Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Wird ein Gewerbebetrieb verpachtet, so kann der Verpächter erklären, ob er den Vorgang als Betriebsaufgabe im Sinne des § 16 Abs. 3 EStG behandeln und damit die Gegenstände seines Betriebs in sein Privatvermögen überführen oder ob und wie lange er das Betriebsvermögen während der Verpachtung fortführen will.
Solange der Verpächter eine Erklärung im vorstehenden Sinne nicht abgegeben hat, bleiben die verpachteten Wirtschaftsgüter sein Betriebsvermögen mit der Folge, daß er weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb hat und Wertschwankungen des verpachteten Betriebsvermögens im Rahmen des § 6 EStG zu berücksichtigen sind.
Die im verpachteten Betrieb vorhandenen stillen Rücklagen sind erst aufgedeckt und damit zu versteuern, wenn der Verpächter die Betriebsgegenstände in sein Privatvermögen überführt (§ 16 Abs. 3 EStG) oder wenn er vorher den verpachteten Betrieb veräußert (§ 16 Abs. 1 EStG). Der Ermittlung des Veräußerungsgewinns ist der Wert des Betriebsvermögens im Zeitpunkt der überführung oder der Veräußerung zugrunde zu legen.
Soweit die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (Urteil VI A 495/36 vom 24. März 1937, RStBl 1937 S. 939) und die bisherige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteile IV 505/53 U vom 9. Dezember 1955, BStBl 1956 III S. 18, Slg. Bd. 62 S. 46; I 53/56 U vom 2. April 1957, BStBl 1957 III S. 273, Slg. Bd. 65 S. 105; I 201/58 U vom 1. September 1959, BStBl 1959 III S. 482, Slg. Bd. 69 S. 590; VI 3/60 S vom 9. Dezember 1960, BStBl 1961 III S. 155, Slg. Bd. 72 S. 422) diesen Grundsätzen entgegensteht, wird sie aufgegeben.
Mit der Verpachtung eines Gewerbebetriebs im ganzen erlischt regelmäßig die Gewerbesteuerpflicht des Verpächters.
Normenkette
EStG §§ 6, 15-16, 21; GewStG § 2
Tatbestand
Streitig ist, ob und in welcher Höhe die Steuerpflichtige durch den Verkauf ihres verpachteten Fremdenheims einen Veräußerungsgewinn erzielt hat.
Die Steuerpflichtige unterhielt in den 30er Jahren einen Fremdenheimbetrieb; das Fremdenheimgebäude hatte sie 1933 erbaut. Im Kriege lag der Betrieb still. Im Jahre 1946 eröffnete die Steuerpflichtige das Fremdenheim wieder, verpachtete es aber bereits im Jahre 1947 an ihre Mutter. Wegen der geringen Einnahmen sollten die übernommenen Grundstückslasten zunächst den Pachtzins darstellen. Nach der Währungsumstellung schlossen die Vertragspartner für die Dauer von sieben Jahren einen neuen Pachtvertrag mit festem Pachtzins. Anfang 1950 trat der Bruder der Steuerpflichtigen in den Pachtvertrag ein. Am 10. Januar 1953 kaufte die Mutter der Steuerpflichtigen mit Rücksicht darauf, daß die Gläubiger der Steuerpflichtigen das Gebäude zur Zwangsversteigerung bringen wollten, das Fremdenheim samt Inventar.
Das Finanzamt errechnete unter Gegenüberstellung des Kaufpreises und des als Buchwert angenommenen Einheitswerts des Grundstücks auf den 21. Juni 1948 einen Veräußerungsgewinn von 41 820 DM, der der nach § 222 AO berichtigten Veranlagung zur Einkommensteuer 1953 zugrunde gelegt wurde. In der Einspruchsentscheidung wurde der Veräußerungsgewinn auf 37 037 DM herabgesetzt.
