Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Währungsreform allein rechtfertigt regelmäßig keine Abschreibung auf den Teilwert in der RM-Schlußbilanz.

Der Ansatz des Teilwerts von zu überhöhten Preisen erworbenen abnutzbaren Gegenständen des Anlagevermögens in der RM-Schlußbilanz ist nur auf der Wertebene von Schwarzhandelspreisen zulässig. Dabei ist unter Beachtung des Geldüberhangs und des Warenmangels der Einfluß der bevorstehenden Währungsreform zu berücksichtigen.

Den in dem Gutachten des Obersten Finanzgerichtshofs IV (VI) D 1/48 vom 23. August 1948 (StRK Einkommensteuer § 4 Rechtspr. 2) und dem Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs IV 87/49 vom 28. Februar 1950 (StRK Einkommensteuer § 4 Rechtspr. 10) aufgestellten Grundsätzen stimmt der erkennende Senat zu.

 

Normenkette

EStG §§ 4, 6

 

Tatbestand

Streitig ist der mit Rücksicht auf die Währungsreform vom Beschwerdeführer (Bf.) beantragte, von den Vorinstanzen nicht zugelassene Ansatz des Teilwerts eines im Jahre 1947 zu überhöhten Preisen gekauften Motors in der RM-Schlußbilanz auf den 20. Juni 1948.

Der Bf. ist Gastwirt. Im Jahre 1947 hat er für die Wasseranlage seines Gasthauses einen Motor für rund 5000 RM gekauft und diesen in der Bilanz auf den 31. Dezember 1947 voll aktiviert. Bei der Einkommen- und Gewerbesteuerveranlagung für I/1948 hat das Finanzamt nur die nach der unstreitig 10jährigen Nutzungsdauer berechnete Absetzung für Abnutzung (AfA) zugelassen, wohingegen der Bf. die Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert von 1875 RM begehrt. Der vom Finanzamt auf Abschnitt 8 der Einkommensteuer-Ergänzungsrichtlinien (EStER) I/1948 gestützten Ablehnung des Antrages des Bf. ist dieser mit dem Einwand begegnet, es sei eine irrige Annahme, daß die Wertabschreibung in der RM-Schlußbilanz eine Folge der Währungsumstellung sei. Die Wertabschreibung wäre auch in der nächstfolgenden Bilanz vorgenommen worden, wenn die Währungsumstellung erst danach eingetreten wäre, da die überhöhten Kosten des Motors der Ausdruck ungewöhnlicher Verhältnisse waren, die nicht erst bei der Währungsumstellung offenbar geworden seien.

In der Rechtsbeschwerdebegründung wendet sich der Bf. gegen die Auffassung des Finanzgerichts, der Ansatz eines niedrigeren Teilwerts sei bereits insofern nicht schlüssig, als die Währungsreform erst einen Tag nach dem Bilanzstichtag eingetreten sei. Der Ansatz des Teilwerts für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sei nach § 6 Ziffer 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für den 20. Juni 1948 uneingeschränkt möglich; es komme darauf an, den Betrag zu ermitteln, den ein Erwerber des ganzen Betriebes im Rahmen des Gesamtkaufpreises für den Motor am 20. Juni 1948 bei Fortführung des Betriebes angesetzt haben würde. Der Betrieb liege außerhalb der nächsten Ortschaft und sei auf eigene Wasserversorgung angewiesen, so daß eine Notlage bestanden habe, als im Jahre 1947 der Motor beschafft werden mußte; es habe sich um einen Gelegenheitskauf zu einem "willkürlich hohen Preis" gehandelt. Die Darlegungen des Finanzgerichts, kein Gewerbetreibender wende für die Anschaffung eines Gegenstandes mehr auf, als er in dem Zeitpunkt der Anschaffung wert sei, träfen auf die vor der Währungsreform herrschenden Verhältnisse nicht zu. Die Rechtfertigung des Teilwertansatzes ergebe sich aus den wesentlich anderen Verhältnissen am 20. Juni 1948. Ein fiktiver Erwerber des Betriebes wußte, daß und in welcher Weise die Währungsreform am 21. Juni 1948 in Kraft treten sollte. Und wenn auch die weitere Entwicklung mit Sicherheit nicht vorhersehbar gewesen sei, so sei es doch der Zweck der Währungsmaßnahmen gewesen, in kürzester Zeit gesunde Wirtschaftsgrundlagen zu schaffen. Die Beseitigung des Geldüberhangs würde die Sachgüter wieder auf ihren wahren Wert zurückführen. Deshalb müsse als sicher angenommen werden, daß ein Käufer einen derart überhöhten Preis nicht gezahlt hätte. Der Motor habe nach der Währungsreform einen Neuwert von 310 DM gehabt. Da er 1947 gebraucht, wenn auch im guten Zustande gekauft sei, liege der angesetzte Teilwert von 1875 RM = 187,50 DM im Rahmen der Möglichkeit. Die Währungsreform müsse sich auch auf die Bewertung der Wirtschaftsgüter auf den 20. Juni 1048 auswirken, zumal Ereignisse zwischen dem Bilanzstichtag und dem Tage der Bilanzaufstellung noch berücksichtigt werden könnten. Im übrigen entspreche die Forderung nach dem Ansatz des Teilwerts der Regelung in der französischen Zone; auch das Land Bayern habe aus den Einkommensteuer-Ergänzungsrichtlinien I/1948 die hier in Betracht kommenden Sätze nicht übernommen. In Rheinland-Pfalz und Südbaden durften sogar zu überhöhten Preisen vorgenommene Anschaffungen nur in der nach den geltenden Preisvorschriften zulässigen Höhe aktiviert werden.

