Entscheidungsstichwort (Thema)
Bandenwerbung eines gemeinnützigen Vereins als steuerschädlicher wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb
Leitsatz (amtlich)
Ein gemeinnütziger Verein unterhält mit der entgeltlichen Gestattung von Bandenwerbung in seinen Sportstätten einen steuerschädlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.
Orientierungssatz
1. Die Nutzungsüberlassung einer einzelnen Sportstätte kann ohne weiteres zur Annahme mehrerer "Betriebe", eines steuerschädlichen und eines steuerbefreiten wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs (Zweckbetrieb), führen, soweit § 64 AO 1977 eine Differenzierung verlangt. Eine solch getrennte Würdigung vergleichbarer wirtschaftlicher Tätigkeiten eines Vereines setzt voraus, daß sich die einzelnen Tätigkeiten auch tatsächlich voneinander unterscheiden (vgl. BFH-Urteil vom 2.3.1990 III R 89/87).
2. Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfordert eine Tätigkeit, die gegen Entgelt an den Markt gebracht und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten wird (vgl. BFH-Urteil vom 9.7.1986 I R 85/83).
Normenkette
AO 1977 §§ 14, 65, 64, 68 Nr. 7b; KStG 1977 § 5 Abs. 1 Nr. 9; GewStDV § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
FG des Saarlandes (Entscheidung vom 11.11.1987; Aktenzeichen 1 K 59/86) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein Tennis-Club in der Rechtsform des e.V., erzielte im Streitjahr (1983) Einnahmen aus der Werbung auf Sichtblenden an den Tennisplatzumzäunungen und aus der Werbung auf Schiedsrichtertafeln an den Spielfeldern (im folgenden kurz "Bandenwerbung") sowie Einnahmen aus Inseratenwerbung in der Clubzeitung. Hinsichtlich der Bandenwerbung schloß der Kläger als Mietverhältnisse ausgestaltete "Werbe-Nutzungsverträge".
Im Körperschaftsteuerbescheid für 1983 in Gestalt der Einspruchsentscheidung behandelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) die vorgenannten Einnahmen wegen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs als steuerpflichtig. In der Einspruchsentscheidung hob das FA den Vorbehalt der Nachprüfung auf, unter dem es zunächst die Körperschaftsteuer des Streitjahres festgesetzt hatte.
Der Klage, mit der sich der Kläger gegen die Behandlung der Einnahmen aus der Bandenwerbung als steuerpflichtig wandte, gab das Finanzgericht (FG) statt. Seine Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 135 veröffentlicht. Nach Klageerhebung hatte das FA den angefochtenen Bescheid "gemäß § 172 Abs.1 Nr.2 AO" geändert und die Körperschaftsteuer von 3 685 DM auf 5 685 DM heraufgesetzt. Der Kläger hatte diesen Änderungsbescheid gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung der § 5 Abs.1 Nr.9 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977, § 14 der Abgabenordnung (AO 1977) und des § 15 Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 FGO).
1. Hinsichtlich der Einnahmen aus der Bandenwerbung ist der Kläger schon deshalb nicht gemäß § 5 Abs.1 Nr.9 KStG 1977 von der Körperschaftsteuer befreit, weil er insoweit einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält (§ 5 Abs.1 Nr.9 Satz 2 KStG 1977). Dies hat das FG verkannt. Es kann deshalb unentschieden bleiben, ob die Überlassung der Sportstätten des Klägers zur Bandenwerbung zusammen mit der Inseratenwerbung in der Clubzeitung eine wirtschaftliche Einheit bildet und bereits deshalb als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb anzusehen ist.
Das FG hat inzident die Voraussetzungen des § 5 Abs.1 Nr.9 Satz 1 KStG 1977 festgestellt, die grundsätzlich zu einer Befreiung des Klägers von der Körperschaftsteuer führen. Es hat indes zu Unrecht einen (steuerschädlichen) wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Klägers in bezug auf die von ihm entgeltlich gestattete Bandenwerbung verneint.
Die Befreiung von der Körperschaftsteuer (§ 5 Abs.1 Nr.9 KStG 1977) entfällt insoweit, als ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten wird. Gemäß § 14 AO 1977 ist ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht; dabei ist die Absicht, Gewinn zu erzielen, nicht erforderlich.