Mit der Berufung wandte die Steuerpflichtige ein, sie habe den Pensionsbetrieb bereits in den 30er oder 40er Jahren aufgegeben, so daß ein gewerblicher Veräußerungsgewinn im Jahre 1953 nicht entstanden sei. Auch die Höhe des Veräußerungsgewinns sei unrichtig berechnet worden. Außerdem beantrage die Steuerpflichtige, im Falle der Besteuerung eines Veräußerungsgewinns wegen ihrer schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse den Mindestsatz des § 34 EStG in Höhe von 10 v. H. anzuwenden.
Die Berufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht ging zwar - wie das Finanzamt - davon aus, daß in der Verpachtung des Fremdenheims keine Aufgabe des Betriebs im Sinne des § 16 Abs. 3 EStG zu sehen sei und demnach der Verkauf im Jahre 1953 eine Betriebsveräußerung (§ 16 Abs. 1 EStG) darstelle. Das Finanzgericht meinte aber, in dem Augenblick, in dem die Steuerpflichtige den Betrieb verkauft habe, seien der Pachtvertrag aufgehoben und die Steuerpflichtige wieder Inhaberin des laufenden Betriebs geworden. Sie habe den Betrieb demnach Anfang 1953 wieder eröffnet und dann verkauft. Wäre die Steuerpflichtige buchführungspflichtig gewesen, so hätte sie eine Eröffnungsbilanz aufstellen müssen. Jedenfalls müsse die Steuerpflichtige zur Feststellung eines Veräußerungsgewinns so behandelt werden, als ob sie eine Eröffnungsbilanz Anfang 1953 aufgestellt hätte. Diese Bilanz sei nach den allgemeinen Grundsätzen des § 6 EStG aufzustellen. Denn durch die Währungsumstellung sei der Bilanzenzusammenhang unterbrochen worden und die Wiederanknüpfung an die alten Werte vor der Verpachtung unmöglich geworden. Sonach seien die Gegenstände des Betriebsvermögens in der Eröffnungsbilanz mit dem Wiederbeschaffungswert (Teilwert) anzusetzen, der nach den gesamten Umständen dem Veräußerungspreis entspreche. Ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn sei deshalb nicht entstanden.
Der Bundesminister der Finanzen ist gemäß § 287 Ziff. 2 AO dem Verfahren beigetreten.
Der IV. Senat des Bundesfinanzhofs, der zunächst mit der Sache befaßt war, hat den Großen Senat angerufen, weil er hinsichtlich der zu entscheidenden Frage der einkommensteuerrechtlichen Behandlung des ruhenden Gewerbebetriebs von der Rechtsauffassung des VI. Senats wie sie in dem gemäß §§ 64 und 66 Abs. 1 AO für alle Senate bindenden Urteil VI 3/60 S vom 9. Dezember 1960 (BStBl 1961 III S. 155, Slg. Bd. 72 S. 422) niedergelegt ist, abweichen wollte, der VI. Senat aber der beabsichtigten Abweichung nicht zugestimmt hat. Demgemäß ist die Zuständigkeit des Großen Senats nach § 66 Abs. 1 AO begründet.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung
Die Frage, ob und in welcher Höhe bei der Veräußerung eines verpachteten Betriebs ein Veräußerungsgewinn erzielt wird, hängt davon ab, wie einkommensteuerlich die Verpachtung eines Gewerbebetriebs zu beurteilen ist. Die Rechtsprechung hierzu hatte sich bis zum Ergehen des vorgenannten Urteils VI 3/60 S vom 9. Dezember 1960 wie folgt entwickelt:
Der Reichsfinanzhof hatte in seiner älteren Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß die Verpachtung eines Gewerbebetriebs regelmäßig noch nicht die Aufgabe des Betriebs im Sinne des § 30 Abs. 4 EStG 1925 (§ 16 Abs. 3 EStG 1934 ff.) mit der Folge der Versteuerung der stillen Rücklagen darstelle. Er hat daraus gefolgert, daß der Verpächter trotz des bestehenden Pachtverhältnisses weiterhin als Gewerbetreibender und seine Pachteinnahmen als im Rahmen eines Gewerbebetriebs erzielt zu behandeln seien (vgl. besonders die Urteile VI A 2239/30 vom 9. Dezember 1931, RStBl 1932 S. 625, und VI A 1634/32 vom 13. Dezember 1933, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1934 Nr. 87).
