Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob eine Rückgängigmachung der Lieferung oder eine Rücklieferung vorliegt.
Normenkette
UStG §§ 1, 3/1, §§ 12, 17; UStDB §§ 2, 64
Tatbestand
Der Inhaber der Revisionsklägerin A (Steuerpflichtigen - Stpfl. -) hat mit Rechnung vom 11. Juni 1953 zwei Omnibusse von der Firma K gekauft. Einen dieser Omnibusse hat die Firma K später wieder zurückgenommen. über die Zurücknahme wurde am 25. November 1953 die folgende Vereinbarung getroffen:
"1. Von den seitens K an Herrn A im Sommer d. J. gelieferten Omnibussen nimmt die Firma K 1 Wagen und zwar Fg. ... zurück, da sich diese Wagen-Type im Linienbetrieb des Herrn A wegen fehlender überlastungsmöglichkeit nicht einsetzen läßt.
K wird für diesen zurückgenommenen Wagen Herrn A eine Gutschrift in Höhe von DM 40.000 erteilen.
K liefert ersatzweise Herrn A einen K-Omnibus der Type ... nach im einzelnen festgelegter Ausführung, aus Vorführungsbeständen zum Preise von DM 60.000. Die Lieferung dieses Ersatzwagens wird im Februar / März 1954 erfolgen.
Die sich aus diesem Austausch ergebende Preisspitze wird in der Weise von Herrn A getilgt, daß diese in 3 Monate aufgeteilt auf die Monate Februar / März / April 1955 umgelegt und in Wechseln abgedeckt wird. Finanzierungskosten zu Lasten des Herrn A."
Streitig ist, ob es sich bei der Zurücknahme des Omnibusses um eine Rückgängigmachung der Lieferung oder um eine Rücklieferung gehandelt hat.
Bei der Stpfl. hat im Jahre 1960 eine Betriebsprüfung stattgefunden. Dabei kam der Prüfer auf Grund der oben erwähnten Vereinbarung und einer Mitteilung der Firma K, nach der der Zurücknahmewert von 40.000 DM der Stpfl. auf ihr Konto gutgeschrieben, bei der Umsatzsteuerberechnung aber nicht berücksichtigt worden sei, zu dem Ergebnis, es liege eine Rücklieferung vor, die die Stpfl. zu versteuern habe.
Das Finanzamt (FA) schloß sich der Auffassung des Prüfers an und führte dementsprechend die Berichtigungsveranlagung durch. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der Berufung hatte die Stpfl. hinsichtlich dieses Streitpunkts keinen Erfolg.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rb. der Stpfl., die gemäß § 184 Abs. 2 FGO als Revision zu behandeln ist. Es wird geltend gemacht, daß das Finanzgericht (FG) die Zulässigkeit der Berichtigungsveranlagung gemäß § 222 AO nicht geprüft und die Sachaufklärung keine den Tatsachen entsprechende Würdigung erfahren habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das FG konnte nach dem Inhalt der Akten und dem Vorbringen der Stpfl. davon ausgehen, daß die Voraussetzungen für eine Berichtigungsveranlagung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO gegeben waren. Aus der abgegebenen Bilanz 1953 ist zwar zu ersehen, daß der Omnibus am 22. November 1953 an die Lieferfirma zum Umtausch gegen Lieferung eines anderen Omnibusses zurückgegeben wurde. Diese Tatsachen reichen jedoch nicht aus, um beurteilen zu können, ob eine Rückgängigmachung der Lieferung oder eine steuerpflichtige Rücklieferung vorlag. Dem FA waren damit noch nicht alle Tatsachen bekannt, die erforderlich waren, um eine steuerpflichtige Rücklieferung annehmen zu können. Auch aus der Steuererklärung 1953 ergeben sich solche Tatsachen nicht. Eine Tatsache ist allerdings auch dann als bekannt anzunehmen, wenn das FA bei gehöriger Erfüllung seiner Ermittlungspflicht die Tatsache hätte kennen müssen. In dem vorliegenden Fall konnte das FA nach dem, was die Stpfl. angegeben hatte, zunächst davon ausgehen, daß eine steuerpflichtige Lieferung nicht vorlag. Die Anforderungen, die in einem solchen Fall an die Aufklärungspflicht des FA gestellt werden müssen, dürfen nicht überspannt werden. Die Voraussetzungen des § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO waren deshalb gegeben.
