Leitsatz (amtlich)
Hebt der Bundesfinanzhof ein vor dem 1. Juli 1980 ergangenes Urteil eines Kölner Senates des Finanzgerichts Düsseldorf gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO auf, so war mangels einer Übergangsbestimmung im Sinn des § 3 Abs. 1 Nr. 6 FGO im Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung im Lande Nordrhein-Westfalen vom 5. Februar 1980 AGFGO n. F. (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 1980 Seite 102) das Verfahren an das Finanzgericht Düsseldorf zurückzuverweisen (vgl. nunmehr das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung im Lande Nordrhein-Westfalen vom 2. September 1980, Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 1980 Seite 754).
Normenkette
FGO § 3 Abs. 1 Nr. 6, § 126 Abs. 3; AGFGO Nordrhein-Westfalen i.d.F. d. ÄndG vom 5. Februar 1980 (GVBl 1980, 102)
Tatbestand
Das Finanzgericht Düsseldorf hatte durch einen Senat mit dem Sitz in Köln die Klage mit Urteil vom 9. Juli 1975 abgewiesen. Der Bundesfinanzhof hat auf die Revision des Klägers durch Urteil vom 14. August 1980 das Urteil des Finanzgerichts aufgehoben und die Sache zur an der weitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht Düsseldorf zurückverwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Sache ist an das Finanzgericht Düsseldorf zurückzuverweisen, das durch einen auswärtigen Senat mit dem Sitz in Köln (vgl. das Gesetz zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung vom 6. Oktober 1965 im Lande Nordrhein-Westfalen vom 1. Februar 1966 - AGFGO -, Gesetz- und Verordnungsblatt Nordrhein-Westfalen 1966 S. 23 - GVBl NW 1966, 23 -, § 1 Abs. 3 AGFGO) das aufgehobene Urteil erlassen hat. An der Zuständigkeit des Finanzgerichts Düsseldorf für die Fortsetzung dieses anhängigen finanzgerichtlichen Verfahrens hat sich durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung im Lande Nordrhein-Westfalen vom 5. Februar 1980 (AGFGO n. F., GVBl NW 1980, 102) nichts geändert, da es an einer Übergangsbestimmung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 6 FGO fehlt.
Im Gegensatz zur Zivilprozeßordnung - ZPO (§ 565) regelt die Finanzgerichtsordnung in § 126 Abs. 3 Nr. 2 zwar nicht ausdrücklich, an welches Gericht die Sache zurückzuverweisen ist. Die Finanzgerichtsordnung geht - wie auch § 144 Abs. 3 Nr. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) - aber als selbstverständlich davon aus, daß die Sache an das Finanzgericht zurückzuverweisen ist, welches das aufgehobene Urteil erlassen hat. Dies folgt schon daraus, daß mit der Zurückverweisung einer Sache nicht ein neues Verfahren eröffnet wird, sondern das Verfahren der unteren Instanz fortgesetzt wird, das in Wirklichkeit auch für diese Instanz noch nicht abgeschlossen war (vgl. Beschluß des Reichsgerichts vom 27. September 1938 VII B 10/38, RGZ 158, 195/196 und Urteil des Reichsgerichts vom 1. November 1935 Vl 453/34, RGZ 149, 158/160).
Aus dem Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit im weiteren Sinne bestimmt lediglich § 170 Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausdrücklich, daß die Sache an das Gericht zurückzuverweisen ist, welches das angefochtene Urteil erlassen hat. Ein Umkehrschluß dahin, daß angesichts des Fehlens einer solchen ausdrücklichen Regelung in der Finanzgerichtsordnung und in der Verwaltungsgerichtsordnung dort die Zurückverweisung auch an ein anderes Gericht erfolgen könne, läßt sich hieraus aber nicht ziehen. Der Bundesfinanzhof ist allenfalls befugt, eine Sache nach Aufhebung an einen anderen Senat desselben Finanzgerichts zurückzuverweisen (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 30. März 1976 VII B 105/75, insoweit nv - in Anwendung des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO in Verbindung mit § 155 FGO; ebenso für das verwaltungsgerichtliche Verfahren das Bundesverwaltungsgericht in BVerwGE 17, 170/172, und in Neue Juristische Wochenschrift 1964 S. 1736 - NJW l964, 1736 -).
