Leitsatz (amtlich)
Sind beide Eheleute Arbeitnehmer, so kommt ein Freibetrag wegen erhöhter Sonderausgaben nur in Betracht, wenn ihre nachgewiesenen oder glaubhaft gemachten Sonderausgaben höher sind als die Summe der Sonderausgaben-Pauschbeträge (je 624 DM), die durch die Lohnsteuer-Tabelle bei der Lohnsteuer der Eheleute bereits mit insgesamt 1.248 DM berücksichtigt sind.
Normenkette
LStDV §§ 22, 22/2
Tatbestand
Die Beschwerdegegnerin (Bgin.) ist kaufmännische Angestellte bei der Firma X., bei der auch ihr Ehemann als Arbeitnehmer tätig ist. In einem Antrag auf Gewährung eines Lohnsteuerfreibetrags für 1954 machte sie außer Sozialversicherungsbeiträgen, Beiträgen zum Pensionsverein ihres Arbeitgebers und Kirchensteuer in Höhe von insgesamt 605,12 DM Prämien für eine Lebens- und Sterbeversicherung in Höhe von 111,96 DM geltend, die mit ihrem Arbeitsverhältnis nicht zusammenhing. Die Sonderausgaben ihres Ehemannes betrugen 418,68 DM; da sie den in der Lohnsteuer-Tabelle bereits berücksichtigten Pauschbetrag für Sonderausgaben nicht überstiegen, beantragte er keinen Freibetrag. Das Finanzamt lehnte den Antrag der Bgin. unter Hinweis auf Abschn. 50 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1954 ab.
I. Ihr Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Berufung der Bgin. führte zur Aufhebung der Einspruchsentscheidung und zur Festsetzung eines Freibetrags wegen erhöhter Sonderausgaben von 94 DM. Das Finanzgericht ging davon aus, daß jeder der als Arbeitnehmer tätigen Ehegatten seine eigenen Sonderausgaben geltend machen könne. Das gelte nicht nur, wenn jeder der Eheleute gemäß § 46 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu veranlagen sei, sondern auch für die Lohnsteuer. Die Bgin. könne daher auch die Berücksichtigung des von ihr gezahlten Beitrags für die mit ihrem Arbeitsverhältnis nicht zusammenhängende Lebens- und Sterbeversicherung beanspruchen.
II. Der Vorsteher des Finanzamts macht mit seiner Rechtsbeschwerde (Rb.) geltend: Bei der Veranlagung einer als Arbeitnehmerin tätigen Ehefrau seien nur die mit dem Arbeitslohn zusammenhängenden Sonderausgaben berücksichtigungsfähig. Bei der Lohnsteuer könne nicht anders verfahren werden, wie sich auch aus Abschn. 50 Abs. 4 LStR 1954 ergebe. Da diese Sonderausgaben der Bgin. weniger als 624 DM ausmachten, komme für sie die Gewährung eines Freibetrags wegen erhöhter Sonderausgaben bei ihrer Lohnsteuer für 1954 nicht in Betracht.
III. Der Bundesminister der Finanzen, der dem Verfahren beigetreten ist, hat zu der streitigen Rechtsfrage wie folgt Stellung genommen:
"1. a) Die Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziffern 2 bis 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind nur im Rahmen der in § 10 Abs. 3 Ziff. 3 EStG 1955 (ß 10 Abs. 2 Ziff. 3 EStG 1953) bezeichneten Höchstbeträge abzugsfähig. Diese Höchstbeträge sind nach dem Familienstand gestaffelt. Hieraus ergibt sich, daß Ehegatten diese Höchstbeträge zusammen nur einmal erhalten können. Das kann nur dadurch sichergestellt werden, daß bei Ehegatten die Sonderausgaben einheitlich festgestellt werden. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Ehegatten nur zusammenveranlagt werden oder ob ein Ehegatte auf Grund des § 26 Abs. 3 oder 4 EStG 1955 (ß 43 EStDV 1953) mit bestimmten Einkünften getrennt veranlagt wird oder ob beide Ehegatten nur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit haben und aus diesem Grund überhaupt nicht veranlagt werden.