In dem Urteil VI A 495/36 vom 24. März 1937 (RStBl 1937 S. 939) hat der Reichsfinanzhof seine bisherige Rechtsprechung vor allem wegen der von ihm angenommenen Auswirkung auf die Gewerbesteuer geändert. Im Hinblick auf das inzwischen ergangene Reichsgewerbesteuergesetz vom 1. Dezember 1936, in dem der Begriff des Gewerbebetriebs dem gewerblichen Unternehmen im Sinne des EStG gleichgesetzt worden ist, hat es der Reichsfinanzhof für geboten erachtet, die Merkmale, nach denen in der Verpachtung eines Gewerbebetriebs im ganzen noch die Fortführung eines stehenden Gewerbebetriebs zu erblicken ist, genauer festzulegen. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, daß die Verpachtung eines Gewerbebetriebs nur dann eine gewerbliche Betätigung darstellt, wenn die Verpachtung innerhalb eines fortbestehenden Gewerbebetriebs geschieht oder wenn die Tätigkeit des Verpächters während der Verpachtung wegen der laufenden umfangreichen Verwaltungsarbeit einen eigenen Gewerbebetrieb begründet. In allen anderen Fällen können, so wird in dem Urteil ausgeführt, in der Vermietung oder Verpachtung keine laufende gewerbliche Tätigkeit erblickt werden. Vielmehr habe das Ruhen des Gewerbebetriebs, das regelmäßig nicht die Aufgabe des Betriebs bedeute, auch das Ruhen jeder laufenden gewerblichen Tätigkeit und damit das Ruhen gewerblicher Einkünfte im Sinne des EStG zur Folge. Die Pachteinkünfte seien dann als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach dem überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten, also ohne Vornahme eines Vermögensvergleichs, zu ermitteln.
Der Bundesfinanzhof hat den Begriff des ruhenden Gewerbebetriebs in dem letztgenannten Sinn übernommen, und zwar erstmals in dem Urteil IV 505/53 U vom 9. Dezember 1955 (BStBl 1956 III S. 18, Slg. Bd. 62 S. 46). Auch der I. Senat des Bundesfinanzhofs hat sich in den Urteilen I 53/56 U vom 2. April 1957 (BStBl 1957 III S. 273, Slg. Bd. 65 S. 105) und I 201/58 U vom 1. September 1959 (BStBl 1959 III S. 482, Slg. Bd. 69 S. 590) dieser Rechtsprechung angeschlossen. Dabei hat er aus dem Ruhen des Gewerbebetriebs ab dem Beginn der Verpachtung gefolgert, daß die zu diesem Zeitpunkt vorhandenen stillen Rücklagen zu versteuern sind. Er hat jedoch dem Steuerpflichtigen ein "Wahlrecht" eingeräumt, ob er die Versteuerung alsbald oder zu einem späteren Zeitpunkt vornehmen wolle, wobei das Wahlrecht durch überführung der verpachteten Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen ausgeübt wird. Spätestens seien die - auf den Beginn der Verpachtung errechneten - stillen Rücklagen bei der Veräußerung der Wirtschaftsgüter zu versteuern. Weil danach die Besteuerung unter Umständen erst nach längerer Zeit erfolgt, fordert der I. Senat, daß die bei Beginn der Verpachtung vorhandenen stillen Rücklagen zu schätzen und festzuhalten sind, um für die spätere Nachversteuerung eine klare Grundlage zu haben. Schließlich wird vom I. Senat im Anschluß an die spätere Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs hervorgehoben, daß im Hinblick auf das Ruhen des Gewerbebetriebs ab dem Beginn der Verpachtung Wertschwankungen (Werterhöhungen und Wertminderungen), die bei einem im ganzen verpachteten Gewerbebetrieb während der Pachtdauer eintreten, beim Verpächter einkommensteuerlich grundsätzlich außer Betracht bleiben.