Die Beantwortung der Frage, ob die Rückgabe des Omnibusses als Rückgängigmachung der Lieferung oder als Rücklieferung anzusehen ist, liegt im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Eine Rückgängigmachung der Lieferung ist dann anzunehmen, wenn die Lieferung, die der Veräußerer an den Erwerber bewirkt hatte, wieder aufgehoben wird. Das kann dadurch geschehen, daß der Vertrag, auf dem die Lieferung beruht, rückgängig gemacht und der gelieferte Gegenstand zurückgegeben wird. Es ist aber auch möglich, daß der Veräußerer den gelieferten Gegenstand zurücknimmt und dafür dem Erwerber einen anderen Gegenstand liefert (Umtausch). In beiden Fällen besteht zwischen der ersten Lieferung und der Rückgabe des Gegenstandes eine innere Verknüpfung (Urteil des RFH V A 194/36 vom 22. Mai 1936, RStBl 1936, 819). Von den Fällen der Rückgängigmachung der Lieferung sind die Fälle der Rücklieferung zu unterscheiden, bei denen der Erwerber, ohne daß die Lieferung rückgängig gemacht wird, die Verfügungsmacht an dem Gegenstand auf den Veräußerer zurücküberträgt.
Das FG hat im vorliegenden Fall eine Rücklieferung angenommen. Es hat zunächst festgestellt, daß bestimmte Eigenschaften beim ursprünglichen Kauf der Omnibusse nicht zugesichert worden seien und die Rückgabe nicht schon sechs oder acht Wochen nach der Lieferung vereinbart worden sei. Grundlage der Beurteilung sei deshalb die Vereinbarung vom 25. November 1953. Das FG kam zu dem Ergebnis, daß eine Rückgängigmachung der Lieferung auf Grund der Rückgängigmachung des Kaufvertrages nicht angenommen werden könne. Die Vereinbarung vom 25. November 1953 hat das FG dahin ausgelegt, daß die Stpfl. sich zum Kauf eines für sie besser geeigneten Omnibusses entschlossen und die Firma K sich verpflichtet habe, den bereits im Juni 1953 gelieferten Omnibus in Zahlung zu nehmen. Zu diesen Feststellungen konnte das FG auf Grund des Ergebnisses seiner Ermittlungen kommen. Es konnte sich dabei insbesondere auf den Schriftwechsel zwischen dem Generalvertreter und dem damaligen Verkaufsleiter der Firma K vom 10. bzw. 15. Oktober 1953, die lange Zeitdauer, die zwischen der ersten Lieferung und der Rückgabe liegt, und den Umstand berufen, daß ein erheblich unter dem Kaufpreis liegender Rücknahmepreis vereinbart wurde. In der Vereinbarung vom 25. November 1953 brauchte das FG keinen Umtausch des gelieferten Gegenstandes zu erblicken. Es wird zwar darin von einer "ersatzweisen" Lieferung des neuen Omnibusses und von einem "Austausch" gesprochen. Es sprechen jedoch alle Gründe, die gegen die Rückgängigmachung des Kaufvertrages sprechen, auch gegen die Annahme eines Umtausches. Dabei ist in diesem Zusammenhang besonders zu berücksichtigen, daß die Stpfl. einen sehr viel stärkeren Wagen haben wollte und der Rücknahmepreis für den alten Wagen verhältnismäßig gering war. Wenn in der Vereinbarung vom 25. November 1953 von Zurücknahme gesprochen wird, so kann daraus für die rechtliche Beurteilung nichts hergeleitet werden. Von einer Zurücknahme wird in dem einen und dem anderen Fall gesprochen. Konnte das FG aber ohne Verstoß gegen den Inhalt der Akten und gegen die Denkgesetze zu den von ihm getroffenen Feststellungen kommen, so ist der Senat an diese Feststellung gebunden. Ein Rechtsirrtum ist nicht erkennbar.
Fundstellen
Haufe-Index 412520 |
BStBl III 1967, 379 |
BFHE 1967, 223 |
BFHE 88, 223 |