Leitsatz (amtlich)
Bei einem teilweise beruflich genutzten privaten Telefon in der Wohnung eines Arbeitnehmers ist der Anteil der beruflich und privat veranlaßten Gesprächsgebühren beim Fehlen geeigneter Unterlagen nach den Umständen des Einzelfalles zu schätzen. Dem steuerpflichtigen obliegt hierbei die objektive Beweislast (Feststellungslast).
Normenkette
EStG 1974 § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1; AO § 217
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Der Ehemann ist Versicherungskaufmann. Ihm stand im Büro seiner Arbeitgeberin ein Telefonanschluß zur Verfügung. In seiner Einkommensteuererklärung 1974 machte er die Kosten seines in seiner Privatwohnung eingerichteten Telefons in Höhe von 1 366 DM (= 75 v. H. der gesamten Telefonkosten von 1 707,89 DM) als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ließ diese Aufwendungen nicht zum Abzug zu.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus:
Nach § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dürften für den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgewandte Beträge weder von den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Die Telefonaufwendungen des Klägers seien in seinem privaten Bereich entstanden. Der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) habe in seinem Beschluß vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70 (BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17) eine Ausnahme von dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG zugelassen, wenn und soweit sich der dem Beruf dienende Teil der Aufwendungen nach objektiven Maßstäben mit Sicherheit und leicht nachprüfbar abgrenzen ließe. Da jede Nutzung des einheitlichen Wirtschaftsguts "Telefonanschluß" eindeutig beruflich oder privat bestimmt sei, sei anhand der jeweils privat oder beruflich geführten Telefongespräche eine sachgerechte Aufteilung der Grund- und Gesprächsgebühren nach objektiven und leicht nachprüfbaren Maßstäben möglich. Eine Aufteilung der Telefonkosten eines Kalenderjahres im Wege der Schätzung ohne greifbare Anhaltspunkte sei jedoch unzulässig.
Im Streitfall spreche wegen der Höhe der Aufwendungen von 1 707,89 DM eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Kläger von dem Telefonanschluß in seiner Wohnung aus auch berufliche Telefonate geführt habe. Die hierauf entfallenden Aufwendungen könnten jedoch nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden, weil der Kläger keine Umstände vorgetragen habe, die Rückschlüsse auf die Anzahl der von ihm geführten beruflichen Ferngespräche zuließen. Er hätte den Anteil der beruflichen Nutzung z. B. durch das Anbringen einer Zähluhr oder durch Anschreibungen einfachster Form ("Strichlisten") glaubhaft machen können.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, die Telefonkosten seien im Wege einer griffweisen Schätzung in beruflich und privat veranlaßte Aufwendungen ebenso aufzuteilen wie z. B. bei der Schätzung des privaten Nutzungsanteils eines betrieblichen oder privaten PKW. Aufzeichnungen zur Glaubhaftmachung des beruflichen Anteils der Telefonkosten könnten nicht gefordert werden.
Die Kläger beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und die Einkommensteuer 1974 unter Anerkennung von 1 366 DM Telefonkosten als Werbungskosten festzusetzen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 19. Dezember 1977 VI R 198/76 (BFHE 124, 428, BStBl II 1978, 287) ist bei der Frage der Abziehbarkeit beruflich bedingter Kosten des Telefons in der Privatwohnung eines Arbeitnehmers zu unterscheiden zwischen den Gebühren des einzelnen Telefongesprächs (Gesprächsgebühren) und den Gebühren für die Überlassung der Teilnehmereinrichtung (Grundgebühren).
Wie der Senat in dieser Entscheidung weiter ausgeführt hat, kann die Grundgebühr nicht aufgeteilt werden. Sie darf mithin auch bei teilweiser beruflicher Nutzung des Telefons nicht nach § 12 Abs. 1 Satz 2 EStG anteilig als Werbungskosten berücksichtigt werden.