Die Notwendigkeit, bei Ehegatten die Sonderausgaben einheitlich festzustellen, besagt noch nichts darüber, in welcher Weise die Sonderausgaben bei den Ehegatten zu berücksichtigen sind.
Kommt nur eine Zusammenveranlagung der Ehegatten in Betracht, so ist es selbstverständlich, daß alle Sonderausgaben beider Ehegatten bei dieser Zusammenveranlagung zu berücksichtigen sind. Das ergibt sich auch aus § 10 Abs. 3 Ziff. 1 EStG 1955. Für die Fälle, in denen ein Ehegatte getrennt veranlagt oder neben einer Zusammenveranlagung getrennt besteuert wird, ohne veranlagt zu werden, oder in denen keiner der Ehegatten veranlagt wird, enthält das Gesetz keine ausdrücklichen Vorschriften über die Art der Berücksichtigung der Sonderausgaben bei den Ehegatten. Eine Verteilung der Sonderausgaben ist in diesen Fällen nicht zu umgehen.
Gegen eine Anordnung, bei jedem Ehegatten nur die Sonderausgaben zum Abzug zuzulassen, die er aufgewendet hat, bestehen schon aus verwaltungsmäßigen Gründen Bedenken, weil sich vielfach nicht eindeutig feststellen läßt, wer die Aufwendungen tatsächlich gemacht hat. Eine solche Möglichkeit besteht praktisch lediglich bei den Sonderausgaben, die mit dem Dienstverhältnis eines Ehegatten im Zusammenhang stehen.
Die beste Lösung erscheint hiernach, eine Verteilung der Sonderausgaben nach dem Willen der Ehegatten zuzulassen. Eine solche Regelung läßt sich am besten in die seit dem 1. 1. 1955 geltende Ehegattenbesteuerung einordnen. Eine solche Wahlmöglichkeit steht zudem am ehesten mit dem unter a) angeführten Grundsatz der einheitlichen Feststellung der Sonderausgaben von Ehegatten im Einklang. Eine solche Regelung verursacht die geringsten verwaltungsmäßigen Schwierigkeiten. Sie stellt im ganzen gesehen auch die günstigste Lösung dar. Die Ehegatten können dann nämlich die Sonderausgaben so verteilen, daß sich die beste steuerliche Auswirkung ergibt. Es ist insbesondere möglich, für Sonderausgaben des einen Ehegatten, die sich bei ihm infolge seines niedrigen Einkommens nicht oder nicht voll auswirken, durch Abzug bei dem anderen Ehegatten doch noch eine Steuervergünstigung zu erlangen (vgl. hierzu das Beispiel B in Abschnitt 109 Abs. 2 EStR 1955). Eine echte Benachteiligung kann sich aus einer solchen Handhabung nicht ergeben, wie sich aus den Darlegungen unter Ziffer 3 ergibt.
Völlig unabhängig von den unter b) behandelten Fragen ist das Problem, welche Besonderheiten mit Rücksicht darauf zu beachten sind, daß sowohl beim Steuerabzug vom Arbeitslohn als auch bei der getrennten Veranlagung bei jedem Ehegatten die Pauschbeträge für Sonderausgaben in jedem Fall berücksichtigt werden. Beim Steuerabzug vom Arbeitslohn ergibt sich die Berücksichtigung des Pauschbetrags für Sonderausgaben bei jedem Ehegatten aus dem Einbau eines Betrags von 624 DM jährlich in die Lohnsteuertabelle, bei der getrennten Veranlagung aus § 10c EStG 1955 (ß 15 EStDV 1953).
Schließlich ist zu untersuchen, ob etwa Anordnungen zur Vereinfachung in den Fällen getroffen werden sollen, in denen beide Ehegatten nur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit haben oder in denen einer der Ehegatten nur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit hat.
