Leitsatz (amtlich)
1. Der Senat hält daran fest, daß auch Gesellschafter einer OHG oder KG nur dann Einkünfte aus Gewerbebetrieb (in Gestalt ihrer Anteile am Gewinn der OHG oder KG) haben, wenn sie Mitunternehmer des gewerblichen Unternehmens der OHG oder KG sind.
2. Schenkweise als Kommanditisten aufgenommene Familienangehörige sind jedenfalls dann nicht Mitunternehmer, wenn ihre Gesellschafterstellung zugunsten des bisherigen Einzelunternehmers extrem in einer Weise beschränkt ist, wie dies im Gesamtbild in Gesellschaftsverträgen zwischen Fremden nicht üblich ist.
Normenkette
EStG § 15 (Abs. 1) Nr. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger zu 3. (Kläger zu 3.) betrieb bis 1964 als Einzelunternehmer unter der Firma X ein gewerbliches Unternehmen und unter der Firma Y ein weiteres gewerbliches Unternehmen.
Am 30. November 1964 schloß der Kläger zu 3. mit seinen damals bereits volljährigen Kindern J, dem Kläger und Revisionskläger zu 4. (Kläger zu 4.), und K, dem Kläger und Revisionskläger zu 5. (Kläger zu 5.), und seinen damals noch minderjährigen Kindern A (geb. 1945, der Klägerin und Revisionsklägerin zu 6. (Klägerin zu 6.) und H (geb. 1951), dem Kläger und Revisionskläger zu 7. (Kläger zu 7.), zwei notariell beurkundete Verträge. Danach gründeten die Kläger mit Wirkung vom 1. September 1964 je eine KG zur Fortführung je eines der beiden Einzelunternehmen. Der Kläger zu 3. wurde in jeder der beiden KG alleiniger persönlich haftender und geschäftsführender Gesellschafter; die Kläger zu 4. bis 7. wurden in jeder der beiden KG jeweils Kommanditisten.
Die zur Fortführung der Firma X gegründete KG, die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1. (Klägerin zu 1.) hatte it. Gesellschaftsvertrag ein grundsätzlich unveränderliches Gesellschaftskapital von 750 000 DM. Hiervon übernahm der Kläger zu 3. eine Vermögenseinlage von 450 000 DM und die Kläger zu 4. bis 7. je eine Kommanditeinlage von 75 000 DM (§ 1 II des Gesellschaftsvertrages). Der Kläger zu 3. brachte sein Einzelunternehmen in die KG ein, und zwar in der Weise, daß die Vertragspartner die Sacheinlage in Erfüllung der vom Kläger zu 3. übernommenen Vermögensanlage und in Höhe von jeweils 55 000 DM in teilweiser Erfüllung der von den vier Kindern übernommenen Kommanditeinlagen ansahen. Die restlichen 20 000 DM Kommanditeinlagen brachten die Kinder jeweils durch Verzicht auf Darlehnsforderungen ein, die ihnen gegen den Kläger zu 3. zustanden.
Die zur Fortführung der Firma Y gegründete KG, die Klägerin und Revisionsklägerin zu 2. (Klägerin zu 2.), hatte it. Gesellschaftsvertrag ein grundsätzlich unveränderliches Gesellschaftskapitel von 300 000 DM. Hiervon übernahmen der Kläger zu 3. eine Vermögenseinlage von 180 000 DM und die vier Kinder des Klägers zu 3. je eine Kommanditeinlage von 30 000 DM (§ 1 II des Gesellschaftsvertrags). Der Kläger zu 3. brachte sein Einzelunternehmen in die KG ein, und zwar in der Weise, daß die Vertragspartner die Sacheinlage als Erfüllung der vom Kläger zu 3. übernommenen Vermögenseinlage und gleichzeitig als Erfüllung der von den vier Kindern übernommenen Kommanditeinlagen ansahen (§ 1 III Nr. 1 des Gesellschaftsvertrags).
