Leitsatz (amtlich)
Das Einbringen eines Betriebes in eine stille Gesellschaft ist hinsichtlich der eingebrachten Grundstücke auch dann nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Baden-Württembergischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung bei Änderung der Unternehmensform und zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12. Mai 1970 grunderwerbsteuerfrei, wenn der einbringende stille Gesellschafter nach dem Einkommensteuerrecht als Mitunternehmer zu behandeln ist.
Normenkette
GrEStUmwG Baden-Württemberg § 1 Abs. 1 Nr. 3
Tatbestand
Die Klägerin, eine Gesellschaft mbH, wurde durch Vertrag vom 31. Mai 1972 mit einem Stammkapital von 100 000 DM errichtet. Mit Vertrag vom 9. Juni 1972 beteiligte sich an ihrem Handelsgewerbe eine AG als stille Gesellschafterin. Die AG übertrug in Erfüllung dieses Vertrages ihr gesamtes Vermögen auf die Klägerin. Zu diesem Vermögen gehörten Grundstücke, über deren Einbringung am 9. Juni 1972 ein besonderer notarieller Vertrag geschlossen wurde. Vereinbart war eine Beteilligung an den stillen Reserven für den Fall der Beendigung der stillen Gesellschaft. Im Anschluß an die Vereinbarung der stillen Gesellschaft wandelte sich die AG auf eine durch ihre Aktionäre zuvor vereinbarte Gesellschaft bürgerlichen Rechts um.
Für die Übertragung der Grundstücke durch die AG auf die Klägerin beantragte diese Grunderwerbsteuerfreiheit nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Baden-Württembergischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung bei Änderung der Unternehmensform und zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12. Mai 1970 (Gesetzblatt S. 155, BStBl I S. 752) - GrEStUmwG -. Das beklagte FA lehnte die Gewährung der Grunderwerbsteuerbefreiung für die in seinem Bezirk belegenen Grundstücke ab und setzte durch vorläufigen Steuerbescheid vom 5. Oktober 1972 Grunderwerbsteuer fest. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Auf die Klage hat das FG den vorläufigen Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung ersatzlos aufgehoben (vgl. EFG 1974, 118). Es vertrat die Auffassung, daß die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStUmwG auch beim Einbringen eines Betriebes in eine atypisch stille Gesellschaft erfüllt werden könnten, obwohl die stille Gesellschaft kein Gesellschaftsvermögen habe und deshalb der stille Gesellschafter auch keinen Anteil an einem Gesellschaftsvermögen erwerben könne. Es genüge, wenn der stille Gesellschafter schuldrechtlich so zu behandeln sei, als sei er an einem Gesellschaftsvermögen beteiligt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Der notarielle Einbringungsvertrag vom 9. Juni 1972, durch den sich die AG verpflichtete, ihren Grundbesitz in Anrechnung auf die Einlage, die sie als stille Gesellschafterin zu erbringen hatte, auf die Klägerin zu übertragen, unterliegt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Baden-Württembergischen Grunderwerbsteuergesetzes in der Fassung vom 25. Mai 1970 (GrEStG 1970), Gesetzesblatt S. 295, BStBl I S. 951, der Grunderwerbsteuer. Entgegen der Auffassung des FG ist dieser Erwerbsvorgang nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStUmwG von der Besteuerung ausgenommen. Die abweichenden Auffassungen der Klägerin und des FG sind weder durch den Wortlaut des Gesetzes noch durch seinen Sinn und Zweck gedeckt.
Die AG hat in Erfüllung ihrer Einlageverpflichtung ihren Betrieb auf die Klägerin übertragen. Sie hat dafür aber weder einen Anteil an der Klägerin noch einen Anteil am Gesellschaftsvermögen einer übernehmenden Personengesellschaft erhalten. Die Vermögenseinlage der AG ist in das Vermögen der Klägerin übergegangen (§ 335 Abs. 1 HGB). Die daraus resultierenden Ansprüche der AG bzw. der späteren Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind rein schuldrechtlicher Art. Sie verkörpern kein Mitgliedschaftsrecht und damit auch keinen Anteil an der Klägerin. Für das Gebiet der Gesellschaftsteuer ist die stille Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zwar den Gesellschaftsrechten gleichgestellt worden (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 KVStG). Das Grunderwerbsteuerrecht enthält aber keine vergleichbare Vorschrift.