Für die Gesprächsgebühren gilt nicht das Aufteilungsund Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG. Sie sind für jedes Gespräch für sich zu sehen und danach zu beurteilen, ob es beruflich oder privat geführt wurde. Der beruflich und privat bedingte Anteil an den Gesprächsgebühren ist beim Fehlen geeigneter Unterlagen nach § 217 der Reichsabgabenordnung (AO), § 162 der Abgabenordnung (AO 1977) zu schätzen. Es gilt auch hier der allgemeine Grundsatz, daß ein Steuerpflichtiger bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit seine Werbungskosten nach § 9 EStG i. V. m. § 171 AO nachzuweisen oder glaubhaft zu machen hat, soweit er höhere Beträge als die Pauschbeträge des § 9 a EStG geltend macht. Für solche, den Steueranspruch einschränkende Tatsachen trägt der Steuerpflichtige die objektive Beweislast (Feststellungslast) - vgl. BFH-Urteil vom 20. Januar 1978 VI R 193/74 (BFHE 124, 508, BStBl II 1978, 338, und die dort angegebene Rechtsprechung) -. Das FG ist andererseits verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Bei einer Schätzung nach § 217 AO hat es die Tatsachen mit dem Ziel zu würdigen, diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, die die größte Wahrscheinlichkeit für sich haben (vgl. BFH-Urteile vom 9. März 1967 IV 184/63, BFHE 88, 212, BStBl III 1967, 349, und vom 31. August 1967 V 241/64, BFHE 89, 472, BStBl III 1967, 686). FA und FG dürfen beim Fehlen geeigneter Schätzungsgrundlagen im allgemeinen von einer Schätzung auch dann nicht absehen, wenn die Ermittlung der abziehbaren Werbungskosten schwierig ist.
Das FG hat im Streitfall die Grundgebühren im Ergebnis zu Recht nicht nach § 12 Nr. 1 EStG als Werbungskosten zum Abzug zugelassen. Denn sie sind stets in vollem Umfang nichtabziehbare Kosten der allgemeinen Lebensführung.
Der Senat folgt der Vorentscheidung nicht bezüglich der Behandlung der Gesprächsgebühren. Entgegen der Ansicht des FG steht einer Aufteilung dieser Kosten in einen beruflichen und in einen privaten Anteil die Vorschrift des § 12 EStG nicht entgegen. Nicht anwendbar sind daher die vom Großen Senat des BFH im Beschluß GrS 2/70 zur Auslegung dieser Vorschrift entwickelten Grundsätze, nach denen eine Aufteilung von Aufwendungen für die Lebensführung in nichtberücksichtigungsfähige Lebenshaltungskosten und abziehbare Werbungskosten nur zulässig ist, wenn objektive Merkmale und Unterlagen eine zutreffende und leicht nachprüfbare Trennung ermöglichen. Das Fehlen solcher objektiven und leicht nachprüfbaren Unterlagen, wie das Vorhandensein einer Zähluhr oder von Anschreibungen über die beruflich und privat geführten Telefongespräche, durfte das FG mithin im Streitfall nicht hindern, den Sachverhalt weiter aufzuklären und ggf. den beruflichen Anteil der Gesprächsgebühren nach § 217 AO griffweise zu schätzen.
Die Vorentscheidung ist folglich aufzuheben. Der Senat verweist die Sache an das FG zurück, damit es die entsprechenden Feststellungen nachholt.
Das FG kann die Behauptung des Klägers, 75 v. H. der Gesprächsgebühren entfielen auf berufliche Telefonate, nicht ungeprüft übernehmen (vgl. Urteil des Senats vom 16. Dezember 1966 VI 133/64, BFHE 87, 622, BStBl III 1967, 249). Die Höhe der gesamten Aufwendungen für den Telefonanschluß des Klägers in seiner Wohnung im Streitjahr 1974 von 1 708 DM ist allein kein hinreichendes Indiz für das Vorliegen und den Umfang dienstlich geführter Gespräche, da diese Kosten auch auf Privatgesprächen von zum Haushalt gehörenden Familienmitgliedern beruhen können. Das FG wird daher den Kläger darüber befragen müssen, wen er von seiner Wohnung aus beruflich anzurufen pflegt und wie oft dies geschehen ist. Ggf. sind hierzu Zeugen zu- vernehmen. Der Umfang der beruflichen Nutzung des Telefons in der Wohnung des Klägers ist aufgrund dieser Ermittlungen zu schätzen. Sollte der Kläger keine näheren Angaben zur beruflichen Nutzung des Telefons machen, wird das FG unter Berücksichtigung der dem Kläger obliegenden Mitwirkungspflicht zu prüfen haben, ob ein Abzug beruflich bedingter Gesprächsgebühren als Werbungskosten überhaupt in Betracht kommt.
Fundstellen
Haufe-Index 73002 |
BStBl II 1979, 149 |
BFHE 1979, 418 |