Bei beiden KG sah der Gesellschaftsvertrag jeweils vor, daß stehengebliebene Gewinnanteile und Verlustanteile sowie Entnahmen auf Privatkonten zu buchen und dann im Soll und Haben mit 4 % zu verzinsen sind, und daß etwaige Guthaben auf Privatkonten als der Gesellschaft gewährte Darlehen gelten (§ 1 III Nr. 3 bis 5 bzw. 5 bis 7). Über das Recht der als Kommanditisten aufgenommenen Kinder zur Entnahme der Gewinnanteile bestimmte der Gesellschaftsvertrag der beiden KG jeweils, daß die Kommanditisten ohne Zustimmung des Klägers zu 3. lediglich die sich aus der Beteiligung an der KG ergebenden Personensteuern und die etwaigen Zinsen der Guthaben nach den Privatkonten entnehmen dürfen, solange der Kläger zu 3. lebt (§ 1 III Nr. 5, 6 bzw. 7, 8; § 10). Nur für den Sohn K (Kläger zu 5.) war zusätzlich vorgesehen, daß dieser ab dem 25. Lebensjahr Entnahmen in der Höhe tätigen durfte, wie er sie zur Gründung einer eigenen sicheren Existenz benötige (§ 19). In beiden Gesellschaftsverträgen war ferner vereinbart, daß der Kläger zu 3. das Recht hat, den Kommanditisten jederzeit zu kündigen und daß diese dann gegen eine Abfindung in Höhe des Buchwerts ihres Kapitalanteils zuzüglich eines Aufschlags von 10 % zur Abgeltung eventueller stiller Reserven aus der Gesellschaft ausscheiden (§ 17 i. V. m. § 16). Das Recht der Kommanditisten, das Gesellschaftsverhältnis ihrerseits zu kündigen, war in beiden Gesellschaftsverträgen in der Weise beschränkt, daß die Kinder bis zur Vollendung ihres 30. Lebensjahres - der Sohn K unter besonderen Bedingungen nur bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres - nur mit Zustimmung des Klägers zu 3. kündigen können (§ 12, § 19). Beide Gesellschaftsverträge bestimmten außerdem, welche Geschäfte außergewöhnliche Geschäfte i. S. des § 164 HGB sind, zu denen der Geschäftsführer der Zustimmung der Gesellschaft bedarf (§ 4 Nr. 6), und daß über derartige Geschäfte die Gesellschafterversammlung mit Kapitalmehrheit entscheidet, solange der Kläger zu 3. lebt und Geschäftsführer ist (§ 4 Nr. 5 i. V. m. Nr. 4).
Der damalige Steuerberater des Klägers zu 3. teilte dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) mit Schreiben vom 29. Dezember 1964 mit, daß der Kläger zu 3. seine vier Kinder als Kommanditisten aufgenommen habe. Mit Schreiben vom 22. Januar 1965 bat das FA u. a. um Vorlage der Gesellschaftsverträge; außerdem bat das FA um die Beantwortung verschiedener Fragen, "um überprüfen zu können", ob zwischen den beiden Firmen, wie behauptet, Unternehmereinheit im umsatzsteuerrechtlichen Sinne besteht. Der damalige Steuerberater des Klägers zu 3. legte daraufhin mit Schreiben vom 5. Februar 1965 die Gesellschaftsverträge vor und beantwortete die gestellten Fragen.
Das FA erließ für die Klägerin zu 1. für 1964 bis 1968 und für die Klägerin zu 2. für 1965 bis 1968 einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellungsbescheide, in denen es die Gewinne der beiden KG entsprechend den Gewinnfeststellungserklärungen dem Kläger zu 3. und den Klägern zu 4. bis 7. zurechnete. Sämtliche Bescheide erklärte das FA für vorläufig gemäß § 100 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO).
Im Anschluß an eine in den Jahren 1970 und 1971 durchgeführte Betriebsprüfung vertrat das FA die Auffassung, daß die vier Kinder des Klägers zu 3. in den Streitjahren nicht Mitunternehmer der von den beiden KG betriebenen Unternehmen gewesen seien, weil ihre Rechte als Kommanditisten in den Gesellschaftsverträgen stark beschränkt seien. Die Gewinne der KG seien deshalb allein dem Kläger zu 3. als Einzelunternehmer zuzurechnen. Das FA hob deshalb die vorläufigen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheide für 1964 bis 1968 bzw. 1965 bis 1968 ersatzlos auf und lehnte es ab, für diese Jahre einheitliche Gewinnfeststellungen durchzuführen (Bescheide vom 25. Oktober 1972).
