Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Einzelunternehmen in eine neu zu errichtende OHG eingebracht, so werden die Steuerfreiheit nach § 16 Abs. 4 bzw. die Tarifvergünstigung nach § 34 Abs. 1, 2 EStG nur gewährt, wenn sämtliche stillen Reserven einschließlich der in einem Geschäftswert enthaltenen aufgedeckt werden. Der erkennende Senat schließt sich insoweit den Grundsätzen des BFH-Urteils IV R 122/66 vom 4. April 1968, BFH 92, 330, BStBl II 1968, 580 an.
2. Ist ein Ansatz für den Geschäftswert in der Eröffnungsbilanz der OHG nicht enthalten, und ergibt sich auch sonst kein Anhaltspunkt dafür, daß ein Geschäftswert auf die OHG übertragen wurde (z. B. aus der Gewinnverteilung), so muß im allgemeinen davon ausgegangen werden, daß ein Geschäftswert nicht vorhanden war oder von den Beteiligten bei Bemessung des Beitrags des eintretenden Gesellschafters nicht berücksichtigt wurde. Die Annahme, daß der Geschäftswert vom Unternehmenseinbringer zurückbehalten wurde, ist rechtlich nicht möglich.
Normenkette
EStG 1961 § 16 Abs. 4, § 34 Abs. 1-2
Tatbestand
Der Kläger (Steuerpflichtiger) brachte am 1. Juli 1963 seine in Form eines Einzelunternehmens geführte Spedition in eine neu gegründete offene Handelsgesellschaft ein. Die Geschäftsausstattung, der PKW und der Fernschreiber wurden mit ihren Teilwerten übernommen und in der Eröffnungsbilanz der OHG mit diesen Werten ausgewiesen; für das Umlaufvermögen wurden die Buchwerte angesetzt. Ein Firmenwert war weder in der Schlußbilanz noch in der Eröffnungsbilanz ausgewiesen. Im Gesellschaftsvertrag ist ausgeführt, daß ein ideeller Firmenwert (goodwill) sowohl bei der Gründung als auch bei der Auflösung der Gesellschaft unberücksichtigt bleibe.
Den nach Auffassung des Steuerpflichtigen nur in Höhe von 9 917 DM entstandenen Veräußerungsgewinn erkannte das FA (Beklagter) nicht an, weil es sich nach seiner Ansicht wegen der nicht aufgedeckten stillen Reserven bei dem Firmenwert um laufenden Gewinn gehandelt habe. Der Einspruch des Steuerpflichtigen blieb ohne Erfolg.
Das FG gab der Berufung in vollem Umfang statt. Es ist der Ansicht: Voraussetzung für die Steuerfreiheit gemäß § 16 Abs. 4 EStG bzw. für die Inanspruchnahme der Tarifvergünstigung des § 34 EStG sei, daß sämtliche stillen Reserven einschließlich des Geschäftswertes beim eingebrachten Betriebsvermögen aufgedeckt werden müßten. Das FG schließe sich insoweit der herrschenden Meinung an. Obwohl hier ein unstreitig vorhandener Firmenwert nicht aufgedeckt worden sei, stehe dem Steuerpflichtigen die Vergünstigung des § 16 Abs. 4 EStG dennoch zu, weil der Firmenwert von geringer Bedeutung gewesen sei. Da der Steuerpflichtige von 1959 bis 1962 keine erheblichen Gewinne erzielt habe und es sich um einen Dienstleistungsbetrieb handele, sei der Firmenwert keine wesentliche Grundlage des Betriebes.
Mit der Rechtsbeschwerde rügt das FA unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts und Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten.
Das FA ist der Ansicht, das FG habe bei seiner Feststellung, daß ein Firmenwert vorhanden gewesen sei und daß dessen stille Reserven nicht aufgedeckt worden seien, nicht zu dem Schluß gelangen dürfen, daß gleichwohl ein steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn vorliege.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Einspruchsentscheidung wiederherzustellen.
Der Steuerpflichtige beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, daß der Einzelunternehmer die stillen Reserven des Geschäftswertes nicht mitzuveräußern brauche. Außerdem sei der Ansatz eines Firmenwertes im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich ausgeschlossen worden.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Auf die nach Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde wird die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Die Rüge des FA, daß die Vorentscheidung auf unrichtiger Anwendung bestehenden Rechts beruhe, ist begründet. Das Urteil des FG verletzt § 16 EStG 1961.
Bringt ein Einzelunternehmer seinen Betrieb in eine neu gegründete OHG ein, so ist diesem Vorgang im allgemeinen lediglich eine Änderung der Rechtsform des Unternehmens zu erblicken (Urteil des RFH VI A 1978/31 vom 26. November 1931, RStBl 1932, 624; Urteil des BFH I 32/61 U vom 21. August 1961, BFH 73, 643, BStBl III 1961, 500). Das rechtfertigt es daher auch grundsätzlich, die Buchwerte des Einzelunternehmens in die Eröffnungsbilanz der OHG zu übernehmen und fortzuführen (RFH-Urteil VI A 1856/32 vom 1. Februar 1934, RStBl 1934, 540). Deckt jedoch der einbringende Gesellschafter die in den übertragenen Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven durch den Ansatz der Teilwerte in der Eröffnungsbilanz der OHG auf, so führt dies grundsätzlich zu einer bei der Einkommensteuer zu berücksichtigenden Gewinnrealisierung in Höhe des Unterschiedes der Buchwerte zu den bei der Gesellschaft angesetzten Teilwerten.
