Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Werden Wertpapiere oder Anteile, deren Wertansatz in der DMEB nach den Vorschriften des 3. DMBEG berichtigt worden ist, zwischen dem 20. Juni 1948 und dem 1. Januar 1953 entnommen, so ist die Entnahme regelmäßig mit dem Wert anzusetzen, mit dem die Wertpapiere oder Anteile in der berichtigten DMEB ausgewiesen sind.
Normenkette
EStG § 6 Ziff. 1 S. 3; EStG § 6 Ziff. 4; DMBG § 5; DMBG § 19; DMBG § 22; 3-DMBEG 1; 3-DMBEG 5/3
Tatbestand
Der Steuerpflichtige entnahm am 2. und 24. August 1948 seinem Betriebsvermögen Aktien der X-AG im Nennwert von 10 000 und von 30 000 RM/DM. Die Entnahmen erfolgten zu dem in der DM-Eröffnungsbilanz (DMEB) eingesetzten Steuerkurswert vom 31. Dezember 1948 in Höhe von 50 v. H. mit 20 000 DM und blieben ohne Einfluß auf den Erfolg des Unternehmens.
Nach Inkrafttreten des 3. DMBEG vom 21. Juni 1955 (BStBl 1955 I S. 222) wurde der Wertansatz der entnommenen Aktien in der nach § 7 Abs. 5 des 3. DMBEG rechtzeitig eingereichten steuerlichen Eröffnungsbilanz vom 19. September 1956 durch Ansatz des über dem bisher angesetzten Steuerkurswert liegenden Höchstwerts gemäß den §§ 1, 2 und 5 Abs. 3 des 3. DMBEG berichtigt. Als Höchstwert im Sinn der genannten Bestimmungen wurde auf Grund der Nachtragsliste der endgültigen steuerlichen Höchstwerte für notierte Anteile ein Betrag von 60 000 DM statt des bisherigen Betrags von 20 000 DM, angesetzt. Hierdurch errechnete sich nach einem Börsenkurs von 40,5 v. H. und 29,5 v. H. der Aktien im Zeitpunkt ihrer Entnahmen ein Verlust von 47 100 DM - 53 409 DM (laufender Gewinn). Der Steuerpflichtige beantragte, die rechtskräftige gesonderte Gewinnfeststellung II/1948 auf dieser Grundlage gemäß § 1 des 3. DMBEG in Verbindung mit den §§ 47, 74 DMBG zu berichtigen.
Das Finanzamt lehnte die beantragte Berichtigungsfeststellung mit im wesentlichen folgender Begründung ab: Durch die Entnahmen der X-Aktien im August 1948 habe ein Verlust nicht entstehen können, weil die Aktien zu demselben Wert, mit den sie nach den Vorschriften des 3. DMBEG in die berichtigte Eröffnungsbilanz eingesetzt worden seien, im August 1948 hätten entnommen werden müssen. Die Börsenkurse im Zeitpunkt der Entnahmen seien keine geeignete Grundlage für die Errechnung des nach § 6 Ziff. 4 EStG 1948 maßgeblichen Teilwerts. Wären die Börsenkurse des Jahres 1948 tatsächlich als Bewertungsmaßstab für die durch das 3. DMBEG betroffenen Anteile geeignet gewesen, hätte der Gesetzgeber von den in diesem Gesetz getroffenen Bewertungsmaßnahmen absehen können. Er sei sich jedoch bewußt gewesen, daß die Börsenkurse des Jahres 1948 willkürliche, von Zufallskäufen und Zufallsverkäufen beeinflußte Schätzungen seien, die weit unter den angemessenen Werten lägen. Der für die X-Aktien nach den Vorschriften des 3. DMBEG anzusetzende Höchstwert sei mithin als deren Teilwert auch im Zeitpunkt ihrer Entnahme maßgebend gewesen. Ein Substanzverlust sei nicht eingetreten. Wenn sich bei wörtlicher Auslegung aus der von § 4 Abs. 3 des Entwurfs zum 3. DMBEG abweichenden Fassung des § 5 Abs. 3 des 3. DMBEG etwas anderes im Sinne der von dem Steuerpflichtigen vertretenen Auffassung herleiten lassen sollte, so stehe dieses Ergebnis zu dem wirklichen Willen des Gesetzgebers, wie er sich aus den Gesamtumständen, insbesondere dem Zweck und der wirtschaftlichen Bedeutung des Gesetzes, ergebe, in einem so starken Widerspruch, daß eine Lösung vom Wortlaut des Gesetzes geboten sei ( vgl. die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs I 285/56 U vom 7. Mai 1957, BStBl 1957 III S. 264, Slg. Bd. 65 S. 82, und IV 10/57 U vom 12. Dezember 1957, BStBl 1958 III S. 154, Slg. Bd. 66 S. 401 ).