Die Kläger erhoben Klagen mit den Anträgen, die negativen Feststellungsbescheide aufzuheben und festzustellen, daß die Kläger zu 4. bis 7. ab 1. September 1964 am Gewinn der beiden KG beteiligt seien. Das Finanzgericht (FG) wies die Klagen ab. Es führte aus, es teile die Auffassung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Beschluß vom 21. Februar 1974 IV B 28/73, BFHE 112, 51, BStBl II 1974, 404), daß § 15 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch bei Kommanditisten für die Zurechnung von Gewinnanteilen die Mitunternehmereigenschaft voraussetze. Im Streitfalle sei die rechtliche Stellung der Kläger zu 4. bis 7. in den Streitjahren so stark ausgehöhlt gewesen, daß sie nicht mehr als Mitunternehmer angesehen werden könnten. Die Gesellschaftsverträge ließen erkennen, daß es dem Kläger zu 3. darauf angekommen sei, bis zu seinem Tode bzw. bis zu einem von ihm selbst zu bestimmenden Zeitpunkt weiterhin wie ein Alleinunternehmer schalten und walten zu können.
Mit der Revision beantragen die Kläger, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die negativen Gewinnfeststellungsbescheide vom 25. Oktober 1972 aufzuheben und festzustellen, daß die Kläger zu 4. bis 7. als Mitunternehmer am Gewinn der KG X und Y beteiligt seien, hilfsweise, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Kläger rügen Verletzung der Rechtsgrundsätze von Treu und Glauben (Selbstbindung der Verwaltung), des Rechtsgedankens des § 222 Abs. 2 AO und vor allem der Bestimmungen des § 15 Nr. 2 EStG.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Der Vorentscheidung ist darin beizupflichten, daß den schenkweise in die beiden KG aufgenommenen Klägern zu 4. bis 7. einkommensteuerrechtlich in den Streitjahren keine Anteile an den Gewinnen zuzurechnen sind, die die beiden KG in den Streitjahren erzielten, und daß deshalb das FA zu Recht die vorläufigen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheide für die Streitjahre ersatzlos aufgehoben und es abgelehnt hat, für die Streitjahre einheitliche Gewinnfeststellungen durchzuführen.
1. Selbstbindung der Verwaltung
Das FA war weder durch die Rechtsgrundsätze von Treu und Glauben noch durch die Vorschrift des § 222 Abs. 2 AO gehindert - ungeachtet der materiell-rechtlichen Rechtslage -, die vorläufigen Gewinnfeststellungsbescheide für 1964 bis 1968, mit denen es die Gewinne der beiden KG den Klägern zu 3. bis 7. zurechnete, aufzuheben, und den Erlaß von einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheiden abzulehnen.
1.1. Der Senat geht mit der Revision davon aus, daß das FA ausnahmsweise nach den Rechtsgrundsätzen von Treu und Glauben an die einer vorläufigen Veranlagung zugrunde liegende rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts nicht nur dann gebunden sein kann, wenn es eine bestimmte rechtliche Beurteilung in verbindlicher Form zugesagt hat, sondern auch, "wenn es klar zu erkennen gegeben hat, daß der Steuerpflichtige mit einer Nachforderung nicht mehr zu rechnen brauche" (BFH-Urteil vom 7. April 1967 VI R 285/66, BFHE 89, 215, [218], BStBl III 1967, 616).
Gleichwohl kann die Revision keinen Erfolg haben. Den für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG im angefochtenen Urteil ist nicht zu entnehmen, daß das FA klar zu erkennen gegeben hat, es werde den Klägern zu 4. bis 7. bei den endgültigen Veranlagungen jedenfalls dem Grunde nach entsprechende Gewinnanteile zurechnen. Das FG hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dem FA seien die Gesellschaftsverträge im Januar 1965 auf Anforderung hin vorgelegt worden. Aus dem hiermit konkludent in Bezug genommenen Schreiben des FA vom 22. Januar 1965 ergibt sich jedoch, daß das FA um Vorlage der Gesellschaftsverträge und um Beantwortung verschiedener Fragen bat, um überprüfen zu können, ob zwischen den beiden Unternehmen, wie behauptet, "Unternehmereinheit im umsatzsteuerlichen Sinn" besteht. Auf der Grundlage einer derartigen Anforderung lassen sich - jedenfalls nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände - die vorläufigen Veranlagungen für die Streitjahre nicht dahin verstehen, das FA habe damit klar zu erkennen gegeben, es werde den Klägern zu 4. bis 7. einkommensteuerrechtlich bei den endgültigen Veranlagungen mindestens dem Grunde nach entsprechende Gewinnanteile zurechnen.