 

Entscheidungsgründe

Die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Rechtsbeschwerde (Rb.) kann keinen Erfolg haben.

Der Hinweis auf die in einzelnen Ländern durchgeführte Regelung der Aktivierung von zu erhöhten Preisen erfolgten Anschaffungen zu Stoppreisen im Anschaffungsjahr kann die Forderung des Bf. auf den Ansatz des Teilwerts des Motors nicht stützen. Wie in dem Gutachten des Obersten Finanzgerichtshofs IV (VI) D 1/48 vom 23. März 1948, Steuerrechtsprechung in Karteiform (StRK) Einkommensteuer § 4 R. 2, mit Recht ausgesprochen ist, kann dieser auf die Abhängigkeit der Steuerbilanz von der Handelsbilanz gestützten Auffassung mit Rücksicht auf die Besonderheit des Steuerrechts nicht gefolgt werden. Die ordnungsmäßige Ermittlung des steuerlichen Gewinns läßt eine sofortige Abschreibung der überpreise der am Bilanzstichtage noch vorhandenen Gegenstände nicht zu. Im übrigen ist auch der Bf. nicht so vorgegangen. Er hat zutreffend den zu erhöhtem Preis erworbenen Motor in dieser Höhe aktiviert und die ihm im Anschaffungsjahr nach der voraussichtlichen Nutzungsdauer errechnete AfA anerkannt. Ein Herabgehen dieses Wertes auf den Teilwert im Sinne des § 6 Ziffer 1 EStG in der nach § 2 Artikel X des Anhangs zum Militärregierungsgesetz Nr. 64 auf den 20. Juni 1948 aufgestellten RM-Schlußbilanz ist mit der vom Bf. gegebenen Begründung, es genüge allein die Tatsache der Währungsreform, nicht zulässig.