Die schuldrechtlichen Ansprüche der Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus dem Vertrag über die stille Gesellschaft verkörpern nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStUmwG keinen Anteil am Gesellschaftsvermögen der stillen Gesellschaft. Die stille Gesellschaft ist zwar eine Personengesellschaft, hat aber kein Gesellschaftsvermögen. Sie kann deshalb den eingebrachten Betrieb nicht übernommen haben. Ein Anteil an einem Gesellschaftsvermögen ist ebenfalls nicht denkbar.
Auch eine Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStUmwG nach seinem Sinn und Zweck führt nicht zu dem Ergebnis, daß für die Annahme eines Anteils am Gesellschaftsvermögen die schuldrechtliche Verpflichtung ausreiche, den Einbringenden so zu behandeln, als habe er sich mit seiner Einlage am Gesellschaftsvermögen beteiligt. Bei einer derartigen Auslegung könnte das GrEStUmwG vom 12. Mai 1970 nicht mehr in die Systematik des Grunderwerbsteuerrechts eingepaßt werden, dessen Teil es ist.
Das Grunderwerbsteuerrecht schließt die Steuerpflicht in aller Regel an Rechtsvorgänge an und besteuert diese ohne Rücksicht auf den wirtschaftlichen Hintergrund. Steuerschuldner sind regelmäßig die an dem Erwerbsvorgang als Vertragsteile beteiligten Personen (§ 31 Nr. 1 GrEStG 1970). So führt beispielsweise die Übertragung eines Grundstücks von einem Treugeber auf einen Teuhänder stets zur Steuerpflicht, auch wenn die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Grundstück bei dem Treugeber verbleibt. Andererseits können die Vergünstigungen nach den §§ 21, 22 GrEStG 1970 nur dann in Anspruch genommen werden, wenn ein Übergang auf eine Gesamthand oder von einer Gesamthand stattfindet. Eine Innengesellschaft wie die stille Gesellschaft erfüllt die Voraussetzungen dieser Vorschriften nicht. Deshalb wird die Grunderwerbsteuer z. B. nicht nach § 21 Abs. 2 GrEStG 1970 ermäßigt, wenn ein Grundstück von einem Alleineigentümer auf einen anderen in Anrechnung auf eine als stiller Gesellschafter zu leistende Vermögenseinlage übertragen wird. Umgekehrt löst die Beteiligung als stiller Gesellschafter mit einer Bareinlage grundsätzlich keine Grunderwerbsteuerpflicht aus, wenn zum Vermögen des Inhabers des Handelsgeschäfts, an dessen Handelsgewerbe sich der stille Gesellschafter beteiligt, ein Grundstück gehört.
Wenn nach den vorstehenden Ausführungen das "Einbrigen eines Grundstücks in eine stille Gesellschaft" zur vollen Grunderwerbsteuerpflicht führt, während für das Einbringen eines Grundstücks in eine Gesamthand die Vergünstigungen des § 21 Abs. 2 GrEStG 1970 in Anspruch genommen werden können, so würde es dieser Systematik widersprechen, nicht nur im letzteren Fall, sondern in beiden Fällen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStUmwG ein Einbringen in eine Personengesellschaft gegen Übernahme eines Anteils am Gesellschaftsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft anzunehmen.
Mag für das Ertragsteuerrecht eine Unterscheidung der stillen Gesellschaften danach angemessen sein, ob der stille Gesellschafter bei seinem Ausscheiden an den stillen Reserven des Handelsgeschäfts beteiligt ist oder nicht, so kann diese Unterscheidung für das Grunderwerbsteuerrecht nichts hergeben. Hier könnte allenfalls die Frage bedeutsam werden, ob die stille Gesellschaft in der Art atypisch ist, daß die Anwendung des § 1 Abs. 2 GrEStG 1970 in Betracht kommen könnte. Für den vorliegenden Fall ist dies jedoch ohne Bedeutung.
Aus allem folgt, daß es für die Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStUmwG, vom Grunderwerbsteuerrecht her gesehen, nicht darauf ankommen kann, ob stille Gesellschaften der vorliegenden Art unter die ertragsteuerliche Vorschrift des § 22 UmwStG fallen. Diese Vorschrift regelt besondere Probleme des Ertragsteuerrechts.