Der Auffassung des I. Senats hat sich der VI. Senat des Bundesfinanzhofs in dem oben genannten Urteil VI 3/60 S vom 9. Dezember 1960 angeschlossen, in dem er dem Eigentümer einer verpachteten Apotheke die Geltendmachung einer Wertminderung des Apothekenbetriebsrechts während der Verpachtung versagt hat. Der Senat räumt zwar ein, daß die Gegenstände des Betriebsvermögens, solange der Steuerpflichtige sein Wahlrecht noch nicht ausgeübt habe, ihren gewerblichen Charakter behalten hätten. Er hält dem jedoch entgegen, daß die Wirtschaftsgüter mit Beginn der Verpachtung wie Gegenstände des Privatvermögens genutzt würden und daher den für diese geltenden Grundsätzen unterlägen. Der VI. Senat gibt dabei zu, daß insbesondere die Auffassung über die Nichtberücksichtigung von Wertänderungen des verpachteten Vermögens während der Pachtdauer zu schwierigen tatsächlichen und rechtlichen Erörterungen Anlaß geben könnte, wenn der Verpächter den verpachteten Gewerbebetrieb später selbst wieder übernehme oder wenn er ihn veräußere.
Während der Bundesminister der Finanzen in seiner Stellungnahme der vorstehend gekennzeichneten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs beigetreten ist, hat der IV. Senat gegen diese Bedenken, wie sie auch bereits von mehreren Seiten im Schrifttum erhoben worden sind (vgl. Vangerow, StuW 1956 Sp. 157 ff. und StuW 1958 Sp. 177 ff.; Kaatz, Finanz-Rundschau 1958, S. 255; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 7. Aufl., § 6 Testziffer 374 und § 16 Textziffer 7a; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 9. Aufl., § 15 Anm. 13d, letzter Absatz; Grass in Hartmann-Böttcher, Großkommentar zur Einkommensteuer, § 6 Anm. 22d; Knoppe, "Pachtverhältnisse gewerblicher Betriebe im Steuerrecht", 3. Aufl. S. 40 ff. und S. 58 ff.; Leingärtner, Deutsches Steuerrecht 1962 S. 85).
Der IV. Senat ist der Auffassung, daß bei der nicht mit einer Betriebsaufgabe im Sinne des § 16 Abs. 3 EStG oder einer Entnahme im Sinne des § 6 Abs. 1 Ziff. 4 EStG verbundenen Verpachtung des Betriebs der Verpächter weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 EStG hat, so daß er bei der späteren Veräußerung des verpachteten Betriebsvermögens im Sinne des § 16 Abs. 1, 2 EStG einen Veräußerungsgewinn in Höhe des Unterschieds zwischen dem Buchwert im Zeitpunkt der Veräußerung und dem Veräußerungserlös (nach Abzug der Veräußerungskosten) erzielt. Seine Bedenken gegen die Rechtsprechung des I. und VI. Senats richten sich vor allem darauf, daß diese in der Veräußerung eines verpachteten Gewerbebetriebs - soweit kein Sonderfall gegeben ist - rückschauend eine Betriebsaufgabe bei Beginn der Verpachtung gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG erblickt, deren Besteuerung aber im Falle einer späteren Veräußerung durch die Konstruktion einer Steuerstundung erst im Veräußerungszeitraum nachgeholt werden muß, für den Fall aber, daß eine Veräußerung des verpachteten Betriebs nicht erfolgt, überhaupt in Wegfall kommt.
Der Große Senat hat bei der ihm nunmehr zustehenden Entscheidung zunächst erwogen, ob eine änderung der bisherigen fast 25 Jahre alten Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit (Rechtsstabilität) vertretbar ist. Die Stetigkeit der Rechtsprechung des obersten Steuergerichts ist zwar ein wesentliches Element der Rechtssicherheit im Sinne der Voraussehbarkeit der Beurteilung bestimmter Vorgänge durch die Finanzverwaltungsbehörden und die Steuergerichte und ist darum ein Rechtsgut von hohem Rang. Trotzdem muß eine andere und bessere Rechtserkenntnis zur änderung einer solchen Rechtsprechung vor allem durch den Großen Senat, dann führen, wenn schwerwiegende sachliche Erwägungen dafür sprechen. Der Große Senat ist der Auffassung, daß diese Voraussetzungen für die änderung der bisherigen Rechtsprechung zur einkommensteuerrechtlichen Behandlung des ruhenden Gewerbebetriebs erfüllt sind.