Weitere Umstände, die es i. V. m. diesen tatsächlichen Feststellungen ermöglichen, den vorläufigen Veranlagungen objektiv einen Erklärungswert beizumessen, das FA werde den Klägern zu 4. bis 7. bei den endgültigen Veranlagungen mindestens dem Grunde nach entsprechende Gewinnanteile zurechnen, hat das FG nicht festgestellt. Zulässige und begründete Verfahrensrügen sind insoweit nicht erhoben. In der Revisionsbegründung ist zwar unter Bezugnahme auf die beim FG eingereichten Schriftsätze vom 14. Februar und 30. April 1973 - dort zusammengefaßt - ausgeführt, die Aufnahme der Kinder als Kommanditisten sei bereits im Rahmen der Betriebsprüfung in 1964 im Zusammenhang mit der steuerlichen Anerkennung der Darlehnsforderungen der Kinder erörtert worden. Auch wenn man diese Ausführungen der Revisionsbegründung dahin versteht, daß damit in zulässiger Weise mangelnde Sachaufklärung durch das FG gerügt wird, kann die Revision keinen Erfolg haben. Denn die Kläger haben zu keiner Zeit, insbesondere auch nicht in den Schriftsätzen vom 14. Februar und 30. April 1973 substantiiert vorgetragen, daß im Rahmen der Betriebsprüfung 1964 mit entscheidungsbefugten Vertretern des FA die für die einkommensteurrechtliche Würdigung maßgeblichen Einzelheiten der Gesellschaftsverträge erörtert worden seien und den entscheidungsbefugten Vertretern des FA entsprechende Entwürfe der Gesellschaftsverträge (zum Verbleib beim FA) übergeben worden seien.
1.2. Auch die Voraussetzungen für eine unmittelbare oder analoge Anwendung des § 222 Abs. 2 AO sind nicht erfüllt.
Nach § 222 Abs. 2 AO darf eine Berichtigungsveranlagung oder eine Berichtigungsfeststellung nicht auf eine nach Entstehung des Steueranspruchs ergangene Entscheidung des BFH gegründet werden, in der eine Rechtsfrage im Gegensatz zu einer früheren, einen gleichartigen Sachverhalt betreffenden höchstrichterlichen Entscheidung entschieden wird. Auch wenn man mit der Revision unterstellt, daß diese Vorschrift entweder entgegen ihrem Wortlaut unmittelbar oder doch im Hinblick auf eine im Gesetz enthaltene Lücke analog auf einen endgültigen Bescheid anzuwenden ist, mit dem ein in vollem Umfange vorläufiger Gewinnfeststellungsbescheid ersatzlos aufgehoben und die Durchführung eines einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahrens abgelehnt wird, kann die Revision keinen Erfolg haben. Denn es trifft nicht zu, daß die angefochtenen Bescheide auf eine nach Entstehung des Steueranspruchs ergangene Entscheidung des BFH gegründet sind, in der eine Rechtslage im Gegensatz zu einer früheren, einen gleichen Sachverhalt betreffenden höchstrichterlichen Entscheidung entschieden wurde. Der Senat kann der Revision nicht darin folgen, daß der BFH nach Ablauf der Streitjahre (und vor Erlaß der angefochtenen Bescheide) seine Rechtsprechung zur Frage, ob schenkweise in eine KG aufgenommenen Kindern die im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Gewinnanteile einkommensteuerrechtlich zuzurechnen sind, grundlegend geändert hat, etwa in dem Sinne, daß bis dahin schenkweise als Gesellschafter, insbesondere als Kommanditisten aufgenommenen Kindern auch dann Gewinnanteile zuzurechnen waren, wenn deren Gesellschafterrechte im Gesellschaftsvertrag in großem Umfange beschränkt waren. Tatsächlich hat der BFH insoweit seine Rechtsprechung nicht geändert. So heißt es z. B. bereits in dem Urteil des I. Senats des BFH vom 5. Mai 1959 I 63/58 (Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, § 15, Rechtsspruch 551), zwar seien Gesellschafter einer KG in der Regel als Mitunternehmer anzusehen; unter besonderen Umständen könne aber "die wirtschaftl. Betrachtung bei der Auslegung des steuerlichen Begriffs der Mitunternehmerschaft eine andere Beurteilung rechtfertigen". Im Streitfall seien die Kinder nach.dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht Mitunternehmer. Der Vater habe z. B. die Befugnis, die Kinder jederzeit durch Kündigung aus dem Geschäft zu entfernen; auch entspreche der hohen Beteiligung der Kinder am Gewinn keine Befugnis, irgendeinen Einfluß auf die Geschäftsführung auszuüben.
