Leitsatz (amtlich)
1. Ein Gesellschafter leistet auch Sicherheit im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 KVStG 1959, wenn er sich dem Kreditgeber der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, unmittelbar für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus dem Kreditgeschäft einzustehen und der Kreditgeber von ihm die Befriedigung seiner Forderungen (im Rahmen der geleisteten Sicherheiten) verlangen kann.
2. Ob sog. Patronatserklärungen Sicherheitsleistungen in diesem Sinne darstellen, hängt von dem Inhalt der jeweiligen Erklärung und deren Verpflichtungsgehalt ab.
2. Eine Patronatserklärung in Form einer Liquiditätsgarantie ist in der Regel keine Sicherheitsleistung im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 KVStG 1959.
Normenkette
KVStG 1959 § 3 Abs. 2 S. 1
Tatbestand
Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, hatte den Investitionsbedarf für ein Industrieprojekt auf 220 Mio. DM veranschlagt. Von dieser Summe sollte sie 70 Mio. DM als langfristiges Darlehen von ihrer alleinigen Gesellschafterin und Muttergesellschaft, der ... (im folgenden: Muttergesellschaft), erhalten. Weitere 70 Mio. DM sollten als mittelfristiger Konsortialbarkredit (im folgenden: Konsortialkredit) und die restlichen 80 Mio. DM als langfristiges Darlehen aufgenommen werden. Den Konsortialkredit hatte die Klägerin in mehreren Teilbeträgen abgerufen. Das FA (Beklagter) hatte die jeweils in Anspruch genommenen Teilbeträge gemäß § 3 Abs. 2 KVStG i. d. F. vom 24. Juli 1959 (BStBl I 1959, 596) und den Änderungen durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften und des KVStG vom 9. August 1960 (BStBl I 1960, 614) - KVStG 1959 - der Gesellschaftsteuer unterworfen. Gegenstand dieses Rechtsstreits ist die Gesellschaftsteuerfestsetzung bezüglich des ersten von der Klägerin in Anspruch genommenen Teilbetrags von 10 Mio. DM.
Der Konsortialkredit von 70 Mio. DM war von einem Bankenkonsortium gewährt worden, das unter Führung der ... (im folgenden: Bank) stand. Die Muttergesellschaft der Klägerin und die Bank hatten 1962 einen Vertrag geschlossen, für den deutsches Recht gilt und in dem etwa folgende Vereinbarungen sowie Erklärungen und Verpflichtungen enthalten sind:
a) Der Bau des Projekts genieße die volle Unterstützung der Muttergesellschaft und liege im Rahmen der Gesamtplanung ihrer Gruppe. Einen zusätzlichen Finanzierungsbedarf werde die Muttergesellschaft in Form von Darlehen oder durch Zuführung von haftendem Kapital decken.
b) Die sich während der Aufbauzeit ergebenden Verluste werde die Muttergesellschaft durch Kredite so rechtzeitig ausgleichen, daß dies in den Jahresschlußbilanzen berücksichtigt werden könne, auf Wunsch der Bank auch schon früher.
c) Die Muttergesellschaft werde während der Laufzeit der Fremdmittel ihre Entnahmen in bestimmter Weise beschränken.
d) Die Muttergesellschaft werde die Klägerin so ausreichend mit Rohstoffen beliefern, daß diese ihren vertraglichen Verpflichtungen nachkommen könne; sie werde das Eigentum an den Rohstoffen schon vor deren Verarbeitung und Bezahlung auf die Klägerin übertragen.
e) Die Muttergesellschaft erklärte den Rücktritt im Rang für alle ihre Kredite an die Klägerin hinter den Konsortialkredit und das Darlehen und ferner, daß sie ihre Forderungen aus diesen Krediten weder verpfänden noch in anderer Weise mit Rechten Dritter belasten werde. Sie verpflichtete sich, ihr Darlehen von 70 Mio. DM nicht vor der vollständigen Begleichung der Fremdmittel von der Klägerin zurückzurufen und ihre Verlustausgleichskredite nicht zurückzuverlangen, bevor nicht die entsprechenden Verluste restlos getilgt sind.
Mit Schreiben vom selben Tage, dem eine Abschrift des Vertrages beigefügt war, hatte die Bank der Klägerin den Konsortialkredit angeboten. In dem Schreiben heißt es u. a. .:
"... Die in dem vorerwähnten Vertrag niedergelegten Verpflichtungen sind mit der Maßgabe eingegangen worden, daß sie als Sicherheit für alle gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche dienen sollen, die der ... Bank ... zustehen. ..."
