Entscheidungsstichwort (Thema)
Doppelbesteuerungsabkommen
Leitsatz (amtlich)
Art. 20 Abs. 2 Satz 2 DBA-Niederlande schreibt vor, daß bei der Ermittlung des Steuersatzes für das zur Besteuerung verbleibende Einkommen die von der inländischen Steuer befreiten ausländischen Einkünfte wieder hinzuzurechnen sind.
Normenkette
DBA NLD Art. 20; OECD-MA 23A; OECD-MA 23B; EStG § 3 Nr. 41, §§ 32, 32a/1; StAnpG § 9; DBA NLD Art. 20 Abs. 2; OECD-MA 23A/3; OECD-MA 23B/2
Tatbestand
Die Revisionskläger (Stpfl.) sind Eheleute, die im Streitjahr 1963 zusammenveranlagt wurden; der steuerpflichtige Ehemann erzielte im Streitjahr Einkünfte aus einem in den Niederlanden belegenen Gewerbebetrieb, die nach Art. 5 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete vom 16. Juni 1959 (BGBl II 1960, 1782, BStBl I 1960, 382) - DBA- Niederlande - dem Besteuerungsrecht der Niederlande unterlagen. Der Revisionsbeklagte (FA) ließ diese Einkünfte steuerfrei, wandte aber auf das zu versteuernde Einkommen den Steuersatz an, der sich dadurch ergab, daß das FA die steuerfreien Einkünfte zu den steuerpflichtigen Einkünften wieder hinzurechnete.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das FG hat die Auffassung vertreten, das FA haben den Steuersatz nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 DBA-Niederlande richtig ermittelt.
Die Revision der Stpfl. rügt, daß § 9 StAnpG, § 3 Nr. 41 EStG und Art. 20 Abs. 2 DBA-Niederlande verletzt seien. Die Stpfl. verstehen unter "Gesamteinkommen" in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 DBA- Niederlande nur die Einkünfte, die nach dem DBA-Niederlande der Bundesrepublik Deutschland zur Besteuerung überlassen werden. Danach fehle es an einer Rechtsgrundlage für die Anwendung des Progressionsvorbehalts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Art. 20 Abs. 2 Sätze 1 und 2 DBA-Niederlande lautet:
"Ist die Bundesrepublik Deutschland der Wohnsitzstaat, so wird sie die Einkünfte und Vermögensteile aus der Bemessungsgrundlage ausnehmen, für die nach den vorhergehenden Artikeln die Niederlande ein Besteuerungsrecht haben. Die Steuern für die Einkünfte oder Vermögensteile, die der Bundesrepublik Deutschland zur Besteuerung überlassen sind, werden jedoch nach dem Satz erhoben, der dem Gesamteinkommen oder Gesamtvermögen der steuerpflichtigen Person entspricht".
Der Ausdruck "Gesamteinkommen" in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 DBA- Niederlande kann hier nur das Einkommen bedeuten, das sich nach Hinzurechnung der nach Satz 1 aus der Bemessungsgrundlage auszunehmenden Einkünfte ergibt. Das Wort "jedoch" zeigt den Gegensatz an, der zwischen der "Bemessungsgrundlage" nach Satz 1 und dem "Gesamteinkommen" nach Satz 2 besteht. Aus der Bemessungsgrundlage sind die steuerfreien Einkünfte herauszunehmen, in das Gesamteinkommen sind sie - für die Ermittlung des Steuersatzes - wieder einzurechnen.
Der Senat hat durch Urteil I 29/65 vom 9. November 1966 (BFH 87, 273, BStBl III 1967, 88) entschieden, daß ein Progressionsvorbehalt, der nach seinem Wortlaut der Bundesrepublik Deutschland das Recht einräumt, die nach dem Doppelbesteuerungsabkommen von der deutschen Steuer befreiten Einkünfte bei der Ermittlung des Steuersatzes hinzuzurechnen, in Wahrheit keine Ermächtigung zum Erlaß einer derartigen gesetzlichen Vorschrift darstellt, sondern diese Vorschrift selbst ist. Um so mehr gilt das in den Fällen der vorliegenden Art, in denen das Doppelbesteuerungsabkommen schon mit dem Wortlaut nach selbst anordnet, daß die Steuern für die Einkünfte, die der Bundesrepublik Deutschland zur Besteuerung überlassen sind, nach dem Satz erhoben werden, der dem Gesamteinkommen entspricht.
Art. 20 Abs. 2 Satz 2 DBA-Niederlande wurde durch Zustimmungsgesetz nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG innerstaatliches Recht. Daher bedarf es zur Anwendung der vollen Progression keiner weiteren Vorschrift im deutschen EStG (Urteil des BFH I 29/65, a. a. O.).
Fundstellen
Haufe-Index 424254 |
BStBl III 1967, 729 |
BFHE 1968, 74 |
BFHE 90, 74 |