Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Zur Umsatzsteuerpflicht des Filmverleihers, der als von der Militärregierung bestellter Treuhänder für den nichtlizenzierten Verleiher Filme verwertet.
Normenkette
UStG § 1 Ziff. 1, § 2/1; AO §§ 103-104, 109
Tatbestand
Die Militärregierung der britischen Zone hat im Jahre 1945 die bei den Filmverleihern dieser Zone vorhandenen Filme beschlagnahmt. Die Maßnahme berührte die den Verleihern an den Filmen zustehenden Auswertungsrechte als solche nicht, hinderte die Verleiher aber daran, die Recht selbst auszubeuten. Mit der Ausbeutung durch Verleih wurde von der Militärregierung die wohl zu diesem Zwecke gegründete X-Filmverleih GmbH in Y. beauftragt, die die Erlöse aus dem Verleih auf für die an sich Auswertungsberechtigten zu führende Sperrkonten einzuzahlen hatte. Später wurden einzelne Filmverleiher zum Filmverleih wieder zugelassen (lizenziert), darunter ... der Beschwerdeführer (Bf.). Damit wurde der Bf. unter Freigabe des bisher für ihn geführten Sperrkontos in die Lage versetzt, Filme, an denen ihm die Auswertungsrechte zustanden, wieder selbst zu verleihen; außerdem wurde ihm auch die treuhänderische Ausbeutung von Filmen nichtlizenzierter Auswertungsberechtigter (Treuhandfilme) mit der Maßgabe übertragen, daß er 80 v. H., bei Filmen der Z-Gesellschaft 85 v. H. der Erlöse auf für die Berechtigten zu führende Sperrkonten einzuzahlen hatte.
Der Umsatzsteuerveranlagung für II/1948 und 1949 hat das Finanzamt die in der Umsatzsteuererklärung für diese Zeiträume ausgewiesenen Gesamtumsätze unter Versagung der vom Bf. begehrten ... Absetzungen (scil. der auf Sperrkonten dritter Berechtigter eingezahlten Erlösteile) zugrunde gelegt ... Den Einspruch des Bf. ... hat das Finanzamt durch Entscheidung vom 21. Juni 1951 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen hat der Bf. mit Schreiben vom 13. Juli 1951 Berufung eingelegt ... Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Das Finanzgericht hat ... als ... streitiger nur die Frage angesehen, ob der Bf. auch mit dem Teil der Einnahmen aus dem Verleih der Treuhandfilme zur Umsatzsteuer heranzuziehen sei, den er auf Sperrkonten dritter Berechtigter eingezahlt hat. Die Vorinstanz hat diese Frage bejaht. Ausschlaggebende Bedeutung hat sie hierbei der Tatsache beigemessen, daß der Bf. die Treuhandfilme in seinem eigenen Namen an die Filmtheaterbesitzer verliehen habe, auch wenn er sie diesen gegenüber als Treuhandfilme bezeichnet habe ...
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ... bestreitet hinsichtlich der Treuhandfilme die Berechtigung einer steuerlichen Behandlung, die dazu führe, daß lediglich wegen der auf Maßnahme der Militärregierung zurückzuführenden Einschaltung eines Treuhänders die Einnahmen aus dem Verleih in vollem Umfang bei ihm, in Höhe der an die berechtigten Dritten abgeführten Beträge bei diesen besteuert würden.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Nicht beizutreten vermag der Senat der Vorinstanz in der Beurteilung der Frage, ob der Bf. mit seinen Einnahmen aus dem Verleih von Treuhandfilmen Schuldner der Umsatzsteuer auch insoweit ist, als er die Einnahmen zugunsten der eigentlichen Auswertungsberechtigten auf für diese geführte Sperrkonten eingezahlt hat. Die Vorinstanz bejaht diese Frage. Entscheidende Bedeutung mißt sie hierbei der Tatsache bei, daß der Bf. nach seiner eigenen Angabe beim Verleih der Treuhandfilme den Filmtheaterbesitzern gegenüber im eigenen Namen aufgetreten ist; die weitere Tatsache, daß der Bf. die Filme den Theaterbesitzern gegenüber unbestritten regelmäßig als "Treuhandfilme" bezeichnet hat, hält sie für unerheblich. Hier verkennt die Vorinstanz die umsatzsteuerrechtliche Tragweite der Frage des Auftretens nach außen. Die Bedeutung dieser Frage liegt auf dem Gebiet der Abgrenzung der Lieferung von der Vermittlungsleistung oder, was dasselbe ist, des Agenten vom Eigenhändler oder Kommissionär. Dagegen kennt das Umsatzsteuerrecht keinen allgemeinen Satz des Inhalts, daß, wer nach außen im eigenen Namen auftritt, stets Unternehmer und damit