Auf die nach den §§ 235 Ziff. 1, 261 AO zulässige Berufung gegen den ablehnenden Bescheid des Finanzamts anerkannte das Finanzgericht den behaupteten Verlust und errechnete ihn wie folgt:
DMEB-Wert der 40 000 RM X-Aktien zum Kurs von 150 v. H. ---------- = 60.000 DM - Entnahme von 10 000 RM X-Aktien am 2. August 1948 zum Kurs von 35 v. H. -------------- = 3.500 DM - Entnahme von 30 000 RM X-Aktien am 24. August 1948 zum Kurs von 29,5 v. H. ------------ = 8.850 DM ------- = 12.350 DM Verlust aus der Entnahme -------------------- 47 650 DM Gewinn vom Finanzamt festgestellt ---------- 53 409 DM Gewinn II/1948 ----------------------------- 5.759 DM.Auf Anfrage des Finanzgerichts hatte die Börse in A. über den Börsenhandel mit X-Aktien im Jahre 1948 folgendes mitgeteilt: Am 2. August 1948 sei für diese Aktien im kontrollierten Freiverkehr ein Preis von 33 1/2 G und 36 1/2 B festgestellt worden, was einem Börsenkurs zum Mittelwert von 35 v. H. entspreche. Am 24. August 1948 seien die Aktien zu einem Kurs von 29 1/2 v. H. umgesetzt worden. Die Umsätze in diesen Aktien seien im Jahre 1948, wenn auch in den einzelnen Monaten unterschiedlich, recht erheblich gewesen. Nach einer weiteren von der Börse dem Steuerpflichtigen erteilten Auskunft wurden in II/1948 und 1949 für X-Aktien folgende Höchstkurse und Niedrigstkurse notiert:
II/1948 Höchstkurs: ------- 45 1/2 - 48 1/2 ---------- Niedrigstkurs: ----- 25 1/2 - 28 1/2 ----- 1949 Höchstkurs: ------ 77 1/2 - 82 ---------- Niedrigstkurs: --- 20 3/4 - 22 3/4 Nach diesen Auskünften, so führt das Finanzgericht aus, könne nicht gesagt werden, daß die Börsenkurse der damaligen Zeit infolge weitgehender Funktionsunfähigkeit der Börse den tatsächlichen Wertverhältnissen nicht entsprochen hätten. In den damaligen Kursen hätten die politischen und die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt ihrer Notierung ihren Ausdruck gefunden. Hiernach seien die Börsenkurse vom 2. August 1948 und vom 24. August 1948 die Teilwerte im Sinne des auch im Anwendungsbereich des 3. DMBEG geltenden § 6 Ziff. 4 EStG in Verbindung mit § 6 Ziff. 1 Satz 3 EStG 1948, so daß sich zwangsläufig durch den Vergleich mit den nach § 5 Abs. 3 des 3. DMBEG anzusetzenden Werten der DMEB im 2. Halbjahr 1948 die vom Steuerpflichtigen berechneten Verluste ergäben. Dieses Ergebnis habe der Gesetzgeber als Folge des zum 21. Juni 1948 berichtigten Bilanzansatzes bewußt in Kauf genommen. Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes bestätige das. Im Regierungsentwurf sei für den Fall der Entnahme der Teilwert im Zeitpunkt der Entnahme zugleich als Höchstwert für den 21. Juni 1948 vorgesehen gewesen. Diese einschränkende Regelung sei jedoch nicht Gesetz geworden.
Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts legte der Vorsteher des Finanzamts Rb. ein, zu der der Steuerpflichtige im wesentlichen folgendes vortrug: Nach § 4 Abs. 3 des Regierungsentwurfs zum 3. DMBEG sollte für die in der Zwischenzeit entnommenen Wertpapiere in der berichtigten DMEB als Höchstwert der höhere der folgenden beiden Werte zulässig sein: a) des vorläufigen DM-Bilanzwertes und b) des Teilwerts im Zeitpunkt der Entnahme. Dadurch habe man die steuerliche Anerkennung von Veräußerungsverlusten in den Fällen vermeiden wollen, in denen sowohl der vorläufige Wertansatz als auch der Teilwert bei der Entnahme niedriger lägen als der neue handelsrechtlich zulässige Höchstwert. über diese Bedenken habe man sich jedoch bei der endgültigen Formulierung des Gesetzes nach eingehenden Beratungen in den Bundestagsausschüssen hinweggesetzt. Im schriftlichen Bericht vom 3. März 1955 des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen des Bundestages zu diesem Gesetz finde sich folgender Vermerk: "Für die veräußerten oder entnommenen Wertpapiere hatte bereits § 4 Abs. 2 des Regierungsentwurfs eine rückwirkende Berichtigung vorgesehen, jedoch mit der Maßgabe, daß in diesen Fällen höchstens der Veräußerungserlös angesetzt werden konnte. Dies hätte zur Folge gehabt, daß hier zwar Gewinne nachträglich steuerlich erfaßt, Verluste dagegen nicht geltend gemacht werden konnten, obwohl diese Verluste auf Umständen beruhen könnten, die mit den Werten zum 31. Dezember 1948 nichts zu tun haben, sondern nachträglich eingetreten waren. Die Ausschüsse hielten diese Einschränkung deshalb nicht für tragbar und haben sie fallen gelassen". Nach dieser Entstehungsgeschichte müsse man zu dem Schluß kommen, daß auch in den Fällen, in denen Anteile in der ersten Zeit nach der Währungsreform veräußert worden seien, für Aktien der Höchstwert des § 2 Abs. 1 des 3. DMBEG angesetzt werden dürfe. Da Veräußerungen und Entnahmen in § 5 Abs. 3 des 3. DMBEG ausdrücklich gleichgestellt seien, gelte dieser Grundsatz auch für entnommene Aktien. Der Steuerpflichtige habe deshalb mit seiner berichtigten DM-Bilanz die gesamten X-Aktien, also auch die kurze Zeit später entnommenen, zu Recht mit dem Höchstwert von 150 v. H. angesetzt. Die vom Finanzgericht ermittelten Börsenkurse hätten damals die betriebsbedingten Verkaufswerte, Einzelveräußerungspreise und die Wiederbeschaffungswerte dargestellt. Ein Käufer des Betriebs hätte zu dieser Zeit im Rahmen des Gesamtkaufpreises für die Aktien keinen höheren Kaufpreis bezahlt als den Börsentageskurs. Für die Höchstwerte des 3. DMBEG habe man deswegen nicht auf die Börsenkurse zurückgegriffen, weil diese Kurse zum Teil sehr niedrig gelegen hätten und man eine höhere Basis für die Berechnung von Gewinnen und Verlusten bei zukünftigen Veräußerungen habe schaffen wollen. Die Teilwertermittlung könne sich auch in der Zeit kurz nach der Währungsreform nur nach der gesetzlichen Bestimmung des § 6 Ziff. 1 EStG richten. Sie müsse deshalb bei notierten Wertpapieren auf die Börsenkurse abgestellt sein.
Auf Veranlassung des Senats trat der Bundesminister der Finanzen dem Verfahren nach § 287 Ziff. 2 AO bei und führte im wesentlichen folgendes aus: Es gelte zwar im allgemeinen die Auslegungsregel, daß sich der Teilwert von börsenmäßig notierten Wertpapieren nach dem jeweiligen Börsenkurs richte. Die Gleichung Teilwert = Börsenkurs könne aber nur gelten, wenn der Börsenkurs unter normalen Verhältnissen zustande gekommen sei. Solche normalen Verhältnisse hätten nach der Währungsreform nicht bestanden. Damals sei die Börse praktisch noch funktionsunfähig gewesen und es habe keine zuverlässigen