Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Arbeitsbetriebe einer Strafanstalt sind nicht gewerbesteuerpflichtig, weil sie keine Gewinnabsicht verfolgen. Arbeitsbetriebe einer Untersuchungshaftvollzugsanstalt sind jedenfalls dann nicht gewerbesteuerpflichtig, wenn die Gefangenen nur in derselben Weise wie Strafgefangene beschäftigt werden.
Normenkette
GewStG § 2/1/1, § 2 Abs. 1 S. 2; GewStDV § 2
Tatbestand
Das Finanzamt hat gegen die Arbeitsbetriebe der Straf- und Untersuchungshaftanstalt aus der Summe der in den Unternehmerbetrieben (Arbeitsbetriebe ohne Eigenbetriebe) gezahlten Arbeits- und Leistungsbelohnungen Lohnsummensteuermeßbeträge für die Jahre 1953 bis 1955 festgesetzt. In diesen Unternehmerbetrieben werden neun Zehntel aller arbeitenden Gefangenen - und zwar überwiegend Untersuchungsgefangene - für fremde Unternehmer beschäftigt, hauptsächlich mit Papierarbeiten. Die Arbeiten sind meist einfacherer Art; sie setzen keine handwerklichen Kenntnisse und Fähigkeiten voraus. Die Unternehmer stellen das Arbeitsmaterial; beaufsichtigt wird die Arbeit von Gefängnisbeamten. Die Vergütungen, welche die Unternehmer an die Anstalt zu zahlen haben, entsprechen etwa den Löhnen für Heimarbeiter. Den Gefangenen bezahlt die Anstalt Arbeits- und Leistungsbelohnungen.
Die Sprungberufung des Landesjustizministers hatte dem Grunde nach keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Dessen Rb. war stattzugeben.
Die Lohnsummensteuer (§§ 23 ff. GewStG) ist ein - nicht verfassungswidriger (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 166/63 S vom 13. Dezember 1963, BStBl 1963 III S. 47, Slg. Bd. 78 S. 116; anderer Ansicht Hamann; Finanz-Rundschau 1962 S. 261, 1964 S. 90; Gründler, Deutsches Steuerrecht 1964 S. 314) - Teil der Gewerbesteuer (ß 6 Abs. 2 Satz 1 GewStG). Sie setzt also einen stehenden Gewerbebetrieb voraus (ß 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinn der EStG - § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG -. Unter diesen Begriff fallen jedoch nicht Unternehmen von Körperschaften des öffentlichen Rechts, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen (ß 2 Abs. 2 Satz 1 GewStDV).
Die letztgenannte Vorschrift geht auf § 1 Abs. 2 Satz 1 GewStDV 1940 zurück und findet darin ihre Rechtsgrundlage auch für die Erhebungszeiträume 1953 bis 1954. Auch § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GewStG blieb bis zu diesem Zeitpunkt unverändert. Daher kann dahingestellt bleiben, ob die hier nicht einschlägigen änderungen des § 1 GewStDV 1940 / § 2 GewStDV 1950 und 1955 durch die Verordnung zur änderung der Dritten Verordnung zur Durchführung des Gewerbesteuergesetzes vom 30. April 1952 (BGBl 1952 I S. 265, BStBl 1952 I S. 245) und durch die Neufassung der GewStDV 1955 vom 24. März 1956 (BGBl 1956 I S. 152, BStBl 1956 I S. 212) von der Ermächtigung in § 35 c GewStG in der Fassung des § 1 Ziff. 34 des Gesetzes zur änderung des Gewerbesteuerrechts vom 27. Dezember 1951 (BGBl 1951 I S. 996, BStBl 1952 I S. 2) gedeckt sind, und ob diese Ermächtigung selbst mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) vereinbar ist. Denn wäre § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStDV 1955 nichtig, so würde nach Art. 123 Abs. 1 GG die gleiche Vorschrift in der Fassung des § 1 Abs. 2 Satz 1 GewStDV 1940 auch für den Erhebungszeitraum 1955 fortgelten.
Strafanstalten und Untersuchungshaftanstalten dienen dem Vollzug einer Freiheitsstrafe oder Untersuchungshaft, also der Ausübung öffentlicher Gewalt durch einen gesetzlich zugelassenen, richterlich angeordneten Eingriff in die Freiheit der Person. Die Beschäftigung der Gefangenen während des Vollzugs ist als bloße Ausgestaltung, des Eingriffs der Freiheitsentziehung von dieser nicht zu trennen.
