Leitsatz (amtlich)
1. Die Steuerfreiheit gemäß Art. 1 Nr. 4 GrESWG Bayern wegen Ersterwerbs einer Eigentumswohnung entfällt nicht deshalb, weil der Erwerber durch einen Kaufvertrag die Wohnung und durch einen späteren vor Bezugsfertigkeit der Eigentumswohnanlage abgeschlossenen Vertrag einen im Kellergeschoß belegenen Zubehörraum kauft. Dies gilt auch dann, wenn der im Kellergeschoß befindliche Raum einem besonderen Miteigentumsanteil zugeordnet worden ist.
2. Die Steuerfreiheit gemäß Art. 1 Nr. 4 GrESWG Bayern setzt voraus, daß Grundsteuerfreiheit gewährt wird. Im Einzelfall kann es unschädlich sein, daß diese nicht von dem auf die Bezugsfertigkeit oder den Erwerb folgenden Zeitpunkt an, sondern aus verfahrensrechtlichen Gründen erst von einem späteren Zeitpunkt an gewährt wird.
Normenkette
GrESWG Bayern 1969 Art. 1 Nr. 4
Tatbestand
Der Kläger hatte durch Vertrag vom April 1971 einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück nebst Sondereigentum an zwei im 4. Obergeschoß des Hauses belegenen Wohnungen erworben. Durch Vertrag vom Juni 1972 kaufte er einen weiteren Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an einem Kellerraum, der als Sauna ausgebaut wurde. Bezugsfertig wurde das Gebäude am 1. Oktober 1972. Am 19. März 1973 erließ die Stadt X einen Bescheid über die Anerkennung von Wohnungen als steuerbegünstigte Wohnungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz, in dem auch die vom Kläger erworbenen Eigentumswohnungen aufgeführt waren.
Der Kläger stellte in den am 23. März 1973 beim FA eingegangenen Erklärungen für die Feststellung des Einheitswertes für die Wohnräume im 4. Obergeschoß und für den Kellerraum den Antrag auf Grundsteuerbefreiung. Das beklagte FA stellte durch Bescheid vom 21. Mai 1974 den Einheitswert für den Kellerraum auf den 1. Januar 1973 im Wege der Nachfeststellung auf .... DM fest und setzte den Grundsteuermeßbetrag ohne Gewährung einer Grundsteuervergünstigung fest. Für die Wohnung im 4. Obergeschoß gewährte es durch einen Bescheid ebenfalls vom 21. Mai 1974 Grundsteuervergünstigung für die Zeit vom 1. Januar 1973 bis 31. Dezember 1982.
Auf Antrag des Klägers ergänzte die Stadt X den Anerkennungsbescheid vom 19. März 1973 durch einen Ergänzungsbescheid vom 21. Juni 1974 dahin, daß der als Sauna genutzte Kellerraum mit den Wohnräumen im 4. Obergeschoß eine wirtschaftliche Einheit bildet und daher ebenfalls Grundsteuervergünstigung genießt. Das FA stellte nunmehr durch Nachfeststellungsbescheid den Einheitswert für die Wohnräume einschließlich des Kellerraumes auf den 1. Januar 1974 fest und setzte den Grundsteuermeßbetrag ab 1. Januar 1974 bis zum 31. Dezember 1982 unter Gewährung von Grundsteuervergünstigung fest.
Die beantragte Grunderwerbsteuerbefreiung für den Erwerb des Kellerraumes gewährte das beklagte FA nicht. Es setzte vielmehr für diesen Erwerb Grunderwerbsteuer fest. Die nach Zurückweisung des Einspruchs eingelegte Klage hat Erfolg gehabt. Das FG hat den Erwerb des Kellerraumes von der Grunderwerbsteuer freigestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet.
