Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
öffentliche Kassen im Sinne von § 3 Ziff. 11 EStG (ß 4 Ziff. 1 LStDV) sind nur solche, die einer Dienstaufsicht und Prüfung der Finanzgebarung durch die öffentliche Hand unterliegen.
Normenkette
EStG § 3 Ziff. 11, § 3/12; LStDV § 4 Ziff. 1; EStG § 3/10; LStDV § 6 Ziff. 8; EStG § 3 Ziff. 8, § 3/9; LStDV § 6 Ziff. 6
Tatbestand
Streitig ist die lohnsteuerliche Behandlung
der von der Beschwerdeführerin (Bfin.) in der Zeit vom 1. Januar 1950 bis 31. Dezember 1950 bzw. vom 1. Januar 1949 bis 30. September 1951 an ihren Hauptgeschäftsführer X und dessen Vertreter Y gezahlten Beträge an sogenannten Dienstaufwandsentschädigungen von monatlich 265 bzw. 200 DM,
der von der Bfin. als Beihilfe in Krankheitsfällen an X gezahlten Beträge von 6.322 DM im Jahre 1951 und 3.120 DM im Jahre 1952 sowie der 1952 an Z und an den Angestellten A gewährten Beträge von 350 DM bzw. 2.646 DM,
der an alle Arbeitnehmer im Dezember 1952 gezahlten Beträge in Höhe von je 1/3 des Bruttomonatsgehaltes, bei den Angestellten neben einem 13. Monatsgehalt gewährt,
des an die frühere Angestellte B Ende 1951 bei deren Ausscheiden gezahlten Betrages von 1.516,68 DM.
Die Bfin. hält die zu a) bis d) genannten Zahlungen aus folgenden Gründen für steuerfrei:
Zu a) handele es sich um Dienstaufwandsentschädigungen aus öffentlicher Kasse für öffentliche Dienste;
zu b) seien Notstandsbeihilfen im Sinne des § 6 Ziff. 8 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) gegeben;
dasselbe sei zu c) der Fall; zu d) liege eine Entschädigung auf Grund arbeitsrechtlicher Vorschriften wegen Entlassung aus einem Dienstverhältnis vor (ß 6 Ziff. 6 LStDV).
Auf die Sprungberufung hat das Finanzgericht durch Zwischenurteil gemäß § 284 der Reichsabgabenordnung (AO) dahin entschieden, daß hinsichtlich aller zu a) bis d) aufgeführten Beträge grundsätzlich steuerpflichtiger Arbeitslohn vorliege.
Entscheidungsgründe
Die sich dagegen richtende Rechtsbeschwerde (Rb.) kann nicht durchdringen.
I. Die an X und Y gezahlten sogenannten Dienstaufwandsentschädigungen.
Eine Behandlung dieser Zahlungen als Dienstaufwandsentschädigungen setzt nach § 3 Ziff. 11 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 4 Ziff. 1 LStDV voraus, daß es sich um Beträge handelt, die aus einer öffentlichen Kasse gewährt werden. öffentliche Kassen sind nur solche von Körperschaften öffentlichen Rechtes. Es steht aber fest, daß der Bfin. die Eigenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechtes erst durch das Gesetz über das Kassenarztrecht vom 17. August 1955 - in Kraft getreten am 18. August 1955 - zugesprochen ist. In den hier streitigen Jahren hat die Bfin. diese Eigenschaft nicht besessen.
Selbst wenn man den Ausführungen der Bfin. in ihrer Rechtsbeschwerdebegründung folgend annehmen wollte, daß die Bfin. in der hier streitigen Zeit als Verwaltungsstelle einer de jure noch bestehenden Vereinigung, die eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes nach Reichsrecht war, anzusehen ist, oder wenn man annehmen wollte, daß die Bfin. kraft Verwaltungsübung infolge der öffentlich-rechtlichen und hoheitlichen Aufgabenstellung über den Status einer lediglich privat-rechtlichen Vereinigung der Landesstellen, die ihrerseits öffentlich-rechtliche Körperschaften sind, hinausgewachsen und so gleichsam doch als öffentlich-rechtliche Körperschaft anzusprechen sei, darf doch nicht verkannt werden, daß ein wesentliches Moment fehlt, weshalb die Kasse der Bfin. nicht als öffentliche Kasse im Sinne des § 3 Ziff. 11 EStG bzw. § 4 Ziff. 1 LStDV angesprochen werden kann.