Umsatzsteuerschuldner ist. So ist es anerkanntes Recht, daß ein Angestellter, der auf Weisung seines Geschäftsherrn beim Abschluß von Geschäften nach außen im eigenen Namen auftritt, hierdurch in bezug auf diese Geschäfte nicht Unternehmer und damit Umsatzsteuerschuldner wird. Die im Innenverhältnis bestehende Abhängigkeit schließt die Wandlung des Angestellten in einen Unternehmer aus, mag er auch nach außen im eigenen Namen auftreten (Urteil des Reichsfinanzhofs V A 223/32 vom 21. Februar 1934, Slg. Bd. 35 S. 279, Reichssteuerblatt 1934 S. 671). Es bedarf für den Streitfall der Prüfung, ob nicht auch die Eigenart eines Treuhandverhältnisses, wie es hier vorliegt, d. h. das Innenverhältnis zwischen dem Bf. als Treuhänder und dem nichtlizenzierten Verleiher, für dessen Rechnung die Treuhandtätigkeit ausgeübt wird, es ausschließt, die Verleihumsätze als solche dem Bf. als in den Rahmen seiner Unternehmertätigkeit fallend zuzurechnen. Der Senat trägt keine Bedenken, dies zu bejahen. Es handelt sich um ein Treuhandverhältnis, das nicht durch Rechtsgeschäft, sondern durch eine Maßnahme der Besatzungsmacht, also durch einen Akt hoheitsrechtlicher Art, begründet worden ist. Dieser Akt hatte nach der ohne Verstoß gegen den Akteninhalt getroffenen Feststellung des Finanzgerichts zur Folge, daß die betroffenen Filmverleiher, die "Treugeber wider Willen" (zu vgl. Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung und den Nebengesetzen, Anm. 4 Ziff. 1 Buchstabe b zu § 11 des Steueranpassungsgesetzes), solange sie keine "Lizenz" erhielten, Geschäfte über den Verleih der Filme, an denen ihnen die Auswertungsrechte zustanden, nicht selbst abschließen durften, vielmehr den Abschluß dieser nicht auf Lieferungen, sondern auf sonstige Leistungen gerichteten Geschäfte (Urteil des Reichsfinanzhofs V 11/43 S vom 25. Februar 1944, Slg. Bd. 54 S. 65, Reichssteuerblatt 1944 S. 446) dem dazu bestellten Treuhänder überlassen mußten. Es ging also kraft behördlicher Anordnung die Verwaltung der Treuhandfilme auf den Treuhänder über, während die Auswertungsrechte als solche und die Ansprüche auf die Erlöse aus dem Verleih der Filme ebenso unberührt blieben wie die Unternehmereigenschaft der nichtlizenzierten Filmverleiher. Dieser Sachverhalt rechtfertigt es nach Ansicht des Senats, die vom Bf. im Rahmen seiner treuhänderischen Betätigung bewirkten Verleihumsätze nicht diesem, sondern jeweils dem Unternehmen desjenigen nichtlizenzierten Verleihers als Umsätze zuzurechnen, für dessen Rechnung der Bf. die Filme treuhänderisch verwaltet hat (zu vgl. auch Hübschmann-Hepp-Spitaler a. a. O. Anm. 4 Ziff. 3 d zu § 11 des Steueranpassungsgesetzes). Unerheblich ist es hierbei, ob der Bf. im eigenen Namen aufgetreten ist oder nicht.
Von dieser Beurteilung aus entfällt die aus der Auffassung der Vorinstanz notwendig folgende, mit dem Wesen eines Treuhandverhältnisses aber nach überzeugung des Senats nicht vereinbare Annahme einer zweigliedrigen Kette von Umsätzen (nichtlizenzierter Verleiher-Treuhänder, Treuhänder-Filmtheaterbesitzer).
Danach ergibt sich für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung folgendes:
Die nichtlizenzierten Filmverleiher, für deren Rechnung der Bf. als Treuhänder tätig geworden ist, schulden die Umsatzsteuer für die vollen Verleiherlöse;
der Bf. ist als durch behördliche Anordnung bestellter Treuhänder verpflichtet, die von den unter a) bezeichneten Filmverleihern geschuldete Umsatzsteuer aus den von ihm verwalteten Mitteln abzuführen (§§ 103, 104 der Reichsabgabenordnung - AO -); er haftet für die Umsatzsteuer in den durch § 109 AO gezogenen Grenzen;
der Bf. schuldet Umsatzsteuer für die ihm verbliebenen Teile der Verleiherlöse, weil sie das Entgelt für die von ihm im Rahmen seines Unternehmens entfaltete, als Entgelt für die Geschäftsbesorgung für Dritte zu wertende treuhänderische Tätigkeit darstellen.
Nach alledem ist die Vorentscheidung wegen rechtsirriger Beurteilung des Verleihs der Treuhandfilme aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 407848 |
BStBl III 1954, 120 |
BFHE 1954, 550 |
BFHE 58, 550 |