Leitsatz (amtlich)
1. Vergütungen an Mitglieder einer Bürgerinitiative für die Rücknahme des Widerspruchs gegen eine Kraftwerksgenehmigung und den Verzicht auf weitere Rechtsbehelfe gegen den Bau und Betrieb des Kraftwerks sind nach § 22 Nr.3 EStG einkommensteuerpflichtig.
2. Das trifft auch auf Vergütungen zu, die der Sprecher der Bürgerinitiative für seinen Einsatz im Zusammenhang mit den Vereinbarungen zwischen der Bürgerinitiative und dem Kraftwerksbetreiber erhält.
Orientierungssatz
1. "Leistungen" i.S. von § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG umfassen jedes Tun, Unterlassen oder Dulden, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und um des Entgeltes willen erbracht wird, sofern es sich nicht um Veräußerungsvorgänge oder diesen gleichzustellende Vermögensumschichtungen im privaten Bereich handelt (festhalten an ständiger BFH-Rechtsprechung, z.B. Urteile vom 28.11.1984 I R 290/81, BFHE 143, 38, BStBl II 1985, 264; vom 26.10.1982 VIII R 83/79, BFHE 138, 177, BStBl II 1983, 404; vom 21.9.1982 VIII R 73/79, BFHE 137, 251, BStBl II 1983, 201; vom 5.8.1976 VIII R 117/75, BFHE 120, 182, BStBl II 1977, 27; vom 5.8.1976 VIII R 97/73, BFHE 120, 180, BStBl II 1977, 26). Daß die Leistung nur einmalig erbracht wird, schließt die Besteuerung nach § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG nicht aus (vgl. BFH-Urteil vom 21.9.1982 VIII R 73/79, BFHE 137, 251, BStBl II 1983, 201). Ebensowenig müssen der Leistungsempfänger und der Zahlende identisch sein (RFH-Urteile vom 17.4.1935 VI A 956/34, RStBl 1935, 1205; vom 28.10.1936 VI A 367/36, StuW 1936, II, 1372, Nr. 549).
2. § 9 Abs. 1 S. 1 EStG bestimmt den Werbungskostenbegriff auch für die sonstigen Leistungen i.S. des § 22 Nr. 3 EStG. Als Werbungskosten kommen dabei Aufwendungen in Betracht, die durch die Erzielung der nach § 22 Nr. 3 EStG steuerpflichtigen Einnahmen veranlaßt sind. Unter Aufwendungen in diesem Sinne ist auch der Abfluß von geldwerten Gütern zu verstehen (BFH-Urteil vom 19.1.1982 VIII R 102/78, BFHE 135, 434, BStBl II 1982, 533).
Normenkette
EStG § 22 Nr. 3 S. 1, § 9 Abs. 1 S. 1
Gründe
Gründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Das Finanzgericht (FG) ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß im hier zu entscheidenden Fall nur eine Besteuerung nach § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Betracht kommt. Mangels nachhaltiger, d.h. auf Wiederholung angelegter und tatsächlich wiederholter Betätigung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. November 1982 I R 39/80, BFHE 137, 183, 185 BStBl II 1983, 182, 183) sind im Streitfall keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 1 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung --GewStDV--, jetzt § 15 Abs. 2 EStG 1984) oder aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) gegeben. Die Tätigkeit des Klägers hat sich auf seine Mitgliedschaft und bei der Sprechertätigkeit für die Bürgerinitiative gegen das Kraftwerk beschränkt. Auf die Intensität dieser insgesamt gesehen einmaligen Betätigung kommt es nicht an.
2. Nach § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG unterliegen Einkünfte aus Leistungen als sonstige Einkünfte der Einkommensteuer, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 mit 6 EStG) noch zu den Einkünften i.S. des § 22 Nr. 1, 1 a, 2 oder 4 EStG gehören. "Leistungen" i.S. von § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG umfassen jedes Tun, Unterlassen oder Dulden, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und um des Entgeltes willen erbracht wird, sofern es sich nicht um Veräußerungsvorgänge oder diesen gleichzustellende Vermögensumschichtungen im privaten Bereich handelt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 28. November 1984 I R 290/81, BFHE 143, 38, BStBl II 1985, 264; vom 26. Oktober 1982 VIII R 83/79, BFHE 138, 177, BStBl II 1983, 404; BFHE 137, 251, BStBl II 1983, 201; vom 5. August 1976 VIII R 117/75, BFHE 120, 182, BStBl II 1977, 27; vom 5. August 1976 VIII R 97/73, BFHE 120, 180, BStBl II 1977, 26).
An dieser Auslegung des § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG hält der Senat fest. Sie steht mit der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift, der Stellung des § 22 Nr. 3 EStG innerhalb der Einkunftsarten und dem Normzweck der Vorschrift im Einklang.
Die vom historischen Gesetzgeber des § 41 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1925, dem trotz Ersetzung des Wortes Tätigkeit durch den Begriff Leistung inhaltlich § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG entspricht (vgl. Begründung zu § 22 EStG 1934 vom 16. Oktober 1934, RGBl I, 1005, RStBl 1935, 33, 44, bestätigt durch Urteil des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 8. April 1943 IV 33/43, Steuer und Wirtschaft --StuW-- 1943, II, 334 Nr. 213), gewollte Subsidiarität der Besteuerung sonstiger Leistungseinkünfte (RTDrucks III/795, S. 59; ebenso z.B. Urteil in BFHE 137, 183, 186, BStBl II 1983, 182, 184; Keuk, Die Einkünfte aus sonstigen Leistungen --§ 22 Nr. 3 EStG--, Der Betrieb --DB-- 1972, 1130, 1131) ist in der Rechtsprechung des BFH zu keiner Zeit angezweifelt worden.
