Leitsatz (amtlich)
Unterbreitet A dem B ein Kaufangebot über ein Grundstück mit dem Recht der Benennung eines Dritten und benennt B den C, der das Kaufangebot annimmt, so ist C nur Steuerschuldner hinsichtlich der Grunderwerbsteuer, die sich aus dem Kaufvertrag zwischen ihm und A ergibt. Steuerschuldner einer sich aufgrund der Benennung des C ergebenden Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6, 7 GrEStG ist dagegen nur B.
Normenkette
GrEStG 1940 § 1 Abs. 1 Nrn. 6-7, § 15 Nr. 1
Tatbestand
In der notariellen Urkunde vom 5. November 1962 machten die Witwe Sch und ihr Sohn, der Gastwirt Sch, als Eigentümer in ungeteilter Erbengemeinschaft (Veräußerer) der Firma X AG (Gesellschaft) das Angebot, von mehreren Grundstücken bestimmte näher bezeichnete Teilstücke zum Kaufpreis von 20 DM/qm zu veräußern. Das Angebot war befristet. Die Gesellschaft nahm das Angebot jedoch nicht im ganzen an, sondern schloß am 24. Januar 1963 einen notariell beurkundeten Kaufvertrag mit den Veräußerern über ein Teilstück. Die anderen Teilstücke wurden von den Veräußerern an Interssenten verkauft, die von der Gesellschaft namhaft gemacht worden waren, u. a. an den Kläger. Durch weiteren notariell beurkundeten Vertrag vom 24. Januar 1963 verpflichtete sich der Kläger zusammen mit den übrigen Käufern der Gesellschaft gegenüber, die erworbenen Grundstücke mit Eigenheimen zu bebauen und die Gesellschaft als Betreuerin des Gesamtbauvorhabens anzuerkennen. Zu dieser Zeit war eines der in Betracht kommenden Teilstücke noch nicht verkauft.
Das beklagte FA (Beklagter) erblickte in dem Abschluß des Kaufvertrages zwischen den Veräußerern und dem Kläger eine Abtretung der Rechte der Gesellschaft aus dem Kaufangebot vom 5. November 1962 auf den Kläger. Dieses "Zwischengeschäft" unterwarf es gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG der Besteuerung und erließ dementsprechend gegenüber dem Kläger am 27. Juli 1966 einen Grunderwerbsteuerbescheid, worin die Grunderwerbsteuer nach dem Einheitswert der vom Kläger erworbenen Parzelle (3 100 DM) auf 217 DM festgesetzt wurde.
Nach erfolglosem Einspruch des Klägers hob das FG die Einspruchsentscheidung vom 3. April 1967 sowie den zugrunde liegenden Grunderwerbsteuerbescheid vom 27. Juli 1966 ersatzlos auf. Zur Begründung führte es aus, daß eine Abtretung von Rechten aus dem Kaufangebot vom 5. November 1962 nicht vorliege.
Entscheidungsgründe
Die wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision des FA ist im Ergebnis nicht begründet.
Dahin stehen kann, ob durch die Benennung des Klägers als Kaufangebotsempfänger und durch die Annahme des Kaufangebots der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. Nr. 7 GrEStG erfüllt wurde. Denn auch wenn dies der Fall wäre, würde der Kläger nicht Steuerschuldner aus diesem Rechtsvorgang sein.
Die Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7 GrEStG und des § 1 Abs. 2 GrEStG können - wie schon in dem Urteil vom 6. Mai 1969 II 131/64 (BFHE 96, 201, BStBl II 1969, 595) dargelegt - bei bestimmten Fallgestaltungen durch den gleichen Lebensvorgang verwirklicht werden. Die Ähnlichkeit oder sogar mögliche Identität des Lebenssachverhalts, der zur Erfüllung beider gesetzlicher Tatbestände führen kann, erfordert nach Auffassung des Senats eine übereinstimmende Beurteilung der Frage der Steuerschuldnerschaft. Dies bedeutet, daß in beiden Fällen der letztlich erwerbende Dritte nur einmal zur GrESt herangezogen werden darf, und zwar wegen des Erwerbs vom ursprünglich Berechtigten aufgrund der Annahme des Kaufangebots, nicht aber wegen der Übertragung des Gestaltungsrechts (vgl. Urteil des RG vom 9. Februar 1931 IV 320/30, RGZ 132, 6) des "Zwischenerwerbers" auf ihn.
Dem entspricht auch die bisherige Rechtsprechung zu § 1 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7 GrEStG (vgl. Urteil II 131/64), der zufolge die Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot allein die Steuerschuld entgegen dem Gesetzeswortlaut noch nicht auslöst, sondern erst die Abtretung in Verbindung mit der Ausübung der Rechte durch den Abtretungsempfänger, d. h. in Verbindung mit der Annahme des Kaufangebots durch den Dritten. Die Abtretung des Kaufangebots allein ist nur ein zwar notwendiger, zur Tatbestandsverwirklichung jedoch nicht ausreichender Sachverhaltsteil. Da aber der zweite Teilakt, die Angebotsannahme, bereits die Steuerschuld des Annehmenden aufgrund des zustande gekommenen Kaufvertrags gemäß § 15 Nr. 1 GrEStG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG auslöst, kann nicht noch zusätzlich in derselben Person eine weitere Steuerschuld gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6 bzw. Nr. 7 GrEStG entstehen; denn der Dritte "erwirbt" nur einmal, und zwar aufgrund des Kaufvertrags und nicht aufgrund der Ausübung des Benennungsrechts durch den Abtretenden, die den Dritten lediglich in die Rechte aus dem Kaufangebot hat einrücken lassen. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Dritte das Kaufangebot nicht annimmt, sondern weiter überträgt.
§ 15 Nr. 1 GrEStG steht dem nicht entgegen, denn die Besonderheit des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG rechtfertigt es, nur den "Zwischenerwerber", nicht aber den letztlich erwerbenden Dritten als an dem Erwerbsvorgang "Abtretung" beteiligt anzusehen. Diese Besonderheit wird unterstrichen dadurch, daß der Dritte eine Gegenleistung im Sinne des § 11 GrEStG an den Abtretenden nicht erbringt, weshalb in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7 GrEStG als Besteuerungsgrundlage nur der Wert des Grundstücks in Betracht kommt (vgl. Urteil II 131/64). Zwar ist gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG bei der Abtretung des Übereignungsanspruchs die Übernahme der Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft, das den Übereignungsanspruch begründet hat, als Gegenleistung anzusehen. Aus dem einseitigen Kaufangebot folgt aber für den Adressaten keine Verpflichtung; sie kann folglich auch nicht von einem Dritten übernommen werden.
Der Senat folgt mit dieser Entscheidung dem Urteil des RFH vom 10. November 1931 II A 435/31 (RFHE 30, 24). An der im Urteil vom 31. Mai 1972 II R 162/66 (BFHE 106, 367 [374], BStBl II 1972, 828) für möglich gehaltenen, die Entscheidung jedoch nicht tragenden Rechtsauffassung zur Steuerschuldnerschaft in derartigen Fällen wird nicht festgehalten. Die Ausführungen betrafen ein vom dortigen Rechtsmittelkläger vorgebrachtes, für die Entscheidung des Falles unerhebliches Argument.
Fundstellen
Haufe-Index 71058 |
BStBl II 1974, 772 |
BFHE 1975, 313 |