Die Klägerin hatte das Angebot mit - wie von der Bank erbeten - ausdrücklicher Zustimmung ihrer Muttergesellschaft angenommen.
Die Klägerin hatte bis zum 30. Juni 1962 aus dem Konsortialkredit in Teilbeträgen insgesamt 10 Mio. DM in Anspruch genommen. Für diesen Betrag hatte das FA Gesellschaftsteuer festgesetzt. Dabei war es davon ausgegangen, die Muttergesellschaft habe in dem Vertrag mit der Bank "Verpflichtungen übernommen, die der Sicherheitsleistung eines Gesellschafters gemäß § 3 Abs. 2 KVStG entsprechen", und hatte angenommen, daß der Konsortialkredit eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetze.
Die Sprungklage (Sprungberufung) der Klägerin hatte Erfolg. Das FG wertete den Vertrag zwischen der Muttergesellschaft der Klägerin und der Bank nicht als Sicherheit im Sinne des § 3 Abs. 2 KVStG 1959.
Mit der Revision rügt das FA mangelnde Sachaufklärung und rechtsfehlerhafte Anwendung des § 3 Abs. 2 KVStG 1959.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist unbegründet.
Das FG hat zu Recht den angefochtenen Gesellschaftsteuerbescheid aufgehoben. Der Konsortialkredit unterliegt schon deshalb nicht der Gesellschaftsteuer, weil die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 KVStG 1959 nicht gegeben sind: Die Klägerin hat zwar die Darlehen von einem Dritten erhalten, ihre Muttergesellschaft hat dafür aber keine Sicherheiten geleistet.
1. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch. Die Rüge falscher Rechtsanwendung ist keine Verfahrensrüge. Die Rüge, das FG habe den Inhalt der Vertragsentwürfe nicht als Entscheidungsgrundlage herangezogen, ist nicht schlüssig. Dem Inhalt dieser Entwürfe kommt für die Entscheidung des Senats keine Bedeutung zu. Es ist nicht festgestellt, ob den Entwürfen entsprechende Verträge abgeschlossen worden sind. Eine zulässige Sachaufklärungsrüge ist insoweit nicht erhoben. Im übrigen hat der Beklagte keinen Sachverhalt - unter Darstellung der ermittlungsbedürftigen Punkte und des aufgrund der Ermittlungen zu erwartenden Ergebnisses - bezeichnet, den das FG fehlerhaft nicht ermittelt haben soll.
2. Gemäß § 3 Abs. 1 KVStG 1959 unterlag die Gewährung von Darlehen an eine inländische Kapitalgesellschaft durch einen Gesellschafter der Gesellschaftsteuer, wenn die Darlehensgewährung eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzte (vgl. dazu Urteil des BFH vom 3. Dezember 1969 II 162/65, BFHE 98, 59, BStBl II 1970, 279). Solchen Darlehen eines Gesellschafters waren hinsichtlich der Besteuerung Darlehen eines Dritten gleichgestellt, wenn ein Gesellschafter dafür Sicherheit leistete (§ 3 Abs. 2 Satz 1 KVStG 1959).
3. Was als Sicherheit für ein Darlehen (vgl. dazu im allgemeinen Winden in Enzyklopädisches Lexikon für das Geld-, Bank- und Börsenwesen, 3. Aufl., Stichwort: Kreditsicherung - S. 1075 -; Lwowski, Kreditsicherheiten, 1972, S. 11 bis 16, 26. ff.; Jährig/Schuck, Handbuch des Kreditgeschäfts, 2. Aufl., 1975, S. 222 ff.) im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 KVStG 1959 anzusehen und zu werten ist, ließ sich dem Wortlaut dieser Gesetzesvorschrift nicht entnehmen. In ihr waren keine Sicherungsmittel im einzelnen aufgeführt. Maßgebend für die daher notwendige Auslegung der Bestimmung ist der objektiv geregelte Gesetzestatbestand (vgl. BFH-Entscheidung vom 7. Januar 1953 II 188/52 U, BFHE 57, 197, BStBl II 1953, 78, 79). Das Gesellschaftsteuerrecht knüpft grundsätzlich an die zivilrechtliche Ordnung an (so schon Entscheidungen des RFH vom 1. Mai 1928 II A 160/28 RFHE 23, 186, RStBl 1928, 203, und vom 26. Oktober 1932 II A 666/31, RFHE 32, 145, RStBl 1933, 60, ebenso BFH-Entscheidungen vom 24. Oktober 1956 II 107//55 U, BFHE 63, 402, BStBl III 1956, 351; vom 24. Juni 1964 II 18/62, HFR 1964, 455, sowie Egly, Gesellschaftsteuer, Kommentar, 2. Aufl., 1968, II. Abschn. 2 S. 68; Kamprad, DB 1967, 1869, und DB 1969, 327). Nach bürgerlichem Recht ist "Sicherheitsleistung ... die Sicherung der Verwirklichung eines gegenwärtigen oder zukünftigen Anspruchs durch Rechtsgeschäft" (Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, 14. Aufl., 1955, § 243 I, S. 1048). Dieser bürgerlich-rechtliche Begriff der Sicherheitsleistung erfaßt und umfaßt zumindest die in § 232 BGB aufgeführten sechs verschiedenen Formen der Realsicherheit und die nur subsidiär als siebte Form genannte Bürgschaft als Personalsicherheit. Der Senat braucht nicht abschließend dazu Stellung zu nehmen, ob ausschließlich die in § 232 BGB aufgeführten oder auch andere Sicherungsmittel als "Sicherheit" im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 KVStG 1959 in Betracht kommen können (vgl. z. B. die Aufstellung bei Egly, S. 171).