1. Von der Grunderwerbsteuer befreit ist gem. Art. 1 Nr. 4 des Bayerischen Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau (GrESWG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Juli 1969 (GVBl 1969, 176) nicht nur der erste Erwerb eines Miteigentumsanteils verbunden mit dem Sondereigentum an den im 4. Obergeschoß belegenen Eigentumswohnungen, die nach dem Anerkennungsbescheid der Stadt X vom 19. März 1973 eine Wohnung bilden, sondern auch der Erwerb eines weiteren Miteigentumsanteils, verbunden mit dem Sondereigentum an einem als Sauna ausgebauten Kellerraum.
Die Wohnung und die Sauna bilden eine wirtschaftliche Einheit, die im ganzen grundsteuerbegünstigt ist, wie durch den Ergänzungsbescheid der Stadt X vom 21. Juni 1974 klargestellt wurde. Hieran ändert sich auch dadurch nichts, daß das Sondereigentum an der Wohnung und das Sondereigentum an der Sauna mit verschiedenen Miteigentumsanteilen verbunden worden sind. Maßgebend ist allein, daß die zu der wirtschaftlichen Einheit gehörenden Räume von einem Haushalt genutzt werden (vgl. hierzu auch das Urteil des BVerwG vom 13. August 1975 VIII C 95.73, Bundesbaublatt 1976 S. 144 und Troll, Grundsteuer, Kommentar, 3. Aufl., S. 431).
Bilden Wohnung und Sauna i. S. der Vorschriften über die Grundsteuervergünstigung eine wirtschaftliche Einheit, so gilt dies grundsätzlich auch für die Grunderwerbsteuerbefreiung. Aus den Besonderheiten des Grunderwerbsteuerrechts ergibt sich nicht, daß im vorliegenden Fall eine abweichende Beurteilung deshalb eintreten müsse, weil die Teile der wirtschaftlichen Einheit durch zwei zeitlich getrennte Verträge erworben worden sind. Zwar spricht Art. 1 Nr. 4 GrESWG von dem Erwerb einer Eigentumswohnung. Es ist aber kein Grund ersichtlich, warum der Erwerb einer grundsteuerbegünstigten Eigentumswohnung nur dann von der Grunderwerbsteuer befreit sein sollte, wenn dem Erwerb nur ein einziger Erwerbsvorgang zugrunde liegt. Steuerlich gefördert werden soll nicht schon der jeweilige Erwerbsvorgang, der vor der Fertigstellung der Wohnung liegen kann (vgl. Art. 1 Nr. 4 Abs. 3 GrESWG). Der jeweilige Erwerbsvorgang ist nur dann grunderwerbsteuerfrei, wenn der Erwerb zum Übergang der fertiggestellten Wohnung führt (vgl. Art. 1 Nr. 4 Abs. 2 Satz 1 GrESWG). Art. 1 Nr. 6 GrESWG spricht deshalb folgerichtig u. a. auch von einem Erwerber, der eine Eigentumswohnung i. S. der Nr. 4 übernommen hat. Ist danach die Übernahme der fertiggestellten Wohnung von entscheidender Bedeutung für die Grunderwerbsteuerfreiheit des Erwerbsvorgangs und wird die Grunderwerbsteuerfreiheit von der Grundsteuerbegünstigung der erworbenen Wohnung abhängig gemacht, so kann eine Wohnung, die i. S. der Vorschriften über die Grundsteuerbegünstigung eine wirtschaftliche Einheit bildet, auch dann grunderwerbsteuerfrei erworben werden, wenn der Erwerb durch zwei Verträge erfolgt.
Ob und inwieweit dies auch dann gilt, wenn erst nach der Übernahme der fertiggestellten Wohnung ein weiterer Raum hinzuerworben wird, der der Wohnung zugeordnet wird, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Insbesondere braucht auch nicht entschieden zu werden, ob der den Hinzuerwerb von Garagen betreffende Art. 1 Nr. 6 GrESWG auf den Hinzuerwerb anderer Räume zu einer Wohnung sinngemäß anzuwenden ist.
