Leitsatz (amtlich)
Ein FA verstößt jedenfalls dann nicht gegen Treu und Glauben, wenn es entgegen dem Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 29.November 1982 S 4509 - 14 V A 2 (DB 1983, 85) die Grunderwerbsteuer für einen vor dem 1.Januar 1983 abgeschlossenen Grundstückskaufvertrag nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 23.Juni 1982 II R 155/80 (BFHE 136, 427, BStBl II 1982, 741) erhebt und sich die Rechtsprechung des BFH zu der im Streitfall maßgebenden Rechtsfrage nicht verschärft hat.
Orientierungssatz
1. Auch die Gerichte haben Verwaltungsanweisungen zu berücksichtigen, welche aus Gründen des Vertrauensschutzes die Anpassung der Verwaltungspraxis an eine verschärfende Rechtsprechung oder an geänderte Rechtsauffassungen erleichtern sollen. Solche Übergangsregelungen stehen nicht im Belieben der Finanzverwaltung, sondern müssen jeweils durch § 131 Abs. 2 AO bzw. § 163 AO 1977 als Rechtsgrundlage gedeckt sein (BFH). Das Vertrauen des betreffenden Steuerpflichtigen muß schutzwürdig sein, um ausnahmsweise die Erhebung der nach dem Gesetz geschuldeten Steuer hindern zu können. Die Berufung auf eine geänderte Rechtsauffassung würde voraussetzen, daß eine gesicherte, für die Meinung des Steuerpflichtigen sprechende Rechtsauffassung bestand.
2. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet nicht die "Gleichstellung im Unrecht" (vgl. BFH-Rechtsprechung).
3. NV: Grunderwerbsteuer-Befreiung nach § 1 Nr. 5 GrEStWoBauG NW kann nicht gewährt werden, wenn der Kläger beim Erwerb der Eigentumswohnung nicht ernsthaft gewillt ist, sie in nicht allzu ferner Zeit bestimmungsgemäß zu nutzen (vgl. BFH-Urteil vom 23.7.1975 II R 117/74). Im Streitfall war die Wohnung seit Bezugsfertigkeit (15. April 1977) fremdvermietet und sollte erst 1984 vom Sohn des Klägers bezogen werden.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1940-03-29; AO 1977 § 163; AO § 131 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1; GrEStWG NW § 1 Nr. 5
Tatbestand
I. 1. Der Kläger schloß am 10.Mai 1976 mit dem Wohnungswirtschaftler A einen notariellen beurkundeten Vertrag, wonach er einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück für 68 900 DM kaufte. Nach § 4 des Vertrags verpflichtete er sich, gemeinsam mit den weiteren Miteigentümern entsprechend den vorliegenden und bekannten Bauplänen auf dem Grundbesitz Eigentumswohnungen zu errichten.
Bei Abschluß des Vertrags wurde der Kläger durch die K Treuhand, handelnd durch ihren Geschäftsführer --nach dem Wortlaut der notariellen Urkunde vollmachtlos-- vertreten. Er genehmigte die für ihn abgegebenen Erklärungen am 21.Mai 1976 in notariell beglaubigter Form.
2. Dem vorgenannten Vertrag waren nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) folgende Vorgänge vorausgegangen: Der Grundstückseigentümer A hatte mit der K Treuhand vereinbart, daß auf dem Grundstück ein Wohnhaus mit 23 Eigentumswohnungen nach dem sog. Kölner Modell errichtet werden und die K Treuhand die "Placierung" übernehmen sollte. Die Werbung der Interessenten sollte die X GmbH (GmbH) übernehmen.
Entsprechend dem Kölner Modell kam es in dem hier zu beurteilenden Fall zu folgenden Vereinbarungen:
a) Am 27.Dezember 1975 schloß der Kläger mit der GmbH einen als "Geschäftsbesorgungsauftrag" bezeichneten schriftlichen Vertrag. Danach wurde die GmbH "mit der Vermittlung nachstehend näher bezeichneter Eigentumswohnung im Rahmen der Baumaßnahme und dem Abschluß des Treuhandvertrages mit der K Treuhand" beauftragt. Als "Gesamtkosten" waren 192 850 DM genannt. Der Kläger beauftragte die GmbH außerdem, in seinem Namen mit der K Treuhand einen Treuhandvertrag abzuschließen.
