Leitsatz (amtlich)
Sehen Darlehensverträge über die Gewährung von Wohnungsfürsorgemitteln öffentlicher Körperschaften an ihre Arbeitnehmer eine Mietpreisbindung wie im öffentlich geförderten Wohnungsbau nicht vor, darf die übliche Miete i. S. von § 79 Abs. 2 BewG nicht aus Mietspiegeln für den öffentlich geförderten Wohnungsbau abgeleitet werden.
Normenkette
BewG 1965 § 79 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind je zur Hälfte Miteigentümer eines 1965 bezugsfertig erstellten Einfamilienhauses mit einer Wohnfläche von 114,78 qm. Das nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz (II. WoBauG) grundsteuerbegünstigte Gebäude wird von ihnen selbst bewohnt. Zur Finanzierung verwendeten die Kläger u. a. ein zinsverbilligtes Arbeitgeberdarlehen. Öffentliche Mittel im Sinne des II. WoBauG wurden nicht in Anspruch genommen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte den Einheitswert für das Einfamilienhaus durch Nachfeststellung zum 1. Januar 1974 auf 75 000 DM fest. Der Wertfeststellung legte das FA eine aus dem Mietspiegel für freifinanzierte und grundsteuerbegünstigte Nachkriegsbauten entnommene übliche Miete von monatlich 5,50 DM je qm Wohnfläche zugrunde.
Nach erfolglosem Einspruch begehrten die Kläger mit ihrer Klage eine Bewertung ihres Grundstücks auf der Grundlage einer üblichen Miete von monatlich 3,15 DM je qm Wohnfläche.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung der §§ 76f. des Bewertungsgesetzes (BewG) und der Art. 3 und 28 des Grundgesetzes (GG). Sie machen geltend, ihr Grundstück sei eines von mehr als 10 Grundstücken, die von einer Siedlungsgesellschaft mit gleichartigen Bungalows bebaut worden seien. Wenngleich die Grundstücksflächen nicht durchwegs einheitlich seien und einige Erwerber eine etwas größere Wohnfläche durchgesetzt hätten, rechtfertige das nicht Einheitswertunterschiede innerhalb der Siedlung im Verhältnis von fast 1 : 3. Die Kläger tragen weiter vor, ihnen seien aufgrund eines Arbeitgeberdarlehens Bindungen auferlegt worden, die denen öffentlich geförderter Wohnungsbauten entsprächen. Dies müsse bei der Bewertung ihres Grundstücks berücksichtigt werden.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung und den Feststellungsbescheid aufzuheben und das FA zu verpflichten, den Einheitswert auf der Grundlage einer monatlichen Miete von 3,15 DM je qm Wohnfläche neu festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Bei dem Grundstück der Kläger handelt es sich um ein Einfamilienhaus i. S. des § 75 Abs. 1 Nr. 4 BewG, das nach § 76 Abs. 1 Nr. 4 BewG im Wege des Ertragswertverfahrens (§§ 78 bis 82 BewG) zu bewerten ist. In diesem Verfahren ergibt sich der Grundstückswert regelmäßig durch die Anwendung eines Vervielfältigers (§ 80 BewG) auf die Jahresrohmiete (§ 79 BewG). In besonderen Fällen sind Zuschläge oder Abschläge vorzunehmen (§§ 81 und 82 BewG). Die für die Bewertung maßgebende Jahresrohmiete ist grundsätzlich das Gesamtentgelt, das der oder die Mieter aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Feststellungszeitpunkt für ein Jahr zu entrichten haben (§ 79 Abs. 1 Satz 1 BewG). Wird ein Grundstück - wie im Streitfall - von den Eigentümern selbst bewohnt, tritt an die Stelle der Jahresrohmiete die übliche Miete. Diese ist in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird (§ 79 Abs. 2 Satz 2 BewG). Sie ist in erster Linie durch unmittelbaren Vergleich aus tatsächlich gezahlten Mieten für Vergleichsobjekte abzuleiten (vgl. Urteil vom 10. August 1984 III R 41/75, BFHE 142, 289, BStBl II 1985, 36 ). Sind - wie häufig - vermietete Vergleichsobjekte, aus denen die übliche Miete unmittelbar abgeleitet werden könnte, nicht oder nicht in ausreichender Zahl vorhanden, bilden im allgemeinen die Mietspiegel das geeignete Hilfsmittel zur Schätzung der üblichen Miete (vgl. Senatsurteil III R 41/75, a. a. O.).