Auf die Auffassung des Klägers, daß die Betätigung i.S. des § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG einer den anderen Einkunftsarten zugrunde liegenden Betätigung ähnlich sein müsse, kommt es im Streitfall nicht an. Denn selbst wenn man dies bejahen würde, bliebe es bei der Steuerpflicht nach dieser Vorschrift, weil der Einsatz des Klägers als einer gewerblichen oder selbständigen Tätigkeit ähnlich zu werten wäre.
3.a) Soweit der Kläger als Mitglied der Bürgerinitiative für die Rücknahme des Widerspruchs gegen den Vorbescheid und die erste Teilgenehmigung zum Bau des Kraftwerks sowie für einen allgemeinen Rechtsmittel- und Anspruchsverzicht bezüglich des Baus und Betriebs eine Zahlung erhielt, hat er Leistungen i.S. von § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG erbracht. Inwieweit diese Leistungen im einzelnen als Tun, Unterlassen oder Dulden einzuordnen sind, ist nicht entscheidungserheblich (vgl. z.B. auch BFHE 138, 177, 179, BStBl II 1983, 404, 405). Jedenfalls handelte es sich um bestimmbare und bestimmte Leistungen des Klägers. Die Leistungen enthielten --entgegen der Auffassung des Klägers-- auch keine einer Veräußerung gleichstehende Vermögensumschichtung. Der Verzicht auf mögliche, nicht konkretisierte Abwehransprüche stellt nicht die Aufgabe eines Vermögenswerts dar (vgl. auch BFH-Urteil vom 25. September 1979 VIII R 34/78, BFHE 129, 128, BStBl II 1980, 114). Daß diese Leistungen nur einmalig erbracht worden sind, schließt die Besteuerung nach § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG nicht aus (vgl. Urteil in BFHE 137, 251, BStBl II 1983, 201, m.w.N.; s. auch die amtliche Begründung zu § 41 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1925, RTDrucks III/795, S. 24 f.). Ebensowenig müssen der Leistungsempfänger und der Zahlende identisch sein (vgl. RFH-Urteile vom 17. April 1936 VI A 956/34, RStBl 1935, 1205; vom 28. Oktober 1936 VI A 367/36, StuW 1936, II, 1372, Nr. 549).
Es ist auch ohne weiteres erkennbar, daß der Kläger seine Leistung um des Entgelts willen erbracht hat (dazu z.B. BFHE 137, 251, BStBl II 1983, 201).
b) Auch soweit dem Kläger in seiner Eigenschaft als Sprecher der Initiative mehr als den übrigen in der Initiative zusammengeschlossenen Personen zugesprochen worden ist und er einen höheren Betrag ausbezahlt erhalten hat, geschah dies auch für Leistungen des Klägers i.S. von § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG. Hierdurch wurde die Interessenvertretung für die in der Initiative zusammengeschlossenen Personen abgegolten. Den Umständen ist zu entnehmen, daß die Zahlung von weiteren X DM weder nur Kostenerstattung noch Schenkung sein sollte. Nach dem Vertrag sollten die Sprecher den doppelten Betrag für "ihre Aufwendungen im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung" erhalten. Da jedoch die tatsächlich entstandenen Aufwendungen und die Mehrzahlung nicht gegeneinander abgewogen wurden, muß davon ausgegangen werden, daß diese die Leistungen des Klägers für die Initiative und seine dafür entstandenen Aufwendungen gleichermaßen abgelten sollte. Die Beteiligten sind erkennbar übereinstimmend von einer angemessenen Leistungsvergütung ausgegangen. Eine Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG liegt auch dann vor, wenn für eine Tätigkeit, die Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann, nachträglich ein Entgelt gezahlt und vom Leistenden als angemessene Gegenleistung für die von ihm erbrachte Tätigkeit angenommen wird (BFHE 137, 251, BStBl II 1983, 201).
c) Im Streitfall steht dem Kläger kein höherer Werbungskostenabzug über den Ansatz des FA hinaus zu.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG, der den Werbungskostenbegriff auch für die sonstigen Leistungen nach § 22 Nr. 3 EStG bestimmt, kommen als Werbungskosten Aufwendungen in Betracht, die durch die Erzielung der nach § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG steuerpflichtigen Einnahmen veranlaßt sind (vgl. mit weiterem Nachweis Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., 1985, § 9 Anm. 1 und 2 Buchst.d). Unter Aufwendungen in diesem Sinne ist zwar auch der Abfluß von geldwerten Gütern zu verstehen (BFH-Urteil vom 19. Januar 1982 VIII R 102/78, BFHE 135, 434, 437, BStBl II 1982, 533, 534, m.w.N.). Vermeintliche Abwehransprüche, die noch keinen konkretisierbaren wirtschaftlichen Wert darstellen, rechnen jedoch nicht hierzu.
Da ein weiterer Werbungskostenabzug nicht möglich ist, kommt es auf die Frage der zeitlichen Zuordnung von Werbungskosten nicht an.
Fundstellen
Haufe-Index 60867 |
BStBl II 1986, 890 |
BFHE 145, 576 |
BFHE 147, 305 |
BFHE 1986, 576 |
BFHE 1987, 305 |
BB 1986, 714-714 (S) |
DB 1986, 2312-2312 (ST) |
DStR 1986, 305-305 (S) |
HFR 1987, 69-70 (ST) |
FR 1986, 627-628 (ST) |
Information StW 1986, 573-573 (ST) |
DStZ/E 1986, 351-351 (S) |