Den Sicherungsmitteln ist gemeinsam, daß sie dem Gläubiger entweder ein dingliches Befriedigungsrecht oder einen schuldrechtlichen Anspruch gegen einen (in der Regel vermögenden und sicheren) Dritten verschaffen. § 3 Abs. 2 KVStG 1959 konnte nicht entnommen werden, daß er nur die Darlehen erfassen sollte, für die eine der in § 232 BGB genannten Sicherheiten gestellt worden war. Ebensowenig gibt es Anhaltspunkte dafür, daß jede Vereinbarung als Sicherheitsleistung verstanden werden sollte, die in irgendeiner Weise zur Sicherung einer Darlehensforderung beitragen konnte. Nach Auffassung des Senats war danach eine Sicherheit im Sinne von § 3 Abs. 2 KVStG 1959 nur dann geleistet, wenn der Gesellschafter dem Darlehensgläubiger gegenüber unmittelbar mit seinem Vermögen einzustehen hatte, sei es durch Einräumung eines unmittelbaren Anspruchs des Gläubigers gegenüber dem Gesellschafter, sei es durch Einräumung eines unmittelbaren dinglichen Befriedigungsrechts an einem Vermögensgegenstand des Gesellschafters.
Das bedeutet für den Streitfall, daß eine kapitalverkehrsteuerrechtlich erhebliche Sicherheit dann geleistet ist, wenn die Muttergesellschaft der Bank unmittelbar für die Verbindlichkeiten der Klägerin aus dem Kreditgeschäft einstehen muß und die Bank (beim Ausfall der Klägerin) von der Muttergesellschaft die Befriedigung ihrer Forderungen aufgrund und im Rahmen der gewährten Sicherheitsleistung verlangen kann. Eine solche unmittelbare Sicherheitsleistung der Muttergesellschaft gegenüber der Bank bezüglich des von dieser gewährten Darlehens besteht nicht.
4. Die zwischen der Muttergesellschaft der Klägerin und der Bank im Vertrag und im Zusammenhang damit getroffenen Vereinbarungen enthalten - entgegen der Auffassung des Beklagten - keinen Kreditauftrag im Sinne des § 778 BGB, nach dem die Muttergesellschaft gegenüber der Bank "für die aus der Kreditgewährung entstehende Verbindlichkeit ... als Bürge" haften könnte. Den Vereinbarungen sind weder ein rechtsgeschäftlicher Wille der Muttergesellschaft zu entnehmen, sie wolle die Bank mit der Kreditgewährung an die Klägerin beauftragen und für die Verbindlichkeit der Klägerin aus dem Konsortialkredit einstehen, noch eine Erklärung der Bank, daß sie sich nicht nur der Klägerin, sondern auch gegenüber der Muttergesellschaft zur Gewährung des Konsortialkredits verpflichten wolle (vgl. Urteil des BGH vom 23. Mai 1960 VII ZR 41/59, Wertpapier-Mitteilungen 1960 S. 879 [880]- WM 1960, 879 [880]-). Der Beklagte irrt mit der Ansicht, diese wesentlichen Voraussetzungen für einen Kreditauftrag im Sinne des § 778 BGB in der Einleitung des Vertrags oder in den Vorbesprechungen zwischen der Muttergesellschaft und der Bank über die Modalitäten und Möglichkeiten einer Kreditgewährung sehen zu können. Ein wirtschaftliches Interesse der Muttergesellschaft an der Kreditgewährung kann den fehlenden Verpflichtungswillen ebensowenig ersetzen wie die Offenlegung der ganzen Investitionsplanung und die Übernahme anderweitiger Verpflichtungen.