In § 22 LStDV ist zugelassen, daß bei der in einem Dienstverhältnis stehenden Ehefrau auch die bei der Besteuerung des Ehemanns nicht berücksichtigten Sonderausgaben berücksichtigt werden können. Diese Vorschrift hat eine über ihren Wortlaut hinausgehende Bedeutung. Durch den Erlaß dieser Vorschrift hat sich nämlich der Verordnungsgeber für die unter 1 Buchst. b angeführte Wahlmöglichkeit ausgesprochen. Es soll nicht jeder der Ehegatten darauf beschränkt sein, seine eigenen Sonderausgaben geltend zu machen; den Ehegatten soll vielmehr die Möglichkeit gegeben werden, Sonderausgaben des einen Ehegatten beim anderen Ehegatten berücksichtigt zu erhalten. Wegen der Besonderheiten für die Sonderausgaben, die mit dem Dienstverhältnis der Ehefrau zu einem dem Ehemann fremden Betrieb unmittelbar zusammenhängen, vgl. unten unter Ziffer 5.
Jedem Arbeitnehmer werden beim Steuerabzug vom Arbeitslohn Sonderausgaben in Höhe von 624 DM jährlich ohne weiteres dadurch gewährt, daß ein Sonderausgaben-Pauschbetrag in dieser Höhe in der Lohnsteuertabelle berücksichtigt ist (ß 32 Abs. 1 Satz 2 LStDV 1955; für die Zeit vorher ergibt sich dieser Sachverhalt aus der Tarifgestaltung auf Grund des § 39 Abs. 1 Satz 1 EStG 1953). Es wird daher nur der 624 DM jährlich übersteigende Betrag der Sonderausgaben auf der Lohnsteuerkarte als steuerfrei vermerkt (ß 20a Abs. 1 Satz 1 LStDV 1955; § 20 Abs. 1 Satz 1 LStDV 1954). Den Sonderausgaben-Pauschbetrag von 624 DM erhält auch jeder Ehegatte, der in einem Dienstverhältnis steht. Würde man bei jedem Ehegatten nur den Abzug der von ihm aufgewendeten Sonderausgaben zulassen, so würden bei einem Ehegatten mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit die Sonderausgaben hiernach nur insoweit berücksichtigt, als sie 624 DM jährlich überschreiten. Sie würden dann aber auch unabhängig von der Höhe der Sonderausgaben des anderen Ehegatten berücksichtigt. Die Folge wäre im vorliegenden Fall, daß die Sonderausgaben der Beschwerdegegnerin, soweit sie 624 DM übersteigen, als steuerfrei einzutragen wären. Da aber, wie ausgeführt wurde, die Sonderausgaben der Ehegatten mit Rücksicht auf die Einräumung der Wahlmöglichkeit immer als Einheit betrachtet werden müssen, kann an der Tatsache nicht vorbeigegangen werden, daß bei dem anderen Ehegatten dann, wenn er Arbeitnehmer ist, Sonderausgaben in Höhe von 624 DM jährlich durch Anwendung der Lohnsteuertabelle ohne weiteres berücksichtigt werden. Hieraus muß geschlossen werden, daß Ehegatten nur einen Anspruch auf besondere Berücksichtigung derjenigen Sonderausgaben haben, die die zusammengerechneten Pauschbeträge der Ehegatten übersteigen, also über 1.248 DM jährlich hinausgehen.
Von einer solchen Auslegung geht offenbar auch § 22 LStDV aus. Es wird dort nämlich bestimmt, daß nur die nicht schon bei Besteuerung des Ehemanns "berücksichtigten" Sonderausgaben auf der Lohnsteuerkarte der Ehefrau als steuerfrei zu vermerken sind. Ist der Ehemann Arbeitnehmer, so werden Sonderausgaben in Höhe von 624 DM jährlich durch Anwendung der Lohnsteuertabelle, in die ein Pauschbetrag in dieser Höhe eingebaut ist, ohne weiteres "berücksichtigt". Insoweit entfällt daher eine Berechtigung zur Berücksichtigung bei der Ehefrau, weil sonst eine doppelte Berücksichtigung erfolgen würde. Das kann aber nicht beabsichtigt sein. Andernfalls würde sich nämlich der Einbau des Sonderausgaben-Pauschbetrags von 624 DM jährlich in die Lohnsteuertabelle - eine Regelung, die nur als Vereinfachungsmaßnahme gedacht ist - und auch die aus Gründen der Gleichmäßigkeit angeordnete Berücksichtigung dieses Pauschbetrags bei der Veranlagung als einseitige Begünstigung der Ehegatten mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gegenüber Ehegatten mit anderen Einkünften, denen nur ein bedeutend geringerer Pauschbetrag zusteht, auswirken. Es würden dann nämlich im ersteren Fall u. U. wesentliche Sonderausgaben doppelt berücksichtigt, einmal durch Anwendung des in die Tabelle eingebauten Sonderausgaben-Pauschbetrags bei dem einen Ehegatten und außerdem durch Abzug der tatsächlichen Sonderausgaben bei dem anderen Ehegatten.
