Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die in Verwaltungsanweisungen vorgesehene Pauschalierung der Lohnsteuer landwirtschaftlicher Aushilfskräfte auf 2 v. H. der gezahlten Löhne entbehrt der gesetzlichen Grundlage.
Normenkette
LStDV § 46 Abs. 1; EStG § 38/3
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) hat in den Jahren 1951 bis 1955 nach den Feststellungen des Finanzamts insgesamt 5.100 DM Löhne an Aushilfskräfte seines landwirtschaftlichen Betriebs ausgezahlt, und zwar in den Jahren 1951 und 1952 je 1.100 DM, 1953 1.300 DM, 1954 und 1955 je 800 DM. Lohnsteuer wurde von diesen Beträgen nicht einbehalten. Auf Grund einer Lohnsteuerprüfung forderte das Finanzamt für diese Löhne Lohnsteuer durch Haftungsbescheid nach, und zwar in Höhe von 2 v. H. (102 DM). Der Einspruch des Bf. hiergegen hatte keinen Erfolg, die Berufung führte zu einer geringen Herabsetzung des Haftungsbetrags auf 80 DM.
Das Finanzgericht ging ebenso wie das Finanzamt davon aus, daß die Zahlungen an die Aushilfskräfte des Bf. Arbeitslohn gewesen seien. Es nahm an, daß auch Lohnsteuer einzubehalten gewesen wäre, da der Bf. wegen Nichtvorlage der Lohnsteuerkarten Hinzurechnungen zu dem tatsächlichen Arbeitslohn gemäß § 37 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) hätte vornehmen müssen. Für die Besteuerung von Aushilfskräften sei in Abschn. 52 c der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) eine Pauschalierung der Lohnsteuer mit 8 bis 10 v. H. der gezahlten Löhne vorgesehen, die für landwirtschaftliche Aushilfskräfte nach einer Verwaltungsanweisung bis auf 2 v. H. ermäßigt werden könne. Diese Pauschalierung setze jedoch die Zustimmung des Arbeitgebers voraus. Da der Bf. mit einer Pauschalierung auf Grund dieser Verwaltungsanweisung nicht einverstanden gewesen sei, müsse die Lohnsteuer, die sich infolge der Hinzurechnung gemäß § 37 LStDV wegen der Nichtvorlage der Lohnsteuerkarten der Aushilfskräfte ergebe, geschätzt werden. Daß die Aushilfskräfte die Lohnsteuer im Jahresausgleich wieder erstattet bekommen hätten, schließe die Haftung des Bf. nicht aus, wie der Bundesfinanzhof im Urteil VI 20/54 U vom 27. September 1957 (BStBl 1957 III S. 426, Slg. Bd. 65 S. 503) entschieden habe. Ebenso sei der Einwand des Bf. unbeachtlich, er habe nur schulpflichtige Kinder beschäftigt. Durch Verwaltungsmaßnahmen sei zwar während des Krieges bei den zu landwirtschaftlichen Hilfeleistungen herangezogenen Personen von der Lohnsteuererhebung abzusehen gewesen; diese Anordnung sei aber im Februar 1949 aufgehoben worden. Die Oberfinanzdirektion habe im Dezember 1951 bestimmt, daß die mit landwirtschaftlichen Hilfsarbeiten beschäftigten Schulkinder von der Lohnsteuer freizustellen seien. Diese Anordnung sei jedoch im August 1952 gleichfalls wieder aufgehoben worden. Wenn auch die rechtliche Bedeutung dieser Verwaltungsanweisung zweifelhaft sei, so widerspreche es mindestens Treu und Glauben, den Bf. für die Geltungsdauer dieser Anordnung für die Lohnsteuer der von ihm aushilfsweise beschäftigten Schulkinder haftbar zu machen. Der Haftungsbescheid sei daher um die für 1952 angeforderte Steuer auf 80 DM zu ermäßigen.
Der Bf. wiederholt mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) seine bisherigen Einwendungen gegen den Haftungsbescheid. Nach seiner Auffassung sind die von ihm zu Aushilfsarbeiten herangezogenen Kinder nicht als seine Arbeitnehmer anzusehen. Er habe ihnen nur ganz geringe Beträge bezahlt und zum Teil nur Kleidungsstücke und Schuhe gegeben. Selbst wenn man die Kinder als Arbeitnehmer ansehen würde, wäre wegen der niedrigen Entlohnung Lohnsteuer nicht in Betracht gekommen. Es könne deshalb im Wege der Haftung auch nicht für Lohnsteuer in Anspruch genommen werden. Eine Pauschalierung der Lohnsteuer mit 2 v. H. der ausgezahlten Beträge sei nicht zulässig, weil er sich mit dieser Besteuerung, die er nach den ergangenen Verwaltungsanweisungen selbst hätte tragen müssen, nicht einverstanden erklärt habe. Für diese Verwaltungsregelung fehle außerdem eine gesetzliche Grundlage.
Entscheidungsgründe
Die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Rb. ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Der Arbeitgeber haftet dem Finanzamt gemäß § 46 Abs. 1 LStDV grundsätzlich für die Lohnsteuer seiner Arbeitnehmer. Der Bf. kann für die Lohnsteuer von Aushilfskräften nach dieser Vorschrift aber nur in Anspruch genommen werden, wenn diese seine Arbeitnehmer waren und wenn sie nach den gesetzlichen Vorschriften Lohnsteuer zu entrichten hatten.