Auf gleicher Linie liegen die Ausführungen z. B. in den BFH-Urteilen vom 3. Dezember 1958 I 84/85 (StRK, Einkommensteuergesetz, § 15, Rechtsspruch 139); vom 13. Februar 1962 I 55/61 U, BFHE 76, 233, BStBl III 1963, 84); vom 13. Dezember 1963 VI 339/61 U (BFHE 78, 402, BStBl III 1964, 156) und vom 16. Dezember 1965 IV 444/61 (StRK, Einkommensteuergesetz, § 13, Rechtsspruch 176).
Es trifft also nicht zu, daß, wie die Revision meint, der BFH erstmals mit seinem Urteil vom 22. Januar 1970 IV R 178/68 (BFHE 98, 405, BStBl II 1970, 416) seine Rechtsprechung "i. S. erheblich kritischerer Beurteilung von Mitunternehmerschaften" geändert und sich in diesem Urteil erstmals auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise gestützt habe.
Fehlt es aber an einer Entscheidung, in der eine Rechtsfrage "im Gegensatz zu einer früheren Entscheidung" entschieden wird, so kann auf sich beruhen, ob speziell einer analogen Anwendung des § 222 Abs. 2 AO entgegenstünde, daß, wie der Senat in seinem Beschluß IV B 28/73 bei summarischer Prüfung angenommen hat, das Gesetz insoweit keine Lücke, sondern eine abschließende und erschöpfende Regelung enthält.
2. § 15 Nr. 2 EStG
Die Kläger zu 4. bis 7. bezogen in den Streitjahren keine Gewinnanteile i. S. von § 15 Nr. 2 EStG; an den Gewinnen der beiden KG waren deshalb in den Streitjahren nicht "mehrere beteiligt" i. S. von § 215 Abs. 2 AO.
2.1. Nach § 15 Nr. 2 EStG sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb "die Gewinnanteile der Gesellschafter einer OHG, einer KG und einer anderen Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen ist". Der BFH versteht diese Vorschrift in ständiger Rechtsprechung dahin, daß sich der Relativsatz "bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen ist" nicht nur auf Gesellschafter einer "anderen Gesellschaft" (z. B. einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts oder einer - atypischen - stillen Gesellschaft), sondern auch auf Gesellschafter einer OHG oder KG bezieht, und daß somit auch Gesellschafter einer OHG oder KG nur dann Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Gestalt ihrer Anteile am Gewinn einer OHG oder KG haben, wenn sie "Mitunternehmer" des gewerblichen Unternehmens der OHG oder KG sind (siehe die Nachweise im BFH-Beschluß IV B 28/73; ferner aus neuerer Zeit z. B. die BFH-Urteile vom 29. Januar 1976 IV R 97/74, BFHE 118, 198, BStBl II 1976, 332; vom 28. November 1974 I R 232/72, BFHE 114, 418, BStBl II 1975, 498). Der BFH hat daraus die Folgerung gezogen, daß umgekehrt auch Personen als Mitunternehmer des gewerblichen Unternehmens einer OHG oder KG Einkünfte aus Gewerbebetrieb beziehen können, die zivilrechtlich nicht Gesellschafter der OHG oder KG sind (zuletzt BFH-Urteil vom 5. Juli 1978 I R 22/75, BFHE 125, 545, BStBl II 1978, 644).
Im Schrifttum ist allerdings bis heute umstritten, ob der Relativsatz "bei der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen ist", dahin zu verstehn ist, daß er sich auch auf den Gesellschafter einer OHG oder KG bezieht (bejahend z. B. Esser, Mitarbeitende Kommanditisten und stille Gesellschafter im Steuerrecht, Köln 1978 S. 47 ff.; Costede, Steuer und Wirtschaft 1977 S. 208 [212] - StuW 1977, 208 [212] -; Dornbach, StuW 1976, 116 [122 linke Sp.]; offenbar auch Groh in Tipke, Übertragung von Einkunftsquellen im Steuerrecht, Köln 1978 S 97 [105]; verneinend z. B. Schulze zur Wiesche, Finanz-Rundschau 1978 S. 307 [315] - FR 1978, 307 [315] -; s. ferner die Nachweise im BFH-Beschluß IV B 28/73).
