig ansähe, gemäß Art.100 Abs.1 GG das Verfahren aussetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einholen. Würde das BVerfG in einem solchen Fall die Regelung des § 19 Abs.3 EStG wegen Verstoßes gegen Art.3 Abs.1 GG für verfassungswidrig erklären, so müßte der Gesetzgeber eine dem Gleichheitsgebot Rechnung tragende Neuregelung treffen. Der Gesetzgeber könnte dabei dem Gleichheitssatz in der Weise Rechnung tragen, daß er den Weihnachtsfreibetrag für die Bezieher von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ganz abschafft oder diesen Freibetrag auch den Beziehern anderer Einkünfte gewährt. Die Einholung einer Entscheidung des BVerfG würde dem Kläger somit die Möglichkeit eröffnen, daß der Gesetzgeber bei Herstellung der Gleichheit eine ihm günstige Regelung trifft, aufgrund derer dem Klagebegehren ganz oder teilweise stattgegeben werden könnte (vgl. BFH-Beschluß vom 1.August 1985 VI R 28/79, BFHE 144, 244, BStBl II 1985, 664, 669).
2. Die Revision ist indessen nicht begründet. Die Regelung, nach der ein Weihnachtsfreibetrag nur für die Bezieher von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gewährt wird, ist verfassungsgemäß. Da der Kläger keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit hat, kann er diesen Freibetrag nicht beanspruchen.
a) Die Vorschrift des § 19 Abs.3 Satz 1 EStG in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes zur Steuerentlastung und Investitionsförderung vom 4.November 1977 (BGBl I, 1965, BStBl I, 495) sieht vor, daß vom Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer in der Zeit vom 8.November bis 31.Dezember aus seinem ersten Dienstverhältnis zufließt, ein Betrag von 400 DM abzuziehen ist ("Weihnachtsfreibetrag"). Bei einer Veranlagung zur Einkommensteuer und beim Lohnsteuer-Jahresausgleich ist der Weihnachtsfreibetrag auch zu berücksichtigen, wenn der Arbeitnehmer in der genannten Zeit keinen Arbeitslohn bezogen hat (§ 19 Abs.3 Satz 2 EStG).
Im Gegensatz zu der früher geltenden Regelung, die nur die in der Zeit vom 15.November eines Kalenderjahres bis zum 15.Januar des darauf folgenden Kalenderjahres tatsächlich gewährten Weihnachts- und Neujahrszuwendungen des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer begünstigte (§ 3 Nr.17 EStG in der bis zum 14.November 1960 geltenden Fassung; vgl. hierzu Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 19 EStG Anm.380), wurde durch die mit dem Einkommensteueränderungsgesetz vom 27.Dezember 1960 (BGBl I 1960, 1077, BStBl I 1961, 18) geschaffene Neuregelung des § 3 Nr.17 EStG die Steuerfreiheit nicht mehr an eine Weihnachtszuwendung gebunden; nach § 3 Nr.17 EStG n.F. wurde vielmehr für alle Arbeitnehmer --unabhängig davon, ob sie Weihnachtszuwendungen erhielten oder nicht-- ein Betrag von 100 DM der Bezüge, die "dem Arbeitnehmer aus einem Dienstverhältnis ... im Monat Dezember zufließen", steuerfrei belassen. Diese ausdrücklich als "Weihnachtsfreibetrag" bezeichnete Vergünstigung wurde mit dem Einkommensteuerreformgesetz (EStRG) vom 5.August 1974 (BGBl I, 1769, BStBl I, 530) nach § 19 Abs.3 EStG übertragen und durch Gesetz vom 4.November 1977 (BGBl I, 1965, BStBl I, 495) auf 400 DM erhöht.