Anhaltspunkte gegeben, in welchem Umfang sich die einzelnen Unternehmen ihre Substanz über den Krieg erhalten hätten. Ebensowenig habe man die Ertragsaussichten der Unternehmen beurteilen können. Es sei deshalb die einheitliche Meinung aller Sachverständigen gewesen, daß die in § 22 Abs. 1 DMBG festgesetzten Höchstwerte dem tatsächlichen Wert der notierten Wertpapiere am 21. Juni 1948 in keiner Weise gerecht würden. ... Erst durch die Aufstellung und Veröffentlichung der DMEBen sei die Erkenntnis über die damals tatsächlich vorhandene Substanz vermittelt worden. Diese neue Erkenntnis müsse bei der jetzigen Teilwertbestimmung für die Entnahmestichtage berücksichtigt werden ... Es sei nicht Ziel des 3. DMBEG gewesen, die Wirtschaft durch Festsetzung überhöhter Ausgangswerte für die DMEB besonders zu begünstigen. Man habe nur in der DMEB die wahren Wertverhältnisse vom 21. Juni 1948 zum Ausdruck bringen wollen, um eine Wegsteuerung der am 21. Juni 1948 tatsächlich vorhandenen Substanz zu vermeiden. Die im 3. DMBEG bestimmten endgültigen Höchstwerte seien danach als die echten Zeitwerte am 21. Juni 1948 anzusehen. Der Zeitwert am 21. Juni 1948 decke sich annähernd mit dem steuerlichen Teilwert. Diese Teilwerte vom 21. Juni 1948 müßten auch für die Zeit nach der Währungsumstellung gelten, soweit nicht im Einzelfall nachgewiesen werde, daß durch Substanzverluste oder andere Umstände eine tatsächliche Wertminderung eingetreten sei. Für die X-Aktien liege eine solche Wertminderung in der Zeit vom 21. Juni 1948 bis zu den Entnahmestichtagen vom 2. und 24. August 1948 nicht vor. Dieser Auffassung stehe nicht entgegen, daß der Gesetzgeber die in § 4 des Regierungsentwurfs des 3. DMBEG vorgesehene Bestimmung nicht in das Gesetz übernommen habe. Der Gesetzgeber habe, wie aus dem schriftlichen Bericht des Finanzausschusses ( Bundestagsdrucksache 1364 - 2. Wahlperiode ) hervorgehe, diese Bestimmung nur deshalb abgelehnt, weil sie die Geltendmachung auch solcher Verluste ausgeschlossen hätte, die auf nachträglich eingetretenen Umständen beruhten. Aus dem Abschreibungsverbot des § 11 Abs. 1 des 3. DMBEG könne nicht gefolgert werden, daß der Gesetzgeber für die Zeit nach dem Währungsstichtag allgemein einen gegenüber dem DMEB-Wert niedrigeren Teilwert unterstellt habe.
Entscheidungsgründe
Die Rb., über die mündlich verhandelt wurde, führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Zutreffend gehen alle Beteiligten davon aus, daß sich die Bewertung der entnommenen Aktien nach § 6 Ziff. 4 EStG 1948 richtet. Weder das DMBG noch das 3. DMBEG haben etwas anderes bestimmt. Danach war die Entnahme der Aktien an den unstreitigen Entnahmetagen des Jahres II/1948 mit dem Teilwert anzusetzen.
Mit Recht nehmen der Steuerpflichtige und das Finanzgericht an, daß der Teilwert von an der Börse gehandelten Aktien in der Regel dem Börsenpreis des Bilanzstichtages entspricht. Dem Steuerpflichtigen und dem Finanzgericht kann jedoch darin nicht gefolgt werden, daß als Teilwert der nach den Vorschriften des 3. DMBEG in der DMEB berichtigten X-Aktien der Börsenpreis der Entnahmetage anzusetzen sei. Hierbei ist weniger entscheidend, ob die Börsenpreise an den Entnahmetagen Marktpreise darstellten. Entscheidend ist vielmehr die Notwendigkeit, den hier vorliegenden Sondertatbestand zu berücksichtigen, der darin besteht, daß im Streitfall der Wert von Aktien, die nach Maßgabe der §§ 19,22 Abs. 1 DMBG zunächst mit einem Steuerkurswert in die DMEB eingestellt waren, auf Grund der besonderen Vorschriften des 3. DMBEG aus Erwägungen berichtigt wurden, die die damaligen Börsenkurse als wertbestimmende Faktoren als ungeeignet ansahen.
