Leitsatz (amtlich)
Erläßt ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, einem Schuldner aus privaten Gründen eine Honorarforderung, so ist dieser Vorgang als Entnahme der Honorarforderung zu werten. Der Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ist um den Wert der entnommenen Honorarforderung zu erhöhen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 3
Tatbestand
Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1965, ob der Kläger auf eine Honorarforderung in Höhe von 30 000 DM nur im Hinblick auf eine vom Honorarschuldner, dem Bruder des Klägers, beim Erwerb von Eigentumswohnungen gewährte Kaufpreisermäßigung verzichtete und deshalb der nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte Gewinn des Klägers aus selbständiger Arbeit um 30 000 DM zu erhöhen ist.
Der Kläger war im Streitjahr 1965 als selbständiger Architekt tätig. Seine Einkünfte aus selbständiger Arbeit ermittelte er als Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 3 EStG).
Der Kläger hatte gegen die Firma D Baufinanzierungs KG (im folgenden KG) erhebliche Honorarforderungen. Diese erschienen infolge von Zahlungsschwierigkeiten der KG gefährdet. Der Kläger entschloß sich daher, zum Ausgleich seiner Forderungen unter anderem einige Geschosse des der KG gehörigen, in Eigentumswohnungen aufgeteilten Hausgrundstücks in ... zu erwerben.
a) Durch notariellen Kaufvertrag vom 29. Dezember 1964 erwarb der Kläger das Ladengeschoß und das erste Obergeschoß. Den Kaufpreis beglich der Kläger durch Übernahme von Grundpfandrechten, durch Barzahlungen und durch Aufrechnung mit seinen Honorarforderungen gegen die KG.
b) Durch zwei weitere notarielle Kaufverträge vom 15. Dezember 1965 erwarb der Kläger im zweiten Obergeschoß eine Wohnung und Büroräume, die er bis dahin gemietet hatte. Den Kaufpreis beglich der Kläger durch Übernahme von Grundpfandrechten und durch eine Barzahlung.
c) Die restlichen beiden Obergeschosse des Anwesens, nämlich das dritte und vierte Obergeschoß, erwarb durch notariellen Kaufvertrag vom 29. Dezember 1965 auf Veranlassung des Klägers dessen Bruder, der Arzt Dr. M. Dr. M. und die KG hatten sich in Vorverhandlungen zunächst auf einen Kaufpreis von 250 000 DM geeinigt. Kurz vor der notariellen Beurkundung des Kaufvertrags erklärte Dr. M. jedoch dem Kläger, der Kaufpreis von 250 000 DM sei ihm zu hoch, er sei nur bereit, 220 000 DM zu zahlen. Bei der Beurkundung des Kaufvertrags am 29. Dezember 1965 verhandelten Dr. M. und der geschäftsführende Gesellschafter der KG S. D. in Anwesenheit des Klägers erneut über den Kaufpreis. Bei dieser Gelegenheit erklärte sich der Kläger bereit, der KG einen Nachlaß von 30 000 DM auf seine Honorarforderung für ein Bauvorhaben einzuräumen. Die KG einigte sich daraufhin mit Dr. M. auf einen Kaufpreis von 220 000 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) vertrat im Anschluß an eine Betriebsprüfung die Auffassung, daß bei Abschluß des Kaufvertrags vom 29. Dezember 1965 eine Verrechnung mit der Honorarforderung des Klägers gegen die KG in Höhe von 30 000 DM stattgefunden habe. Denn die Parteien hätten sich zunächst auf einen Kaufpreis von 250 000 DM geeinigt und diesen erst nach einem Verzicht des Klägers auf eine Honorarforderung von 30 000 DM auf 220 000 DM herabgesetzt.
Das FA erhöhte deshalb den erklärten Gewinn um 30 000 DM und erließ auf dieser Grundlage am 3. Juli 1968 einen Einkommensteuerbescheid für 1965.
Der Einspruch des Klägers, mit dem sich dieser dagegen wandte, daß der Nachlaß auf seine Honorarforderung gegen die KG als Betriebseinnahme behandelt und sein Gewinn um diesen Betrag erhöht werde, hatte keinen Erfolg; das FA berichtigte einen Rechenfehler und erhöhte die Steuerfeststezung.