Die von der Bank erbetene Zustimmung der Muttergesellschaft zur Annahme des Kreditangebots durch die Klägerin spricht gegen die Annahme eines Kreditauftrags. Einer solchen Zustimmung hätte es nicht bedurft, wenn die Muttergesellschaft selbst den Auftrag zur Kreditgewährung gegeben und damit zugleich gemäß § 778 BGB die Haftung als Bürge übernommen hätte. Dafür, daß diese Zustimmung "nur eine Umschreibung des wirklichen Sachverhalts", nämlich des von der Muttergesellschaft der Bank erteilten Kreditauftrags ist, ergeben sich aus dem festgestellten Sachverhalt keine Anhaltspunkte. Eine zulässige Verfahrensrüge ist insoweit nicht erhoben worden.
5. Die Verpflichtungserklärungen der Muttergesellschaft gegenüber der Bank stellen keine Sicherheitsleistungen im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 KVStG 1959 dar. Zwar handelt es sich dabei um Erklärungen, die zum Zwecke der Sicherung der Darlehen gegenüber der Bank abgegeben worden sind; ihr rechtlicher Verpflichtungsgehalt reicht jedoch nicht aus, sie als Sicherheiten im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 KVStG 1959 zu werten.
Die Verpflichtungserklärungen der Muttergesellschaft sind den sogenannten Patronatserklärungen zuzurechnen. Diese hatten unter der Geltung des § 3 Abs. 2 Satz 1 KVStG 1959 in der Kreditsicherungspraxis aus gesellschaftsteuerrechtlichen und aus bilanzrechtlichen Gründen eine immer größere Rolle gespielt. Sie bedürfen keiner bestimmten Form, unterliegen den freien Vereinbarungen der Parteien und reichen in ihren vom Inhalt und rechtlichen Gehalt her sehr unterschiedlichen Formen von bedeutungslosen Erklärungen bis zu rechtlich relevanten (garantie- und bürgschaftsähnlichen) Verpflichtungen (vgl. im allgemeinen Winden, S. 1080 und bezüglich der verschiedenen in der Kreditsicherungspraxis gebrauchten Formen insbesondere Kamprad, Zur Gesellschaftsteuerpflicht von Krediten, für die Gesellschafter Sicherheit leisten, DB 1967, 1869; Rümker, Probleme der Patronatserklärung in der Kreditsicherungspraxis, WM 1974, 990; Obermüller, Die Patronatserklärung, Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht 1975 S. 1, 3 ff. - ZGR 1975, 1, 3 ff. -; Bordt, Die Bedeutung von Patronatserklärungen für die Rechnungslegung, Die Wirtschaftsprüfung 1975 S. 285 ff. - WpG 1975, 285 ff. -; Schraepler, Patronatserklärung als Sicherheit, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 1975 S. 215 - ZFK 1975, 215 -). Der Verpflichtungsgehalt einer Patronatserklärung kann daher ebensowenig allgemeingültig festgelegt werden wie die gesellschaftsteuerrechtlichen Wirkungen einer solchen Erklärung. Beides muß aus dem Inhalt der jeweiligen Erklärung heraus nach deren Wortlaut und dem erkennbaren Willen der beteiligten Parteien geprüft und bestimmt werden. Es können deshalb auch nicht die Patronatserklärungen allgemein als Sicherheiten im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 KVStG 1959 angesehen und die damit zusammenhängenden Kredite der Gesellschaftsteuer unterworfen werden.
Die im Streitfall von der Muttergesellschaft der Klägerin abgegebenen Erklärungen lassen sich nicht in eine der im Schrifttum (vgl. die vorstehenden Hinweise, insbesondere Obermüller, S. 3, 4 und Rümker, S. 991 ff.) aufgeführten praxisüblichen "Grundformen" der Patronatserklärungen einordnen. Sie enthalten vielmehr eine Kombination von mehreren Elementen, die aus verschiedenen dieser Grundformen stammen, und darüber hinaus noch andere, in den allgemein üblichen Grundformen nicht ausdrücklich erfaßte Elemente.