Der Begriff des ruhenden Gewerbebetriebs, mit dem die spätere Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und die Rechtsprechung des I. und VI. Senats des Bundesfinanzhofs begründet werden, ist dem Gesetz fremd; es kennt nur einen bestehenden und einen aufgegebenen Gewerbebetrieb. Dann ist aber die Annahme folgerichtig, daß die Verpachtung eines Gewerbebetriebs ohne überführung der Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen für den Verpächter grundsätzlich die Fortführung des Gewerbebetriebs in anderer Form darstellt, die einkommensteuerlich keine änderung der Einkunftsart bedeutet (vgl. insbesondere Littmann, a. a. O., § 6 Textziff. 374; Kaatz, a. a. O.; Vangerow, StuW 1956 Sp. 157 ff.; Koppe, a. a. O., S. 58, und Leingärtner, a. a. O.).
Wenn der Reichsfinanzhof in dem Urteil VI A 495/36 vom 24. März 1937 (a. a. O.), auf dem die angeführte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs beruht, seine Abweichung von der früheren Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs im wesentlichen mit der Auswirkung auf die Gewerbesteuer begründet hat, so hat bereits Becker in der Besprechung dieses Urteils (StuW 1937 Sp. 560, besonders Sp. 563 ff.) an der Stichhaltigkeit dieser Begründung Zweifel geäußert. Das gleiche geschieht in dem größten Teil des Schrifttums zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs. Auch der IV. Senat hält eine solche Auswirkung nicht für zwingend. Dem ist zuzustimmen. Die Frage der Gewerbesteuerpflicht des Verpächters ist nach allgemein-gewerbesteuerlichen Grundsätzen zu entscheiden. Gewerbliche Einkünfte im Sinne des EStG führen nicht unter allen Umständen dazu, auch die Gewerbesteuerpflicht zu bejahen. So ist es ein feststehender Grundsatz, daß die Gewerbesteuerpflicht, soweit es sich nicht um die Steuerpflicht kraft Rechtsform (§ 2 Abs. 2 Ziff. 2 des Gewerbesteuergesetzes) handelt, mit der Aufgabe jeglicher werbenden Tätigkeit erlischt (vgl. Blümich-Boyens-Steinbring-Klein, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 7. Aufl., § 5 Anm. 4a). Daher löst z. B. der Vorgang der Veräußerung des Gewerbebetriebs zwar einkommensteuerliche, aber keine gewerbesteuerlichen Folgen aus (vgl. Abschn. 39 und 40 GewStR 1961 und die dort angeführte Rechtsprechung sowie neuerdings das Urteil des Bundesfinanzhofs I 78/61 S vom 25. Mai 1962, BStBl 1962 III S. 438, Slg. Bd. 75 S. 467). Ein entsprechender Grundsatz muß für die Verpachtung des Gewerbebetriebs gelten. In diesem Falle ist ein "werbender" Betrieb, an den die Gewerbesteuerpflicht anknüpft, beim Pächter, nicht dagegen beim Verpächter gegeben.
Hat nun aber nach der vom Großen Senat für richtig erachteten Auffassung bei der nicht mit einer Betriebsaufgabe im Sinne des § 16 Abs. 3 EStG verbundenen Verpachtung des Betriebs im Sinne des EStG (§ 15), so hat dies zur notwendigen Folge, daß er bei der späteren Veräußerung des verpachteten Betriebsvermögens im Sinne des § 16 Abs. 1, 2 EStG einen Veräußerungsgewinn in Höhe des Unterschieds zwischen dem Buchwert zur Zeit der Veräußerung und dem Veräußerungserlös (nach Abzug der Veräußerungskosten) erzielt. Dabei trifft die Annahme der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und die des Bundesministers der Finanzen, daß als Veräußerungsgewinn die stillen Rücklagen bei Beginn der Verpachtung (Unterschied zwischen den Buchwerten und den gemeinen Werten der verpachteten Wirtschaftsgüter) zu versteuern sind, nicht mehr zu. Nach der bisherigen Rechtsprechung wird einerseits dem Steuerpflichtigen das Recht eingeräumt, zu erklären, wann er die verpachteten Wirtschaftsgüter als in sein Privatvermögen übernommen ansehen will, andererseits aber die Fiktion aufgestellt, daß bei Beginn der Verpachtung eine Betriebsaufgabe gemäß § 16 Abs. 3 EStG stattgefunden habe mit der Folge der Versteuerung der zu diesem Zeitpunkt vorhandenen stillen Rücklagen, die dann allerdings durch die Konstruktion einer Steuerstundung erst mit der späteren übernahme in das Privatvermögen oder der späteren Veräußerung nachgeholt wird und bei Nichteintritt dieser Voraussetzungen überhaupt entfällt.