Für die Versteuerung des hierdurch entstandenen Gewinnes kann die Vergünstigung des § 34 EStG gewährt werden oder aber die Steuerfreiheit gemäß § 16 Abs. 4 EStG 1961 eintreten, wenn die Einbringung des Unternehmens im Ergebnis der Veräußerung eines Gewerbebetriebes im ganzen gleichzuachten ist (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Wie das FG insoweit zutreffend angenommen hat, setzt das jedoch voraus, daß sämtliche stillen Reserven einschließlich eines vorhandenen Geschäftswertes in einem einheitlichen Vorgang im wesentlichen aufgedeckt werden (BFH-Urteil IV R 122/66 vom 4. April 1968, BFH 92, 330, BStBl II 1968, 580).
Wenn aber das FG annahm, daß dies im Streitfall geschehen sei, weil der unstreitig vorhandene Geschäftswert des eingebrachten Einzelunternehmens nur geringfügig gewesen sei, so hält der Senat diese Überlegungen nicht für zutreffend. Denn bei der entgeltlichen Übertragung des bisherigen Einzelunternehmens auf die neu gegründete OHG ist der Geschäftswert kein in der Hand des Übertragenden verbleibendes Wirtschaftsgut. Der Geschäftswert klebt am Unternehmen als solchem, er ist nicht abspaltbar und ohne das Unternehmen übertragbar, daher auch nicht als Wirtschaftsgut von geringer Bedeutung zurückhaltbar.
Wenn ein Geschäftswert vorhanden war und von den Beteiligten zum Gegenstand der Einbringung in die OHG gemacht wurde, so muß dieser Umstand entweder in der Aufdeckung des Geschäftswertes in der Eröffnungsbilanz der OHG oder aber in einer besonderen Gewinnverteilungsabrede seinen Niederschlag finden, durch die dem Unternehmenseinbringer die auf dem Geschäftswert beruhenden Gewinnanteile zugeteilt werden sowie sichergestellt wird, daß bei einer Auflösung der OHG der Geschäftswert im Rahmen des Auseinandersetzungsguthabens wieder an den Unternehmenseinbringer zurückfällt. Ist ein solcher Niederschlag des Geschäftswertes in den Vereinbarungen der Beteiligten nicht feststellbar, so muß davon ausgegangen werden, daß entweder ein Geschäftswert nicht vorhanden war, oder daß die Beteiligten bei der Bemessung ihrer Gesellschaftereinlagen einen Geschäftswert, der vielleicht vorhanden war, nicht zugrunde gelegt haben. Im letzten Fall hat insbesondere, wenn es sich um einen nicht ins Gewicht fallenden und nach Ansicht der Beteiligten wirtschaftlich vernachlässigenswerten Geschäftswert handelt, die Gesellschaft für die Übernahme des Unternehmens einen günstigen Preis bezahlt (BFH-Urteil IV 413/62 vom 29. Juli 1966, BFH 86, 686). Es liegt ein Einbringungsvorgang unter günstigen Bedingungen für die OHG vor, nicht hingegen kann ohne weiteres angenommen werden, daß der vorhandene Geschäftswert unentgeltlich auf die Gesellschaft übergegangen ist. Der Senat ist auch der Meinung, daß in einem solchen Falle der Kaufpreis zunächst im Ansatz der greifbaren und nicht greifbaren Einzelwirtschaftsgüter zum Ausdruck kommen muß. Mit dem Ansatz eines Geschäftswertes ist in einem solchen Fall Zurückhaltung zu üben (BFH-Urteile I 39/56 S vom 29. Mai 1956, BFH 63, 76, BStBl III 1956, 226, betreffend Umwandlung einer GmbH in eine KG; I R 94/70 vom 14. Oktober 1970, BFH 100, 407, BStBl II 1971, 28, betreffend Ansatz eines Geschäftswertes nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 des Gewerbesteuergesetzes bei Verpachtung eines Unternehmens).
Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen konnte die Vorinstanz nicht von einer Prüfung absehen, ob der Geschäftswert des eingebrachten Alleinunternehmens dem bisherigen Alleinunternehmer, da er in der Eröffnungsbilanz der OHG nicht aufgedeckt wurde, nicht doch in Form einer zusätzlichen Gewinnzuteilung vergütet werden sollte. Kann dies nicht festgestellt werden, so ist die Vorentscheidung zutreffend, es sei denn, das FG stellte fest, daß nach den Gesamtumständen des Falles der vorhandene Geschäftswert der OHG tatsächlich unentgeltlich überlassen worden wäre. Dann muß die Vorinstanz noch dazu Stellung nehmen, ob bei Ermittlung des Freibetrages nach § 16 Abs. 4 EStG 1961 auch die stillen Reserven in dem unentgeltlich überlassenen Teil des Betriebsvermögens, hier dem Geschäftswert, mit anzusetzen sind. Die Vorinstanz kann aber auch auf Grund weiterer tatsächlicher Feststellungen zu dem Ergebnis gelangen, daß ein Geschäftswert überhaupt nicht vorhanden war.
Fundstellen
Haufe-Index 412975 |
BStBl II 1972, 270 |
BFHE 1972, 48 |