Da hiernach Sonderausgaben im Ergebnis auch insoweit "berücksichtigt" werden, als ein Sonderausgaben-Pauschbetrag gewährt wird, kann eine Regelung der Wahlmöglichkeiten, die diesen Umstand in Rechnung stellt, nicht zu einer Benachteiligung der Ehegatten führen.
Es trifft wohl zu, daß beim Steuerabzug vom Arbeitslohn jeder Ehegatte als völlig selbständiger Steuerpflichtiger behandelt wird. Diese selbständige Behandlung hat aber ihre Grenze dort, wo es sich darum handelt, die einheitliche Anwendung von Vorschriften für beide Ehegatten zu sichern, wie es bei den Vorschriften über die Höchstbeträge für Sonderausgaben, die beiden Ehegatten zusammen nur einmal zustehen, der Fall ist. Die selbständige Behandlung kann außerdem insoweit nicht Platz greifen, als gerade in Abweichung von dem Grundsatz der getrennten Behandlung zugelassen wird, daß Aufwendungen des einen Ehegatten bei dem anderen Ehegatten berücksichtigt werden, wie das bei der Einräumung der Möglichkeit der Berücksichtigung von Sonderausgaben des einen Ehegatten bei dem anderen Ehegatten der Fall ist.
In Abschnitt 50 Abs. 4 LStR 1954 und LStR 1955 wird angeordnet, daß in die einheitliche Feststellung der Sonderausgaben, die vorgenommen wird, um zu prüfen, ob die beschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben die Höchstbeträge des § 20 Abs. 5 LStDV 1954 (ß 20a Abs. 4 LStDV 1955) nicht überschreiten, die Sonderausgaben nicht einzubeziehen sind, die mit dem Arbeitslohn der Ehefrau aus einem Dienstverhältnis zu einem dem Ehemann fremden Betrieb unmittelbar zusammenhängen. Diese Anordnung ist lediglich aus Vereinfachungsgründen getroffen worden. Es wurde hierbei von der überlegung ausgegangen, daß in der Regel der Ehemann die Ermäßigungsmöglichkeiten ausnutzt, die sich bei höheren, nicht mit dem Dienstverhältnis der Ehefrau zusammenhängenden Sonderausgaben ergeben, und daß der der Ehefrau zustehende Sonderausgaben-Pauschbetrag von 624 DM zur Berücksichtigung der mit ihrem Dienstverhältnis unmittelbar zusammenhängenden Sonderausgaben (insbesondere Sozialversicherungsbeiträge und Kirchenlohnsteuer) im allgemeinen ausreicht. Den Finanzämtern sollte deshalb hinsichtlich dieser Sonderausgaben die aus der Prüfung der Verhältnisse beider Ehegatten sich ergebende Arbeit erspart werden. Die Anordnungen in Abschn. 139 Abs. 4 EStR 1953 gehen von den gleichen Grundsätzen aus, wie sie in Abschn. 50 Abs. 4 LStR verwirklicht sind.
Gegen diese Regelung bestanden in verschiedener Hinsicht Bedenken. Sie kann zur Folge haben, daß die bei beiden Ehegatten insgesamt berücksichtigten Sonderausgaben über die Höchstbeträge hinausgehen. Sie kann ferner dazu führen, daß mit dem Dienstverhältnis der Ehefrau zusammenhängende Sonderausgaben, soweit sie den der Ehefrau zustehenden Sonderausgaben-Pauschbetrag übersteigen, im Ergebnis doppelt berücksichtigt werden, wenn nämlich durch die übrigen Sonderausgaben der Ehegatten der dem Ehemann zustehende Sonderausgaben-Pauschbetrag nicht ausgefüllt wird.