Die Klage wies das FG ab. Das FG war der Auffassung, daß der teilweise Erlaß der Honorarforderung auf privaten Erwägungen beruhe. Es habe ein im Ergebnis einer Aufrechnung gleichzusetzender wechselseitiger Verzicht (einerseits auf die Honorarforderung, andererseits auf einen höheren Kaufpreis) stattgefunden; deshalb sei von einem Zufluß (§ 11 EStG) in Höhe des streitigen Betrags und einer anschließenden Einkommensverwendung des Klägers (§ 12 EStG) auszugehen.
Mit der Revision beantragt der Kläger (sinngemäß), das angefochtene Urteil aufzuheben und die streitige Steuerfestsetzung dahin zu ändern, daß der Betrag von 30 000 DM bei der Ermittlung des Einkommens für 1965 außer Ansatz bleibe. Der Kläger rügt insbesondere die Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Nach § 4 Abs. 3 EStG können Steuerpflichtige unter bestimmten Voraussetzungen den Gewinn als Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen. Dabei sind die Betriebseinnahmen innerhalb des Kalenderjahrs bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind (§ 11 Abs. 1 Satz 1 EstG).
a) Der Begriff der Betriebseinnahmen im Sinne des § 4 Abs. 3 EStG ist gesetzlich nicht bestimmt. Nach seinem Sinn und Zweck ist er in Anlehnung an die Vorschrift des § 8 EStG, die unmittelbar allerdings nur für die Einkunftsarten im Sinne des § 2 Abs. 3 Nrn. 4 bis 7 EStG gilt, und an die Vorschrift des § 4 Abs. 4 EStG dahin zu bestimmen, daß Betriebseinnahmen grundsätzlich alle Zugänge von Wirtschaftsgütern in der Form von Geld oder von Geldeswert sind, die durch den Betrieb veranlaßt sind (vgl. z. B. Urteil BFH vom 8. Oktober 1964 IV 365/62 U, BFHE 81, 33, BStBl III 1965, 12; siehe auch Urteil des BFH vom 13. Dezember 1973 I R 136/72, BFHE 111, 108, BStBl II 1974, 210; ferner Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 16. Aufl., § 4 EStG Anm. 90). Ist ein Betrieb auf die Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen gerichtet, so sind demnach Betriebseinnahmen insbesondere alle Entgelte für die erbrachten Dienst- oder Werkleistungen. Die Entgelte werden regelmäßig in Geld bestehen. Dann sind Betriebseinnahmen in dem Jahre bezogen, in dem der Geldbetrag als Barbetrag oder als Bankguthaben zufließt. Die Forderung auf Geldzahlung oder -überweisung selbst ist anders als bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 3 EStG) noch keine Betriebseinnahme im Sinne des § 4 Abs. 3 EStG (Herrmann/ Heuer, a. a. O., EStG § 4 Anm. 90 S. E 492). Die Entgelte können aber auch in anderen Vermögensgegenständen als Geld oder Bankguthaben bestehen, sei es, daß die Hingabe dieser Vermögensgegenstände von vornherein als Entgelt vereinbart ist oder daß diese an Erfüllungs Statt (§ 364 BGB) hingegeben werden. Auch der Zugang solcher Vermögensgegenstände, insbesondere von Sachwerten, ist Betriebseinnahme (Herrmann/Heuer, a. a. O., EStG § 4 Anm. 90; Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., § 4 Anm. 31 zu b; Segebrecht, Die Einnahme-Überschußrechnung, 3. Aufl., S. 47-48; siehe auch BFH-Urteil vom 31. August 1972 IV R 93/67, BFHE 107, 205, BStBl II 1973, 51). In diesem Falle sind die Betriebseinnahmen mit dem Erwerb der Vermögensgegenstände bezogen.
b) Die zu a) dargestellten Rechtsgrundsätze gelten auch dann, wenn derjenige, der einem Steuerpflichtigen für die von diesem erbrachten Dienst- oder Werkleistungen eine Vergütung in Geld schuldet, im Einvernehmen mit dem Steuerpflichtigen an einen Dritten einen Sachwert an Erfüllungs Statt überträgt und der Steuerpflichtige seinerseits von diesem Dritten hierfür ein Entgelt in Form von Geld oder anderen Vermögensgegenständen erhält. In diesem Falle ist das von dem Dritten an den Steuerpflichtigen geleistete Entgelt Betriebseinnahme. Die Rechtslage ist nicht anders, wie wenn der Steuerpflichtige seine Forderung auf eine Vergütung an einen Dritten gegen Entgelt abgetreten hätte (dazu z. B. Segebrecht, a. a. O., S. 49).