Die gesetzliche Regelung des § 19 Abs.3 Satz 1 EStG stellt zwar für den Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber auf den in der Zeit vom 8.November bis 31.Dezember zugeflossenen Arbeitslohn ab und stellt auf diese Weise einen zeitlichen Bezug zu Weihnachten her; in § 19 Abs.3 Satz 2 EStG wird jedoch weiter vorgeschrieben, daß der Freibetrag bei der Veranlagung zur Einkommensteuer und beim Lohnsteuer-Jahresausgleich auch dann zu berücksichtigen ist, wenn der Arbeitnehmer in der Zeit vom 8.November bis 31.Dezember keinen Arbeitslohn bezogen hat. Der Weihnachtsfreibetrag hat damit die Wirkung eines allgemein gewährten Freibetrags (BFH-Urteil vom 14.Januar 1972 VI R 30/69, BFHE 104, 345, BStBl II 1972, 341; Urteil des FG Baden-Württemberg vom 17.März 1983 III 334/82, rechtskräftig, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1984, 70; Urteil des FG Berlin vom 28.Februar 1984 VII 145/83, rechtskräftig, EFG 1984, 452). Er wird deshalb auch in der Literatur (Bals, Der Betrieb --DB-- 1972, 2431; Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., Anm.381; Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, 12.Aufl., § 19 Tz.126; Oeftering/Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht, C, § 19 EStG Tz.311, 317; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 5.Aufl., § 19 Anm.10) rechtssystematisch als weiterer Arbeitnehmerfreibetrag --neben dem allgemeinen Freibetrag nach § 19 Abs.4 EStG-- eingeordnet.
Der Gesamtfreibetrag für Arbeitnehmer betrug danach 1978 880 DM (jetzt 1 080 DM) und lag damit deutlich unter dem Freibetrag für freie Berufe von 1 200 DM (§ 18 Abs.4 EStG).
b) Der Umstand, daß der Weihnachtsfreibetrag ausschließlich den Arbeitnehmern, nicht aber den Beziehern anderer Einkunftsarten gewährt wird, verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz (Art.3 Abs.1 GG).
Die Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz bedeutet, daß bei der Auswahl der Sachverhalte, für die eine gesetzliche Regelung getroffen wird, sachgemäß und nicht willkürlich verfahren wird (ständige Rechtsprechung des BVerfG und des BFH; vgl. BFH-Urteil vom 14.Dezember 1978 IV R 98/74, BFHE 127, 45, BStBl II 1979, 284, m.w.N.). Unter Willkür ist dabei nicht die subjektive "Motivation", sondern die objektive Unangemessenheit der in Frage stehenden Maßnahmen zu verstehen (Rinck in Jahrbuch des öffentlichen Rechts --JöR--, n.F., Bd.10 S.274, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BVerfG). Eine gesetzliche Regelung verstößt hiernach nur dann gegen den Gleichheitssatz, wenn sie unter keinem sachlich vertretbaren Gesichtspunkt gerechtfertigt erscheint (vgl. BVerfG-Beschluß vom 2.Oktober 1969 1 BvL 12/68, BVerfGE 27, 58, BStBl II 1970, 140).
Die Gewährung des Weihnachtsfreibetrags nach § 19 Abs.3 EStG, die in ihrer Wirkung einer "Aufstockung" des allgemeinen Arbeitnehmerfreibetrags (§ 19 Abs.4 EStG) gleichkommt und damit die Verstärkung einer Steuervergünstigung darstellt, die ausschließlich den Arbeitnehmern zugute kommt, kann nicht als willkürlich angesehen werden.
Der allgemeine Arbeitnehmerfreibetrag bezweckt in erster Linie, den Arbeitnehmern einen Ausgleich dafür zu gewähren, daß sie im Lohnsteuerabzugsverfahren ihre Steuer zeitnäher entrichten müssen als die veranlagten Steuerpflichtigen (Begründung der Bundesregierung zum Steueränderungsgesetz 1964, BTDrucks IV/2400 zu II 3. c). Bei früheren Anträgen, die aus der Mitte des Bundestages auf Einführung eines Arbeitnehmerfreibetrags gestellt wurden, ist außerdem darauf hingewiesen worden, daß veranlagte Steuerpflichtige, insbesondere Gewerbetreibende, bei der Ermittlung ihres Gewinn in größerem Umfang legale Gestaltungsmöglichkeiten haben als dies bei Arbeitnehmern der Fall ist. Es kann davon ausgegangen werden, daß auch diese Erwägung bei der Einführung des Arbeitnehmerfreibetrags eine Rolle gespielt hat (Oeftering/Görbing, a.a.O., C, § 19 EStG Tz.317).
