Leitsatz (amtlich)
Ein Unternehmer, der regelmäßig für den freien Absatzmarkt arbeitet, ist nicht Hausgewerbetreibender im Sinne des § 2 Abs. 2 des Heimarbeitsgesetzes vom 14. März 1951 (BGBl I S. 191). Die Befreiungsvorschrift des § 4 Ziff. 18 UStG 1951, § 44 UStDB 1951 findet daher auf ihn keine Anwendung; auch dann nicht, wenn im übrigen die Voraussetzungen des § 44 UStDB gegeben sind.
Normenkette
UStG 1951 § 4 Ziff. 18; UStDB 1951 § 44
Tatbestand
Der Beschwerdegegner (Bg.), der mit seiner Ehefrau ohne fremde Arbeitskräfte tätig ist, hat im Jahre 1954 in eigener Arbeitsstätte für drei Arbeitgeber (Trikotwarenfabriken) Lohnarbeiten ausgeführt und außerdem Trikotwaren auf eigene Rechnung für den freien Markt hergestellt und verkauft. Sein Umsatz 1954 hat betragen: aus Lohnarbeiten 13 286 DM, aus den für eigene Rechnung hergestellten Trikotwaren (freier Umsatz) 35 241 DM.
Das Finanzamt hat den Bg. mit dem gesamten Umsatz zur Umsatzsteuer herangezogen und die Steuerfreiheit als Hausgewerbetreibender gemäß § 4 Ziff. 18 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), § 44 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1951 versagt. Der Einspruch war erfolglos.
Das Finanzgericht hat dagegen die Steuerfreiheit für die 13 286 DM zugebilligt. (Das Urteil ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1956 S. 234, Nr. 270 veröffentlicht worden.) Das Finanzgericht führt aus: Zwar sei der Steuerpflichtige sozialrechtlich schon deshalb kein Hausgewerbetreibender, weil er regelmäßig für den freien Markt arbeite. Nach dem Umsatzsteuerrecht schließe das aber die Steuervergünstigung nicht aus. Das Finanzgericht verweist dazu auf sein rechtskräftig gewordenes Urteil II 270/53 vom 25. Mai 1954 (veröffentlicht in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1954 S. 279, Nr. 330). Es begründet seine Entscheidung im Streitfalle damit, daß die Steuerfreiheit nach § 44 UStDB an die Voraussetzung des überwiegenden festen Geschäftsverkehrs mit bestimmten Unternehmern gebunden sei. Bei der Prüfung dieser Frage müsse aber die gesamte Tätigkeit beachtet werden. Es gehe nicht an, nur äußerlich die Umsätze miteinander zu messen. In den Einnahmen aus Lohnarbeiten sei kein Warenwert enthalten; dagegen enthielten die Erlöse aus den für eigene Rechnung hergestellten Trikotwaren den Materialaufwand. Da feststehe, daß die tatsächlich aufgewandte Arbeit des Steuerpflichtigen und seiner Ehefrau ganz überwiegend (90 %) die Lohnarbeiten betreffe, müsse anerkannt werden, daß er überwiegend in hausgewerblicher Lohnarbeit tätig geworden sei. Die Steuervergünstigung scheitere nicht daran, daß der Steuerpflichtige im Sinne des Heimarbeitsgesetzes (HAG) nicht Hausgewerbetreibender sei.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Die Auffassung des Finanzgerichts ist rechtsirrig, weil erste Voraussetzung für die Steuervergünstigung des § 4 Ziff. 18, § 44 UStDB 1951 ist, daß der Steuerpflichtige ein Hausgewerbetreibender (oder Zwischenmeister) im Sinne des HAG vom 14. März 1951 (Bundesgesetzblatt -- BGBl -- I S. 191) sein muß (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs V 26/54 U vom 21. Dezember 1954, Slg. Bd. 60 S. 207, Bundessteuerblatt -- BStBl -- 1955 III S. 79). Erst wenn diese grundsätzliche Voraussetzung bejaht wird, sind die weiteren Voraussetzungen nach § 44 UStDB zu prüfen, insbesondere ob der Hausgewerbetreibende überwiegend oder nicht überwiegend mit bestimmten Unternehmern in festem Geschäftsverkehr gestanden hat; bei diesem Vergleich ist dann nur seine Tätigkeit als Hausgewerbetreibender zu berücksichtigen (vgl. das noch zu veröffentlichende Urteil des Bundesfinanzhofs V 15/56 U vom 30. August 1956).( BStBl 1956 III S. 312.)
Im Streitfalle fehlt es, wie die Vorinstanz nicht verkannt hat, schon an der ersten Voraussetzung, daß der Bg. Hausgewerbetreibender im Sinne des HAG vom 14. März 1951 sei. Denn nach § 2 Abs. 2 Satz 2 HAG wird zwar die Eigenschaft als Hausgewerbetreibender nicht beeinträchtigt, wenn jemand, auf den die sonstigen Voraussetzungen des § 2 HAG zutreffen, "vorübergehend unmittelbar für den Absatzmarkt" arbeitet. Im Streitfall aber hat der Bg. im Jahre 1954 ständig unmittelbar für den Absatzmarkt gearbeitet. Das ergibt sich einmal aus der Höhe der "freien" Umsätze, aber auch aus dem sonstigen Akteninhalt und den eigenen Einlassungen des Bg. Die Höhe seines Umsatzes auf dem freien Absatzmarkt von 35 241 DM läßt es als ausgeschlossen erscheinen, daß es sich hierbei um nur "vorübergehende" Arbeit für den freien Absatzmarkt gehandelt haben könnte. Außerdem läßt die Tatsache, daß der Bg., wie er selbst angegeben hat, 1954 laufend mehrere Vertreter für den Absatz seiner "freien" Trikoterzeugnisse beschäftigt hat, erkennen, daß er nicht nur vorübergehend unmittelbar für den Absatzmarkt gearbeitet hat, daß er vielmehr in erheblichem Umfang ein freier Unternehmer ist. -- Der Umstand, daß die Umsätze des Bg. auf dem freien Arbeitsmarkt seine Lohnarbeitsentgelte überwiegen, ist bei Prüfung der Frage, ob er Hausgewerbetreibender gemäß § 2 Abs. 2 HAG ist, unerheblich. -- Da also dem Bg. die Eigenschaft als Hausgewerbetreibender gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 HAG fehlt, kann ihm die Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 18 UStG, § 44 UStDB 1951 nicht zuerkannt werden, so daß sich eine Prüfung, ob die sonstigen Voraussetzungen des § 44 UStDB vorliegen, (insbesondere: überwiegender Umsatz mit bestimmten Unternehmern) erübrigt. Denn diese sonstigen Voraussetzungen der Steuerfreiheit bedeuten im Gegensatz zu der Auffassung des Finanzgerichts nicht eine Änderung des Begriffs "Hausgewerbetreibender" für Zwecke der Umsatzsteuer, sondern sie sind nur zusätzliche Voraussetzungen für die Gewährung der Umsatzsteuerfreiheit, wobei als erste Voraussetzung bestehen bleibt, daß der Antragsteller "Hausgewerbetreibender im Sinne des HAG" sein muß.
Auf die Rb. des Vorstehers des Finanzamts hin war demnach die Vorentscheidung aufzuheben und die Berufung gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts als unbegründet zurückzuweisen. Die Kosten des gesamten Verfahrens fallen dem Bg. gemäß § 307 der Reichsabgabenordnung zur Last.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 532 DM festgestellt.
Fundstellen
BStBl III 1956, 328 |
BFHE 1957, 344 |