Der Senat hält aus den bereits im Beschluß IV B 28/73 im einzelnen dargelegten Gründen an der ständigen Rechtsprechung des BFH fest, daß auch Gesellschafter einer OHG oder KG nur dann Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Gestalt ihrer Anteile am Gewinn der OHG oder KG haben, wenn sie Mitunternehmer des gewerblichen Unternehmens der OHG oder KG sind. Die Einwände der Revision können nicht überzeugen. Insbesondere ist entgegen der Ansicht der Revision der Wortlaut des § 15 Nr. 2 EStG nicht so eindeutig, daß er nur die von der Revision für richtig gehaltene Interpretation zuläßt. Wie bereits Streck (FR 1973, 297 [298 linke Sp.]) nachgewiesen hat, kann der Gesetzesbefehl auch "die im Sprachgebrauch häufig anzutreffende logische Struktur haben, bei der der Aufzählung von Beispielen abschließend die allgemeine Bestimmung folgt, die sowohl die vorangegangenen genannten als auch alle sonstigen Fälle in sich faßt, d. h. die das Auswahlkriterium definiert" (s. ferner insbesondere Esser, a.a.O., S. 48-49). Insbesondere bringt § 15 Nr. 2 EStG in seinem Wortlaut nicht, wie die Revision meint, zum Ausdruck, daß die Gesellschafter einer OHG oder KG stets und unwiderleglich als "Mitunternehmer gelten", also auch dann Einkünfte aus Gewerbebetrieb beziehen, wenn sie bei gleichartiger Rechtsstellung in einer anderen Gesellschaft (z. B. einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts) nicht als Mitunternehmer zu qualifizieren wären. Vom Wortsinn her läßt sich § 15 Nr. 2 EStG allenfalls dahin verstehen, daß Einkünfte aus Gewerbebetrieb einerseits die Gesellschafter einer OHG oder KG und andererseits die Mitunternehmer einer anderen Gesellschaft haben; wäre aber § 15 Nr. 2 EStG nur in diesem Sinne zu verstehen, dann müßte § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG folgerichtig dahin lauten, daß zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb einerseits die Veräußerung von Anteilen eines Gesellschafters einer OHG oder KG und andererseits die Veräußerung von Anteilen einer anderen Gesellschaft gehört, bei der der Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen ist. Demgegenüber spricht § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG jedoch nur von Anteilen eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist. Da § 15 Nr. 2 EStG nicht ohne § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu verstehen ist, erweist sich damit der Gesetzestext als hinreichend neutralisiert, so daß den im BFH-Beschluß IV B 28/73 entwickelten Auslegungskriterien Raum gegeben werden kann.
2.2. Wie der Senat bereits in seinem Beschluß IV B 28/73 unter Hinweis auf das einschlägige Schrifttum dargelegt hat, verwendet § 15 Nr. 2 EStG mit dem Ausdruck Mitunternehmer als Tatbestandsmerkmal keinen abstrakten Begriff, der einer abschließenden Definition durch Aufzählung einer begrenzten Zahl von Kriterien zugänglich ist, sondern einen sog. offenen Typ, der nur durch eine größere und unbestimmte Zahl von Merkmalen beschrieben werden kann, für den also ein Gesamtbild kennzeichnend ist.
Auf dieser Grundlage hat der Senat bereits mehrfach entschieden, daß dann, wenn Eltern ihre Kinder schenkweise als Kommanditisten in eine KG aufnehmen, die Kinder nur dann als Mitunternehmer i. S. von § 15 Nr. 2 EStG (und damit als Träger eigener gewerblicher Einkünfte in Gestalt von Gewinnanteilen) zu beurteilen sind, wenn ihnen wenigstens annäherungsweise diejenigen Rechte eingeräumt bzw. belassen sind, die einem Kommanditisten nach dem Regelstatut des HGB über die KG zukommen. Der Senat stützt diese Auffassung darauf, daß das Einkommensteuergesetz in seinem § 15 erkennbar den Mitunternehmer mindestens in bestimmtem Umfang einem Einzelunternehmer gleichstellt und damit mindestens von einer gewissen "Parallelwertung" (Costede, StuW 1977, 208 [213 linke Sp.]) ausgeht. An dieser Auffassung hält der Senat fest.