Der Senat verkennt nicht, daß die nachstehende Gesetzesanwendung in einen gewissen Gegensatz zu den Grundsätzen gerät, die für den Regelfall für die Ermittlung des Teilwerts gelten. Hätte z. B. der Steuerpflichtige sein Unternehmen an den Entnahmetagen ( 2. und 24. August 1948 ) veräußert, so hätte ein Erwerber mit hoher Wahrscheinlichkeit für die Aktien nur einen den Kurswerten in etwa entsprechenden Preis geboten und der Steuerpflichtige hätte einen wesentlich höheren Preis nicht erhalten können. Diese Unstimmigkeiten beruhen darauf, daß der Gesetzgeber im 3. DMBEG nach vielen Jahren mit rückwirkender Kraft den Ansatz von "tatsächlichen Werten" zuließ, die mit den am Stichtag der DMEB objektiv erkennbaren Gegebenheiten schwer vereinbar waren und hierdurch zwangsläufig mit den normalen Bewertungsgrundsätzen des Ertragsteuerrechts in Widerspruch gerieten. Diese gesetzgeberischen Maßnahmen des 3. DMBEG zwingen den Senat daher zu einer Auslegung des Gesetzes, die wirtschaftlich unvertretbare Ergebnisse vermeidet. Hiernach ist bei der Ermittlung des Teilwerts der entnommenen Aktien von folgenden Grundsätzen auszugehen:
Es entspricht dem Wesen des Teilwertbegriffs, daß im allgemeinen der Teilwert eines Wirtschaftsguts solange den Anschaffungs- oder Herstellungskosten gleichzusetzen ist, als zwischen Anschaffung oder Herstellung keine tatsächliche Wertveränderung eintritt (vgl. zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs I 311/60 S vom 11. Juli 1961, BStBl 1961 III S. 462, Slg. Bd. 73 S. 537). In den eigenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten für das Wirtschaftsgut erblickt die Rechtsprechung gleichzeitig die Wiederbeschaffungskosten eines gedachten Betriebserwerbers im Sinne des § 6 Ziff. 1 Satz 3 EStG 1948. Für fiktive Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die der Gesetzgeber in bestimmten Bewertungsfällen ausdrücklich vorschreibt, kann nichts anderes gelten. Sie treten an die Stelle der tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die der Steuerpflichtige hätte aufwenden müssen. Nach dem in § 5 Abs. 1 DMBG zum Ausdruck kommenden Grundgedanken gelten die in einer DMEB angesetzten Werte als Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Sie können bei der Bemessung der Teilwerte nicht unberücksichtigt bleiben. Das Prinzip der Teilwertbemessung nach den vermutlich tatsächlichen Wiederbeschaffungskosten eines gedachten Erwerbers kann bei fiktiven Anschaffungs- oder Herstellungskosten nur in übertragenem Sinne angewendet werden. Eine andere Betrachtung führt zu unverständlichen Ergebnissen und würde mit den Grundsätzen der Gewinnermittlung nach dem EStG nicht in Einklang zu bringen sein. Bei der Frage der Gewinn- oder Verlustrealisierung durch Entnahmen muß das entnommene Wirtschaftsgut sowohl bei seiner Einbuchung in das Betriebsvermögen als auch bei seiner Entnahme nach gleichartigen Grundsätzen bewertet werden. Beruht die Einbuchung der entnommenen Wirtschaftsgüter auf fiktiven Anschaffungs- oder Herstellungskosten, so müssen bei der Entnahme alle jene Umstände für die Teilwertbemessung berücksichtigt werden, die für die Bemessung der fiktiven Anschaffungskosten eine Rolle spielten. Ein Steuerpflichtiger, der Wirtschaftsgüter entnimmt, die er in der DMEB ausgewiesen hat, muß daher die Entnahme grundsätzlich mit den fiktiven Anschaffungskosten ansetzen, es sei denn, er weist eine Wertveränderung des betreffenden Wirtschaftsguts zwischen dem Stichtag der DMEB und dem Entnahmetag nach, die bei der Bemessung der fiktiven Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht berücksichtigt werden konnte.
