Leitsatz (amtlich)
Das Bundesverfassungsgerlcht hat in seinem Urtell vom 18. Juni 1980 1 BvR 697/77 (BVerfGE 54, 301, BStBl II 1980, 706) das Buchführungsprivileg der steuerberatenden Berufe nicht völlig als mit dem Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar angesehen, sondern lediglich die Einbeziehung des Kontierens von Belegen in dieses Privileg.
Normenkette
GG Art. 12 Abs. 1; StBerG § 1 Abs. 2 Nr. 2, §§ 2-4, 5 S. 1, § 6 Nr. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Verlegerin einer Tageszeitung. In ihrer Ausgabe vom 28. Oktober 1978 erschien folgende Anzeige:
"Bilanzbuchhalter/Revisor übernimmt die kompl. Buchhaltung für Klein- u. Mittelbetriebe. Eigene EDV-Anlage im Hause. Zuschr.: 13 A 8079 Gesch. St. d. Ztg."
Am 3. November 1978 trat die Steuerberaterkammer an den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) heran mit der Bitte, den Inserenten der Anzeige zu ermitteln und wegen unbefugter Hilfeleistung in Steuersachen und Verletzung des Werbeverbotes zu verfolgen. Am 6. November 1978 forderte das FA die Klägerin auf, Name und Anschrift des Auftraggebers der Anzeige mitzuteilen. Nachdem die Klägerin das abgelehnt hatte, forderte das FA die Klägerin am 14. November 1978 erneut zur Auskunft auf und drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 100 DM für den Fall an, daß dem Ersuchen nicht nachgekommen werde. Hiergegen legte die Klägerin am 28. November 1978 Beschwerde ein. Am 1. Dezember 1978 setzte das FA das Zwangsgeld in der angedrohten Höhe fest. Auch gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Beschwerde ein. Beide Beschwerden wies die Oberfinanzdirektion (OFD) mit Entscheidung vom 9. Januar 1979 als unbegründet zurück.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin, die Bescheide vom 14. November und 1. Dezember 1978 sowie die Beschwerdeentscheidung vom 9. Januar 1979 aufzuheben. Das Finanzgericht Münster (FG) wies die Klage ab (Urteil vom 20. September 1979 III 376/79 AO, Entscheidungen der Finanzgerichte 1980 S. 148).
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Zur Begründung verweist der Senat auf sein Urteil vom 26. August 1980 VII R 42/80 (BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699).
Die Klägerin wendet sich gegen die Auffassung, die Voraussetzungen des § 164a des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) lägen vor, mit der Begründung, es sei kein Verwaltungsverfahren nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 StBerG gegeben, weil diese Vorschrift nur angewendet werden könne, wenn keine bereits nach § 5 StBerG verbotene Hilfeleistung vorliege. Dem ist nicht zu folgen. Die nach § 7 StBerG den FÄ übertragene Befugnis, die Hilfeleistung in Steuersachen unter bestimmten Voraussetzungen zu untersagen, dient gerade dem Zweck, dem gesetzlichen Verbot unbefugter Hilfeleistung nach § 5 StBerG praktische Geltung zu verschaffen.
Unzutreffend ist auch die Auffassung der Klägerin, ein Verwaltungsverfahren i. S. des § 164a StBerG liege nicht vor, da ein solches erst eröffnet werden könne, wenn der Hauptbeteiligte bekannt sei. Weder aus § 164a StBerG noch aus sonstigen Vorschriften ergibt sich, daß der Begriff des Verwaltungsverfahrens so eng auszulegen ist. Auch ein Verfahren, das die Verwaltung gegen einen Unbekannten eingeleitet hat, ist ein Verwaltungsverfahren i. S. des § 164a StBerG.
Durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 18. Juni 1980 1 BvR 697/77 (BStBl II 1980, 706) wird nicht in Frage gestellt, daß das FA befugt war, dem Verdacht nachzugehen, der Inserent der Anzeige leiste unbefugt Hilfe in Steuersachen. Das BVerfG hat lediglich entschieden, daß das geschäftsmäßige Kontieren von Belegen Personen nicht untersagt werden darf, die eine kaufmännische Gehilfenprüfung bestanden haben. Aus den Entscheidungsgründen des BVerfG (Abschn. B II 3 a) ergibt sich deutlich, daß das BVerfG unterscheidet zwischen schwierigeren mit der Buchführung zusammenhängenden Arbeiten und der Verbuchung der laufenden Geschäftsvorfälle, die keine besonderen handels- und steuerrechtlichen Kenntnisse erfordern. Daraus ergibt sich, daß das BVerfG nicht etwa das Buchführungsprivileg der steuerberatenden Berufe in seiner Gesamtheit als mit dem Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht vereinbar ansah, sondern lediglich die Einbeziehung des Kontierens von Belegen in dieses Privileg. Mit der Anzeige, die Gegenstand des Auskunftsersuchens ist, hat der Inserent die Übernahme der "kompletten Buchführung für Klein- und Mittelbetriebe" angeboten. Der Text der Anzeige schließt nicht aus, daß der Inserent unbefugt auch Buchführungsarbeiten zu übernehmen bereit ist, die über das schlichte Kontieren von Belegen hinausgehen.
Fundstellen
Haufe-Index 74119 |
BStBl II 1982, 46 |
BFHE 1981, 93 |