5.1. Die Erklärungen der Muttergesellschaft über das geplante Projekt und die Zusage, einen über die veranschlagte Summe hinausgehenden Kostenbetrag zu dekken, enthalten Angaben unterschiedlicher Rechtsnatur.
Die Erklärungen bezüglich der Unterstützung des Projekts und dessen Zusammenhang mit der Gesamtplanung der Muttergesellschaft und ihrer Gruppe sind Auskünfte über die bestehenden Verhältnisse und planerischen Absichten. Ob in dieser Erklärung ein Auskunftsvertrag liegt (vgl. dazu im einzelnen Obermüller, S. 4 bis 6), kann hier dahinstehen. Ihr rechtlicher Gehalt besteht allenfalls in der Erteilung einer richtigen Auskunft, nicht aber in dem Einstehen der Muttergesellschaft für die Verbindlichkeiten der Klägerin aus dem Konsortialkredit.
Die von der Muttergesellschaft übernommene "Einschußpflicht" sollte die Aufbringung evtl. erforderlicher Mehrkosten und damit die planungsmäßige Fertigstellung des Projekts regeln und sichern. Die sich daraus möglicherweise ergebenden Ansprüche - ob diese nur der Klägerin (echter Vertrag zugunsten Dritter) oder nur der Bank (unechter Vertrag zugunsten Dritter) zustehen sollten, braucht weder geprüft noch entschieden zu werden - zielen nicht auf die Einhaltung der Verbindlichkeiten der Klägerin aus dem Konsortialkredit. Sie sind lediglich auf die Deckung evtl. Mehrkosten gerichtet. Dadurch übernimmt die Muttergesellschaft keine Gewähr in irgendeiner Form dafür, daß der Kredit zurückgezahlt wird. Das fertiggestellte Vorhaben mag zwar einen besonderen Wert und damit die Grundlage für eine (spätere und zusätzliche) Sicherung der Bank und aller anderen Gläubiger darstellen; die Zusage der Muttergesellschaft kann aber als bloße Verpflichtung zur Dekkung der Mehrkosten noch nicht als Sicherheit gewertet werden.
5.2. Durch die oben unter b), c) und e) wiedergegebenen Erklärungen der Muttergesellschaft (Verlustausgleich durch Kredite, Entnahmebeschränkungen; Rangrücktritt, Verzicht auf Rückforderung des Darlehens und Verzicht auf Belastungen) sollen Liquidität und Bonität der Klägerin, wie sie im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestanden haben, möglichst aufrechterhalten werden; sie stellen keine Verpflichtung zu einer laufenden Liquiditätsausstattung der Klägerin dar. Es soll vielmehr durch die im einzelnen aufgeführten, genau bestimmten Maßnahmen sichergestellt werden, daß das Zugriffsobjekt für den Anspruch auf Rückzahlung des Konsortialkredits in seinem Wert erhalten bleibt und nicht durch Verluste und Entnahmen in seinem Sicherungswert geschmälert wird. Die Erklärungen lassen insoweit den Willen der Muttergesellschaft erkennen, der Klägerin die Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten aus dem Kreditgeschäft nicht zu erschweren. Hinsichtlich des zeitlich begrenzten Ausgleichs der Verluste der Klägerin mag der Umfang der gegebenenfalls notwendig werdenden Kredite der Muttergesellschaft zweifelhaft sein. Wenn sich die "Verluste" auch nicht ohne weiteres konkretisieren und qualifizieren lassen, so soll ihr Ausgleich durch Kredite die liquiden Mittel der Klägerin und - im Falle des vorgesehenen Erlasses der Kredite - deren Vermögen sichern. Entsprechendes gilt für die vereinbarten Entnahmebeschränkungen, denen sich die Muttergesellschaft unterworfen hat, um eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin auszuschließen. Rangrücktritt, Rückforderungsverzicht und Verzicht auf Verpfändungen und Belastungen sollen verhindern, daß die Rückzahlung der von der Bank gewährten Mittel (Konsortialkredit und Darlehen) in irgendeiner Weise gefährdet wird.
Nach allem können diese Erklärungen der Muttergesellschaft weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit als Bürgschaft angesehen werden. Mit diesen Erklärungen hat sich die Muttergesellschaft nicht verpflichtet, selbst und unmittelbar für die Verbindlichkeiten der Klägerin aus dem Konsortialkredit wie diese einzustehen und ein entsprechendes Risiko der Bank gegenüber zu übernehmen.