Auch die Kommentare äußern sich meist nur zur Zulässigkeit der Zurückverweisung an einen anderen Senat des Finanzgerichts, welches das aufgehobene Urteil erlassen hat (Gräber, Kommentar zur Finanzgerichtsordnung, Rdnr. 6 zu § 126; Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 9. Aufl., Rdnr. 6 zu § 126 FGO; Ziemer/Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., Rdnr. 17 zu § 126, Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 8. Aufl., Rdnr. 7 zu § 144). Ziemer/Birkholz (a. a. O.) betonen unter Berufung auf RGZ 53,4 ausdrücklich, daß der Bundesfinanzhof das Verfahren niemals an ein anderes Finanzgericht zurückverweisen dürfe (offengelassen im Urteil des Bundesfinanzhofes vom 21. Februar 1974 I R 160/71, BFHE 111, 506, 511, BStBl II 1974, 363).
Der Senat kann daher die Sache nur an das Finanzgericht Düsseldorf zurückverweisen, welches das aufgehobene Urteil erlassen hat. Dieses war für das Verfahren zuständig, und zwar mit seinen auswärtigen Senaten in Köln, da die angefochtenen Steuerbescheide, die Gegenstand des Verfahrens sind, vom Finanzamt Köln-Altstadt erlassen wurden, das zum Bezirk der Oberfinanzdirektion Köln gehört (vgl. § 1 Abs. 3 AGFGO vom 1. Februar 1966, GVBl NW 1966, 23). Seit dem Inkrafttreten des AGFGO vom 5. Februar 1980 am 1. Juli 1980 (vgl. Art. 3 AGFGO n. F.) bestehen diese auswärtigen Senate des Finanzgerichts Düsseldorf in Köln nicht weiter; denn seither gilt § 1 Abs. 3 AGFGO in der alten Fassung nicht mehr. Vielmehr haben nach Art. 1 § 1 AGFGO n. F. die Finanzgerichte im Lande Nordrhein-Westfalen nunmehr ihren Sitz in Düsseldorf, Köln und Münster.
Nach Art. 1 § 1 Abs. 2 AGFGO n. F. richtet sich die Zuständigkeit der Finanzgerichte nunmehr - von der Ausnahme in Art. 1 § 1 Abs. 3 AGFGO n. F. abgesehen - nach dem Bezirk der jeweiligen Oberfinanzdirektionen. Über die Zuständigkeit für beim Inkrafttreten der Neuregelung am 1. Juli 1980 bereits anhängige Verfahren beim Finanzgericht Düsseldorf und ihre etwaige Aufteilung zwischen den Finanzgerichten Düsseldorf und Köln besagt das Gesetz aber nichts. Dies hätte nahegelegen, da es das erklärte Ziel des Gesetzes vom 5. Februar 1980 war, ,,die Außenstelle Köln des Finanzgerichts Düsseldorf zu einem Finanzgericht Köln" zu verselbständigen (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung Nordrhein-Westfalen vom 15. November 1979, Landtagsdrucksache NW 8/5218, Vorblatt und S. 5). Eine solche -Verselbständigung", die eine Übergangsregelung hinsichtlich der anhängigen Verfahren u. U. entbehrlich machen würde, kennt aber die Finanzgerichtsordnung nicht. Sie bezeichnet solche Vorgänge vielmehr als Errichtung (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 FGO) eines Finanzgerichts bzw. als Änderungen in der Abgrenzung der Gerichtsbezirke (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 3 FGO).
