Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Gehört ein Grundstück zum Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft, so gehört es grundsätzlich auch einkommensteuerrechtlich zu deren Betriebsvermögen.
Normenkette
EStG §§ 5, 15/2
Tatbestand
An der Bgin., einer KG, die zwei Hotels betreibt, sind drei Schwestern beteiligt, die eine als Komplementärin und die beiden anderen als Kommanditistinnen. Die KG ist im Jahre 1951 durch Aufnahme der dritten Schwester aus einer OHG entstanden, der die zwei anderen Schwestern angehört hatten. Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 29. November 1944 gehört zum Betriebsvermögen der Gesellschaft ein Grundstück. Auf einem Teil dieses Grundstückes wird eines der beiden Hotels betrieben; auf dem anderen Teil des Grundstücks steht ein Miethaus, dessen Dachgeschoß vorübergehend für Zwecke des Hotels mitgenutzt worden ist. Beide Gebäude stehen getrennt; jedes hat einen eigenen Eingang, eigene Kellerräume, eigene Heizungsanlagen und eigene Wasserversorgung. Als Eigentümerin des Grundstücks ist die Bgin. im Grundbuch eingetragen.
Neben der KG (früher OHG) steht eine aus den Schwestern gebildete Erbengemeinschaft, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung hat. Die Einkünfte hat das Finanzamt bis Ende 1952 den zwei Schwestern zugerechnet, die auch Gesellschafterinnen der OHG gewesen sind. Seit dem Jahre 1953 werden die Einkünfte zu je 1/3 den drei Schwestern zugerechnet.
Nach der Auffassung der Schwestern sind die Einkünfte aus der Vermietung des Miethauses Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Das Miethaus ist - anders als das Hotelgrundstück - nicht in die DM-Eröffnungsbilanz der OHG aufgenommen worden; in der Bilanz der Bgin. war es ebenfalls nicht enthalten. Das Finanzamt hatte auch die Einkünfte aus dem Miethaus zunächst als solche aus Vermietung und Verpachtung behandelt.
Nach der Betriebsprüfung im Jahre 1957 änderte das Finanzamt seine Auffassung. Es setzte in der steuerlich berichtigten DM- Eröffnungsbilanz auch das Miethaus an und rechnete ab dem Jahre 1953 die Mieten den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu, weil das Grundstück notwendiges Betriebsvermögen der Bgin. sei, da es in ihrem Eigentum stehe; Ende 1959 entnahmen die Schwestern das Mietwohngrundstück zum Buchwert aus dem Betriebsvermögen der Bgin.
In der einheitlichen Gewinnfeststellung 1959, 1960 und 1961 rechnete das Finanzamt die Mieteinkünfte wiederum den (gewerblichen) Einkünften der Bgin. zu. Ihren Einspruch gegen die einheitliche Gewinnfeststellung 1959 nahm die Bgin. zurück, weil das Mietwohngrundstück erst Ende 1959 entnommen worden sei. Ihre Einsprüche gegen die einheitlichen Gewinnfeststellungen 1960 und 1961 blieben erfolglos.
Die Berufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht, dessen Urteil in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1964 S. 476 abgedruckt ist, hob die angefochtene Einspruchsentscheidung auf und verwies die Sache zur anderweitigen einheitlichen Feststellung für 1960 und 1961 an das Finanzamt zurück. Mit Rücksicht auf das eindeutige Verhalten der Gesellschafterinnen der Bgin. sah es das Mietwohngrundstück schon von vornherein - nicht erst auf Grund der "Entnahme" - als Privatvermögen der Gesellschafterinnen an. Dem Umstand, daß die Bgin. als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen ist, maß es im Gegensatz zum Finanzamt keine entscheidende Bedeutung bei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.
Die Rb. ist zulässig. Die mit dem 26. Mai 1964 datierte Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist bei dem Finanzgericht erst am 1. Juni 1964 eingegangen. Das angefochtene Urteil war der Bgin. am 29. April 1964 zugestellt worden, so daß die Rechtsmittelfrist schon mit Ablauf des 29. Mai 1964 endete. Wie der Vorsteher des Finanzamts aber vorträgt, ist die Rb. am 27. Mai 1964 abgesandt worden. Das wird auch durch den Abgangsstempel auf der beglaubigten Fotokopie der Urschrift der Rb. bestätigt. Wenngleich der 28. Mai 1964 ein Feiertag gewesen ist, trifft den Vorsteher des Finanzamts doch kein Verschulden, wenn er bei der Absendung am 27. Mai bei der geringen Entfernung zwischen A und B noch mit dem rechtzeitigen Eingang der Rb. bei dem Finanzgericht am 29. Mai 1964 gerechnet hat. Der Senat gewährt deshalb die beantragte Nachsicht.