Die Revision führt allerdings dem Sinne nach unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 30. Juli 1975 I R 174/73 (BFHE 116, 497, BStBl II 1975, 818) zutreffend aus, daß schon die "normale" Stellung eines Kommanditisten sowohl, was den Einfluß auf die Unternehmensführung anlangt, als auch hinsichtlich des Unternehmerrisikos wirtschaftlich hinter der Position eines Einzelunternehmers erheblich zurückbleibt. Gerade dieser Gesichtspunkt schließt es aber aus, denjenigen Kommenditisten, dem nicht einmal annäherungsweise die ihm nach dem Regelstatut des HGB zukommenden Rechte belassen bzw. eingeräumt sind, einkommensteuerrechtlich ebenfalls noch als "Unternehmer" zu behandeln.
Wenn es gerechtfertigt ist, einen stillen Gesellschafter einkommensteuerrechtlich als Mitunternehmer zu werten, sofern die Gesellschafter vereinbart haben, daß die stille Beteiligung "- soweit möglich - den Regeln über die Kommanditbeteiligung unterliegen" soll (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 14. November 1977 II ZR 183/75, Neue Juristische Wochenschrift 1978 S. 424 - NJW 1978, 424 -), wenn also vereinbart ist, daß der stille Gesellschafter schuldrechtlich "so zu behandeln ist, als ob er Kommanditist wäre" (BGH-Urteil II ZR 183/75), so ist es auch geboten, umgekehrt einen Kommanditisten nicht als Mitunternehmer zu werten, wenn die Gesellschafter vereinbart haben, daß dem Gesellschafter ein großer Teil der Rechte, die einem Kommanditisten typischerweise zustehen, entzogen ist.
Der Tatsache, daß die schenkweise in die KG aufgenommenen Kinder am Vermögen der KG als Gesamthänder dinglich mitberechtigt sind, kann für die einkommensteuerrechtliche Wertung kein ausschlaggebendes Gewicht beigemessen werden, wenn und solange diese dingliche Mitberechtigung "leerläuft", d. h. wenn und solange ihr nicht Rechte entsprechen, die üblicherweise die Rechtsstellung eines Eigentümers kennzeichnen. In Wirklichkeit entspricht die wirtschaftliche Stellung der schenkweise in die KG aufgenommenen, aber vorerst noch weitgehend entrechteten Kinder im wesentlichen derjenigen, die besteht, wenn die Eltern in rechtswirksamer Form Zuwendungen für die Zukunft versprechen. Der Gläubigeraspekt (Zugriffsmöglichkeit eventueller Gläubiger des Kindes) muß zurücktreten, weil der einkommensteuerrechtlichen Wertung grundsätzlich der mutmaßliche normale Verlauf der Dinge zugrunde zu legen ist und weil er im übrigen auch bei der einkommensteuerrechtlichen Beurteilung von Schenkungsversprechen (i. V. m. laufenden Zuwendungen) nicht ausschlaggebend ist.
2.3. Aus den zu 2.1. und 2.2. dargestellten Grundsätzen folgt für den Streitfall, daß die Kläger zu 4. bis 7. in den Streitjahren nicht Mitunternehmer der von den KG betriebenen gewerblichen Unternehmen waren.
Die Kinder konnten die ihnen gutgeschriebenen Gewinnanteile ohne Zustimmung des Klägers zu 3. bis zu dessen Tode nicht entnehmen. Sie hatten keinerlei Einflußmöglichkeiten auf die Geschäftsführung. Die Rechte aus § 164 HGB waren ihnen praktisch vollständig entzogen. Auch eine baldige Realisierung wenigstens der durch den Nennwert der ihnen geschenkten Kapitalanteile repräsentierten Vermögenswerte war ihnen nicht möglich, da ihr Kündigungsrecht auf längere Zeit ausgeschlossen war. Umgekehrt verblieb dem Kläger zu 3. die rechtliche Macht, durch eine jederzeit mögliche Kündigung die Kinder aus ihrer Kommanditistenstellung gegen eine Abfindung in Höhe des Nennwerts der Kapitalkonten zuzüglich eines Zuschlags von 10 v. H. aus den Gesellschaften zivilrechtlich zu verdrängen. Damit verloren auch die den Klägern zu 4. bis 7. gemäß § 166 HGB zustehenden Kontrollrechte, auf die die Revision im Hinblick auf das BFH-Urteil I R 174/73 so nachdrücklich hingewiesen hat, das ihnen in anderen Fällen für die einkommensteuerrechtliche Wertung zukommende Gewicht.