Sie gestattet u. a. die Fortführung der Buchwerte des eingebrachten Betriebsvermögens. Es soll bei Einbringungsfällen ein Zwang zur Gewinnrealisierung vermieden werden. Voraussetzung ist allerdings, daß die spätere Versteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Dies könnte z. B. bei einer stillen Gesellschaft mit Beteiligung an den stillen Reserven als gewährleistet angesehen werden.
Diese Überlegungen sind nur für das Ertragsteuerrecht relevant. Für die Gesellschaftsteuer zum Beispiel hat sich der Bundesgesetzgeber in § 29 UmwStG an die Systematik des Kapitalverkehrsteuergesetzes gehalten. Er begünstigt jede Übertragung des Vermögens eines Unternehmens als Ganzes eines Betriebes, eines Teilbetriebes oder eines Mitunternehmeranteils auf eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten. Angesichts der ausdrücklichen Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 3 KVStG 1972 fällt unter § 29 UmwStG die Übertragung der genannten Vermögen zur Begründung einer stillen Gesellschaft jeder Art.
Hat danach schon der Bundesgesetzgeber in den §§ 22 und 29 UmwStG jeweils die besonderen Verhältnisse des Ertragsteuerrechts und des Gesellschaftsteuerrechts berücksichtigt, so spricht nichts dafür, daß dies bei § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStUmwG anders sein sollte, wenn § 22 UmwStG auch Vorbild für § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStUmwG gewesen ist. Dafür, daß der Landesgesetzgeber bei grundsätzlicher Befreiung der Einbringungsvorgänge die Besonderheiten des Grunderwerbsteuerrechts berücksichtigen wollte, spricht schon der von § 22 UmwStG abweichende Text des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStUmwG. Ist dort davon die Rede, daß der Einbringende Mitunternehmer der Personengesellschaft wird, so wird im § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStUmwG gefordert, daß der Einbringende einen Anteil am Gesellschaftsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft erwirbt. Damit wird jede Anlehnung an die auf § 15 Nr. 2 EStG zurückführende ertragsteuerliche Ausdrucksweise vermieden. Warum bei dieser Sachlage gleichwohl auf die ertragsteuerliche Frage der Mitunternehmerschaft abgestellt werden sollte, ist nicht ersichtlich.
Wenn andereseits durch § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStUmwG ausdrücklich auch das Einbringen eines Mitunternehmeranteils begünstigt wird, so wird insofern zwar ein ertragsteuerrechtlicher Begriff eingeführt. Dieser Begriff aber muß unter den besonderen Aspekten des Grunderwerbsteuerrechts betrachtet werden. Das Einbringen des Mitunternehmeranteils kann nur dann zu einer Grunderwerbsteuerbefreiung führen, wenn durch das Einbringen überhaupt ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang ausgelöst wird, d. h., wenn mit ihm ein Grundstücksübergang verbunden ist, was nur selten der Fall sein wird. Im Gegensatz zum FG vermag der Senat der Begründung des GrEStUmwG (vgl. Landtagsdrucksache V/1785) nicht zu entnehmen, daß völlige Übereinstimmung mit § 22 UmwStG angestrebt wurde. Es heißt dort lediglich, daß der Entwurf für die nach Bundesgesetz begünstigten Umwandlungs- und Verschmelzungsvorgänge sowie grundsätzlich auch für die nach Bundesgesetz begünstigten Einbringungsvorgänge volle Grunderwerbsteuerbefreiung vorsehe. Die Verwendung des Wortes "grundsätzlich" deutet schon rein sprachlich darauf hin, daß für die Einbringungsvorgänge eine vollständige Übereinstimmung nicht angestrebt wurde. Zumindest aber kann dieser Begründung nicht der eindeutige Wille des Gesetzgebers entnommen werden, auch die Einbringung von Grundbesitz zur Begründung einer atypisch stillen Gesellschaft im ertragsteuerlichen Sinne zu begünstigen. Wahrscheinlicher ist, daß diese Vorgänge weder in den Gesichtskreis der Gesetzesverfasser noch in den Gesichtskreis der Abgeordneten getreten sind, die das Gesetz beschlossen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 71311 |
BStBl II 1975, 363 |
BFHE 1975, 552 |