2. Dem FG ist darin zuzustimmen, daß die Grunderwerbsteuerfreiheit für den Erwerb des Miteigentumsanteils, mit dem das Sondereigentum an der Sauna verbunden ist, nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil das FA die Grundsteuerfreiheit für die Sauna nicht bereits von dem auf die Bezugsfertigkeit der Eigentumswohnanlage im Jahr 1972 folgenden 1. Januar 1973, sondern erst ab 1. Januar 1974 gewährt hat. Aus dem Urteil des Senats vom 8. August 1973 II R 92/66 (BFHE 110, 373, BStBl II 1974, 38) kann nichts anderes hergeleitet werden. Der Senat hat es dort zwar hinsichtlich der aus Art. 1 Nr. 4 GrESWG abgeleiteten Voraussetzung, daß die Grundsteuervergünstigung tatsächlich gewährt werden muß, für ausreichend erklärt, es genüge, daß der Steuerpflichtige die Grundsteuervergünstigung zum nächsten Stichtag nach der Fertigstellung bzw. nach seinem Erwerb beantragt und tatsächlich erhält (vgl. zum niedersächsischen Recht auch das Urteil vom 21. Januar 1976 II R 30/71, BFHE 118, 241, BStBl II 1976, 348). Im vorliegenden Fall ist aber zu beachten, daß der Kläger die Grundsteuervergünstigung für die Wohnung und für die Sauna bereits durch die am 23. März 1973 beim FA eingegangenen Erklärungen für die Feststellung der Einheitswerte für die Wohnräume im 4. Obergeschoß und für die Sauna beantragt hat. Als das FA am 21. Mai 1974 den Grundsteuermeßbescheid für die Sauna erließ, war ihm der Anerkennungsbescheid der Stadt X vom 19. März 1973 bekannt. Dort war zwar die Sauna als steuerbegünstigt nicht gesondert aufgeführt. Die Anerkennung einer Wohnung als steuerbegünstigt erstreckt sich aber auf die anerkannte Wohnung in ihrem gesamten Bestand, d. h. einschließlich der zur Wohnung gehörenden Nebenräume (vgl. Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Wohnungsbaurecht, II. WoBauG § 82 Anm. 18 - 42. Ergänzungslieferung -).
Das FA hätte unter diesen Umständen Anlaß gehabt, diese Frage zu klären, zumal die Grundsteuervergünstigung nicht davon abhängig ist, daß der Steuerpflichtige einen formellen Antrag stellt (vgl. Troll, a. a. O., S. 446, 447). Hätte der Kläger gegen den Grundsteuermeßbescheid Einspruch eingelegt, so hätte er nach Sachlage Grundsteuerfreiheit auch für die Sauna schon ab 1. Januar 1973 erlangen können. Die Nichteinlegung des Einspruchs kann nicht dem bewußten Verzicht auf die Grundsteuervergünstigung gleichgestellt werden. Aus dem Gesamtverhalten des Klägers kann vielmehr gefolgert werden, daß die verspätete Gewährung der Grundsteuerfreiheit für die Sauna nicht seinem Willen entsprach. Unter diesen Umständen liegt ein Sonderfall vor, der nicht anders zu beurteilen ist als der vom Senat am 1. August 1967 entschiedene (vgl. Urteil II 238/65, BFHE 89, 551, BStBl III 1967, 710).
Auf die Rechtslage ab 1. Januar 1974 (vgl. die Ausführungen von Troll, a. a. O., S. 448 oben, wonach auch bei einem verspäteten Antrag die Grundsteuervergünstigung noch bis zum Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit zurück, längstens jedoch bis zu fünf Jahren zurück gewährt werden könne) ist hier nicht einzugehen.
Fundstellen
Haufe-Index 72249 |
BStBl II 1977, 329 |
BFHE 1977, 99 |