Es muß im übrigen bezweifelt werden, ob die Regelung in Abschn. 50 Abs. 4 Satz 2 LStR 1955 (Abschn. 50 Abs. 4 Satz 2 LStR 1954), die durch die Möglichkeit, lediglich bestimmte Sonderausgaben der Ehefrau neben den Sonderausgaben-Höchstbeträgen und ohne Rücksicht auf die Höhe der übrigen Sonderausgaben zu berücksichtigen, eine einseitige Begünstigung der Ehefrau darstellt, sich nach der Neuregelung der Ehegattenbesteuerung im § 26 EStG 1955 überhaupt noch rechtfertigen läßt. Nach § 26 Abs. 3 Satz 2 EStG 1955 besteht die Möglichkeit, für Einkünfte des Ehemanns - statt solcher der Ehefrau - aus nichtselbständiger Arbeit die getrennte Besteuerung zu wählen. Dann müßten aber wohl Ehemann und Ehefrau auch hinsichtlich der in Abschn. 50 Abs. 4 Satz 2 LStR 1955 (1954) gegebenen Möglichkeit gleichgestellt werden. Diese überlegungen haben dazu geführt, die bisherige Regelung in die Einkommensteuer-Richtlinien 1955 nicht zu übernehmen. An die Stelle der bisherigen Regelung sind die Anordnungen in Abschn. 109 Abs. 2 EStR 1955 getreten. Um die übereinstimmung zwischen Einkommensteuer-Richtlinien und Lohnsteuer-Richtlinien wieder herzustellen, ist beabsichtigt, auch die Sonderregelung für die mit dem Dienstverhältnis der Ehefrau zusammenhängenden Sonderausgaben in Abschn. 50 Abs. 4 LStR 1955 bei der nächsten änderung der Lohnsteuer-Richtlinien aufzuheben und die Anordnungen über die Berücksichtigung von Sonderausgaben bei Ehegatten im Lohnsteuerverfahren der Regelung in Abschn. 109 Abs. 2 EStR 1955 anzupassen. Auf die sich aus der früheren Regelung ergebende Vereinfachung soll verzichtet werden, um die einheitliche Feststellung der Höchstbeträge für Sonderausgaben folgerichtiger durchzuführen und eine doppelte Berücksichtigung von Sonderausgaben mehr als bisher auszuschließen.
Entspricht diese Regelung schon der bisherigen Rechtslage (Ziffern 1 bis 4), so muß jetzt außerdem in Betracht gezogen werden, daß nunmehr die Gewährung des Sonderausgaben-Pauschbetrags für jeden Steuerpflichtigen gesetzlich verankert ist (§§ 10c, 41 Abs. 1 Ziff. 2 EStG 1955). Der Sonderausgaben-Pauschbetrag steht danach einem Ehegatten auch insoweit zu, als Einkünfte aus der Zusammenveranlagung ausscheiden. Bei einer getrennten Besteuerung von Ehegatten können unter dem "Gesamtbetrag der Einkünfte" (ß 10c Ziff. 1 EStG 1955), von denen der Sonderausgaben-Pauschbetrag abzuziehen ist, keinesfalls wie bei der Zusammenveranlagung die zusammengerechneten Einkünfte der Ehegatten verstanden werden; es handelt sich in diesen Fällen vielmehr bei jedem Ehegatten um den Gesamtbetrag der Einkünfte, mit denen er getrennt besteuert wird. Diese unterschiedliche steuerliche Behandlung der getrennt besteuerten Ehegatten und der zusammenveranlagten Ehegatten ergibt sich aus § 26 Abs. 2 und 3 EStG 1955, ist demnach vom Gesetzgeber aus Gründen, die hier nicht zu behandeln sind, gewollt und findet ihre Grenze nur dort, wo die einheitliche Anwendung von Vorschriften für beide Ehegatten ausdrücklich vorgeschrieben ist (vgl. oben Ziffer 4)."