b) Ebenfalls am 27.Dezember 1975 trat der Kläger einem schriftlichen Vertrag zur Errichtung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bei, die als "Ersterwerbergemeinschaft" bezeichnet wird. In der "Vorbemerkung" heißt es, die Gesellschafter seien Ersterwerber der für sie von der K Treuhand treuhänderisch zu übernehmenden Wohnungen. Die Ersterwerber fänden sich zur Wahrung ihrer gemeinschaftlichen Interessen an der Bauausführung und Vermietung zusammen. Die GbR wird in dem Vertrag als Innengesellschaft bezeichnet.
c) Am 28.Dezember 1975 wurde zwischen dem Kläger und der K Treuhand ein schriftlicher Treuhandvertrag abgeschlossen. Danach übernahm der Treuhänder "die Betreuung der wirtschaftlichen und rechtlichen Vorbereitung, Gestaltung, Durchführung, Abwicklung und Abrechnung sowie die Verwaltung des Bauvorhabens". Er schließe im Namen und für Rechnung des Treugebers über die schlüsselfertige Erstellung der gewährten Wohnungen einen Generalunternehmensvertrag ab und könne im Namen des Treugebers wirtschaftliche und technische Baubetreuungsverträge abschließen (§ 1). In § 2 des Vertrags heißt es dagegen, der Treuhänder trete nach außen im eigenen Namen auf.
d) Am 16.März 1976 erteilte der Kläger der K Treuhand notariell beurkundete Vollmacht zum Abschluß des Grundstückskaufvertrags. (Weshalb dann bei Abschluß des Grundstückskaufvertrags am 10.Mai 1976 die K Treuhand als vollmachtloser Vertreter des Klägers handelte und dieser den Vertrag am 21.Mai 1976 genehmigte, ist nicht ersichtlich.)
3. Die Planung des betreffenden Gebäudes war Anfang 1975 abgeschlossen. Am 20.August 1976 war der Abbruch des aufstehenden Altgebäudes beendet, so daß mit der Errichtung des Neubaues begonnen werden konnte. Die Wohnung des Klägers war am 15.April 1977 bezugsfertig. Der Kläger wurde am 19.Juli 1977 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Die Wohnung ist seit Bezugsfertigkeit fremdvermietet.
Das beklagte Finanzamt (FA) stellte den Erwerbsvorgang vorläufig durch interne Verfügung vom 7.Dezember 1976 von der Grunderwerbsteuer frei; der Kläger hatte Steuerbefreiung nach § 1 Nr.1, 3 und 4 des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau (GrEStWoBauG) beantragt.
Nach einer Betriebsprüfung bei der "Bauherrengemeinschaft" (seit dem 6.April 1976) kam das FA zu der Auffassung, der Kläger habe eine fertige Eigentumswohnung erworben. Mit Bescheid vom 27.Juni 1978 setzte es 13 499 DM Grunderwerbsteuer fest, berechnet nach einer Gegenleistung von 192 850 DM, das ist der "Gesamtaufwand" für die Eigentumswohnung (einschließlich Garage) entsprechend dem "Geschäftsbesorgungsauftrag" vom 27.Dezember 1975 (vgl. oben unter 2.a).
Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Die Klage wies das FG ab.
Mit der Revision verfolgt der Kläger weiterhin sein Klageziel, nämlich die Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
Der Grundstückskaufvertrag vom 10.Mai 1976 und die weiteren unter 2. genannten Verträge sind --wie das FG zu Recht entschieden hat-- ein einheitliches, auf den Erwerb der fertigen Eigentumswohnung (nebst Garage) gerichtetes Rechtsgeschäft.