Sachlich ist dem Finanzgericht zuzugeben, daß das Miethaus, weil es den Zwecken der Bgin. als Hotelgesellschaft nicht unmittelbar diente, nicht zum notwendigen Betriebsvermögen der Bgin. gehörte und daher von den Gesellschaftern der Bgin. auch in das Privatvermögen überführt werden konnte. Dem Finanzgericht ist aber nicht darin zu folgen, daß eine solche überführung für die Streitjahre stattgefunden hat. Zu Unrecht mißt das Finanzgericht der Tatsache, daß die Bgin. bis Ende 1961 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen gewesen ist, keine Bedeutung bei. Dieser Punkt ist vielmehr, wie der Vorsteher des Finanzamts mit Recht betont, entscheidend.
Daraus, daß die Bgin. als Eigentümerin des gesamten Grundstücks, also des Hotels und des Miethauses, im Grundbuch eingetragen war, ergibt sich, daß das gesamte Grundstück zu dem der Bgin. gewidmeten Betriebsvermögen gehörte. Allerdings waren, weil die Bgin. keine Kapitalgesellschaft, sondern eine Personengesellschaft ist, letztlich die Gesellschafter die Berechtigten. Sie sind aber nur als Gemeinschaft (Gesamthand) berechtigt. Das in die Gesellschaft eingebrachte oder im Unternehmen erworbene Gesamthandsvermögen müssen sie - ebenso wie es ein Einzelkaufmann in seiner Bilanz mit seinem dem Unternehmen dienenden Vermögen tun muß - in der Gesellschaftsbilanz ausweisen (vgl. §§ 38 ff. HGB). Wollen sie dies bei einzelnen Wirtschaftsgütern vermeiden, so müssen sie deren Zusammenhang mit dem Betrieb der Gesellschaft unterbrechen, indem sie diese Wirtschaftsgüter aus dem Gesellschaftsvermögen (Gesamthandvermögen) herausnehmen. Wie das zu geschehen hat, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Jedenfalls steht aber ein Grundstück im Gesellschaftsvermögen, solange die Personengesellschaft als solche in dem Grundbuch als Eigentümerin des Grundstücks eingetragen ist (§ 124 HGB). Würde über das Vermögen der Bgin. der Konkurs eröffnet werden, so fiele das Miethaus in die Konkursmasse. Für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung muß in erster Linie die bürgerlich-rechtliche (handelsrechtliche) Rechtslage maßgebend sein. Was bürgerlich-rechtlich (handelsrechtlich) zum Betriebsvermögen einer Personengesellschaft gehört, muß auch einkommensteuerrechtlich zum Betriebsvermögen der Personengesellschaft gerechnet werden. Das ergibt sich daraus, daß die Steuerbilanz ihre Grundlage in der Handelsbilanz hat und das Steuerrecht eine ernsthafte bürgerlich-rechtliche Gestaltung seiner Beurteilung zugrunde zu legen hat, solange nicht zwingende steuerrechtliche Vorschriften dem entgegenstehen. Die Tatsache, daß umgekehrt ein Grundstück, das im Alleineigentum eines Gesellschafters steht, Betriebsvermögen der Personengesellschaft wird, wenn der Gesellschafter es dem Betrieb der Personengesellschaft widmet, steht dieser Auffassung nicht entgegen. Denn diese Beurteilung beruht auf der sogenannten Bilanzbündeltheorie, die in der steuerrechtlichen Sondervorschrift des § 15 Ziff. 2 des Einkommensteuergesetzes ihre gesetzliche Grundlage hat (Urteil des Senats VI 306/63 vom 12. Februar 1965, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965 S. 404; Der Betrieb 1965 S. 804). Besondere Umstände, die hier steuerrechtlich zwingend ausschlössen, den Miethausteil des Grundstücks zum Betriebsvermögen der Bgin. zu ziehen, liegen nicht vor.
Fundstellen
Haufe-Index 411796 |
BStBl III 1965, 708 |
BFHE 1966, 574 |
BFHE 83, 574 |