Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält an dem Urteil IV 173/54 U vom 27. April 1955 (Slg. Bd. 60 S. 481, BStBl 1955 III S. 184) aufgestellten Grundsatz fest, daß auch steuerlich der Verzicht auf das elterliche Nutznießungsrecht nur anerkannt werden kann, wenn er gemäß § 1662 BGB durch eine öffentlich beglaubigte Erklärung gegenüber dem Vormundschaftsgericht erfolgt ist. § 5 Abs. 3 StAnpG steht dieser Auffassung nicht entgegen.
Normenkette
EStG § 2/2; EStG § 2/1; StAnpG § 5 Abs. 3
Tatbestand
Die Beschwerdegegnerin (Bgin.) hat im Jahre 1949 mit ihren drei minderjährigen, damals 15, 12 und 5 Jahre alten Kindern eine Kommanditgesellschaft gegründet; diese hat einen Holz- und Baustoffhandel zum Gegenstand, der durch Erbgang vom Ehemann der Bgin. auf die genannten Personen übergegangen war. Die Bgin. ist als persönlich haftende Gesellschafterin zur Hälfte, die Kinder sind als Kommanditisten zu je 1/6 an der Gesellschaft beteiligt. Der Gesellschaftsvertrag ist auf seiten der Kinder von je einem zu diesem Zweck bestellten Pfleger abgeschlossen und vom Vormundschaftsgericht gemäß § 1822 Ziff. 3 BGB genehmigt worden.
Hinsichtlich der Tochter A ist die Zusammenveranlagung nach § 27 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab 1953 entfallen, da die Genannte am 21. Juni 1952 18 Jahre alt geworden ist. Das Finanzamt hat jedoch für 1954 den Gewinnanteil der Tochter an der Kommanditgesellschaft ebenso wie die Gewinnanteil der beiden jüngeren Kinder den gewerblichen Einkünften der Bgin. hinzugerechnet, weil der Anteil auf Grund des bis zur Erreichung des Volljährigkeit bestehenden elterlichen Nutznießungsrechts (ß 1649 BGB) der Mutter zufließe und daher von dieser zu versteuern sei.
Die Bgin. hat hiergegen Einspruch und nach dessen Zurückweisung Berufung mit dem Ziel eingelegt, eine einheitliche Gewinnfeststellung und eine getrennte Veranlagung der Tochter herbeizuführen. Sie hat geltend gemacht, daß ihr das elterliche Nutznießungsrecht am Gewerbegewinn ihrer Tochter nicht zustehe. Durch den Abschluß des Gesellschaftsvertrages und dessen vormundschaftsgerichtliche Genehmigung sei der Tochter hinsichtlich der Beteiligung an der Kommanditgesellschaft gleichzeitig die Ermächtigung zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts gemäß § 112 BGB erteilt worden. Der Gewinn aus dieser Beteiligung sei somit gemäß § 1651 Abs. 1 Ziff. 1 BGB freies Kindesvermögen und unterliege nicht der elterlichen Nutznießung. Wie aus der Buchführung der Gesellschaft hervorgehe, habe sie (Bgin.) auch tatsächlich der Tochter den Gewinnanteil voll ausgezahlt.