Nach der Auffassung des Großen Senats muß entweder die Verpachtung eine Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 EStG sein; dann sind die stillen Rücklagen nach dieser Vorschrift im Zeitpunkt der Aufgabe zu versteuern, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Betrieb später veräußert wird oder nicht. Oder die Verpachtung stellt keine Betriebsaufgabe dar; dann entsteht ein Veräußerungsgewinn im Fall einer späteren Betriebsveräußerung. Veräußerungsgewinn kann in diesem Falle nach § 16 Abs. 2 EStG nur der Betrag sein, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens zur Zeit der Veräußerung übersteigt.
Die vom Bundesminister der Finanzen in seiner Stellungnahme vertretene Auffassung, es sei anzunehmen, daß die Betriebsverpachtung den Beginn der Gewinnverwirklichung bedeute, die jedoch erst zur Vollendung komme, wenn die einzelnen Wirtschaftsgüter, die zum verpachteten Betrieb gehörten, veräußert oder sonstwie aus dem Zusammenhang mit dem verpachteten Betrieb gelöst würden, findet im Gesetz keine Stütze.
Es ist auch zu bedenken, daß, worauf im Schrifttum zutreffend hingewiesen wird, eine solche nachträgliche Heranziehung der bei Pachtbeginn rechnerisch vorhanden gewesen stillen Rücklagen in der Praxis schwer durchführbar wäre, da es mangels einer hierfür gesetzlich vorgesehenen Verfahrensart keine rechtskräftige Feststellung über die Höhe dieser stillen Rücklagen gäbe.
Die Auffassung des I. und VI. Senats und des Bundesministers der Finanzen ist zwar bei Wertsteigerung des Betriebsvermögens während der Pachtdauer für die Steuerpflichtigen günstig. Sie hat sich aber auch oft zum Nachteil der Steuerpflichtigen ausgewirkt, weil sie einen während des Ruhens eingetretenen Verlust am Betriebsvermögen steuerlich nicht geltend machen konnte. So mußten vom Standpunkt der bisherigen Rechtsprechung aus, wie gerade das Beispiel des Urteils VI 3/30 S (a. a. O.) zeigt, Abschreibungen auf Apothekenrealrechte bei ruhenden Apothekenbetrieben versagt werden. Es ist auch der Fall denkbar, daß das Betriebsvermögen während einer längeren Verpachtung im Werte so gesunken ist, daß durch seine Veräußerung nur noch ein geringer oder gar kein Erlös mehr erzielt werden kann, mit dem die Steuer für die bei Pachtbeginn vorhandenen stillen Rücklagen gezahlt werden könnte.
Nach alledem hält der Große Senat die Erwägungen der späteren Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs für weniger überzeugend und gibt der früheren Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs den Vorzug. Hierzu entschließt sich der Große Senat nicht zuletzt auch deshalb, weil damit eine übereinstimmung mit der Rechtsprechung zum Bewertungsrecht erzielt wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs bildet ein verpachtetes gewerbliches Unternehmen immer dann einen gewerblichen Betrieb des Verpächters im Sinne des § 54 des Bewertungsgesetzes, wenn die wesentlichen Betriebsgegenstände mitverpachtet sind (vgl. die Urteile des Reichsfinanzhofs III A 89/35 vom 4. April 1935, RStBl 1935 S. 1094, und III 55/40 vom 15. Mai 1941, RStBl 1941 S. 589, sowie das Urteil des Bundesfinanzhofs III 108/52 U vom 8. Mai 1953, BStBl 1953 III S. 194, Slg. Bd. 57 S. 503; vgl. auch Gürsching-Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Anm. 6 zu § 54 BewG).