Mit der entgeltlichen Gestattung der Bandenwerbung in seinen Sportstätten unterhielt der Kläger einen steuerschädlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.
a) Indem der Kläger Dritten entgeltlich Werbeflächen in der vereinseigenen Tennisanlage überließ, überschritt er insbesondere die Grenzen einer Vermögensverwaltung (ebenso Scholtz in Koch, Abgabenordnung, Kommentar, 3.Aufl., 1986, § 14 Rdnr.21; Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, Stand: September 1990, § 5 KStG Rdnr.105 "Werbung"). Mit Urteil vom 9.Dezember 1981 I R 215/78 (BFHE 136, 455, BStBl II 1983, 27) hat der erkennende Senat entschieden, daß ein Verein, der sich gegen Entgelt verpflichtet, Spieler bei bestimmten sportlichen Veranstaltungen in Sportschuhen eines bestimmten Herstellers auftreten zu lassen, damit einen steuerschädlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält. Beide Sachverhalte unterscheiden sich hinsichtlich der Beurteilung des Tatbestandsmerkmals "Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr" nicht wesentlich (Scholtz, a.a.O.). Zweck der Bandenwerbung ist es ebenfalls, die Zuschauer von Sportveranstaltungen auf die Produkte von wirtschaftlichen Unternehmen aufmerksam zu machen. Die Überlassung von Flächen zur Anbringung von Reklame mag zwar zivilrechtlich nicht als gemischter Vertrag, sondern als Mietvertrag zu beurteilen sein (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 50.Aufl., 1991, Einführung vor § 631 Rdnr.21; Ermann/Schopp, Bürgerliches Gesetzbuch, Handkommentar, 8.Aufl., 1981, vor § 535 Rdnr.39). Zumindest Geschäftsgrundlage beim Zurverfügungstellen von Werbeflächen in Sportstätten ist indes, daß der vermietende Sportverein eine angemessene Anzahl attraktiver Sportveranstaltungen mit entsprechender Zuschauerresonanz durchführt. Ansonsten könnte sich ―mangels Beachtung durch das angesprochene Publikum― der mit der Vermietung von Reklameflächen in Sportstätten beabsichtigte Werbezweck nicht verwirklichen. Ein erhebliches Interesse für (darauf zugeschnittene) Werbung in Sportstätten ist nur anläßlich solcher Veranstaltungen zu erwarten. Die entgeltliche Überlassung von Werbeflächen in Sportstätten (Grundstücksbestandteilen) zur Nutzung überschreitet die reine Vermögensverwaltung. Die Gesamttätigkeit stellt sich nicht mehr als Nutzung von Vermögen im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten dar, sondern ist durch das Hinzutreten besonderer Umstände als unternehmerisch ―also auf Risikotragung gerichtet― zu werten (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 17.März 1981 VIII R 149/78, BFHE 133, 44, BStBl II 1981, 522; Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 9.Aufl., 1990, § 15 Anm.13a). Das unternehmerische Risiko bzw. die Gewinnchance des Klägers liegt in der Anziehungskraft seiner Sportveranstaltungen, die letztlich die Höhe der erzielbaren Mieten für die überlassenen Werbeflächen beeinflussen werden. Die mit der entgeltlichen Gestattung von Bandenwerbung wirtschaftlich verbundene Gesamtleistung geht deshalb wesentlich über die Nutzung des Vermögens im Sinne einer Fruchtziehung hinaus (vgl. BFH-Urteil vom 21.Dezember 1976 VIII R 27/72, BFHE 121, 60, BStBl II 1977, 244).
b) Der Kläger hat sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt. Dies erfordert eine Tätigkeit, die gegen Entgelt an den Markt gebracht und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten wird (BFH-Urteil vom 9.Juli 1986 I R 85/83, BFHE 147, 245, BStBl II 1986, 851). Aus der Feststellung des FG, der Kläger habe die Werbeflächen an einzelne Interessenten überlassen, an die er selbst herangetreten bzw. die an ihn herangetreten seien, ist zu entnehmen, daß die Tätigkeit des Klägers nach außen hin in Erscheinung trat und sich an eine Allgemeinheit wendete (BFH in BFHE 147, 245, BStBl II 1986, 851).
c) Ein körperschaftsteuerlicher Gewinn aus wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Kläger den Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben für seine satzungsmäßigen Zwecke verwendet. Die Art der Verwendung der Geldbeträge ändert nichts daran, daß dieser Gewinn in einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erzielt wurde. Es bedarf daher insoweit keiner tatsächlichen Aufklärung.
2. Die Vermietung der Werbeflächen kann nicht als Zweckbetrieb (§ 65 bzw. § 68 Nr.7 b AO 1977 in der im Streitjahr geltenden Fassung) von der Besteuerung ausgenommen werden.
Die entgeltliche Überlassung von Reklameflächen in Sportstätten ist keine sportliche Veranstaltung eines Sportvereins i.S. des § 68 Nr.7 b AO 1977 (Scholtz, a.a.O., § 67a Rdnr.13; Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13.Aufl., § 67a AO 1977 Tz.2); die entgeltliche Überlassung solcher Reklameflächen findet lediglich ihren wirtschaftlichen Anlaß in sportlichen Veranstaltungen. Trotz dieses wirtschaftlichen Zusammenhangs teilt die Bandenwerbung nicht das rechtliche Schicksal solcher Sportveranstaltungen als Zweckbetrieb unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Einheit. Die Nutzungsüberlassung einer einzelnen Sportstätte kann ohne weiteres zur Annahme mehrerer "Betriebe", eines steuerschädlichen und eines steuerbefreiten wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, führen, soweit § 64 AO 1977 eine Differenzierung verlangt (BFH-Urteil vom 2.März 1990 III R 89/87, BFHE 161, 277, BStBl II 1990, 1012). Eine solche getrennte Würdigung vergleichbarer wirtschaftlicher Tätigkeiten eines Vereins setzt nach der Entscheidung in BFHE 161, 277, BStBl II 1990, 1012 voraus, daß sich die einzelnen Tätigkeiten auch tatsächlich voneinander unterscheiden. Dies trifft hinsichtlich der Überlassung von Reklameflächen und der Durchführung von Sportveranstaltungen zu.