c) Zweifelhaft kann hingegen sein, wie es sich im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG auswirkt, wenn ein Steuerpflichtiger eine Honorarforderung, die ihm aufgrund erbrachter Dienst- oder Werkleistungen zusteht, nicht einzieht oder dem Schuldner erläßt (§ 397 BGB), ohne hierfür vom Schuldner selbst einen Ausgleich in Form eines Sachwertes oder von einem Dritten einen Ausgleich in Form von Geld oder eines Sachwertes zu erlangen.
aa) Sieht ein Steuerpflichtiger aus betrieblichen Gründen davon ab, eine entstandene Honorarforderung einzuziehen oder erläßt er sie aus betrieblichen Gründen dem Schuldner, so kann dies weder zu einer Erhöhung des Gewinns des Steuerpflichtigen in Höhe der nicht eingezogenen oder erlassenen Honorarforderung noch zu einer Minderung des Gewinns in dieser Höhe führen, denn eine Betriebseinnahme in Höhe der Honorarforderung ist in diesem Falle nicht zugeflossen und eine Ausgabe in Höhe der Honorarforderung ist - anders als z. B. beim Verlust einer betrieblichen Darlehnsforderung (dazu BFH-Urteil vom 2. September 1971 IV 342/65, BFHE 104, 311, BStBl II 1972, 334) - nicht geleistet. Das steuerliche Ergebnis ist letztlich das gleiche, wie wenn der Steuerpflichtige seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln würde; in diesem Falle wäre zwar bereits die Honorarforderung im Jahr ihrer Entstehung gewinnerhöhend zu erfassen gewesen; umgekehrt hätte sich dann aber der Verlust der Honorarforderung als Betriebsvermögensverlust im Jahr seines Eintritts gewinnmindernd ausgewirkt. Betriebliche Gründe im vorstehenden Sinne sind z. B. dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die Honorarforderung nicht einzieht und sie erläßt, weil er ihre Beitreibung für aussichtslos erachtet (z. B. wegen Vermögenslosigkeit des Schuldners oder wegen zu erwartender Einreden aus Gründen der Gewährleistung) oder weil er sich davon verspricht, daß er vom Honorarschuldner weitere Aufträge erhalten werde.
bb) Sieht ein Steuerpflichtiger hingegen aus p r i v a t e n Gründen davon ab, eine entstandene Honorarforderung einzuziehen oder erläßt er sie dem Schuldner aus privaten Gründen, so sind dem Steuerpflichtigen zwar ebenso wie bei einer Nichteinziehung oder einem Erlaß einer Honorarforderung aus betrieblichen Gründen keine Betriebseinnahmen zugeflossen. Gleichwohl ist der Gewinn des Steuerpflichtigen um den Wert der aus privaten Gründen nicht eingezogenen oder erlassenen Honorarforderung zu erhöhen, weil der Vorgang als Entnahme der Forderung zu werten ist und bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG dem Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben der Wert der Entnahmen - jedenfalls soweit diese nicht in Geld bestehen - hinzuzurechnen ist.