Soweit nach dem jetzigen Wandel der Rechtsprechung in der Frage des ruhenden Gewerbebetriebs feststeht, daß in Einzelfällen früher Abschreibungen zu Unrecht versagt worden sind, die Steuerpflichtigen als ungünstiger gestellt worden sind, als sie nach den Grundsätzen dieser Entscheidung stehen würden, ist es Sache der Finanzverwaltungsbehörden, unter Berücksichtigung aller Umstände der einzelnen Fälle einen angemessenen Ausgleich zu suchen.
Zur praktischen Anwendung der hiernach geltenden Grundsätze wird noch folgendes bemerkt:
Verpachtet ein Steuerpflichtiger einen Betrieb, so ist oft ungewiß, ob er sich damit endgültig aus dem Erwerbsleben zurückgezogen hat und sein bisheriges Betriebsvermögen als Privatmann durch Vermietung und Verpachtung nutzen will, oder ob er nur zeitweise seinen Betrieb in Form der Verpachtung nutzt, um ihn später wieder selbst zu führen. Weil die Situation in tatsächlicher Hinsicht gewöhnlich nicht eindeutig ist, im Interesse der Besteuerung aber bald Klarheit geschaffen werden muß, ist der Steuerpflichtige gehalten, den Finanzbehörden gegenüber klar zum Ausdruck zu bringen, wie er sich nach der Verpachtung des Betriebs den weiteren Fortgang denkt. Seine Entscheidung ist dann für die steuerrechtliche Behandlung maßgebend: Erklärt der Steuerpflichtige, daß er den Betrieb verpachtet habe, weil er ihn aufgeben wolle, so ist der Vorgang als Betriebsaufgabe gemäß § 16 Abs. 3 EStG zu behandeln. Erklärt der Steuerpflichtige dagegen, daß der Verpachtung nicht diese Bedeutung zukommen solle, oder lehnt er eine Erklärung ab, so gilt der bisherige Betrieb als fortbestehend; er wird dann nur in anderer Form als bisher genutzt; vor allem bleiben die verpachteten Wirtschaftsgüter Gegenstand des Betriebsvermögens des Steuerpflichtigen, solange nicht der Steuerpflichtige erklärt, den Betrieb aufgeben zu wollen. Eine solche Erklärung kann der Steuerpflichtige auch noch während der Pachtdauer jederzeit dem Finanzamt gegenüber abgeben, selbst wenn er zunächst ausdrücklich erklärt hatte, die Verpachtung nicht als Betriebsaufgabe behandeln zu wollen. Erklärt der Steuerpflichtige in dieser Weise die Aufgabe des Betriebs während der Pachtdauer, so fällt die Betriebsaufgabe im Sinne des § 16 Abs. 3 EStG in das Wirtschaftsjahr, in dem der Steuerpflichtige seine Aufgabeerklärung dem Finanzamt gegenüber abgibt.
Für den vorliegenden Fall führt die vorstehend niedergelegte Auffassung des Großen Senats zu folgender Beurteilung:
Die Vorinstanz hat zutreffend in der Verpachtung des Fremdenheims an die Mutter oder an den Bruder für die Zeit von 1947 bis 1953 keine Aufgabe des Gewerbebetriebs gesehen. Das Finanzgericht hat mit Recht hervorgehoben, daß die behauptete endgültige Aufgabe der gewerblichen Tätigkeit hinsichtlich des Pensionsbetriebs mit dessen Verpachtung mit einer nach außen erkennbaren übernahme des Betriebsvermögens in das Privatvermögen hätte verbunden sein müssen. Eine derartige übernahme in das Privatvermögen ist aber nicht erfolgt. Das Fremdenheim ist somit auch während der Verpachtung Betriebsvermögen geblieben; infolgedessen stellt seine Veräußerung im Januar 1953 eine Betriebsveräußerung im Sinne des § 16 Abs. 1 EStG dar, die zur Realisierung der vorhandenen stillen Rücklagen führen mußte.