Nach § 1 LStDV ist Arbeitnehmer, wer einem anderen auf Grund eines Arbeitsverhältnisses seine Arbeitskraft schuldet. Diese Voraussetzung kann auch bei einer nur aushilfsweisen Beschäftigung erfüllt sein, wenn die Aushilfskräfte für die Dauer ihrer Tätigkeit in den Betrieb ihres Auftraggebers eingegliedert sind. Auch Schulkinder, die gelegentlich zu Erntearbeiten oder dergleichen herangezogen werden, können danach Arbeitnehmer sein. Da der Bf. nichts vorgetragen hat, was gegen eine vorübergehende Eingliederung der von ihm beschäftigten Kinder in seinen Betrieb spricht, konnten die Vorinstanzen nach der Lebenserfahrung davon ausgehen, daß die Kinder für diese Zeit seine Arbeitnehmer waren. Die Vorinstanzen haben auch ohne Rechtsirrtum angenommen, daß die Lohnsteuerpflicht der an die Kinder gezahlten Vergütungen, zu denen auch etwaige Sachzuwendungen gehören können, nach den allgemeinen Vorschriften über die Lohnsteuererhebung zu beurteilen ist; denn es gibt für die Streitjahre keine gesetzlichen Bestimmungen, die für derartige Fälle eine Ausnahmeregelung enthalten.
Voraussetzung für die Haftung des Bf. ist außerdem, daß die Aushilfskräfte Lohnsteuer schulden. Das Finanzamt hat die Lohnsteuerpflicht ohne weitere Ermittlungen bejaht und die Lohnsteuer der Aushilfskräfte pauschal auf 2 v. H. der insgesamt gezahlten Löhne festgesetzt auf Grund einer Verwaltungsanweisung, die voraussetzt, daß der Arbeitgeber sich zur übernahme der auf diese Weise ermittelten Lohnsteuer bereit erklärt. Die Voraussetzungen für eine derartige Pauschalierung waren im vorliegenden Fall schon deshalb nicht erfüllt, weil der Bf. der Pauschalierung und der übernahme der Lohnsteuer nicht zugestimmt hat. Gegen diese von verschiedenen Finanzministerien und Oberfinanzdirektionen des Bundesgebiets getroffene Regelung bestehen aber insbesondere rechtliche Bedenken. Die Verwaltungsregelung dient der Vereinfachung der Lohnsteuererhebung bei landwirtschaftlichen Aushilfskräften, bei der sich wegen mangelnder Unterlagen für die Steuerberechnung und wegen häufig vorhandener Unklarheiten hinsichtlich des Lohnzahlungszeitraums Schwierigkeiten bei der Lohnsteuerberechnung ergeben können. Derartige Verwaltungsanweisungen binden die Finanzgerichte jedoch nicht, da sie der gesetzlichen Grundlage entbehren. Ob die in ihnen getroffene Regelung für die Beteiligten günstig ist und ob sie verwaltungsmäßig einfach und zweckmäßig ist, braucht nicht untersucht zu werden. Da sie nicht auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, handelt es sich bei derartigen Anweisungen nicht um Rechtsnormen im Sinne des § 20 Abs. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, die von den Finanzgerichten ausgelegt werden können (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 233/56 S vom 28. März 1958, BStBl 1958 III S. 268, Slg. Bd. 66 S. 701). Die Finanzgerichte können bei der Prüfung, ob ein Arbeitgeber für die Lohnsteuer von Aushilfskräften gemäß § 46 Abs. 1 LStDV haftet, daher nur von dem Lohnsteuerbetrag ausgehen, den die Aushilfskräfte nach den Bestimmungen der LStDV als Lohnsteuer schulden. Wie hoch dieser Betrag im vorliegenden Fall ist, steht nicht fest. Es kann dem Finanzgericht nicht gefolgt werden, das ohne weitere Ermittlungen eine Pauschalierung des Gesamtbetrags der Lohnsteuer der Aushilfskräfte mit 2 v. H. der gezahlten Löhne für vertretbar hält und das damit zu dem gleichen Lohnsteuerbetrag kommt, der sich bei Anwendung der nach den obigen Ausführungen nicht rechtsverbindlichen Verwaltungsregelung ergeben würde. Auf eine Einzelermittlung der Lohnsteuer für jede Aushilfskraft kann nicht verzichtet werden. Sind die Unterlagen des Bf. hierfür nicht ausreichend, so werden sich allerdings Teilschätzungen nicht vermeiden lassen. Sie müssen jedoch möglichst eingeschränkt werden. Hat der Bf. die Schätzungen durch Verletzung der ihm als Arbeitgeber obliegenden Pflichten verschuldet, so wird er unter Umständen auch etwaige Nachteile, die sich bei den Schätzungen ergeben können, in Kauf nehmen müssen. Dies darf jedoch nicht so weit gehen, daß der Gesamtbetrag der Lohnsteuer aller Aushilfskräfte griffweise geschätzt wird. Die Vorentscheidung, die dies verkannt hat, ist daher wegen Rechtsirrtums aufzuheben.
Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzgericht zurückverwiesen, das festzustellen hat, ob und in welcher Höhe die vom Bf. beschäftigten Aushilfskräfte Lohnsteuer geschuldet haben. Soweit der Lohnzahlungszeitraum nicht einwandfrei feststehen sollte, hat der Senat keine Bedenken, daß dabei aus Vereinfachungsgründen die Lohnsteuertabelle für monatliche Lohnzahlungen angewendet wird. Das Finanzgericht wird bei seiner erneuten Entscheidung auch zu prüfen haben, ob die Heranziehung des Bf. den Grundsätzen der Billigkeit entspricht, da er möglicherweise in unverschuldeter Unkenntnis der bestehenden Vorschriften die Einbehaltung der Lohnsteuer unterlassen hat (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 1720/32 vom 10. Januar 1934, RStBl 1934 S. 458).
Fundstellen
Haufe-Index 409429 |
BStBl III 1959, 354 |
BFHE 1960, 243 |
BFHE 69, 243 |