Während in § 4 Abs. 1 EStG ausdrücklich ausgesprochen ist, daß Gewinn der sich aus einem Betriebsvermögensvergleich ergebende Unterschied, vermehrt um die Entnahmen und vermindert um die Einlagen, ist, bezeichnet § 4 Abs. 3 EStG als Gewinn lediglich den Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben. Das ändert aber nichts daran, daß auch bei der Ermittlung des Gewinns nach § 4 Abs. 3 EStG Entnahmen und Einlagen zu berücksichtigen sind, und zwar grundsätzlich in der Weise, daß der Wert der Entnahmen dem Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben hinzugerechnet und der Wert der Einlagen davon abgezogen wird. Diese rechtliche Schlußfolgerung ergibt sich aus dem Verhältnis, in dem die Vorschrift des § 4 Abs. 1 EStG zur Vorschrift des § 4 Abs. 3 EStG steht. § 4 Abs. 3 EStG schafft keinen neuen und selbständigen Gewinnbegriff, sondern nur eine vereinfachte Technik der Gewinnermittlung. Daraus folgt, daß über die Gesamtheit der Jahre hinweg die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG letztlich zu demselben Gesamtergebnis führen muß, wie die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG (BFH-Urteile IV 342/65 und vom 6. Dezember 1972 IV R 4-5/72, BFHE 108, 162, BStBl II 1973, 293). Wenn aber die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zu demselben Gesamtergebnis führen muß wie die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG und wenn für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG die Berücksichtigung von Entnahmen und Einlagen wesentlich ist, so kann für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nichts anderes gelten, soweit sich nicht etwas Abweichendes aus der Eigenart dieser Gewinnermittlungstechnik, wie z. B. für die Entnahme von Geld, ergibt. Es wäre mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht vereinbar, wenn man bei einem Steuerpflichtigen mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG - anders als bei einem Steuerpflichtigen mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG - z. B. die Entnahmen von Waren, deren Anschaffungskosten den Gewinn des Steuerpflichtigen im Jahr der Anschaffung als Betriebsausgaben gemindert haben, nicht im Zeitpunkt der Entnahme mit ihrem Wert dem Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben hinzurechnen würde. Demgemäß geht auch das steuerrechtliche Schrifttum so gut wie allgemein davon aus, daß bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG Entnahmen und Einlagen im Grundsatz ebenso zu berücksichtigen sind, wie bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG (Herrmann/Heuer, a. a. O., EStG § 4 Anm. 90 S. E 492; Blümich/Falk, a. a. O., § 4 Anm. 24; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 11. Aufl., §§ 4, 5 RdNr. 970; Segebrecht, a. a. O., S. 65 f.). Die Rechtslage wird bestätigt durch die - für das Streitjahr allerdings noch nicht gültige - Neufassung des § 4 Abs. 3 EStG durch das 2. StÄndG 1971 (BGBl I 1971, 1266, BStBl I 1971, 373), d. h. durch den neu eingefügten Satz 4, der ausdrücklich von einer Veräußerung oder Entnahme bestimmter Wirtschaftsgüter spricht.
Ebenso wie bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG sind auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG grundsätzlich alle Wirtschaftsgüter entnahmefähig und deshalb zurechnungspflichtig; eine Ausnahme gilt bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG allerdings für Geld, weil sein Zufluß bereits als Betriebseinnahme erfaßt wurde oder das Geld ohne Fiktion einer Betriebsausgabe eingelegt wurde (Herrmann/Heuer, a. a. O., EStG § 4 Anm. 90 S. E 493; zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Geld bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG überhaupt Betriebsvermögen ist, Herrmann/Heuer, a. a. O., EStG § 4 Anm. 91 [6] S. E 503). Entnahmefähig sind insbesondere auch entstandene Honorarforderungen. Denn die Aufwendungen, die ein Steuerpflichtiger macht, um die geschuldeten Dienstoder Werkleistungen zu erbringen und damit die Honorarforderung zu erwerben, sind Betriebsausgaben und mindern als solche den nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelten Gewinn nicht anders als z. B. die Anschaffungskosten von Waren. Gegen die Entnahmefähigkeit von entstandenen Honorarforderungen läßt sich nicht einwenden, daß einkommensteuerrechtlich niemand gezwungen sei für seine Arbeitsleistung ein angemessenes Entgelt zu verlangen, und deshalb einkommensteuerrechtlich auch niemand gezwungen werden könne, entstandene Honorarforderungen einzuziehen. Der Grundsatz, daß für unentgeltlich erbrachte Leistungen einkommensteuerrechtlich kein fiktives Entgelt angesetzt werden kann, beruht auf der Erkenntnis, daß die menschliche Arbeitskraft kein entnahmefähiges Wirtschaftsgut ist (Blümich/Falk, a. a. O., § 4 Anm. 13 zu a und 24). Deshalb ist es grundsätzlich ohne Einfluß auf den zu versteuernden Gewinn, wenn ein Steuerpflichtiger im Rahmen seines Betriebs unentgeltlich tätig wird. Dies gilt in gleicher Weise für Gewerbetreibende wie für Freiberufler und unabhängig davon, ob der Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG oder § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wird. Die Rechtslage ist jedoch anders, wenn ein Steuerpflichtiger im Rahmen seines Betriebs seine Arbeitskraft entgeltlich verwertet und erst im Nachhinein aus privaten Gründen den entstandenen Anspruch auf Zahlung eines Entgeltes dem Schuldner erläßt. Denn anders als die menschliche Arbeitskraft ist ein Anspruch auf Zahlung eines Entgeltes ein Wirtschaftsgut, das entnommen werden kann. Für den Bereich des § 4 Abs. 1 EStG ist demnach nicht zweifelhaft, daß der Anspruch auf das Entgelt im Jahr der Ausführung der Leistung gewinnerhöhend zu aktivieren ist und der spätere Erlaß des Anspruchs aus privaten Gründen den Gewinn nicht mindern kann. Die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG muß zum gleichen Gesamtergebnis führen; das bedingt, daß der Anspruch auf das Entgelt im Zeitpunkt seines Erlasses unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Entnahme dem Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben hinzuzurechnen ist.
