Leitsatz (amtlich)
1. Lehnt der Steuerpflichtige es ab, dem FG nähere Einzelheiten über den Geschäftsverkehr mit seinen angeblich ausländischen Lieferanten mitzuteilen, und wird es dem FG deshalb unmöglich, den Sachverhalt auf einfache Weise zu erforschen, so enthebt das Verhalten des Steuerpflichtigen das FG der Verpflichtung, weiter entfernt liegende Beweise zu erheben, wenn von vornherein Zweifel bestehen, ob der Sachverhalt auf diese Weise aufgeklärt werden kann.
2. Nach § 76 Abs.1 Satz 2 FGO sind Auskünfte jeweils von dem Beteiligten zu verlangen, der über die erforderlichen Kenntnisse verfügt bzw. in dessen Sphäre die Informationsbeschaffung liegt.
3. Die bloße Möglichkeit einer im Inland für den Empfänger nicht bestehenden Steuerpflicht reicht allein nicht aus, um von der Rechtsfolge des § 160 AO 1977 abzusehen.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1 Sätze 2-4, § 96 Abs. 1 S. 1; AO 1977 § 90 Abs. 2, § 159 Abs. 1, §§ 160, 162
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb in den Streitjahren 1967 bis 1969 einen Großhandel. Zu den Abnehmern des Klägers gehörte die Einzelfirma K.
Durch eine Betriebsprüfung bei der Firma K stellte das zuständige Finanzamt (FA) fest, daß die Firma in der Zeit vom November 1967 bis Januar 1970 von der X-AG, Basel, mit Waren beliefert worden war. Dazu erklärte K, die Lieferungen seien ausschließlich durch den Kläger vermittelt worden. Dieser habe auch die Bestellungen entgegengenommen und die Waren frei Haus ausgeliefert. Mit der X-AG, Basel, hätten weder er selbst noch seine leitenden Angestellten je Verbindungen unterhalten.
Diese Feststellungen führten zu einer Steuerfahndungsprüfung beim Kläger, als deren Ergebnis der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) davon ausging, der Kläger habe persönlich von einem namentlich nicht näher bekannten Lieferanten Waren bezogen und sie an die Firma K weitergeliefert. Bezüglich der weitergelieferten Waren steht fest, daß sie nicht aus sonstigen Einkäufen des Klägers stammen können. Jedoch wurden die Waren beim Kläger zwischengelagert. Ihre Anlieferung bei der Firma K durch den Kläger und die dortige Verarbeitung sind unstreitig.
Die Steuerfahndung stellte daneben Rechnungen der X-AG über Direktlieferungen von Waren an den Kläger fest. Diese Rechnungen sah das FA als fingiert an.
Das FA behandelte die X-AG, Basel, als Basisgesellschaft des Klägers, die bei einem Baseler Rechtsanwalt residierte und lediglich zum Zwecke der Gewinnverlagerung in den Lieferverkehr eingeschaltet worden sei. Die Beteiligungsverhältnisse an der X-AG sind allerdings ungeklärt.
Unbekannt geblieben ist auch, wer der eigentliche Lieferant des Klägers war und woher die gelieferten Waren stammen. Dies beruht im wesentlichen darauf, daß auch bei einer Durchsuchung der Räume des Klägers kein Schriftverkehr zwischen ihm und der X-AG bzw. zwischen ihm und dem eigentlichen Lieferanten aufgefunden worden war. Der Kläger gibt als Erklärung dafür an, der Schriftverkehr sei bei einem Einbruch gestohlen worden. Der Einbruch sei schon damals der Polizei gemeldet worden. Soweit die an den Kläger gerichteten Rechnungen Angaben über Spediteure und Auslieferungslager enthielten, erwiesen sie sich bei entsprechenden Nachforschungen als falsch.
