Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
überläßt eine Brauerei einer Mälzerei Gerste zur Vermälzung, wobei vereinbart ist, daß die im Mälzungsprozeß anfallenden Nebenprodukte (Ausputzgerste und Malzkeime) der Mälzerei verbleiben sollen, so ist die Brauerei mit dem Werte der angefallenen Nebenprodukte steuerpflichtig.
Normenkette
UStG § 1 Ziff. 1, § 5 Abs. 2; UStDB § 9/2; UStG § 3/12, § 10/3/2
Tatbestand
Die Steuerpflichtige, eine Brauerei, hat in den Veranlagungszeiträumen 1951 bis 1955 einer Mälzerei Gerste zur Vermälzung überlassen, wobei vereinbart wurde, daß die im Mälzungsprozeß anfallenden Nebenprodukte (Ausputzgerste und Malzkeime) der Mälzerei verbleiben sollen.
Das Finanzamt hat auch hinsichtlich der Nebenprodukte einen steuerpflichtigen Leistungsaustausch zwischen der Steuerpflichtigen und der Mälzerei angenommen; das Entgelt für das Vermälzen bestehe teils in Barlohn, teils in Abfallprodukten. Es liege also ein tauschähnlicher Umsatz (ß 9 Abs. 2 UStDB 1951) vor, dessen Wert gemäß § 5 Abs. 2 UStG bei der Brauerei steuerpflichtig sei. Das Finanzamt hat den Wert der überlassenen Nebenprodukte auf Grund der erfahrungsgemäß anfallenden Menge geschätzt und die Steuerpflichtige mit den geschätzten Werten zur Umsatzsteuer herangezogen.
Demgegenüber vertritt die Steuerpflichtige die Auffassung, daß die Malzkeime und die Ausputzgerste im Zeitpunkt der überlassung der Gerste noch gar nicht vorhanden, mithin auch kein selbständiges Handelsgut gewesen seien, das Gegenstand einer Lieferung hätte sein können; sie begehrt unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs V 203/55 U vom 15. Juni 1956 (BStBl 1956 III S. 229, Slg. Bd. 63 S. 85) Freistellung der streitigen Umsätze.
Im Berufungsverfahren hatte die Steuerpflichtige Erfolg. Das Finanzgericht hat sich der Auffassung der Steuerpflichtigen angeschlossen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Das Finanzgericht begnügt sich unter Hinweis auf das oben angeführte Urteil V 203/55 U vom 15. Juni 1956 mit der Feststellung, daß zwischen Steuerpflichtiger und Mälzerei eine Lieferung nicht stattgefunden habe. Ob diese Auffassung angesichts des in wesentlichen Umständen anderen Sachverhalts für den Streitfall zutrifft, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls hat jenes Urteil lediglich die Frage des Erwerbs beim Beauftragten (hier der Mälzerei) geprüft, ist jedoch nicht auf die hier in erster Linie entscheidende Frage eingegangen, ob zwischen Auftraggeber (Steuerpflichtige) und Beauftragtem (Mälzerei) ein steuerpflichtiger Leistungsaustausch vorliegt, der dort gar nicht streitig war. Schon aus diesem Grund unterliegt die Vorentscheidung wegen Rechtsirrtums der Aufhebung. Der erkennende Senat beurteilt den Sachverhalt wie folgt:
Wie im Falle des Urteils V 98/58 U vom 11. Februar 1960 (BStBl 1960 III S. 149, Slg. Bd. 70 S. 399), auf das auch im übrigen Bezug genommen wird, ist der Lohnmälzungsauftrag und die überlassung der Abfälle als ein einheitliches Ganzes anzusehen. Da im Streitfalle ausdrückliche Abmachungen im Lohnmälzungsvertrag über die überlassung der Nebenprodukte getroffen worden sind, ist ohne weiteres davon auszugehen, daß der Arbeitsleistung der Mälzerei der vereinbarte Barlohn und die vertraglich überlassenen Abfälle gegenüberstehen.
Wenn die Steuerpflichtige im Rechtsbeschwerdeverfahren ausführt, daß die Mälzerei nur die vertragliche Pflicht habe, die angelieferte Gerste zu verarbeiten und das hieraus gewonnene Malz der Brauerei zurückzugeben, und daß sie nur das vertragliche Recht habe, für die Vermälzung eine Lohnvergütung zu verlangen und diese Rechte und Pflichten den Vertragsinhalt erschöpfend wiedergäben, so steht diese Darstellung mit der ausdrücklich im Lohnmälzungsvertrage getroffenen Vereinbarung über die überlassung der Abfälle in klarem Widerspruch. Wenn die Steuerpflichtige weiter ausführt, daß die Mälzerei, wollte die Steuerpflichtige die Herausgabe der Nebenprodukte von der Mälzerei verlangen, hierzu neben ihrer Lohnvergütung den Wert der Malzkeime fordern würde, so bestätigt dies nur die Auffassung des Senats, daß im Streitfalle von einer unentgeltlichen überlassung der Abfälle nicht die Rede sein kann.
Ist hiernach ein entgeltlicher Leistungsaustausch im Rahmen des Lohnmälzungsvertrages festzustellen, so kommt es für die Steuerpflicht der Bgin. (Brauerei), wie die Rechtsbeschwerdebegründung zutreffend ausführt gar nicht entscheidend darauf an, für welchen Zeitpunkt die Verschaffung der Verfügungsmacht an den Abfällen angenommen wird oder ob man in dem Vorgang einen abgeleiteten oder einen originären Erwerb erblickt, weil in jedem Falle eine entgeltliche Leistung vorliegt. Bedeutung erlangen diese Fragen allerdings insofern, als bei Annahme einer Lieferung der Steuerpflichtigen an die Mälzerei Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 4 UStG in Verbindung mit § 29 Abs. 2 Ziff. 6 UStDB 1951 in Betracht kommen könnte, die die Steuerpflichtige hilfsweise begehrt. Wendet man jedoch auf den Streitfall die Grundsätze des Urteils V 264/55 U vom 26. September 1957 (BStBl 1957 III S. 429, Slg. Bd. 65 S. 513) an, so kommt die angeführte Befreiungsvorschrift deshalb nicht zum Zuge, weil die Steuerpflichtige die Ausputzgerste nicht geliefert hat, sondern die Mälzerei diese Gerste durch den Verarbeitungsvorgang des Vermälzens gewonnen hat. Nimmt man dagegen eine Lieferung der Abfälle (Ausputzgerste) durch die Steuerpflichtige an, so führt dies zwangsläufig dazu, daß die Bearbeitungsmaßnahmen der Mälzerei der Steuerpflichtigen zugerechnet werden, in deren Auftrage das Vermälzen im Rahmen des einheitlich zu beurteilenden Werkleistungsvertrages durchgeführt wird (ß 12 Abs. 2 UStDB; vgl. auch Schettler, Umsatzsteuer-Rundschau 1958 S. 65 und 115; Hirschmann, a. a. O., S. 114).
Daß es bei der Weiterveräußerung der Nebenprodukte durch die Mälzerei zu einer erneuten steuerlichen Belastung der gleichen Gegenstände kommen kann, worauf die Steuerpflichtige hinweist, liegt im System der Umsatzsteuer begründet und besagt für die hier getroffene steuerliche Beurteilung nichts.
Da über die Höhe der Umsätze kein Streit besteht, ist die Sache entscheidungsreif. Unter Aufhebung der Vorentscheidung ist die Berufung der Steuerpflichtigen gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 409831 |
BStBl III 1960, 529 |
BFHE 1961, 756 |
BFHE 71, 756 |