Mit den Vorschriften des 3. DMBEG ließ der Gesetzgeber eine retrospektive Bewertung der Wertpapiere in der DMEB über das Maß hinaus zu, nach dem sonst nach den Grundsätzen der Rechtsprechung eine retrospektive Betrachtung bei der Bewertung anerkannt wird. Durch sie sollte den Unternehmern aber nicht ein ungerechtfertigter steuerlicher Vorteil eingeräumt werden. Die DMEB-Werte sollten vielmehr den realen Werten angenähert werden, wie sie sich bei einer alle wertbeeinflussenden Umstände berücksichtigenden retrospektiven Betrachtung auf den 21. Juni 1948 darboten. Ob und in welchem Umfang das im Einzelfall gelungen ist, ist gleichgültig. Es ist nicht vertretbar, diese retrospektive Betrachtung auf die DMEB-Werte zu beschränken. In einem gewissen zeitlichen Rahmen muß sie für alle Zeitpunkte gelten, auf die eine Bewertung von in der DMEB ausgewiesenen und nach der retrospektiven Methode wertberichtigten Wertpapieren vorgenommen werden muß. Der Gesetzgeber legte diesen zeitlichen Rahmen selbst fest, indem er dem für den Normalfall maßgeblichen Grundsatz der Bewertung mit dem Börsenkurs erstmals wieder für eine Bewertung zum 31. Dezember 1952 entscheidende Bedeutung beimaß. Entnahmen nach dem 31. Dezember 1952 sind wieder mit den Kurswerten anzusetzen. Soweit Umstände nach dem 31. Dezember 1952 zu einem Börsenkurs führen, der unter dem Wertansatz in der DMEB liegt, werden diese Umstände als wertmindernde Tatsachen anerkannt. Börsenkurse vor diesem Zeitpunkt hingegen sollen für die Bewertung bis zum 31. Dezember 1952 nach dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers keine Bedeutung haben.
Der Entnahmebewertung liegt im allgemeinen die Vorstellung einer Veräußerung des betreffenden Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen an das Privatvermögen zugrunde. Das ändert aber nichts daran, daß eine wirkliche Veräußerung, die zur Realisierung von Gewinnen oder Verlusten führt, nicht vorliegt. Die Entnahme stellt nur eine überführung von Wirtschaftsgütern aus der betrieblichen Vermögenssphäre des Steuerpflichtigen dar. Bei überführung eines Wirtschaftsgutes aus einer Vermögenssphäre in eine andere Vermögenssphäre des gleichen Steuerpflichtigen dürfen insbesondere Verluste innerhalb der einen Vermögenssphäre nur insoweit berücksichtigt werden, als sie ihr tatsächlich zur Last fallen. Das kann bei einer sachgerechten Beurteilung, die dem Sinn der Entnahmebewertung Rechnung trägt, nur anerkannt werden, wenn während der Zeit der Zugehörigkeit des Wirtschaftsguts zu dieser Vermögenssphäre eine Wertveränderung tatsächlich eintrat und nicht lediglich durch Zugrundelegung anderer als bei der Einbuchung für maßgeblich gehaltener Bewertungsüberlegungen manipuliert wird. Eine von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten abweichende Bewertung setzt eine tatsächliche Wertveränderung jedenfalls dann voraus, wenn der Ansatz der Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht unter ungewöhnlichen Umständen zustande kam und auch keine Fehlmaßnahme vorlag. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Gesetzgeber des 3. DMBEG verfolgte gerade das Ziel, die Zufallswerte der §§ 19, 22 Abs. 1 DMBG durch wirklichkeitsnahe und real vorhandene Werte zu berichtigen.
Gegen diese überlegungen könnte eingewendet werden, die nach dem DMBG oder nach dem 3. DMBEG vorgeschriebenen fiktiven Anschaffungs- oder Herstellungskosten entsprächen nicht den Teilwerten. Eine solche überlegung ist jedoch müßig. Wie hoch zu Beginn des 21. Juni 1948 der Teilwert der in der DMEB anzusetzenden Werte nach den allgemeinen Grundsätzen wirklich war, läßt und ließ sich nicht feststellen. Das war der Grund, warum der allgemeine Bewertungsgrundsatz des § 5 Abs. 1 DMBG für nahezu sämtliche Kategorien von Wirtschaftsgütern durch die besonderen Bewertungsvorschriften der §§ 16 ff. DMBG ersetzt wurde. Hiermit war jedoch nicht bezweckt, den DM-Bilanzansatz vom Teilwert als Wertkategorie zu lösen. Die Steuerpflichtigen konnten deshalb auch wesentlich über dem vermutlichen Teilwert liegenden Wert in der DMEB ansetzen (vgl. hierzu die Urteile des Bundesfinanzhofs I 62/53 U vom 30. Juli 1954, BStBl 1954 III S. 310 (312), Slg. Bd. 59 S. 252; I 146/54 U vom 12. Juli 1955, BStBl 1955 III S. 264, Slg. Bd. 61 S. 168). Das gilt im besonderen für solche Wirtschaftsgüter, deren Höchstwerte für die DMEB vom Gesetzgeber bewußt nach wirtschaftlich realen Bewertungsüberlegungen festgesetzt wurden. Ein Steuerpflichtiger kann daher im allgemeinen nicht mit der Behauptung gehört werden, der Teilwert von nach den Vorschriften des 3. DMBEG berichtigten Wertpapieren sei in einem späteren Zeitpunkt niedriger als der DMEB-Wert, es sei denn, er weist eine zwischenzeitliche tatsächliche Wertminderung nach. Ob es Fälle geben kann, in denen der vom Steuerpflichtigen in der DMEB angesetzte Höchstwert herabzusetzen ist, wenn der Steuerpflichtige darauf besteht, daß der Teilwert eines späteren Zeitpunktes niedriger sei, kann hier dahingestellt bleiben (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs I 72/60 U vom 28. Februar 1961, BStBl 1961 III S. 181, Slg. Bd. 72 S. 495).