Für die zu Zuchthausstrafe Verurteilten ist die Arbeitspflicht zwingend vorgeschrieben. Nach § 15 Abs. 1 StGB sind sie in der Haftanstalt zu den eingeführten Arbeiten anzuhalten. Anders als bei der Gefängnisstrafe (ß 16 Abs. 2 StGB) braucht die Arbeit ihren Fähigkeiten und Verhältnissen nicht angemessen zu sein. Vom Wortlaut des Gesetzes her gesehen ist die Arbeitspflicht also ein Teil der Strafe und somit selbst Strafe, der Zwang zur Arbeit ein hoheitlicher Eingriff. Demgegenüber sind freilich kriminalpolitische Erwägungen in den Vordergrund getreten, das Ziel, den Gefangenen an eine geordnete Arbeit zu gewöhnen und ihn damit zu bessern. Die Arbeit in der Strafanstalt ist aber Bestandteil des hoheitlichen Strafvollzugs geblieben.
Die kriminalpolitische Zielsetzung des Strafvollzugs gilt insbesondere für die zu Gefängnisstrafe Verurteilten. Diese können nach § 16 Abs. 2 StGB auf eine ihren Fähigkeiten und Verhältnissen angemessene Weise beschäftigt werden, auf ihr Verlangen sind sie in dieser Weise zu beschäftigen. Das Gesetz gibt ihnen also einen Anspruch auf Beschäftigung und anerkennt damit, daß eine Freiheitsentziehung ohne jede Betätigungsmöglichkeit unerträglich werden kann. Die Freiheitsentziehung löst die Pflicht aus, dem Gefangenen eine angemessene Betätigung zu ermöglichen. Der Gedanke der Resozialisierung, die durch Müßiggang zumindest erschwert würde, die Gefahr von Haftpsychosen und das Erfordernis der Anstaltsdisziplin veranlassen die Strafanstalten ihrerseits, für eine Beschäftigung der Gefangenen zu sorgen. Die Gefangenen sollen an eine geordnete und wirtschaftlich nutzbringende Arbeit gewöhnt werden. Darum hat die Strafvollzugsordnung die durch § 16 Abs. 2 StGB eingeräumte Möglichkeit, die Gefangenen zu beschäftigen, zur Regel erhoben. Danach ist Arbeit die Grundlage eines geordneten und wirksamen Strafvollzugs, und es soll möglichst dafür gesorgt werden, daß jeder Gefangene stets mit nützlicher Arbeit beschäftigt wird. Auch dies ist untrennbarer Bestandteil des Strafvollzugs als eines Eingriffs und damit Ausübung der öffentlichen Gewalt. Dementsprechend stehen die Strafgefangenen zum Staat nicht in einem Arbeitsverhältnis (vgl. Entscheidung des Kammergerichts in Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1953 S. 957), sondern sie werden - sei es auf ihr Verlangen, sei es auf Anordnung der Strafanstalt - nur im Rahmen des hoheitlichen Gewaltenverhältnisses tätig.
Somit werden weder der Betrieb der Vollzugsanstalt insgesamt noch deren Arbeitsbetriebe allein deshalb zu einem gewerblichen Unternehmen, weil durch die Arbeit der Gefangenen Wirtschaftsgüter erzeugt werden. Das hat das Finanzgericht nicht verkannt. Es hat deshalb dem Lohnsummensteuermeßbetrag nur die Belohnungen zugrunde gelegt, die für Arbeit in den Unternehmerbetrieben geleistet wurden. Die Belohnungen für die Arbeit in den Eigenbetrieben, die nur für die Vollzugsanstalt selbst, für deren Angestellte und für die Justizverwaltung tätig wurden, sind dagegen auf Grund der Buchführung der Arbeitsverwaltung von der Summe der in den Arbeitsbetrieben geleisteten Belohnungen abgezogen worden. Diese Berechnung ist in sofern bedenklich, als das Finanzgericht die für einen gewerblichen Eigenbetrieb einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erforderliche Selbständigkeit nur für die Arbeitsbetriebe, nicht aber - innerhalb der Arbeitsbetriebe - für die Unternehmerbetriebe festgestellt hat, diesfalls also die Arbeitsbetriebe nur einheitlich beurteilt werden könnten.
Diese Frage kann indessen dahingestellt bleiben. Denn auch die sogenannten Unternehmerbetriebe eines Zuchthauses oder Gefängnisses sind keine Gewerbebetriebe (gewerbliche Unternehmen) im Sinne des § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GewStG, § 15 Ziff. 1 EStG, weil sie nicht mit der Absicht der Gewinnerzielung betrieben werden.