Die genannten Erwägungen reichen als sachliche Rechtfertigung für die Einführung eines allgemeinen Arbeitnehmerfreibetrags aus. Insbesondere kann es nicht als sachfremd angesehen werden, daß den Arbeitnehmern im Hinblick auf die --nur für sie geltende-- Steuererhebungsform ein steuerlicher Ausgleich gewährt wird. Bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn in Form der Lohnsteuer erhoben (§ 38 Abs.1 EStG); die Lohnsteuer entsteht bereits in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt (§ 38 Abs.2 Satz 2 EStG). Dagegen leisten Steuerpflichtige, die zur Einkommensteuer veranlagt werden, nur vierteljährliche Vorauszahlungen (§ 37 Abs.1 Satz 1 EStG). Die Vorauszahlungsschuld entsteht jeweils zu Beginn des Vierteljahres, in dem die Vorauszahlung zu entrichten ist (§ 37 Abs.1 Satz 2 EStG). Dabei bleibt die Höhe der --nach der voraussichtlichen Jahressteuerschuld zu bemessenden-- Vorauszahlungen häufig hinter dem Betrag zurück, der schließlich aufgrund der Veranlagung des Steuerpflichtigen als Jahressteuerschuld errechnet wird. Denn die Vorauszahlungen richten sich in aller Regel nach der Einkommensteuerschuld der letzten Veranlagung. Bei steigendem Einkommen werden sie im allgemeinen erst mit erheblichem zeitlichen Abstand der Höhe nach angepaßt. Vielfach decken auch die angepaßten Vorauszahlungen die später festgesetzte Einkommensteuerschuld nicht, so daß noch entsprechende Abschlußzahlungen zu entrichten sind. Aus dieser zeitlichen Verzögerung bei der Zahlung der Steuer ergibt sich für viele veranlagte Steuerpflichtige gegenüber den dem Lohnsteuerabzug unterliegenden Arbeitnehmern ein oft erheblicher Zinsvorteil. Es mag zwar sein, daß zahlreiche zur Einkommensteuer Veranlagte umgekehrt auch Nachteile gegenüber den Arbeitnehmern in Kauf nehmen müssen, indem sie z.B. erhöhte Pflichten gegenüber der Allgemeinheit zu erfüllen haben (Buchführung, Abgabe von Steuererklärungen, Einbehaltung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen für die bei ihnen beschäftigten Arbeitnehmer); dies kann indessen nicht als Grund angesehen werden, die Freibetragsregelung für Arbeitnehmer als willkürlich zu betrachten.
Gegen die unterschiedliche steuerliche Behandlung gewisser Einkunftsarten (vgl. z.B. außer den Freibeträgen für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit die Vergünstigungen bei den Einkünften aus der freien Berufstätigkeit --§ 18 Abs.4 EStG-- und aus Land- und Forstwirtschaft --§ 13 Abs.3 EStG--) wird im übrigen der Einwand erhoben, diese --notwendigerweise-- pauschale "Gruppengerechtigkeit" verstoße gegen die individuelle, nach der Leistungsfähigkeit des Einzelnen zu bemessende Gerechtigkeit (Tipke, Steuergerechtigkeit in Theorie und Praxis, S.67 ff.; Hermann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 19 EStG Anm.381). Dieser allgemeine Einwand kann indessen nur als (berechtigtes) Argument für eine gerechtere gesetzliche Neugestaltung des Einkommensteuerrechts gewertet werden; als Begründung dafür, daß die --nach Einkunftsarten unterschiedlichen-- Regelungen mit dem Gleichheitssatz (Art.3 Abs.1 GG) nicht vereinbar seien, reicht der Einwand nicht aus.
Eine gegen den Gleichheitssatz verstoßende Besserstellung von Arbeitnehmern könnte allenfalls dann in Betracht kommen, wenn die den Arbeitnehmern zugebilligten steuerlichen Vergünstigungen insgesamt wegen ihrer Höhe den anderen Steuerpflichtigen gegenüber nicht mehr zu vertreten wäre. Im Streitjahr 1978 betrugen der allgemeine Arbeitnehmerfreibetrag 480 DM und der Weihnachtsfreibetrag 400 DM. Die hierin liegende steuerliche Entlastung der Arbeitnehmer kann im Hinblick auf die von den Arbeitnehmern hinzunehmenden steuerlichen Nachteile (zeitnähere Erfassung der Einkünfte, geringere steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten) jedenfalls als noch vertretbar angesehen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 61338 |
BStBl II 1986, 862 |
BFHE 147, 376 |
BFHE 1987, 376 |
DB 1986, 2313-2314 |
DStR 1986, 800-800 (S) |
HFR 1987, 15-16 (ST) |