Die vom Steuerpflichtigen geltend gemachten Einwendungen überzeugen den Senat nicht. Die Entstehungsgeschichte des § 5 Abs. 3 des 3. DMBEG zwingt nicht zu der vom Steuerpflichtigen begehrten Auslegung. Aus ihr folgt nur, daß die Verlustanerkennung nicht ausgeschlossen werden sollte, wenn verlustbegründende Tatsachen nach dem Stichtag der DMEB eintraten. In welchen sonstigen Fällen ein Verlust anerkannt werden sollte, ist weder aus der Entstehungsgeschichte noch aus den Vorschriften des 3. DMBEG mit Sicherheit zu entnehmen. Die Frage muß nach allgemeinen Grundsätzen entschieden werden. Bei Veräußerung der Anteile an einen Dritten tritt der Verlust in Höhe des Unterschieds zwischen dem Wertansatz in der DMEB und dem niedrigeren Veräußerungserlös tatsächlich ein (vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs I 147/60 S vom 13. Dezember 1960, BStBl 1961 III S. 58, Slg. Bd. 72 S. 152). Bei der Entnahme von Wertpapieren aber muß der Teilwertbegriff im dargelegten Sinne ausgelegt werden, um zu sinnvollen Ergebnissen zu gelangen. Ein Ergebnis, das bei einer solchen Entnahme ohne Nachweis eines eingetretenen Wertverlusts zu Verlusten führt, ist wirtschaftlich unverständlich und unter dem Gesichtspunkt einer gerechten, gleichmäßigen und vernünftigen Besteuerung unvertretbar. Mit Recht wies der Vertreter des Bundesministers der Finanzen in der mündlichen Verhandlung darauf hin, daß, wollte man das Gesetz im Sinn des Steuerpflichtigen auslegen, die Verfassungsmäßigkeit der Wertansätze des 3. DMBEG ernsthaft in Zweifel gezogen werden könnte. Der Hinweis des Steuerpflichtigen, daß es für ein und dasselbe Wirtschaftsgut zum gleichen Stichtag nur einen Teilwert geben könne, ist für den Regelfall zutreffend. Es mag auch sein, daß man bei streng formaler Auslegung dazu kommen müßte, die in den Vorschriften des 3. DMBEG vorgesehenen Höchstwerte stets als Teilwerte der Wertpapiere bis zum 31. Dezember 1952 anzusehen. Es erscheint dem Senat aber vertretbar, als Teilwert von Wertpapieren, deren Wertansatz nach Vorschriften des 3. DMBEG berichtigt wurde, bis zum 31. Dezember 1952 nur den Wert anzusetzen, den der Steuerpflichtige in seiner DMEB tatsächlich ausweist.
Da die Vorinstanz von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist ihre Entscheidung aufzuheben und die Berufung gegen den Feststellungsbescheid des Finanzamts als unbegründet zurückzuweisen. Der Senat hält es für gerechtfertigt, dem Steuerpflichtigen mit Rücksicht auf die bisherige Ungeklärtheit der Rechtslage und im Hinblick auf die Koppelungsvorschrift des § 75 Abs. 1 DMBG die Möglichkeit zu geben, den Wertansatz der Aktien in seiner DMEB zu überprüfen und zu ändern. Die Frage, ob eine eventuelle Herabsetzung der Werte Auswirkungen auf die Höhe der Vermögensabgabe- und Vermögensteuerpflicht hat, ist in einem besonderen Verfahren zu prüfen.
Fundstellen
Haufe-Index 410718 |
BStBl III 1963, 261 |
BFHE 1963, 713 |
BFHE 76, 713 |
BB 1963, 636 |
DB 1963, 849 |
DStR 1962/63, 489 |