Im Außenverhältnis zwischen der Anstalt und dem Unternehmer schaltet sich die Arbeitsverwaltung der Vollzugsanstalt mit der Annahme von Aufträgen und der Herstellung von Gütern für fremde Unternehmer in den allgemeinen Wirtschaftsprozeß ein und nimmt am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil. Sie handelt insoweit nicht in Ausübung öffentlicher Gewalt; diese beschränkt sich vielmehr auf das Innenverhältnis der Anstalt. Gleichwohl sind die Unternehmerbetriebe nicht um des Wirtschaftsverkehrs willen eingerichtet. Die Hereinnahme von Aufträgen der Unternehmer ist nur ein Mittel, um die Gefangenen sinnvoll beschäftigen zu können. Denn eine sinnvolle Arbeit, die den Strafzweck fördert, muß produktiv sein und kann die Schaffenslust der Gefangenen nur dann anregen, wenn sie wirklich Werte schafft (vgl. Entscheidung des Kammergerichts, a. a. O.). Die Beschäftigung in Unternehmerbetrieben dient ebenso vorrangig den Interessen des Strafvollzugs wie die Beschäftigung in Eigenbetrieben; der wirtschaftliche Charakter der Strafanstalt würde hinsichtlich der Unternehmerbetriebe erst dann zu einer gewerblichen Tätigkeit führen, wenn die Strafanstalt eine Beschäftigung wählen würde, die durch die legitimen Ziele des Strafvollzugs nicht mehr gedeckt, sondern allein durch wirtschaftliche Interessen bestimmt wäre. Ein derartiges Verhalten ist im vorliegenden Fall weder behauptet noch ersichtlich.
Der Auffassung, daß das Gesamtbild der Unternehmerbetriebe einer Strafanstalt überwiegend nicht von der Beteiligung am Wirtschaftsverkehr geprägt wird, steht nicht entgegen, daß die Vollzugsanstalten bestrebt sein müssen, durch die Arbeitsbetriebe den Aufwand der Strafanstalt zu mindern, durch die Unternehmerbetriebe Erträge herbeizuführen. Denn dieses Streben kann sich nur in dem Rahmen entfalten, den der Zweck des Strafvollzugs als eines hoheitlichen Eingriffs in die Freiheit der Person zuläßt. Es kann auch nicht als ein Gewinnstreben angesehen werden, wie es zum Begriff eines gewerblichen Unternehmens gehört. Denn selbst in den Unternehmerbetrieben sind keine überschüsse zu erzielen; sie können bestenfalls ihren eigenen Aufwand decken und dadurch den viel höheren Gesamtaufwand der Vollzugsanstalt mindern. überschüsse lassen sich nur dann errechnen, wenn man den Erträgen der Arbeitsbetriebe nur die Dienstbezüge der in der Arbeitsverwaltung tätigen Beamten, die Geschäftsbedürfnisse, die Arbeitsbetriebskosten und die Arbeits- und Leistungsbelohnungen gegenüberstellt. Es geht aber nicht an, die Arbeitsbetriebe in dieser einseitigen Weise aus der Gesamtheit der Vollzugsanstalt herauszulösen und - so das Finanzamt im Berufungsverfahren - den Verpflegungsaufwand deshalb auszuscheiden, weil "mit dem Strafvollzug bzw. mit dem Entzug der Freiheit für die Vollzugsanstalt die Verpflichtung zur Beköstigung der Gefangenen unmittelbar verbunden ist". Ebensogut ließe sich umgekehrt sagen, daß ohne Freiheitsentzug an dieser Stelle keine Arbeit geleistet worden wäre. Rechnet man den Aufwendungen der Arbeitsbetriebe aber den Verpflegungs- und Unterbringungsaufwand für die in den Arbeitsbetrieben tätigen Gefangenen sowie eine angemessene Absetzung für Abnutzung für das Anlagevermögen der Arbeitsbetriebe hinzu, so kann von einem Gewinn nicht mehr die Rede sein.
In dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 96/51 U vom 15. Januar 1952 (BStBl 1952 III S. 61, Slg. Bd. 56 S. 148) ist allerdings für die Körperschaftsteuer die Ansicht vertreten worden, die Unternehmerbetriebe seien im wesentlichen ihres Ertrags wegen eingerichtet; bei ihnen sei die Beschäftigung der Gefangenen nur Beweggrund, also nur Mittel zum Zweck. An dieser Ansicht kann aus den bereits angegebenen Gründen nicht festgehalten werden. Es darf nicht übersehen werden, daß die erzieherisch richtige Beschäftigung die mit produktiver Tätigkeit ist, unter den produktiven Tätigkeiten die Strafanstalt aber nur eine beschränkte Anzahl auswählen kann. Die Strafanstalt wird auch hinsichtlich ihrer Arbeitsbetriebe und innerhalb dieser der Unternehmerbetriebe nicht schon deshalb selbst zum gewerblichen Unternehmer, weil sie unter den im Strafvollzug möglichen Arbeiten diejenigen auswählt, die zu höheren Einnahmen führen und damit die Gesamtkosten der Anstalt mindern (vgl. das zur Grundsteuer ergangene Urteil des Reichsfinanzhofs III 5/39 vom 1. September 1939, RStBl 1939 S. 1063). Ein wirtschaftliches Denken und Handeln erfordert der Begriff eines Hoheitsbetriebs (ß 2 Abs. 2 Satz 1 GewStDV) nicht; auch die in § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStDV beispielhaft aufgeführten Betriebe werden in aller Regel bestrebt sein, wenn auch nicht überschüsse zu erzielen, so doch möglichst ihren Aufwand durch eigene Einnahmen zu decken. über die Gewerbesteuerpflicht des Unternehmers, dem die "entgeltliche Arbeitergestellung" (Urteil des Bundesfinanzhofs I 96/51 U vom 15. Januar 1952, a. a. O.) zugute kommt, ist hier aber nicht zu entscheiden (dazu Beschluß des Bundesfinanzhofs I B 135/52 vom 25. November 1952, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Gewerbesteuergesetz, § 24, Rechtsspruch 3).
Bei der Beschäftigung der Untersuchungsgefangenen ist zwar der rechtliche Ausgangspunkt ein anderer, das Ergebnis aber das gleiche. Der Zweck der Untersuchungshaft ist nicht, die Gefangenen zu resozialisieren. Diese sind zur Arbeit in der Haftanstalt nicht verpflichtet. Der Wortlaut des Gesetzes (ß 116 StPO) gibt ihnen nicht einmal einen Anspruch darauf, auf Verlangen beschäftigt zu werden. Jedoch hat die Vollzugsanstalt die Pflicht, die Bedingungen der Untersuchungshaft so zu gestalten, daß der Gefangene kein den Umständen nach vermeidbares übel erleidet. Bedenkt man, daß § 16 Abs. 2 StGB dem zu Gefängnis Verurteilten einen Anspruch auf Beschäftigung gibt, also in der Beschäftigungslosigkeit eines arbeitswilligen Gefangenen eine zusätzliche Last sieht, so kann auch die Beschäftigung eines arbeitswilligen Untersuchungsgefangenen nicht als eine Maßnahme angesehen werden, die neben dem hoheitlichen Vollzug der Untersuchungshaft herläuft, selbst aber nicht Bestandteil des Vollzugs ist. Denn die mit der Freiheitsentziehung untrennbar verbundenen Fürsorgepflichten der öffentlichen Gewalt können einem Untersuchungsgefangenen gegenüber nicht geringer sein als gegenüber einem Strafgefangenen.
Anders als im Strafvollzug mag sich allerdings bei der Untersuchungshaft der Staat als Hoheitsträger darauf beschränken können, den Gefangenen eine freie Arbeit zu vermitteln, statt ihn hoheitlich zu beschäftigen. Das ist aber im vorliegenden Fall nicht geschehen. Die Vollzugsanstalt hat die Untersuchungsgefangenen nicht auf Grund privater Arbeitsverträge, sondern in derselben Weise wie die Strafgefangenen beschäftigt und ihnen dementsprechend keinen Lohn, sondern eine der Arbeitsleistung nicht entsprechende Belohnung gegeben. Sie hat die Untersuchungsgefangenen also nicht gewerblich beschäftigt, sondern bloß ihrer hoheitlichen Pflicht genügt, den Gefangenen durch die Möglichkeit sinnvoller Betätigung angemessene Lebensbedingungen zu bieten. Sie hat damit durch eine bestimmte Gestaltung des Vollzugs der Untersuchungshaft öffentliche Gewalt ausgeübt.
Soweit in der Vollzugsanstalt auch Strafhaft (ß 18 Abs. 2 StGB) vollzogen wird, kann das Ergebnis nicht anders sein.
Eine Gewerbesteuerpflicht ist somit nicht gegeben. Die Vorentscheidungen waren daher aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 411389 |
BStBl III 1965, 95 |
BFHE 1965, 262 |
BFHE 81, 262 |