Das Finanzgericht nimmt jedoch vom Standpunkt des Großen Senats aus zu Unrecht an, eine Besteuerung der im Betriebsvermögen steckenden stillen Rücklagen sei bei der Betriebsveräußerung nicht möglich, weil die Veräußerung des Betriebs nach mehrjähriger Verpachtung rechtlich eine Wiedereröffnung durch die Steuerpflichtige voraussetze und demnach eine Eröffnungsbilanz aufzustellen sei, in die infolge der Unterbrechung des Bilanzenzusammenhangs durch die Währungsumstellung das Betriebsvermögen mit dem dem Veräußerungspreis entsprechenden Wiederbeschaffungspreis (Teilwert) einzusetzen sei. Denn die Veräußerung eines verpachteten Betriebs erfordert rechtlich keine Wiedereröffnung durch den Verpächter. Der Veräußerungsgewinn ist vielmehr, wie das Finanzamt mit Recht geltend gemacht hat, so zu berechnen, daß der tatsächliche Veräußerungserlös dem Buchwert des auch während der Verpachtung Betriebsvermögen gebliebenen Fremdenheims im Zeitpunkt der Veräußerung gegenübergestellt wird.
Da die Steuerpflichtige zuletzt im Jahre 1946 nach § 4 Abs. 3 EStG den überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben als Gewinn aus dem Fremdenheim ermittelt und während der Verpachtung den überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung versteuert hat, kann nur ein geschätzter Buchwert angesetzt werden. Es ist das Vermögen zu ermitteln, das sich im Falle eines Vermögensvergleichs nach § 4 Abs. 1 EStG als Schlußvermögen ergeben hätte (vgl. die Urteile des Bundesfinanzhofs IV 221/53 U vom 6. Mai 1954, BStBl 1954 III S. 197, Slg. Bd. 58 S. 745, und IV 98/60 S vom 23. November 1961, BStBl 1962 III S. 199, Slg. Bd. 74 S. 535). Da der Veräußerungszeitpunkt in die DM-Zeit fällt, müssen dabei, wie in dem erstgenannten Urteil ausgesprochen wird, die Vorschriften dem DMBG entsprechend angewendet werden. Danach ist bei der Ermittlung des Grundstückswerts möglicherweise nicht vom Einheitswert auf den 21. Juni 1948 (§ 16 Abs. 1 DMBG), sondern bei nachgewiesenen höheren Anschaffungskosten von einem höheren geschätzten RM-Schlußbilanzwert nach § 16 Abs. 2 DMBG auszugehen.
Da die Vorinstanz wegen ihrer anderen Rechtsauffassung den Sachverhalt hinsichtlich der rechnerischen Grundlagen für die Feststellung des Veräußerungsgewinns, und zwar auch hinsichtlich des tatsächlichen Veräußerungspreises, noch nicht abschließend geklärt hat, muß die Sache unter Aufhebung der Vorentscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen werden, das unter Beachtung der obigen Ausführungen den Veräußerungsgewinn zu berechnen und die Einkommensteuer für 1953 festzusetzen haben wird. Bei der Festsetzung der Steuer nach dem begünstigten Steuersatz gemäß § 34 EStG in Verbindung mit § 16 EStG wird das Finanzgericht auch zu prüfen haben, ob es wegen der aus den Akten ersichtlichen andauernden schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse der Steuerpflichtigen der Billigkeit entspricht, ihr den nach § 34 Abs. 1 EStG niedrigsten Steuersatz zuzubilligen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 143/58 U vom 16. Dezember 1960, BStBl 1961 III S. 101, Slg. Bd. 72 S. 268).
Fundstellen
Haufe-Index 411025 |
BStBl III 1964, 124 |
BFHE 78, 315 |
BB 1964, 336 |
DB 1964, 390 |
DStR 1964, 169 |