++/ Der Kläger konnte gar nicht frei entscheiden, ob und ggf. wie er das Grundstück gemeinsam mit den übrigen Miteigentümern bebauen wollte; denn schon bei Abschluß des Grundstückskaufvertrags (10.Mai 1976) war er durch den "Geschäftsbesorgungsauftrag" vom 27.Dezember 1975 an die GmbH und den Treuhandvertrag vom 28.Dezember 1975 dahin festgelegt worden, daß ein bereits vorher von anderen Personen fertig geplantes bestimmtes Gebäude errichtet wurde. Der Grundstückskaufvertrag war nur ein unselbständiger Teil eines Vertragsbündels, das einheitlich angeboten wurde und nur einheitlich angenommen werden konnte; denn nur auf diese Weise konnte das Bauprojekt überhaupt verwirklicht werden. Der Senat verweist ergänzend auf seine Ausführungen in dem Beschluß vom 18.September 1985 II B 24-29/85 (BFHE 144, 280, BStBl II 1985, 627), in denen er zur grunderwerbsteuerrechtlichen Behandlung von derartigen Vertragsbündeln eingehend Stellung genommen hat. Somit braucht der Senat nicht mehr zu erörtern, ob auch weitere Umstände für ein einheitliches Vertragsgeflecht sprechen.
Fehler hinsichtlich der Höhe der Steuer sind nicht geltend gemacht worden und auch nicht ersichtlich.
Auch soweit das FG die Steuerbefreiung nach § 1 Nr.5 GrEStWoBauG versagt hat, ist die Entscheidung rechtsfehlerfrei. Die Wohnung war bei Erlaß des FG-Urteils seit Bezugsfertigkeit (15.April 1977) fremdvermietet und sollte nach den Angaben des Klägers gegenüber dem FG erst im Jahre 1984 von seinem Sohn bezogen werden. Das FG hat daraus geschlossen, daß der Kläger beim Erwerb der Wohnung nicht ernsthaft gewillt war, sie in nicht allzu ferner Zeit bestimmungsgemäß zu nutzen (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23.Juli 1975 II R 117/74, BFHE 117, 92, BStBl II 1976, 28). Umstände, die dafür sprechen könnten, daß der Kläger gleichwohl diesen ernstlichen Willen gehabt habe, seien von ihm nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich.
Diese tatsächlichen Feststellungen des FG über den Willen des Klägers hinsichtlich der Eigennutzung der Wohnung sind für das Revisionsgericht bindend (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Rüge des Klägers, "wenn das Finanzgericht jetzt vorträgt, daß Umstände, die dafür sprechen könnten, daß der Kläger den ernstlichen Willen gehabt habe, von ihm nicht vorgebracht worden und auch nicht ersichtlich sind, so kann damit nicht die Untersuchungspflicht des Finanzgerichts ersetzt werden", genügt nicht den Anforderungen an eine Verfahrensrüge (vgl. dazu das BFH-Urteil vom 26.Februar 1975 II R 120/73, BFHE 115, 185, BStBl II 1975, 489). /++
Das FA verstößt nicht gegen Treu und Glauben, wenn es den Steueranspruch geltend macht. Der Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 29.November 1982 S 4509 - 14 - V A 2 (Der Betrieb --DB-- 1983, 85) ist entgegen der Ansicht des Klägers insoweit kein Hinderungsgrund.
Nach dem vorgenannten Erlaß ist das Urteil des BFH vom 23.Juni 1982 II R 155/80 (BFHE 136, 427, BStBl II 1982, 741) "aus Gründen des Vertrauensschutzes" erstmalig auf Fälle anzuwenden, bei denen der notarielle Kaufvertrag nach dem 31.Dezember 1982 abgeschlossen wurde.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH haben auch die Gerichte Verwaltungserlasse zu berücksichtigen, welche aus Gründen des Vertrauensschutzes die Anpassung der Verwaltungspraxis an eine verschärfende Rechtsprechung oder an geänderte Rechtsauffassungen erleichtern sollen (vgl. z.B. die Urteile vom 3.Dezember 1970 IV R 170/67, BFHE 101, 373, BStBl II 1971, 321, und vom 23.Februar 1979 III R 16/78, BFHE 127, 476, BStBl II 1979, 455). Jedoch ist zu berücksichtigen, daß solche Übergangsregelungen nicht im Belieben der Finanzverwaltung stehen. Vielmehr müssen sie jeweils durch § 131 Abs.2 der Reichsabgabenordnung (AO) bzw. jetzt § 163 der Abgabenordnung (AO 1977) als Rechtsgrundlage gedeckt sein (BFH-Urteile vom 5.Dezember 1968 IV R 110/68, BFHE 94, 246, BStBl II 1969, 136, und vom 21.Dezember 1972 IV R 53/72, BFHE 107, 564, BStBl II 1973, 298 letzter Absatz der Gründe). Das Vertrauen des betreffenden Steuerpflichtigen muß schutzwürdig sein, um ausnahmsweise die Erhebung der nach dem Gesetz geschuldeten Steuer hindern zu können.