Wie der Bundesminister für Arbeit dem Finanzgericht auf dessen Anfrage ausdrücklich bestätigt hat, unterlag die Bfin. in der hier streitigen Zeit nicht seiner Dienstaufsicht, auch die Finanzgebarung der Bfin. wurde weder von ihm noch von einer anderen Bundes- oder Landesstelle überprüft.
Die Vorschrift des § 3 Ziff. 11 EStG geht aber davon aus, daß die öffentlichen Behörden Dienstaufwand grundsätzlich nur in der tatsächlich entstandenen Höhe ersetzen und daß von ihnen nicht unter der Bezeichnung "Aufwandsentschädigung" versteckte Arbeitslöhne gezahlt werden. Dieser Ausgangspunkt allein rechtfertigt die Vorschrift des § 3 Ziff. 11 EStG, die eine Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz bildet, daß alles, was dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließt, steuerpflichtiger Arbeitslohn ist. Nur da, wo die Sicherheit der Dienstaufsicht gegeben ist und die Finanzgebarung der Prüfung durch die öffentliche Hand unterliegt, kann die Vorschrift des § 3 Ziff. 11 EStG überhaupt Platz greifen.
Die Kasse der Bfin. ermangelt aber, da die Bfin. hinsichtlich ihrer Finanzgebarung in den streitigen Jahren keiner öffentlichen Dienstaufsicht unterlag, der Eigenschaft einer öffentlichen Kasse. Die aus ihr geflossenen Beträge können daher nicht als Dienstaufwandsentschädigungen nach § 3 Ziff. 11 EStG und § 4 Ziff. 1 LStDV behandelt werden.
Dem kann auch nicht mit dem Einwand der Bfin. und der am Verfahren Beteiligten begegnet werden, die Angestellten seien Arbeitnehmer des Zusammenschlusses von Körperschaften öffentlichen Rechtes, nämlich der Landesstellen der Bfin., und damit Angestellte einer Körperschaft öffentlichen Rechtes gewesen. Der Zusammenschluß stellte als solcher ein Gebilde dar, das ein Eigenleben führte. Insbesondere war dies auf dem finanziellen Gebiet und auf dem Gebiet des Arbeitsrechtes der Fall. Die Angestellten der Bfin. wurden nach der Geschäftsordnung der Bfin. von deren Gesamtvorstand angestellt. Daß in dem Gesamtvorstand alle Landesstellen vertreten waren, machte die Angestellten nicht zu solchen der Landesstellen und damit zu Angestellten von öffentlich-rechtlichen Körperschaften. Vielmehr waren die Angestellten der Bfin., die in der hier streitigen Zeit keine Körperschaft öffentlichen Rechtes war, Angestellte eines privaten Arbeitgebers. Die Arbeitslöhne und Zuwendungen an diese Angestellten flossen mithin nicht aus einer öffentlichen Kasse, sondern aus den Mitteln der Bfin., die ihrerseits ihre Mittel von den Landesstellen durch Umlage erhob (vgl. §§ 9 und 10 der Geschäftsordnung). Diese Mittel verwaltete die Bfin. durch ihre Organe, ohne dabei irgendwelcher Aufsicht durch die öffentliche Hand zu unterliegen, was die oben erwähnte Auskunft des Bundesministers für Arbeit deutlich erkennen läßt.
Ohne Rechtsirrtum hat deshalb das Finanzgericht die Anwendung des § 3 Ziff. 11 EStG bzw. § 4 Ziff. 1 LStDV auf die den Beteiligten X und Y von der Bfin. gezahlten Monatsbeträge von 265 DM bzw. 200 DM versagt. Sie sind keine Dienstaufwandsentschädigungen aus öffentlicher Kasse.