Die Überlassung von Reklameflächen durch einen gemeinnützigen Sportverein ist ebensowenig als Zweckbetrieb gemäß § 65 AO 1977 zu beurteilen, wobei für die Steuerbefreiung alle drei Nummern der Vorschrift erfüllt sein müßten. So ist es nicht ersichtlich, daß der Zweck des Klägers, den Sport zu fördern, nur durch die entgeltliche Überlassung von Reklameflächen erreicht werden könnte (§ 65 Nr.2 AO 1977). Zum einen wird die entgeltliche Überlassung von Werbeflächen (z.B. für die Produkte von Sportartikelherstellern) vom Vereinszweck nicht zwingend gefordert (BFH in BFHE 136, 455, BStBl II 1983, 27). Zum anderen ist nicht festgestellt, daß die Einnahmen aus dieser Überlassung von Werbeflächen das unentbehrliche und einzige Mittel zur Erreichung des steuerbegünstigten Zwecks wären. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob eine Tätigkeit als Zweckbetrieb beurteilt werden kann, die nicht der sachlichen Förderung des gemeinnützigen Zwecks dient, sondern allein der Erzielung von Einnahmen ―wenn auch zur Erfüllung dieses Zwecks―.
3. Die Sache war an das FG zurückzuverweisen, weil es ―aus seiner rechtlichen Sicht zutreffend― keine Tatsachen festgestellt hat, die eine Änderung der streitigen Körperschaftsteuerfestsetzung durch das FA während des finanzgerichtlichen Verfahrens (mit der Folge einer Heraufsetzung der Körperschaftsteuer) rechtfertigen könnten. Es ist insbesondere nicht festgestellt, daß die Voraussetzungen des § 172 Abs.1 Nr.2 AO 1977 vorliegen, mit denen das FA die Änderung begründet hat.
Nach Aktenlage stellt sich indes diese Änderung der Steuerfestsetzung wie folgt dar:
a) Rechtsgrundlage für die Änderung der Einspruchsentscheidung vom 5.Februar 1986 durch Bescheid vom 18.April 1986 ist § 172 Abs.1 Nr.2 Buchst.d i.V.m. § 173 Abs.1 Nr.1 AO 1977. Grund der Änderung waren Anzeigenrechnungen und Datev-Auszüge, die der Kläger dem FA erst nach Erlaß der Einspruchsentscheidung vorlegte. Aus diesen Unterlagen ergab sich, daß die Werbeeinnahmen des Klägers höher als zuvor angegeben waren (15 540 DM zuzüglich Umsatzsteuer statt wie zuvor erklärt 15 540 DM einschließlich Umsatzsteuer). Das FA hat diesen Sachverhalt dem FG im Schriftsatz vom 9.September 1987 mitgeteilt. Im Beweis- und Erörterungstermin hat der Berichterstatter des FG den Inhalt dieses Schriftsatzes mit den Beteiligten besprochen. Der Vertreter des Klägers hat bestätigt, daß die Angaben des FA richtig seien.
b) Die Höhe der Betriebsausgaben hat das FA auf 25 v.H. der Nettoerlöse geschätzt. Außerdem hat es zusätzlich 13 bzw. 14 v.H. des geschätzten Betrags als Vorsteuer gewinnmindernd berücksichtigt. Dem FA ist bei der Steuerberechnung jedoch ein Rechenfehler zu Lasten des Klägers unterlaufen (5 200 DM ./. 1 300 DM *= 4 900 DM ]). Ändert man den Bescheid gemäß § 129 AO 1977 und folgt im übrigen der Schätzungsmethode des FA ergibt sich folgende Steuerberechnung: …
Mangels Feststellung der vorgenannten Tatsachen durch das FG konnte der erkennende Senat nicht durchentscheiden. Das FG wird deshalb die Sache insoweit zu prüfen und zu würdigen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 63553 |
BFH/NV 1991, 49 |
BStBl II 1992, 101 |
BFHE 164, 57 |
BFHE 1992, 57 |
BB 1991, 1174 |
BB 1991, 1174-1175 (LT) |
DB 1991, 1311-1312 (LT) |
DStR 1991, 773 (KT) |
HFR 1991, 548 (LT) |
StE 1991, 209 (K) |