Zu der Frage des Ansatzes des Teilwerts in der RM-Schlußbilanz zum 20. Juni 1948 hat der Oberste Finanzgerichtshof im Urteil IV 87/49 vom 28. Februar 1950, StRK Einkommensteuer § 4 R. 10, Stellung genommen. Danach ist der Teilwert auf der Grundlage der Preise zu ermitteln, wie sie sich im allgemeinen Handelsverkehr der RM-Zeit herausgebildet haben, wobei der Währungsumstellung insoweit Rechnung zu tragen ist, als sie im Preisspiegel der RM-Zeit ihren Ausdruck gefunden hat. Den Ausführungen dieses Urteils stimmt der erkennende Senat im vollen Umfange zu. Dem entsprechen auch die im Abschnitt 8 EStER I/1948 (Amtliches Mitteilungsblatt der Verwaltung für Finanzen 1949 S. 109 ff.) aufgestellten Grundsätze, daß die zu überhöhten Preisen angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter in der Schlußbilanz nach den bisherigen, d. h. in der RM-Zeit maßgebenden Grundsätzen zu bewerten sind, und daß eine Abschreibung in der Schlußbilanz auf den infolge der Währungsumstellung geminderten Wert nicht zulässig ist. Der Ansatz des Teilwerts kann nur unter Zugrundelegung der gleichen Marktlage zutreffend vorgenommen werden; es würde zu einer ungleichmäßigen Besteuerung führen, wollte man das Herabgehen auf den Teilwert von verschiedenen Wertebenen aus beurteilen. In der Bilanz soll der sachliche Wert eines Wirtschaftsgutes, der ihm im gewöhnlichen Verkehr zugemessen wird, wiedergegeben werden. Es würde zu einer ungleichmäßigen Besteuerung führen, wenn Wirtschaftsgüter, die denselben sachlichen Wert haben, nach den für verschiedene Wertebenen ergangenen gesetzlichen Bestimmungen bewertet würden. Unter gewöhnlichem Verkehr ist bei Anschaffungen zu überhöhten Preisen der Handelsverkehr zu verstehen, wie er sich für den Markt von Wirtschaftsgütern zu diesen (überhöhten) Preisen gebildet hat. Es ist hiernach nicht möglich, die sich nach den Vorschriften des DM-Bilanzgesetzes ergebenden Werte auf die RM-Schlußbilanz zu übertragen. Dieses Gesetz geht über die bloße durch die Währungsreform bedingte Anpassung von RM-Währung auf die DM-Währung hinaus und verlangt eine grundsätzliche Neubewertung in den Bilanzen. Die in diesen nach dem DM-Bilanzgesetz zugrundezulegenden Werte können nicht in der RM-Schlußbilanz zum Ansatz kommen. Es sind deshalb die gegen das Urteil IV 87/49 in der Literatur erhobenen Vorwürfe unbegründet. Insbesondere kann aus der in dem DM-Bilanzgesetz für das Vorratsvermögen (ß 20 a. a. O.) getroffenen Regelung (retrospektive Betrachtung) nicht auf eine rechtliche Zulässigkeit der übertragung der DM-Werte auf die RM-Schlußbilanz geschlossen werden. Diese Frage kann auch nicht mit dem Hinweis auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise anders entschieden werden. Diese gebietet vielmehr, Anschaffungen, die auf einer von dem in Betracht kommenden Pflichtigen benutzten Marktlage (RM Zeit) stattgefunden haben, auch bezüglich ihres weiteren Schicksals an den in die RM-Zeit fallenden Bilanzstichtagen nach dieser Marktlage zu beurteilen, soweit nicht positive Vorschriften dem entgegenstehen. Hieran ändert auch nichts der in der Rechtsprechung anerkannte Grundsatz, daß die nach dem Bilanzstichtag erworbenen Kenntnisse über die Verhältnisse an diesem Tage bei der Veranlagung zu berücksichtigen sind. Wenn der Bf. ausführt, Ereignisse, die zwischen dem Bilanzstichtag und dem Tage der Bilanzaufstellung eintreten, dürften nicht außer acht gelassen werden, so ist dieses Vorbringen insoweit unzutreffend, als die Bewertung nach den tatsächlichen Verhältnissen am Bilanzstichtag zu erfolgen hat. Vorgänge zwischen Bilanzstichtag und dem Tage der Bilanzaufstellung, die wertmäßige Veränderungen des Betriebsvermögens zur Folge haben, sind auszuscheiden. Nur die Kenntnisse über die Verhältnisse am Bilanzstichtage, die erst nach dem Bilanzstichtage erworben werden, hindern nicht ihre Verwendung bei der Bilanzaufstellung (Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs IV 37/50 vom 13. Juni 1950, StRK Reichsabgabenordnung - AO - § 222 R. 2 b). Danach können die nach dem Bilanzstichtage liegende Tatsache der Währungsreform selbst und die Entwicklung der Verhältnisse nach dem Bilanzstichtag, insbesondere die Bedingungen der DM-Märkte, nicht berücksichtigt werden. Wohl aber ist die Währungsreform insofern für die RM-Schlußbilanz von Bedeutung, als sie ihren Einfluß auf die RM-Handelspreise, die Auffassung der Allgemeinheit, wie sie auf den jeweilig in Betracht kommenden RM-Märkten zum Ausdruck kam, ausgeübt hat. In der RM-Schlußbilanz müssen deshalb die Handelspreise, wie sie sich infolge des Geldüberhangs und des Warenmangels in der RM-Zeit und unter Berücksichtigung des Einflusses der bevorstehenden Währungsreform gebildet haben, zugrunde gelegt werden. Die in der Rb. vertretene Auffassung, die Währungsreform allein rechtfertige eine Abschreibung auf den Teilwert, ist daher rechtsirrig. Auch soweit in der Vorentscheidung die notwendige scharfe Grenzziehung von RM- und DM-Zeit nicht beachtet ist, ist sie nicht völlig bedenkenfrei. Von einer Aufhebung kann jedoch abgesehen werden, weil sie im Ergebnis zu Recht die Abschreibung auf den Motor nicht zuläßt. Die Abschreibung würde nur zulässig sein, wenn Umstände vorlägen oder geltend gemacht wären, die erkennen ließen, daß der Wert des Motors am 20. Juni 1948 unter dem um die normale AfA geminderten Anschaffungswert liegt. Das ist nicht der Fall.