Der Kläger machte gegenüber dem FA und den Vernehmungsbehörden bezüglich seines Lieferanten und der Herkunft der Waren wechselnde Angaben. Während er ursprünglich einen Dr.Y als die hinter der X-AG stehende Person bezeichnete, lehnte er mit Erklärung vom 26.Juli 1972 jede Namensnennung ab. Mit Schreiben vom 4.Januar 1980 benannte er einen Dr.Z als den eigentlichen Drahtzieher. Dr.Y sei nur der Assistent des Dr.Z gewesen. Nähere Lebensdaten zu den genannten Personen fehlen. Der Kläger hat weitere Erläuterungen zu der Existenz des Dr.Z abgelehnt.
Zu der Herkunft der Waren sagte der Kläger aus, er habe später den Eindruck gehabt, daß die Firma X-AG die Waren in Deutschland gekauft habe. In späteren Einlassungen bekundete er, die Waren könnten nur aus dem Ausland stammen und seien vermutlich schwarz über die Grenze gelangt. In der Klagebegründung wird dazu ergänzend behauptet, kein inländischer Importeur habe in 1967, 1968 und 1969 Spitzenqualitäten in der im Streitfall geforderten Menge liefern können. Die Behauptung wird unter Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens gestellt.
Das FA rechnete dem Kläger die Warenlieferungen der X-AG an die Firma K als eigene zu. Gleichzeitig setzte es keine Wareneinstandskosten des Klägers für die angeblich von der X-AG gelieferten Waren als Betriebsausgaben an, weil der Kläger den Empfänger der Zahlungen nicht genau bezeichnet habe (§ 205a Abs.2 und 3 der Reichsabgabenordnung --AO--) bzw. weil es Scheinrechnungen annahm.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Mit der Revision rügt der Kläger Verfahrensmängel und die Verletzung materiellen Rechts.
Er beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und nach dem Antrag aus der Klageschrift vom 3.April 1975 zu entscheiden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
A.
Das Urteil des Finanzgerichts (FG) beruht nicht auf Verfahrensmängeln.
Das FG war nicht verpflichtet, das vom Kläger beantragte Sachverständigengutachten einzuholen.
Die entsprechende Rüge geht schon deshalb fehl, weil der Kläger seiner in § 76 Abs.1 Sätze 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO), § 90 Abs.2 der Abgabenordnung (AO 1977) geregelten Mitwirkungspflicht gegenüber dem FG nicht nachgekommen ist. Er hat es abgelehnt, dem FG nähere Einzelheiten über den Geschäftsverkehr mit seinem angeblich ausländischen Lieferanten mitzuteilen. Damit war es dem FG unmöglich, den Sachverhalt auf einfache Weise zu erforschen. Dieses Verhalten des Klägers enthob das FG der Verpflichtung, weiter entfernt liegende Beweise zu erheben, zumal von vornherein zweifelhaft war, ob der Sachverhalt auf diese Weise weiter aufgeklärt werden konnte. Die mit der Klagebegründung aufgestellte Behauptung, kein inländischer Importeur hätte in 1967, 1968 und 1969 Waren in der streitigen Qualität liefern können, betrifft keinen durch Sachverständigengutachten zu beweisenden Erfahrungssatz, sondern eine Tatsache, die durch Zeugenvernehmung hätte aufgeklärt werden können. Selbst wenn ein Sachverständiger als Zeuge bestätigt hätte, daß die ihm bekannten inländischen Importeure die hier interessierenden Waren nicht hätten liefern können, so hätte dies nicht ausgeschlossen, daß einer der Importeure im Ausland eine Basisgesellschaft gründete, um die Waren "schwarz" an inländische Abnehmer zu liefern. Die Amtsermittlungspflicht des FG kann im übrigen nicht losgelöst von den Mitwirkungspflichten der Beteiligten gesehen werden. Das FG kommt seiner Untersuchungspflicht auch dadurch nach, daß es die Beteiligten zur Mitwirkung in bestimmten Punkten auffordert. Verletzen die Beteiligten ihre Mitwirkungspflichten, so erwachsen dem FG daraus keine weitergehenden Amtsermittlungspflichten. Vielmehr