Das Finanzgericht hat der Berufung stattgegeben. Es hat im wesentlichen folgendes ausgeführt: Wenn sich die Steuerpflichtige zur Begründung ihrer Ansicht, daß die in § 112 BGB vorgesehene Ermächtigung bereits in dem vom Pfleger vorgenommenen Abschluß des Gesellschaftsvertrages und dessen vormundschaftsgerichtliche Genehmigung enthalten sei, auf die Ausführungen von Theis in "Der Betrieb" 1955 S. 564 und 1026 und 1956 S. 75, sowie auf das von Theis in "Der Betrieb 1956 S. 76 auszugsweise wiedergegebene Urteil des Bundesfinanzhofs IV 36/53 vom 13. August 1953 berufe, so bestünden gegen diese Auffassung Bedenken. Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei zwar auch die Beteiligung des Kommanditisten an einer Kommanditgesellschaft nicht nur als bloße vermögensmäßige Kapitalbeteiligung, sondern als Mitunternehmerschaft und Teilnahme am Betrieb eines Erwerbsgeschäftes anzusehen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs II ZR 202/53 vom 30. April 1955, Neue Juristische Wochenschrift 1955 S. 1067 und "Der Betrieb" 1955 S. 553), so daß der Erwerb einer Kommanditbeteiligung durch einen Minderjährigen unter § 1822 Ziff. 3 BGB falle. In dem Abschluß des Gesellschaftsvertrages für den Minderjährigen sei jedoch nicht ohne weiteres die Ermächtigung nach § 112 BGB zu erblicken, ebensowenig wie die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung des Gesellschaftsvertrages gleichzeitig die Genehmigung zur Erteilung einer solchen Ermächtigung enthalte (vgl. hierzu auch Schneider in "Der Betriebs-Berater" 1955 S. 949 und Randebrock in "Der Betrieb" 1956 S. 7). Der gesetzliche Vertreter, der für den ihm anvertrauten Minderjährigen einen Gesellschaftsvertrag abschließe, weil die Beteiligung nach seiner Ansicht im Interesse des Minderjährigen liege, brauche damit durchaus nicht zugleich eine Ermächtigung nach § 112 BGB zu verbinden. Er werde sich vielmehr häufig seiner Rechte und Pflichten als gesetzlicher Vertreter gegenüber dem Minderjährigen nicht entledigen, sondern auch im Rahmen der Gesellschaft den Minderjährigen weiter vertreten und dessen Rechte und Pflichten gegenüber den Mitgesellschaftern und Dritten selbst wahrnehmen wollen.
Zu beachten sei auch, daß die Erteilung einer Ermächtigung nach § 112 BGB im Hinblick auf eine gesellschaftliche Beteiligung des Minderjährigen nur dann in Frage kommen werden, wenn dieser einem Volljährigen gleichzusetzen und imstande und bereit sei, unter Verzicht auf die für einen Minderjährigen normalerweise geltenden Schutzvorschriften und auf die Vertretung durch den gesetzlichen Vertreter seine Rechte und Pflichten und die auf Grund der Beteiligung vorzunehmenden Rechtsgeschäfte selbst und eigenverantwortlich wahrzunehmen. Eine Ermächtigung nach § 112 BGB werde auch der Vormundschaftsrichter dementsprechend nur dann genehmigen, wenn er zu der überzeugung gekommen sei, daß der Minderjährige sich im Rechts- und Wirtschaftsleben wie ein Volljähriger verhalten und durch den Fortfall des Minderjährigenschutzes keine Nachteile erleiden werde.
Auch die das Steuerrecht beherrschende wirtschaftliche Betrachtungsweise könne zu keiner anderen Beurteilung führen. Unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Betrachtungsweise könne wohl ein Zustand anerkannt werden, der zwar rechtlich nicht bestehe, aber von den Beteiligten tatsächlich und wirtschaftlich als bestehend behandelt werde. Die in § 112 BGB geregelte erweiterte Geschäftsfähigkeit könne jedoch nicht der Rechtslage zuwider tatsächlich ausgeübt werden, da sie nur durch wirksame Ermächtigung begründet werden könne.
Der Berufung müsse jedoch aus dem Grund stattgegeben werden, weil die Steuerpflichtige glaubhaft und unwidersprochen vorgetragen habe, daß sie in übereinstimmung mit dem Willen des Erblassers keinen Anspruch auf die Beteiligung ihrer Tochter erhebe und ihr den Gewinnanteil voll ausgezahlt habe. Ein Verzicht auf das elterlich Nutznießungsrecht sei zwar gemäß § 1662 BGB in öffentlich beglaubigter Form gegenüber dem Vormundschaftsgericht zu erklären. Steuerlich jedoch auch ein formloser Verzicht auf das elterliche Nutznießungsrecht anerkannt werden, wenn die Beteiligten sich tatsächlich an diesen Verzicht gehalten und die entsprechenden Folgerungen daraus gezogen hätten (vgl. hierzu Oswald in "Der Betrieb" 1955 S. 700). Der Bundesfinanzhof habe zwar in einem Leitsatz zu seinem Urteil IV 173/54 U vom 27. April 1955 (Slg. Bd. 60 S. 481, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 III S. 184) hervorgehoben, auch steuerlich könne der Verzicht auf das elterliche Nutznießungsrecht nur anerkannt werden, wenn er gemäß § 1662 BGB durch eine öffentlich beglaubigte Erklärung gegenüber dem Vormundschaftsgericht erfolgt sei. Damit sollte jedoch, wie sich aus den Urteilsgründen ergebe, die Möglichkeit der steuerlichen Berücksichtigung eines formlosen Verzichts auf die Nutznießung nicht für jeden Einzelfall ausgeschlossen werden. Es sei auch die Vorschrift des § 5 Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) zu beachten, wonach die Formnichtigkeit eines Rechtsgeschäftes für die Besteuerung insoweit und so lange ohne Bedeutung sei, als die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis des Rechtsgeschäftes eintreten und bestehen ließen. Die Vorschrift möge in erster Linie darauf abgestellt sein, eine Umgehung der Steuergesetze zu verhindern; sie müsse aber auch dann angewendet werden, wenn die wirtschaftliche und tatsächliche Gestaltung der Verhältnisse sich zugunsten der Steuerpflichtigen auswirke. So habe auch der Reichsfinanzhof in dem Urteil III e 37/40 vom 12. Mai 1942 (Reichssteuerblatt 1942 S. 580) einen formlosen und sogar stillschweigenden Verzicht des Ehemannes auf das Nutznießungsrecht am eingebrachten Gut der Frau steuerlich anerkannt.