Entscheidungsgründe
IV. Die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückweisung der Berufung der Bgin.
Die für 1954 maßgebende Fassung des EStG vom 15. September 1953 (Bundesgesetzblatt 1953 I S. 1355) regelt nicht, bei welchem Ehegatten die als Sonderausgaben in Betracht kommenden Aufwendungen einer als Arbeitnehmerin tätigen Ehefrau zu berücksichtigen sind, wenn diese die Voraussetzungen der Zusammenveranlagung mit ihrem Ehemann gemäß § 26 Abs. 1 EStG erfüllt. Im § 22 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) 1954 wird zur Durchführung der Lohnbesteuerung einer in einem Arbeitsverhältnis stehenden Ehefrau lediglich bestimmt, daß "die nicht schon bei der Besteuerung des Ehemannes berücksichtigten Sonderausgaben", soweit sie 624 DM übersteigen, auf der Lohnsteuerkarte der Ehefrau als Freibetrag eingetragen werden können. Es fehlt aber in dieser Vorschrift eine Anordnung darüber, wie die Sonderausgaben der Eheleute bei ihrer gemeinsamen Veranlagung gemäß § 26 Abs. 1 EStG bzw. bei der Lohnsteuer des Ehemannes und der davon gesonderten Besteuerung der Arbeitseinkünfte der Ehefrau zu berücksichtigen sind.
Bei der Entscheidung der durch das Fehlen einer gesetzlichen Regelung entstehenden Zweifelsfragen muß man davon ausgehen, daß die Lohnsteuer lediglich eine Erhebungsform der Einkommensteuer ist. Die Technik des Lohnsteuerabzugsverfahrens bedingt zwar gelegentlich eine andere Regelung als bei der veranlagten Einkommensteuer. Daraus können sich auch gewisse Unterschiede in der Höhe der Besteuerung ergeben. Diese unterschiedliche Behandlung muß jedoch im Interesse der Gleichmäßigkeit der Steuererhebung auf die Punkte beschränkt bleiben, in denen eine abweichende Sachbehandlung infolge der verfahrensmäßigen Besonderheiten des Lohnsteuerabzugs nicht zu vermeiden ist. Bei der Besteuerung von Eheleuten, die beide als Arbeitnehmer tätig sind und bei denen eine Veranlagung gemäß § 46 EStG nicht vorzunehmen ist, muß beim Abzug der Sonderausgaben eine Lösung getroffen werden, die im Einklang mit der Besteuerung von Eheleuten steht, bei denen außer der Lohnbesteuerung der Arbeitseinkünfte der Ehefrau eine gemeinsame Veranlagung der Eheleute gemäß § 26 Abs. 1 EStG durchzuführen ist. Daraus folgt, daß eine als Arbeitnehmerin tätige Ehefrau Beschränkungen hinsichtlich der Geltendmachung von Sonderausgaben unterliegen kann, sofern diese sich aus dem Wesen des dem Einkommensteuerrecht zugrunde liegenden Prinzips der Zusammenveranlagung der Eheleute ergeben. Eine derartige Auswirkung besteht z. B. hinsichtlich der Höhe der beschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 2 Ziff. 3 EStG 1953 (ß 20 Abs. 5 LStDV 1954). Eine als Arbeitnehmerin tätige und insoweit selbständig besteuerte Ehefrau kann nur innerhalb der für sie und ihren Ehemann gemeinsam gesetzten Grenzen Sonderausgaben dieser Art geltend machen, und zwar dürfen bei der Besteuerung ihrer Arbeitseinkünfte und der daneben durchgeführten Besteuerung der übrigen Einkünfte der Eheleute zusammen höchstens die nach diesen Vorschriften abzugsfähigen Sonderausgaben berücksichtigt werden.