2.4. Selbst wenn man jedoch entgegen den Ausführungen zu 2.1. bis 2.3. davon ausgehen wollte, daß sich der Relativsatz, "bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen ist", nur auf eine "andere Gesellschaft" bezieht und deshalb grundsätzlich jeder, der zivilrechtlich noch Gesellschafter einer KG ist, schon aus diesem Grunde und unabhängig von der Ausgestaltung seiner Rechtsstellung im einzelnen Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Gestalt seines Anteils am Gewinn der KG bezieht, könnte dies der Revision im Streitfall nicht zum Erfolg verhelfen (und zwar ohne Prüfung der dann an sich wesentlichen Frage, unter welchen Voraussetzungen und insbesondere von welchem Zeitpunkt an schenkweise in eine KG aufgenommene Kinder zivilrechtlich Kommanditisten i. S. des HGB sind).
Denn der BFH vertritt in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht, daß Verträge zwischen Familienangehörigen nur dann einkommensteuerrechtlich in gleicher Weise wie Verträge zwischen fremden Personen zu berücksichtigen sind, wenn sie auch inhaltlich den zwischen fremden Personen üblichen. Verträgen entsprechen. So können z. B. Arbeitsverträge zwischen Ehegatten oder zwischen Eltern und Kindern und Darlehnsverträge zwischen Ehegatten oder zwischen Eltern und Kindern nur dann der Besteuerung der Vertragsbeteiligten als solche zugrunde gelegt werden, wenn sie nach ihrem Inhalt (und in ihrer tatsächlichen Durchführung) den zwischen fremden Personen üblichen Arbeits- oder Darlehnsverträgen entsprechen. Gleiches muß dann aber für Gesellschaftsverträge gelten. Auch diese können der Einkommensbesteuerung der Gesellschafter nur dann als solche zugrunde gelegt werden, wenn sie ihrem Inhalt nach den zwischen fremden Personen üblichen Gesellschaftsverträgen entsprechen (vgl. dazu im einzelnen z. B. BFH-Urteile vom 20. Februar 1975 IV R 62/74, BFHE 115, 232, BStBl II 1975, 569; vom 15. Mai 1975 IV R 138/70, BFHE 116, 122, BStBl II 1975, 692).
Für den Streitfall folgt daraus, daß die von den Klägern abgeschlossenen Gesellschaftsverträge auch deshalb keine eigenen Einkünfte der Kläger zu 4. bis 7. aus Gewerbebetrieb begründen können, weil sie ihrem Inhalt nach nicht den zwischen fremden Personen üblichen Gesellschaftsverträgen entsprechen. Zwar ist es, wie die Revision zutreffend hervorhebt, auch in Gesellschaftsverträgen zwischen fremden Personen üblich, daß die dispositiven Vorschriften des HGB über die Rechtsstellung der Gesellschafter einer KG in verschiedener Hinsicht abbedungen werden, z. B. das Widerspruchsrecht der Kommanditisten nach § 164 HGB beschränkt oder ausgeschlossen wird oder die Möglichkeit der Gesellschafter, das Gesellschaftsverhältnis zu kündigen, für sämtliche Gesellschafter auf bestimmte Zeit ausgeschlossen wird, oder für den Fall eines vorzeitigen Ausscheidens eines Gesellschafters aus der Gesellschaft für sämtliche Gesellschafter eine Abfindung zum Buchwert des Kapitalanteils vereinbart wird. Es ist aber in Gesellschaftsverträgen zwischen fremden Personen nicht üblich, daß nur die Rechte bestimmter Gesellschafter einseitig und in extremer Weise beschränkt werden, insbesondere wie im Streitfall nur für die Kommanditisten das Recht, ihren Gewinnanteil zu entnehmen, langfristig ausgeschlossen ist (und zwar in vollem Umfange), und nur für die Kommanditisten das Recht, das Gesellschaftsverhältnis zu kündigen, langfristig ausgeschlossen ist, dem Komplementär aber gleichzeitig das Recht eingeräumt ist, seinerseits jederzeit das Gesellschaftsverhältnis zu kündigen und mit einer derartigen Kündigung die Kommanditisten aus der Gesellschaft gegen eine Abfindung zu verdrängen, die im wesentlichen dem Buchwert des Kapitalanteils entspricht.
Fundstellen
Haufe-Index 73104 |
BStBl II 1979, 405 |
BFHE 1979, 188 |
DB 1979, 1064 |