Das Vorbringen der Steuerpflichtigen, die der Tochter zustehenden Gewinnanteile seien dieser selbst zugeflossen, stehe im übrigen im Einklang mit der Tatsache, daß die Steuerpflichtige keinen Antrag auf Kinderermäßigung gemäß § 32 Abs. 4 Ziff. 3 EStG für ihre in der Berufsausbildung (Studium) befindliche Tochter gestellt habe. Diese Kinderermäßigung hätte ihr jedoch zugestanden, wenn sie ihr Nutznießungsrecht ausgeübt und somit die Kosten für den Unterhalt und die Berufsausbildung der Tochter aus eigenen Mitteln zu bestreiten gehabt hätte.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) hat der Vorsteher des Finanzamts geltend gemacht, der im Urteil des Bundesfinanzhofs IV 173/54 U vom 27. April 1955 aufgestellte Grundsatz über die steuerliche Anerkennung des Verzichts auf die elterliche Nutznießung nur bei Einhaltung der bürgerlich-rechtlichen Formvorschrift sei, wie sich aus dem Leitsatz ergebe, in allen Fällen anzuwenden. Auch die wirtschaftliche Betrachtungsweise könne an dieser zwingenden Formvorschrift nicht vorbeigehen, da erst durch diese eine Rechtsänderung herbeigeführt werde. Die strenge Formvorschrift sei mit Rücksicht auf die besondere Interessenlage der Eltern und auch des Kindes eingeführt worden. Diese müsse aber auch auf steuerlichem Gebiet berücksichtigt werden. Denn die steuerlichen Auswirkungen des Verzichts seien nicht minder erheblich wie auf dem zivilrechtlichen Gebiet. Würde man steuerlich den formlosen Verzicht billigen, so käme das praktisch einer Umgehung der Formvorschrift auch für den zivilrechtlichen Sektor gleich. Damit wäre aber der innere Sinn dieser Vorschrift aufgehoben. Im übrigen könne nur aus der Tatsache, daß die Bgin. ihrer Tochter den Gewinnanteil an der Kommanditgesellschaft zur Finanzierung des Studiums überlassen habe, nicht auf einen (formlosen) Verzicht auf das Nutznießungsrecht geschlossen werden. Das Finanzgericht habe nicht festgestellt, daß die Tochter ihre Gesellschafterrechte selbst wahrgenommen habe. Das wäre aber ein viel entscheidenderes Kriterium für den Verzicht gewesen als die Hingabe des Geldes, in der eine nach § 12 EStG steuerlich unbeachtliche Einkommensverwendung zu erblicken sei. Darüber hinaus erstrecke sich das elterliche Nutznießungsrecht auf das Kindesvermögen als Ganzes. Auf die Nutznießung an einzelnen Vermögensgegenständen könne überhaupt nicht verzichtet werden. Die Bgin. und ihre drei Kinder seien aber als Erben des verstorbenen Ehemannes der Bgin. auch an zwei Mietwohngrundstücken beteiligt, die nicht zum Betriebsvermögen der Kommanditgesellschaft gehörten. Die Bgin. habe weder behauptet noch dargetan, daß sie auch insoweit auf das Nutznießungsrecht verzichtet habe. Das Finanzgericht habe hierüber auch keine Ermittlungen angestellt.