Die Erklärungen der Muttergesellschaft bezüglich des Verlustausgleichs durch Kredite können rechtlich auch nicht als Garantievertrag eingeordnet werden. Dabei kann es sich allenfalls um eine sog. Zahlungsgarantie handeln, durch die die Zahlung einer bestimmten Geldsumme - ggf. nach Eintritt einer Bedingung oder an einem bestimmten Tag - garantiert wird (vgl. Jährig/Schuck, G IX, 2 b, S. 283, und Obermüller, II 7, S. 26 mit weiteren Nachweisen). Anhaltspunkte dafür, daß die Muttergesellschaft eine entsprechende Verpflichtung eingehen wollte, lassen sich den Vereinbarungen nicht entnehmen. Ein entsprechender Parteiwille ist nicht ersichtlich. Unabhängig davon decken sich die eingegangenen und garantierten Risikoverpflichtungen ihrer Höhe nach nicht mit dem Nennbetrag oder dem jeweiligen Restbetrag des Konsortialkredits. Faßt man indes den möglichen Inhalt eines Garantievertrages weit, so können die zwischen der Muttergesellschaft und der Bank getroffenen Vereinbarungen als Garantievertrag besonderer Art (so Bordt, Wpg 1975, 289) oder als Vertrag mit Garantieeffekt (Schraepler, ZFK 1975, 216) angesehen werden. Aber selbst dann können sie wegen ihrer Losgelöstheit von der "Hauptschuld" nicht als Sicherheit gerade für diese Schuld gewertet werden: Der Bank wäre es, falls die Klägerin ihren Verpflichtungen aus dem Kreditgeschäft nicht nachkommt, verwehrt, sich aufgrund dieser Vereinbarungen wegen ihrer Forderungen aus dem Konsortialkredit unmittelbar an die Muttergesellschaft zu halten. Sie hätte allenfalls dann einen Anspruch, wenn die Nichterfüllung der Verbindlichkeiten durch die Klägerin auf einem Zuwiderhandeln der Muttergesellschaft gegen die Vereinbarungen beruhen würde. In diesem Falle könnte sie als Erfüllungsanspruch aus den Erklärungen die darin vereinbarten Kreditleistungen der Muttergesellschaft verlangen, aber nicht an sich selbst, sondern nur an die Klägerin. Ihre Ansprüche aus dem Konsortialkredit müßte die Bank dann gegenüber der Klägerin geltend machen und durchzusetzen versuchen. Ein möglicher Schadensersatzanspruch gegen die Muttergesellschaft wegen Nichterfüllung ist für die Entscheidung des Senats ohne Bedeutung.
5.3. Die Erklärung der Muttergesellschaft, sie werde die Klägerin ausreichend mit Rohstoffen versorgen und das Eigentum an diesen noch vor deren Verarbeitung und Bezahlung auf die Klägerin übertragen, geht ihrem rechtlichen Gehalt nach über eine bloße Absichtserklärung hinaus. Sie enthält für die Muttergesellschaft ausdrückliche Verpflichtungen zur Lieferung von Rohstoffen in ausreichenden Mengen und zur (vorzeitigen) Übertragung des Eigentums. Betriebswirtschaftlich gesehen sollen diese Verpflichtungen die Auslastung der neu zu schaffenden Verarbeitungskapazitäten sowie die ständige Lieferungsbereitschaft der Klägerin sichern. Dadurch mag zwar zum Vorteil der Bank (und der übrigen Gläubiger) eine günstige Ertrags- und Vermögenslage der Klägerin herbeigeführt werden; eine zusätzliche Haftungsgrundlage zugunsten der Bank im Hinblick auf die Verbindlichkeiten der Klägerin aus dem Konsortialkredit ergibt sich daraus nicht. Die Bank könnte allenfalls von der Muttergesellschaft - einen unechten Vertrag zugunsten Dritter unterstellt - die Erfüllung der Lieferverpflichtungen und die Eigentumsübertragung an die Klägerin verlangen, nicht aber an sich selbst. Im übrigen würde die Muttergesellschaft damit eigene und von den Verbindlichkeiten der Klägerin aus dem Kreditgeschäft unabhängige Verpflichtungen erfüllen, nicht aber (fremde) Verbindlichkeiten der Klägerin.
6. Bei dieser Rechtsauffassung des Senats braucht nicht geprüft und entschieden zu werden, ob auch die zweite Tatbestandsvoraussetzung des § 3 Abs. 2 Satz 1 KVStG 1959 gegeben ist, nämlich ob das Darlehen eine durch Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzte.
Fundstellen
Haufe-Index 72146 |
BStBl II 1977, 91 |
BFHE 1977, 279 |