In gleichem Sinn ist auch die in § 22 LStDV 1954 enthaltene Bestimmung über die Berücksichtigung von Sonderausgaben bei der Lohnsteuer einer als Arbeitnehmerin tätigen Ehefrau auszulegen. Die zur Durchführung dieser Vorschrift in Abschn. 50 Abs. 5 LStR 1954 enthaltene Anordnung bindet als Verwaltungsanweisung die Finanzgerichte nicht. Sie wird außerdem in der oben mitgeteilten Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen nicht aufrechterhalten, der in seiner Stellungnahme nunmehr die Auffassung vertritt, daß die Eheleute wählen können, bei welcher der für sie durchgeführten Besteuerungen sie ihre Sonderausgaben abgezogen haben wollen. Diese Regelung, die für die Steuerpflichtigen günstig ist, entspricht dem auch sonst bei Sonderausgaben anzuwendenden Grundsatz, bei mehreren Abzugsmöglichkeiten die jeweils für die Steuerpflichtigen günstigere Sachbehandlung eintreten zu lassen. Der Senat hat keine Bedenken, dieser Auffassung zu folgen.
Die danach bestehende Wahlmöglichkeit darf jedoch nicht dazu führen, daß die Sonderausgaben mit einem höheren Betrag zum Abzug kommen, als sie von den Eheleuten aufgewendet wurden. Der Gesetzgeber unterstellt zwar aus Vereinfachungsgründen, daß jeder Arbeitnehmer Sonderausgaben von 624 DM im Jahr hat, auch wenn die tatsächlichen Aufwendungen niedriger sind. Sind beide Eheleute Arbeitnehmer, so wird bei ihrer Lohnbesteuerung demnach ein in der Lohnsteuer-Tabelle eingearbeiteter Freibetrag für Sonderausgaben in Höhe von insgesamt 1.248 DM berücksichtigt. Falls die Sonderausgaben der Eheleute diesen Betrag übersteigen, können sie nach ihrer Wahl - unter Beachtung der für sie maßgebenden Höchstgrenze der beschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben - die Eintragung des überschießenden Betrags entweder auf der Lohnsteuerkarte des Ehemannes oder der Ehefrau verlangen. Bleiben ihre zu den Sonderausgaben gehörenden Aufwendungen jedoch unter der Summe ihrer Sonderausgaben-Pauschbeträge, so ist für einen Freibetrag kein Raum. Der Bundesminister der Finanzen weist in seiner Stellungnahme unter Ziff. 3 zutreffend darauf hin, daß dieses Ergebnis auch dem Wortlaut des § 22 LStDV entspricht. Soweit die Summe der tatsächlichen Aufwendungen der Eheleute 1.248 DM nicht übersteigt, würde die Gewährung eines Freibetrages an einen der Ehegatten, dessen Sonderausgaben höher sind als 624 DM, sich als doppelte Berücksichtigung auswirken. Da der Pauschbetrag von 624 DM lediglich eine Vereinfachungsmaßnahme, nicht aber eine zusätzliche Vergünstigung für Arbeitnehmer sein soll, ergäbe sich andernfalls eine Besserstellung der Steuerpflichtigen mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, die gegenüber Steuerpflichtigen, die nur Einkünfte aus anderen Einkunftsarten haben, nicht vertretbar ist, zumal diesen Steuerpflichtigen bei der Veranlagung nur ein wesentlich geringerer Pauschbetrag zugestanden wird. Nach dem Grundsatz, daß die Auslegung von Zweifelsfragen bei der Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit möglichst zu einer übereinstimmung mit der veranlagten Einkommensteuer führen soll, ist der Senat in übereinstimmung mit dem Bundesminister der Finanzen der Auffassung, daß die Bgin., die für sich höhere Sonderausgaben als 624 DM geltend macht, keinen Freibetrag erhalten kann, da ihre als Sonderausgaben in Betracht kommenden Aufwendungen zusammen mit denen ihres Ehemannes die bei der Lohnsteuerberechnung der Eheleute bereits berücksichtigte Summe der Pauschbeträge von insgesamt 1.248 DM nicht übersteigen.
Die Vorentscheidung, die dies verkannt hat, ist aufzuheben. Die Berufung der Bgin. gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts, die zutreffend die Gewährung eines Freibetrages abgelehnt hatte, ist als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 408647 |
BStBl III 1957, 77 |
BFHE 1957, 200 |
BFHE 64, 200 |