folgt aus der Verweisung des § 96 Abs.1 Satz 1 FGO auf § 162 AO 1977, daß das FG als Folge der Verletzung von Mitwirkungspflichten durch die Beteiligten die Besteuerungsgrundlagen schätzen darf. Jede Schätzung ist gleichzeitig der Verzicht auf die vollständige Sachverhaltsaufklärung. Die Schätzung geht immer von einem Sachverhalt aus, der mit einem geringeren Grad an Wahrscheinlichkeit festgestellt wird. Damit stehen aber die Amtsermittlungspflicht des FG und die Mitwirkungspflichten der Beteiligten in einem inneren Abhängigkeitsverhältnis zueinander. Das FG kann in aller Regel auf die weitere Sachverhaltsaufklärung verzichten, wenn ein Beteiligter keine Auskunft über Tatsachen gibt, die in sein Wissen gestellt sind und deren Mitteilung schon wegen der persönlichen Nähe zu der zu erteilenden Information seine Sache ist.
B.
Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1. a) Nach § 76 Abs.1 Satz 3 FGO kann das FG von den Beteiligten verlangen, daß sie Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abgeben. § 76 Abs.1 Satz 3 FGO umfaßt dabei das Recht des FG, von einem Kläger, der bei der Gewinnermittlung Zahlungen als Betriebsausgaben absetzt, Angaben über den oder die Empfänger zu verlangen. Nach ständiger Rechtsprechung gilt dies auch für Zahlungen, die den Wareneinkauf betreffen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17.Dezember 1980 I R 148/76, BFHE 132, 211, BStBl II 1981, 333, m.w.N.). Bezeichnet der Kläger den oder die Empfänger nicht oder nicht vollständig oder nicht der Wahrheit entsprechend, so darf das FG --dies folgt aus der Verweisung des § 96 Abs.1 Satz 1 auf § 160 AO 1977-- die Zahlungen regelmäßig nicht als Betriebsausgaben berücksichtigen. Zwar eröffnet das Wort "regelmäßig" dem FG die Möglichkeit, die Rechtsfolge des § 160 AO 1977 nicht in jedem Falle bzw. nicht stets in vollem Umfang anzuwenden. Jedoch ist das insoweit dem FG eingeräumte Ermessen nur ein eingeschränktes. Von der Rechtsfolge des § 160 AO 1977 kann nämlich nur ausnahmsweise abgesehen werden.
b) Das an den Kläger gerichtete Verlangen des FG, den Lieferanten der Waren genau zu bezeichnen, war nicht unbillig und deshalb ermessensfehlerfrei. § 76 Abs.1 Satz 2 FGO bestimmt, daß die Beteiligten bei der Erforschung des Sachverhalts heranzuziehen sind. Dabei liegt es in der Natur der Sache, daß Auskünfte jeweils von dem Beteiligten verlangt werden, der über die erforderlichen Kenntnisse verfügt. Dies gilt vor allem dann, wenn die Informationsbeschaffung in seiner Sphäre liegt. Ergänzend dazu bestimmt § 76 Abs.1 Sätze 3 und 4 FGO unter Verweisung auf § 90 Abs.2 AO 1977, daß bei Sachverhalten mit Auslandsberührung die Informationsbeschaffung Sache des Steuerpflichtigen ist, der die Verhältnisse gestaltet.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat mangels zulässiger und begründeter Revisionsrügen gemäß § 118 Abs.2 FGO gebunden ist, betrifft der Streitfall Einkäufe von Waren, die von einer namentlich nicht bekannten Person geliefert wurden. Das FG hat ohne Verstoß gegen die Denkgesetze und Erfahrungssätze den Sachverhalt dahin gewürdigt, daß eine inländische Steuerpflicht des Lieferanten mit den aus den Warenverkäufen erzielten Gewinnen nicht ausgeschlossen werden kann. Der Sachverhalt begründet den Verdacht auf Schwarzmarktgeschäfte. In diesem Sinne ist die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, daß die Nichtbenennung des Empfängers der Zahlungen diesem die Nichtversteuerung seiner Gewinne sichern soll. § 160 AO 1977 dient jedoch gerade dem Zweck, dieser Möglichkeit entgegenzuwirken. Deshalb ist die sich aus der Bestimmung ergebende Rechtsfolge gerade in Fällen von Schwarzmarktgeschäften anzuwenden.