Im vorliegenden Fall hat der Kläger keinen Anspruch, von der Steuerforderung verschont zu bleiben. Die Erhebung der Steuer ist nicht unbillig; denn der Kläger hatte keinen Anlaß, auf eine für ihn günstige Rechtsprechung oder Rechtsauffassung zu vertrauen.
Die Rechtsprechung des Senats zu der im Streitfall maßgebenden Rechtsfrage hatte sich nicht verschärft. Der Kläger konnte bei Abschluß der hier zu beurteilenden Verträge vom Dezember 1975 bis Mai 1976 nicht darauf vertrauen, daß bei der gewählten Rechtsgestaltung nur der Erwerb des unbebauten Grundstücksanteils der Grunderwerbsteuer unterliegen würde. Schon in den beiden Urteilen vom 4.September 1974 II R 112/69 und II R 119/73 (BFHE 113, 545 und 480, BStBl II 1975, 89 und 91) hatte der Senat in Anlehnung an frühere Rechtsprechung (z.B. das Urteil vom 28.November 1967 II 102/63, BFHE 90, 534, BStBl II 1968, 186) ausgeführt, daß auch getrennte Rechtsgeschäfte über den Erwerb eines unbebauten Grundstücksanteils und die Errichtung einer Eigentumswohnung ein einheitliches Vertragswerk und damit ein Erwerbsvorgang i.S. des § 1 Abs.1 Nr.1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) sein können. Daß dies auch für den Fall gelten würde, daß als Grundstücksanteilsverkäufer und als Baubetreuer oder Lieferant der Eigentumswohnung verschiedene Personen auftraten, war nicht auszuschließen. Das zeigt auch das im BFH-Urteil vom 21.Dezember 1981 II R 124/79 (BFHE 135, 217, BStBl II 1982, 330) zitierte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20.Mai 1966 VZR 214/64 (Monatsschrift für Deutsches Recht 1966, 749). Unter diesen Umständen konnte der Kläger nicht damit rechnen und erst recht nicht darauf vertrauen, daß der Senat die Aufteilung in zwei Verträge ausnahmsweise bei dem hier zu beurteilenden Bauherrenmodell anerkennen würde, bei dessen vertraglicher Gestaltung der Interessent nur die Wahl zwischen dem Abschluß sämtlicher Verträge und einem Verzicht auf die Teilnahme an dem Projekt hatte.
Auch auf eine geänderte Rechtsauffassung kann der Kläger sich nicht berufen. Das würde voraussetzen, daß eine gesicherte, für die Meinung des Klägers sprechende Rechtsauffassung bestand. Das war jedoch nicht der Fall. Denn die Finanzverwaltung war zumindest teilweise auch schon vor Erlaß der Urteile in BFHE 113, 545 und 480, BStBl II 1975, 89 und 91 (und auch später) entsprechend den darin genannten Grundsätzen verfahren. Andernfalls hätte der Senat keine Gelegenheit gehabt, seine Ansicht in diesen Urteilen (und auch in späteren weiteren veröffentlichten und nicht veröffentlichten Entscheidungen) zu der grunderwerbsteuerrechtlichen Behandlung der Aufteilung eines einheitlichen Erwerbsvorgangs in mehrere Verträge darzustellen.
Selbst wenn jedoch die FÄ zum Teil auch eine für den Kläger günstige Auffassung vertreten haben sollten, wäre das unschädlich. Der Kläger könnte daraus keine Rechte herleiten. Auch Art.3 Abs.1 des Grundgesetzes, auf den sich der Kläger beruft, gebietet nicht die "Gleichstellung im Unrecht" (BFH-Urteile vom 20.Juli 1956 III 195/54 U, BFHE 63, 155, und vom 5.Dezember 1963 IV 375/60 U, BFHE 78, 379, BStBl III 1964, 146).
Fundstellen
Haufe-Index 61346 |
BStBl II 1986, 418 |
BFHE 145, 453 |
BFHE 1986, 453 |
BB 1986, 658-658 (ST) |
DB 1986, 950-951 (ST) |
HFR 1986, 311-312 (ST) |