Für die behauptung des Bf., ein Käufer würde nur noch den von ihm angesetzten Betrag von 1875 RM zahlen, fehlt es an jeder tatsächlichen Unterlage, insbesondere ist in keiner Weise dargetan, daß auch unter dem Einfluß der Währungsreform auf der Marktlage der RM-Preise der um die AfA geminderte Wert nicht von einem Erwerber bezahlt werden würde. Es ist vielmehr von der Ansicht des Finanzgerichts auszugehen, daß grundsätzlich ein Gewerbetreibender nicht mehr für einen Gegenstand des Betriebsvermögens ausgibt, als er im Zeitpunkt der Anschaffung wert ist. Der Bf. trägt selbst vor, daß die Anschaffung des Motors für die eigene Wasseranlage mangels Wasseranschlusses unbedingt notwendig war. Jeder Erwerber des Betriebes mußte den Motor für die Anlage haben. Da dieser damals nur auf dem Schwarzen Markt zu erwerben war, so mußte auch jeder Erwerber den Schwarzmarktpreis aufwenden.

Dieser Markt war bis zum 20. Juni 1948 eine Realität, auf dem sich eine wohlausgewogene Preisbildung entwickelt hatte. Es handelte sich nicht um Ausnahmepreise. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise zwingt vielmehr dazu - man mag das bedauern -, in den überhöhten Aufwendungen die gewöhnlichen Wiederbeschaffungskosten zu erblicken, die für die Bemessung des Teilwerts maßgebend sind. In dieser Behandlung der Schwarzmarktpreise liegt ebensowenig eine Legalisierung des von der Wirtschafts- und Finanzpolitik bekämpften Schwarzhandels wie in der Anerkennung der erhöhten Aufwendungen und Schmiergelder als Betriebsausgaben. Deshalb mußte jeder Erwerber für den Motor den gleichen Betrag aufwenden; für jeden Erwerber hatte er auch am 20. Juni 1948 noch den um die normale AfA verminderten Wert. Der Bf. würde als Verkäufer nicht bereit gewesen sein, den Motor zu einem niedrigeren als den um die AfA geminderten RM-Anschaffungswert im Rahmen des Gesamtkaufpreises abzugeben. Da irgendwelche Umstände nicht vorliegen, aus denen hervorgeht, daß dieser Wert unter die gemachten Aufwendungen gesunken ist, und auch der Einfluß der Währungsreform eine solche Minderung nicht erkennbar gemacht hat, muß es bei dem der Veranlagung zugrunde gelegten Wert sein Bewenden haben. Würde man die Abzugsfähigkeit der überhöhten Aufwendungen als Betriebsausgaben zugestehen und ohne stichhaltige Gründe eine Abschreibung auf den Teilwert anerkennen, so würde jedes Schwarzmarktgeschäft ein Verlustgeschäft sein, die Gewinne würden um so geringer, je mehr Schwarzmarktgeschäfte getätigt würden, was einer Anregung zum Abschluß von verbotenen Geschäften gleichkäme. Es ist nicht zutreffend, daß der Bf. einen unverdienten Nachteil erleidet. Jeder Erwerber, der am 20. Juni 1948 den Betrieb zu RM-Preisen kaufen wollte, hätte bei dem gegebenen Sachverhalt für den Motor den von den Vorinstanzen festgestellten Preis aufwenden müssen, um den ordnungsmäßigen Betriebsablauf zu gewährleisten. Es ist deshalb dem Ergebnis der Vorentscheidung zuzustimmen, wenn ausgeführt wird, bei einer Veräußerung des Betriebes am Bilanzstichtage wäre im Kaufpreis das Vorhandensein des zwar gebrauchten, aber noch im guten Zustande befindlichen Motors zu Schwarzmarktpreisen zum Ausdruck gekommen. Hiermit erledigt sich auch der in der Berufungsinstanz erhobene Einwand, ein Herabgehen auf den Teilwert hätte auch ohne die Währungsreform vorgenommen werden können. Eine Wertabschreibung auf den Teilwert wäre auch dann nur zulässig gewesen, wenn dargetan worden wäre, daß die für Schwarzmarktpreise geltende RM-Marktlage den Erwerb des Motors am Bilanzstichtage zu einem unter dem um die übliche AfA geminderten Anschaffungswert liegenden Preise ermöglicht hätte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407211

BStBl III 1951, 122

BFHE 1952, 317

BFHE 55, 317

BB 1951, 495

DB 1951, 586

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