Die Bgin. hat demgegenüber geltend gemacht, sie habe auf das elterliche Nutznießungsrecht schlechthin, nicht nur auf das an dem Kommanditanteil verzichtet. Auch die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung seien in ihrer Einkommensteuererklärung für 1954 nur anteilig ausgewiesen und in die von der Tochter abgegebene Einkommensteuererklärung mit dem auf diese treffenden Anteil aufgenommen.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
Der in eingehender Begründung dargelegten Auffassung des Finanzgerichts, daß in dem vom Pfleger vorgenommenen Abschluß des Gesellschaftsvertrages und dessen vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung keine Ermächtigung zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäftes nach § 112 BGB zu erblicken sei, ist jedenfalls für die vorliegende Streitsache beizutreten. In dem Fall des oben erwähnten, amtlich nicht veröffentlichten Urteils des Senats IV 36/53 vom 13. August 1953 lag der Sachverhalt insofern anders, als die Tochter bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages bereits im 20. Lebensjahr stand. Im Streitfall dagegen waren die Kinder bei Gründung der Kommanditgesellschaft 15, 12 und 5 Jahre alt. Auch die Tochter A befand sich somit noch in einem Alter, in dem Minderjährige nicht selbständig ein Erwerbsgeschäft zu betreiben pflegen. Im übrigen hat die Bgin. nicht geltend gemacht, und auch die Akten geben hierfür keinen Anhalt, daß die Tochter ihre Gesellschafterrechte selbst wahrgenommen habe.
Dem Finanzgericht kann jedoch darin nicht gefolgt werden, daß es in der tatsächlichen überlassung des Gewinnanteils an die Tochter einen zwar bürgerlich-rechtlich nicht wirksamen, aber steuerlich anzuerkennenden Verzicht auf das elterliche Nutznießungsrecht gesehen hat. Der Senat hält auch bei nochmaliger Prüfung an dem im Urteil IV 173/54 U vom 27. April 1955 aufgestellten Grundsatz fest, daß auch steuerlich der Verzicht auf das elterliche Nutznießungsrecht nur anerkannt werden kann, wenn er gemäß § 1662 BGB durch eine öffentlich beglaubigte Erklärung gegenüber dem Vormundschaftsgericht erfolgt ist. Wenn in den Gründen dieses Urteils noch bemerkt wird, es könne nach dem gegebenen Sachverhalt auch keine formlose überlassung des Grundstücks an den Sohn mit der Folge des Erlöschens der Nutznießung angenommen werden, so war dies offenbar durch die Ausführung in Anm. 2 zu § 1662 BGB im Kommentar von Palandt veranlaßt. Es handelt sich dabei um die umstrittene Frage der Zulässigkeit des Verzichts auf die Nutznießung an einzelnen Vermögensgegenständen (vgl. Kommentar der Reichsgerichtsräte zum BGB, Anm. 1 zu § 1662, und Staudinger, Kommentar zum BGB, Anm. 3 zu § 1662). Soweit Zulässigkeit angenommen wird, ist jedoch hierfür, wie sich insbesondere aus der letztgenannten Kommentarstelle ergibt, der Bestellung eines Pflegers für das Kind erforderlich, der die nach § 107 BGB notwendige Einwilligung zu geben hätte. Es ist somit auch insoweit bürgerlich-rechtlich die Einhaltung einer Form geboten. Im vorliegenden Fall hat im übrigen die Bgin. den Verzicht auf das elterliche Nutznießungsrecht schlechthin behauptet.