2. a) Das FA hat die übliche Miete für das Einfamilienhaus der Kläger zu Recht dem nach dem Stand zum 1. Januar 1964 erstellten Mietspiegel entnommen. Gemäß § 27 BewG sind bei Nachfeststellungen der Einheitswerte für den Grundbesitz die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt zugrunde zu legen. Speziell zur Bewertung von bebauten Grundstücken im Wege des Ertragswertverfahrens bestimmt § 79 Abs. 5 BewG, daß für die Höhe der Jahresrohmiete die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt gelten. Für Gebäude, die nach dem 1. Januar 1964 errichtet worden sind, ist die Jahresrohmiete in Anlehnung an die Jahresrohmiete für solche bei der Hauptfeststellung am 1. Januar 1964 bewertete Grundstücke zu schätzen, die kurz vor dem 1. Januar 1964 errichtet worden und nach Art, Lage, Nutzung und Ausstattung sowie Finanzierungsart vergleichbar sind (vgl. Rössler/Troll/Langner, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 13. Aufl., § 79 BewG Anm. 103). Im Streitfall hat das FA die übliche Miete in Anlehnung an den von der Oberfinanzdirektion (OFD) Berlin erstellten Mietspiegel I - Baujahrszeitraum 1963, bauliche Ausstattung gut, freifinanziert und steuerbegünstigt - auf 5,50 DM je qm monatlich geschätzt (vgl. Rundverfügung der OFD Berlin Nr. 45/67 vom 27. Februar 1967, Steuerund Zollblatt Berlin - StZBl.Bln. - 1967, 216). Diese Schätzungsmethode ist, wie das FG zutreffend entschieden hat, nicht zu beanstanden.
b) Zu Unrecht wenden sich die Kläger gegen die Anwendung des Mietspiegels I. Der im Streitfall angewendete Mietspiegel beruht auf einer sorgfältigen Untersuchung der Mieten für in Berlin (West) vermietete Einfamilienhäuser. Ihm liegt eine umfassende Fragebogenaktion zugrunde. Das Ergebnis ist mit Vertretern der Berliner Wohnungswirtschaft erörtert worden. Der Mietspiegel ist im Einvernehmen mit dem Senator für Bau- und Wohnungswesen, der Wohnungsbau-Kreditanstalt und dem Senator für Finanzen ergangen (StZBl.Bln. 1967, 216). Die Kläger haben ihre Einwendungen gegen die Mietwerte des maßgeblichen Mietspiegels nicht substantiiert. Es ist auch nicht erkennbar, daß dem Mietspiegel offensichtliche Mängel anhaften. Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß die übliche Miete nach dem Willen des Gesetzgebers eine geschätzte Miete ist mit der Folge, daß an ihre Genauigkeit auch nur die Anforderungen gestellt werden dürfen, die für die Genauigkeit von Schätzungen allgemein verlangt werden. Bei dieser Sachlage konnte das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu dem Ergebnis gelangen, daß eine Schätzung der üblichen Miete für das Einfamilienhaus der Kläger auf monatlich 5,50 DM je qm Wohnfläche nicht zu beanstanden ist.
c) Mit ihrem Begehren, die übliche Miete für ihr Einfamilienhaus in gleicher Höhe wie die übliche Miete für öffentlich geförderten Wohnraum - d. h. im Streitfall monatlich mit 3,15 DM je qm Wohnfläche - anzusetzen, können die Kläger nicht durchdringen. Der Senat hat mit Urteil vom 10. August 1984 III R 18/76 (BFHE 142, 297, BStBl II 1985, 200 ) entschieden, daß es nicht sachwidrig sei, die übliche Miete für steuerbegünstigten Wohnraum, der mit Darlehen aus Wohnungsfürsorgemitteln für Staatsbedienstete gefördert ist, aus den Mietspiegelmieten für den öffentlich geförderten Wohnraum abzuleiten. Grund für diese Entscheidung war, daß der mit Wohnungsfürsorgemitteln für Staatsbedienstete geförderte Wohnungsbau hinsichtlich der Mietpreisbindungen den gleichen Beschränkungen unterliegt wie der öffentlich geförderte Wohnungsbau, und daß diese Auflage durch ein langfristiges Wohnungsbesetzungsrecht des öffentlichen Arbeitgebers abgesichert ist. Das streitbefangene Einfamilienhaus wurde zum Teil mit Mitteln finanziert, die nach den Richtlinien über die Wohnungsfürsorge der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Wohnungsfürsorge-Richtlinien der BfA) - des Arbeitgebers des Klägers - gewährt wurde. Anders als die Darlehensverträge über die Wohnungsfürsorgemittel für Staatsbedienstete des Bundes und der Länder sehen jedoch die Wohnungsfürsorge-Richtlinien der BfA eine Mietpreisbindung wie im öffentlich geförderten Wohnungsbau nicht vor. Im Hinblick hierauf ist es nicht gerechtfertigt, im Streitfall die übliche Miete aus dem Mietspiegel für öffentlich geförderten Wohnungsbau abzuleiten. Da die übrigen im Streitfall mit dem Arbeitgeberdarlehen verbundenen Auflagen nur von geringer Bedeutung sind, ist es nicht zu beanstanden, daß das FA die übliche Miete aus dem Mietspiegel für freifinanzierte und grundsteuerbegünstigte Nachkriegsbauten ermittelt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 426105 |
BStBl II 1985, 234 |
BFHE 1985, 303 |
NJW 1985, 1184 |