Das Verlangen des FG nach genauer Empfängerangabe war auch nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil die Lieferungen von einer im Inland nicht steuerpflichtigen Person stammen können bzw. weil davon auszugehen ist, daß dem Kläger irgendwelche Betriebsausgaben entstanden sein müssen. Die Möglichkeit einer im Inland für den Empfänger nicht bestehenden Steuerpflicht reicht allein nicht aus, um von der Rechtsfolge des § 160 AO 1977 abzusehen. Nach dem Zweck der Vorschrift kann auf die Empfängerbezeichnung nur dann verzichtet werden, wenn dieser mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Inland nicht steuerpflichtig ist. Dies hat das FG jedoch nicht festgestellt. Im übrigen ist es für die Anwendung der Vorschrift unerheblich, ob das FG von der Verausgabung der Aufwendungen überzeugt ist oder nicht (vgl. BFHE 132, 211, BStBl II 1981, 333).
c) Der Kläger hat den Warenlieferanten nicht genau bezeichnet. Zwar hat er die X-AG, Basel, als Empfänger benannt. Er hat jedoch gleichzeitig erkennen lassen, daß eine andere Person, die hinter der X-AG stand, in den wirtschaftlichen Genuß der Zahlungen gekommen ist. Diese andere Person hat der Kläger nicht ausreichend namhaft gemacht. Damit ist das Auskunftsverlangen des FG unbeantwortet geblieben. Entsprechend war das FG gemäß § 96 Abs.1 Satz 1 FGO, § 160 AO 1977 berechtigt, die geltend gemachten Zahlungen nicht zum Betriebsausgabenabzug zuzulassen.
2. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich, daß das FG die Gewinne aus den Warenlieferungen an die Firma K dem Kläger zugerechnet hat. Steuerlich gesehen sind Gewinne in der Regel der Person zuzurechnen, die sie erzielt hat. Erzielt werden Gewinne von der Person, die den maßgeblichen Einkunftserzielungstatbestand verwirklicht hat. Im Streitfall war der maßgebliche Einkunftserzielungstatbestand der Verkauf und die Lieferung von Waren an die Firma K. Das FG hat ohne Verstoß gegen die Denkgesetze und die Erfahrungssätze den Sachverhalt dahin gewürdigt, daß der Kläger die Waren der Firma K verkauft und geliefert habe. An diese Feststellung ist der Senat gemäß § 118 Abs.2 FGO gebunden. Dann aber muß der Kläger die aus dem Verkauf und der Lieferung erzielten Gewinne auch versteuern.
Soweit der Kläger geltend gemacht hat, bei dem Verkauf und der Lieferung der Waren lediglich als Vertreter eines anderen gehandelt zu haben, ist auf § 159 Abs.1 AO 1977 hinzuweisen. Danach war der Kläger verpflichtet, dem FA seine Vertreterstellung nachzuweisen. Da er den Nachweis nicht geführt hat, war das FA berechtigt, ihm den Verkauf und die Lieferung steuerlich zuzurechnen (§ 159 Abs.1 Satz 1 Halbsatz 2 AO 1977).
Fundstellen
Haufe-Index 60801 |
BStBl II 1986, 318 |
BFHE 145, 502 |
BFHE 1986, 502 |