2. Der Senat braucht nicht zu der im Schrifttum vielfach unter Berufung auf die Entstehungsgeschichte des § 4 Abs. 3 EStG vertretenen Rechtsansicht Stellung zu nehmen, daß bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG im Interesse des durch die Vorschrift erstrebten Vereinfachungseffektes grundsätzlich eine reine Geldrechnung durchzuführen und deshalb nur der Unterschied zwischen den in G e l d bestehenden Betriebseinnahmen und den in Geld bestehenden Betriebsausgaben festzustellen sei (vgl. insbesondere Söffing, NSt Gewinnermittlung Darstellung 1 S. 4-5; Herrmann/Heuer, a. a. O., EStG § 4 Anm. 90 S. E 491). Denn auch die Vertreter dieser Rechtsansicht gehen davon aus, daß
a) der Unterschiedsbetrag zwischen den in Geld bestehenden Betriebseinnahmen und den in Geld bestehenden Betriebsausgaben um den Wert der nicht in Geld bestehenden Entnahmen zu vermehren und um den Wert der nicht in Geld bestehenden Einlagen zu vermindern ist und
b) dann, wenn z. B. ein Steuerpflichtiger für eine Lieferung oder Leistung als Entgelt einen Gegenstand erhält, der bei ihm Privatvermögen wird, der Anspruch auf das Entgelt oder der dafür erlangte Vermögensgegenstand mit ihrem Wert den Unterschiedsbetrag zwischen den in Geld bestehenden Betriebseinnahmen und den in Geld bestehenden Betriebsausgaben hinzuzurechnen ist (vgl. Söffing, a. a. O., S. 13-14; auch Herrmann/Heuer, a. a. O., EStG § 4 Anm. 91 [5]).
3. Die Anwendung der dargestellten Rechtsgrundsätze auf den Streitfall ergibt:
a) Es ist eine Frage der Tatsachenfeststellungen, ob der Kläger auf seine Honorarforderung gegen die KG in Höhe von 30 000 DM aus betrieblichen oder aus privaten Gründen verzichtete. Das FG ist im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 96 FGO) zu der Überzeugung gekommen, daß der Forderungserlaß privat motiviert und nicht betrieblich veranlaßt war, und hat dies in der angefochtenen Entscheidung festgestellt. Diese Feststellung ist für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Das FG stützt seine Überzeugung in erster Linie auf die schriftliche Erklärung, die der geschäftsführende Gesellschafter der KG gegenüber dem Betriebsprüfer abgegeben hat, und auf die Gesamtumstände, unter denen der Forderungsverzicht zustande gekommen ist (privates Interesse des Klägers, daß der Kaufvertrag mit seinem Bruder zustande kommt; Erlaß eines festen Betrags und nicht etwa eines bestimmten Prozentsatzes der Rechnungssumme; keine vorherige Inaussichtstellung eines Rabatts). Diese Beweiswürdigung ist möglich. Sie verstößt weder gegen die Denkgesetze noch gegen die allgemeine Lebenserfahrung und ist auch frei von Rechtsirrtümern.