Aber selbst wenn der Bfin. in der hier streitigen Zeit die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes schon verliehen gewesen wären, bliebe noch zweifelhaft, ob sie ausschließlich oder überwiegend mit hoheitlicher Aufgabe befaßt war oder nicht vielmehr ihre Hauptaufgabe auf privatwirtschaftlichem Gebiet gelegen war. Darüberhinaus bliebe noch im Einzelfall nachzuprüfen, ob überhaupt und in der gewährten Höhe nach der Art der Dienststellung ein echter Dienstaufwand (also Werbungskosten) in Betracht kommt (vgl. das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des erkennenden Senats IV 47/54 S vom 22. September 1955 - BStBl 1956 III S. 181).
II. Die Beihilfeleistungen Mit Recht hat auch hier das Finanzgericht die Steuerfreiheit nach § 3 Ziff. 10 EStG bzw. § 6 Ziff. 8 LStDV aberkannt. Es handelt sich nicht um Bezüge aus öffentlichen Mitteln, die wegen Hilfsbedürftigkeit gegeben wurden. An dem entscheidenden Merkmal, daß diese Mittel von der öffentlichen Hand verwaltet werden, fehlt es. Die hier aufgewendeten Beträge stammen zwar letzten Endes aus den von den Landesstellen, mithin den Körperschaften öffentlichen Rechtes, aufgebrachten Umlagen. Die Verfügung über diese Umlagen lag aber allein in der Hand der Bfin., ohne daß sie dabei der Dienstaufsicht einer Bundes- oder Landesbehörde unterstand. Eine Verwaltung durch die öffentliche Hand fand somit nicht statt, so daß nicht von Bezügen aus öffentlichen Mitteln gesprochen werden kann.
Mit zutreffender Begründung hat das Finanzgericht auch eine Steuerbefreiung gemäß Abschn. 10 Abs. 2 Ziff. 3 der Lohnsteuer-Richtlinien verneint. Die Bfin. behauptet selbst nicht, daß die in der genannten Bestimmung vorgesehenen Voraussetzungen gegeben waren.
III. Entschädigung auf Grund arbeitsrechtlicher Vorschriften
Entschädigungen wegen Entlassung aus einem Dienstverhältnis sind nach § 3 Ziff. 8 EStG bzw. § 6 Ziff. 6 LStDV steuerfrei, wenn sie auf Grund arbeitsrechtlicher Vorschriften gezahlt werden. Aus dieser Fassung der Vorschriften folgt nicht etwa, daß ausnahmslos alle Entschädigungen, die irgendwie ihre Grundlage in einem Arbeitsverhältnis haben, als steuerfrei zu behandeln sind. Vielmehr ist Voraussetzung, daß es sich um Entschädigungen handelt, die im sozialen Kündigungsschutz begründet liegen. Die Inanspruchnahme des sozialen Kündigungsschutzes setzt aber eine rechtswirksame Kündigung voraus. Nur dann, wenn eine rechtswirksame Kündigung vorliegt, kann ein Arbeitgeber zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 205/51 U vom 17. Juli 1952, Slg. Bd. 56 S. 560, Bundessteuerblatt 1952 III S. 217, und die dort erwähnte Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs).
Aus dem eigenen Vorbringen der Bfin. ergibt sich aber, daß die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Angestellten B in freier Vereinbarung erfolgte. Eine Kündigung ist nicht ausgesprochen, vollends nicht eine sozial ungerechtfertigte Kündigung, die zu einer Entschädigung nach dem Kündigungsschutzgesetz hätte führen können (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 205/51 U vom 17. Juli 1952 sowie auch IV 512/54 U vom 22. Dezember 1955, Bundessteuerblatt 1956 III S. 50).
Zutreffend hat das Finanzgericht deshalb auch für die an die Angestellte B ausgeschütteten Beträge die Freistellung von der Einkommensteuer abgelehnt.
Die Rb. kann somit keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 408410 |
BStBl III 1956, 183 |
BFHE 1956, 493 |
BFHE 62, 493 |