Der Gesetzgeber wollte also wohl die bislang bei den auswärtigen Senaten des Finanzgerichts Düsseldorf mit dem Sitz in Köln anhängigen Verfahren - abgesehen von den in Art. 1 § 1 Abs. 3 AGFGO n. F. erwähnten Verfahren - dem neu errichteten Finanzgericht Köln zuweisen. Dazu hätte es jedoch nach § 3 Abs. 1 Nr. 6 FGO einer ausdrücklichen landesgesetzlichen Regelung bedurft. Denn beim Schweigen des Gesetzes im Zuge der Errichtung eines Finanzgerichts (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 FGO) und von Änderungen in der Abgrenzung der Gerichtsbezirke (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 FGO) richtet sich die Zuständigkeit nach den bisher geltenden Vorschriften. Der Grundsatz der perpetuatio fori, der alle Verfahrensgesetze beherrscht, soll also nach § 3 Abs. 1 Nr. 6 FGO gelten. Wenn das Gesetz keine gegenteilige Bestimmung enthält. Für das Verfahren wird das durch § 66 Abs. 3 FGO bestätigt, der ausdrücklich bestimmt, daß § 3 Abs. 1 Nr. 6 FGO unberührt bleibt.
Hieraus folgt, daß die beim Inkrafttreten des AGFGO n. F. vom 5. Februar 1980 beim Finanzgericht Düsseldorf (einschließlich der auswärtigen Senate in Köln) anhängigen Verfahren beim Finanzgericht Düsseldorf anhängig geblieben sind. Denn die Finanzgerichtsordnung enthält für die Errichtung eines Finanzgerichts, das aus auswärtigen Senaten eines anderen Finanzgerichts hervorgegangen ist, keine Ausnahmeregelung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 6 FGO. Die ,,Verselbständigung auswärtiger Senate" durch die Errichtung eines neuen Finanzgerichts kann daher nicht dazu führen, daß bei diesem neuen Finanzgericht ohne besondere gesetzliche Bestimmung diejenigen Verfahren verbleiben, die bisher bei diesen auswärtigen Senaten anhängig waren.
Da der Grundsatz der perpetuatio fori den gesetzlichen Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) bestimmt, erfordert die Durchbrechung dieses Grundsatzes eine ausdrückliche und klare gesetzliche Regelung, an der es hier fehlt. Der allein in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gekommene Wille der Landesregierung kann hieran nichts ändern. Auch in der Verselbständigung der Außenstelle Köln liegt die Errichtung eines Finanzgerichts im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 FGO; auch ist eine Änderung in der Abgrenzung der Gerichtsbezirke im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 3 FGO gegeben.
Da somit die am 1. Juli 1980 bei den auswärtigen Senaten des Finanzgerichts Düsseldorf in Köln anhängigen Verfahren nicht auf das Finanzgericht Köln übergegangen sind, sondern beim Finanzgericht Düsseldorf anhängig geblieben sind, ist das vorliegende Verfahren an das Finanzgericht Düsseldorf zurückzuverweisen. Mangels anderer Bestimmungen in der Finanzgerichtsordnung gilt für die Beurteilung der Zuständigkeit nach Zurückverweisung einer Sache dasselbe wie für die bislang anhängigen Verfahren. Denn das zurückverwiesene Verfahren wird beim Finanzgericht nicht etwa neu anhängig; vielmehr ist über die nach wie vor anhängige und zum Finanzgericht Düsseldorf erhobene Klage in Fortsetzung des früheren Verfahrens zu entscheiden (vgl. RGZ a. a. O.). Der Grundsatz der perpetuatio fori findet auch insoweit bereits im Reichsgesetz über die Zuständigkeit der Gerichte bei Änderungen der Gerichtseinteilung vom 6. Dezember 1933 (RGBl 11933, 1037, Art. 1 § 1 Satz 2) sowie in § 3 Abs. 1 Nr. 6 und § 66 Abs. 3 FGO seinen Niederschlag. Er ist mangels einer anderweitigen gesetzlichen Regelung somit auch im Falle der Zurückverweisung zu beachten.
Fundstellen
BStBl II 1981, 71 |
BFHE 1981, 440 |