Der Kläger hat nicht substantiiert dargetan, daß er von seiner Honorarforderung gegen die KG einen Teilbetrag in gleicher Weise und in gleicher Höhe erlassen hätte, wenn der Kaufvertrag zwischen seinem Bruder und der KG nicht oder zu anderen Bedingungen zustande gekommen wäre. Insbesondere ist nicht ersichtlich, welches betriebliche Interesse den Kläger zu einem Nachlaß auf seine Honorarforderung hätte bewegen können. Der Vortrag des Klägers, er habe in anderen Fällen Rabatte auf seine Honorarforderung gewährt, läßt ein betriebliches Interesse gerade im Streitfall nicht erkennen. Insbesondere ist nicht dargetan, daß der Kläger stets aus betrieblichen Gründen Rabatte in einer Größenordnung gewährte, die dem streitigen Betrag entspricht. Der Einwand der Revision, es widerspreche der Lebenserfahrung, daß der Kläger seinem Bruder, einem gutsituierten Arzt, 30 000 DM habe schenken wollen, kann keinen Erfolg haben. Das FG hat nicht festgestellt, daß der Grund für den Forderungserlaß gegenüber der KG eine Schenkung des Klägers an seinen Bruder war. Einer derartigen Feststellung bedarf es auch nicht. Die Schlußfolgerung, der Forderungserlaß sei privat veranlaßt gewesen, ist auch ohne eine solche Feststellung möglich. Denn es ist denkbar, daß zwischen dem Kläger und seinem Bruder ein ideeller oder materieller Ausgleich stattgefunden hat.
Die von der Revision erhobene Verfahrensrüge, die sich gegen die Verwertung der schriftlichen Erklärung des geschäftsführenden Gesellschafters der KG richtet, greift nicht durch. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme schließt allerdings aus, daß das Gericht schriftliche Erklärungen von Personen, die es als Zeugen hätte vernehmen können, tatsächlich aber nicht vernommen hat, so berücksichtigt, als ob es diese Personen als Zeugen vernommen hätte (vgl. BFH-Urteil vom 18. November 1971 VIII 21/65, BFHE 104, 409, BStBl II 1972, 399). Darum geht es im Streitfall aber nicht. Das FG hat den geschäftsführenden Gesellschafter der KG als Zeugen vernommen und diesem seine schriftliche Erklärung vom 17. Januar 1967 vorgehalten. Das FG hat aus der Existenz der schriftlichen Erklärung und der Bestätigung des Zeugen, daß seine Unterschrift unter der Erklärung echt sei, geschlossen, daß der Zeuge seinerzeit die Kaufpreisermäßigung erst zugestanden hat, nachdem der Kläger einen Honorarverzicht in Aussicht gestellt hatte. Zu dieser Schlußfolgerung war das FG in Rahmen der freien Beweiswürdigung befugt, auch wenn der Zeuge sich bei seiner Vernehmung weder an die Abgabe der Erklärung noch an deren Inhalt erinnerte. Wenn die Revision meint, die Erklärung vom 17. Januar 1967 sei nicht Gegenstand der Verhandlung gewesen und hätte deshalb nicht berücksichtigt werden dürfen, so verkennt sie, daß im finanzgerichtlichen Verfahren ein Schriftstück nicht nur wie z. B. im Strafprozeß durch Verlesen (vgl. § 249 der Strafprozeßordnung), sondern auch auf andere Weise, z. B. durch die Beiziehung der Akten, in denen das Schriftstück enthalten ist, und durch einen Vorhalt gegenüber einem Zeugen zum Gegenstand des Verfahrens werden kann. Der Kläger hatte auch Gelegenheit, die Akten einzusehen. Es mag sein, daß er um diese Akteneinsicht erst mit Schreiben vom 5. Oktober 1971, also nach Zustellung des FG-Urteils, gebeten hat. Das FG hat den Kläger aber in keiner Weise gehindert, von seinem Recht auf Akteneinsicht schon früher Gebrauch zu machen. Die mögliche Bedeutung der Erklärung mußte dem Kläger spätestens seit der Vernehmung des Zeugen und dem Vorhalt durch das FG klar sein.
b) Steht aber fest, daß der Kläger nicht aus betrieblichen, sondern aus privaten Gründen auf einen Teil seiner Honorarforderung gegen die KG verzichtete, so ist es unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Entnahme dieses Teils der Honorarforderung gerechtfertigt, ihren Wert, der mangels konkreter Anhaltspunkte für eine Wertminderung gleich dem Nennwert ist, dem Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben hinzuzurechnen.
Fundstellen
Haufe-Index 71395 |
BStBl II 1975, 526 |
BFHE 1975, 202 |