Zu prüfen bleibt nur noch, ob der im Urteil IV 173/54 U vom 27. April 1955 aufgestellte Grundsatz mit der Vorschrift des § 5 Abs. 3 StAnpG im Einklang steht. Die in dieser Entscheidung nicht besonders erörterte Frage ist zu bejahen. Der Senat hat inzwischen in dem Urteil IV 317/55 U vom 13. September 1956 (Slg. Bd. 63 S. 480, BStBl 1956 III S. 380) ausgesprochen, daß es bei den Verträgen auf familienrechtlicher Grundlage nicht bedeutungslos sei, ob sie bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen worden seien. Zwar beurteile das Einkommensteuerrecht den Tatbestand wirtschaftlich und sei gemäß § 5 Abs. 3 StAnpG nicht streng an die Form gebunden. Dem stehe aber nicht entgegen, daß bei der Beurteilung der Frage, ob ernsthaft gemeinte Vereinbarungen zwischen Familienangehörigen vorlägen, der Erfüllung der vom bürgerlichen Recht vorgeschriebenen Form wesentliche Bedeutung zukomme. Bürgerlich-rechtlich wegen Formmangels nichtige Vereinbarungen sprächen gegen die Ernsthaftigkeit. Diese Ausführungen stimmen mit dem in ständiger Rechtsprechung aufrechterhaltenen Grundsatz überein, daß zwischen Familienangehörigen klare Verhältnisse geschaffen sein müssen, wenn sie steuerlich anerkannt werden sollen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 4 - 5/55 U vom 31. Juli 1956, Slg. Bd. 63 S. 237, BStBl 1956 III S. 288, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung). Dazu gehört aber wesentlich die Einhaltung der vom bürgerlichen Recht vorgeschriebenen Form. Die Bgin. war, wenn sie auf ihr elterliches Nutznießungsrecht verzichten wollte, durch nichts gehindert, dies in der bürgerlich-rechtlich vorgeschriebenen Form zu tun. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß der Verzicht auf das elterlich Nutznießungsrecht einen rechtsgestaltenden Akt des Familienrechts darstellt und die strenge Formvorschrift, worauf die Rb. zutreffend hinweist, der besonderen Interessenlage sowohl des Inhabers der elterlichen Gewalt aus auch des Kindes Rechnung trägt (vgl. hierzu auch Kaatz, Finanzrundschau 1956, S. 61). Jener entledigt sich durch den Verzicht der Verpflichtung zur Lastentragung nach § 1654 BGB, die auf das Kind übergeht; ferner ist der Verzicht auch für die Gläubiger des Inhabers der elterlichen Gewalt von Bedeutung (vgl. Kommentar der Reichsgerichtsräte zum BGB, Anm. 2 zu § 1662). Daß gerade auf familienrechtlichem Gebiet die uneingeschränkte Anwendung des § 5 Abs. 3 StAnpG nicht in Betracht kommt, ergibt sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs VI 115/55 U vom 21. Juni 1957 (BStBl 1957 III S. 300). Dort ist ausgesprochen, daß, wenn die Anwendung einkommensteuerrechtlicher Vorschriften von dem Bestehen einer Ehe abhängt, für die Beurteilung dieses Erfordernisses allein bürgerlich-rechtliche Grundsätze maßgebend sind.
Da somit das Finanzgericht zu Unrecht dem behaupteten formlosen Verzicht auf das elterliche Nutznießungsrecht steuerliche Bedeutung beigemessen hat, war die Vorentscheidung wegen Rechtsirrtums aufzuheben.
Die Sache ist spruchreif. Das Finanzamt hat mit Recht die Gewinnanteile der Tochter A an der Kommanditgesellschaft den gewerblichen Einkünften der Bgin. zugerechnet. Das gleiche gilt von der Zurechnung der auf den Anteil der Tochter an den Mietwohngrundstücken und, wie die Akten weiter ergeben, am Kapitalvermögen entfallenden Einkünfte zu den Einkünften der Bgin. aus Vermietung und Verpachtung bzw. aus Kapitalvermögen, woran auch das Finanzgericht nichts geändert hat.
Was die Kinderermäßigung für die genannte Tochter betrifft, so ist sie, wie die Akten ersehen lassen, der Bgin. vom Finanzamt tatsächlich gewährt worden. Diese Sachbehandlung ist nicht zu beanstanden. Die Kinderermäßigung nach § 32 Abs. 4 Ziff. 3 EStG setzt zwar einen Antrag des Steuerpflichtigen voraus. Der Antrag kann jedoch im vorliegenden Fall durch das weitergehende Begehren der Bgin. als gestellt gelten.
Hiernach war die Berufung der Bgin. gegen die Einspruchsentscheidung als unbegründet kostenpflichtig zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 408893 |
BStBl III 1957, 419 |
BFHE 1958, 482 |
BFHE 65, 482 |