Entscheidungsstichwort (Thema)
(Grunderwerbsteuer: Verschmelzung von Genossenschaften, Anzeigepflicht des Registergerichts, Ablaufhemmung nach § 170 Abs.2 Satz 1 Nr.1 AO 1977)
Leitsatz (amtlich)
1. Wird durch Verschmelzung von Genossenschaften der Eigentumsübergang an einem Grundstück bewirkt, so wird der Tatbestand des § 1 Abs.1 Nr.3 GrEStG 1983 nicht dadurch ausgeschlossen, daß das betreffende Grundstück vor Eintragung der Verschmelzung in das Genossenschaftsregister von der erwerbenden mit Zustimmung der übertragenden Genossenschaft schuldrechtlich veräußert wird. In einem derartigen Fall kann jedoch die Gegenleistung für dieses Grundstück mit 0 zu bewerten sein.
2. Die Eintragung einer Verschmelzung von Genossenschaften in das Genossenschaftsregister der übertragenden Genossenschaft, die (auch) einen Wechsel im Grundstückseigentum bewirkt, ist vom Registergericht dem zuständigen FA anzuzeigen.
3. Die Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare nach § 18 GrEStG 1983 führt zu keiner Anlaufhemmung nach § 170 Abs.2 Satz 1 Nr.1 AO 1977.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 3, §§ 18-19; AO 1977 § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
Tatbestand
I. Die A e.G. und die B e.G. (Klägerin und Revisionsklägerin --Klägerin--) schlossen am 30. Juni 1983 einen Verschmelzungsvertrag. Nach diesem sollte das Vermögen der A e.G. (übertragende Genossenschaft) als Ganzes auf die Klägerin (übernehmende Genossenschaft) übertragen werden. Die Verschmelzung sollte aufgrund der Schlußbilanz der A e.G. zum 31. Dezember 1983 erfolgen. Die Verschmelzung wurde von den Generalversammlungen beider Genossenschaften am 27. August 1983 beschlossen. Die Verschmelzung wurde am 28. Mai 1984 zur Eintragung in das beim Amtsgericht geführte Genossenschaftsregister angemeldet und dort am 15. Juni 1984 eingetragen.
Die übertragende Genossenschaft (A e.G.) war Eigentümerin eines Grundstücks. Durch notariell beurkundete Erklärung vom 12. Juni 1984 gab die übernehmende Genossenschaft (Klägerin) für dieses Grundstück ein Kaufvertragsangebot ab. Das Angebot wurde der Stadt C und der Firma D erteilt. Der Vertrag sollte mit demjenigen zustandekommen, der dieses Angebot als erster annahm. Der Kaufpreis sollte 3 500 000 DM betragen. In der beurkundeten Erklärung wurde darauf hingewiesen, daß das Grundstück noch im Eigentum der übertragenden Genossenschaft (A e.G.) stehe, und die Eintragung der Verschmelzung im Genossenschaftsregister bereits beantragt sei. Die A e.G. stimmte in derselben Urkunde der angebotenen Veräußerung des Grundstücks, dessen künftiger Auflassung, der Eintragung der Auflassungsvormerkung, und allen sonstigen in der Angebotsurkunde enthaltenen Grundbuchbewilligungen und -anträgen zu. Nach dem in der Urkunde enthaltenen Wortlaut des Kaufvertrags wurde die Klägerin als Verkäufer bezeichnet. Durch notariell beurkundete Erklärungen vom 14. Juni 1984 --also vor Eintragung der Verschmelzung-- nahm die D das Angebot an. Damit sollte der Kaufvertrag zwischen der Klägerin und der D zustandegekommen sein.
Am 19. April 1989 erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gegen die Klägerin einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer. Der Bescheid war auf § 17 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983) gestützt und mit ihm sollten die Besteuerungsgrundlagen für den nach Auffassung des FA am 30. Juni 1983 durch Verschmelzung verwirklichten Erwerbsvorgang festgestellt werden. Die Besteuerungsgrundlage für das Grundstück wurde mit 2 395 170 DM festgestellt. Bei seiner Berechnung war das FA von einer Gesamtgegenleistung von 4 939 515 DM ausgegangen, in die es 895 385 DM Rücklagen einbezogen hatte. Von dieser Gesamtgegenleistung rechnete es 48,49 v.H. auf das Grundstück. Durch Änderungsbescheid vom 25. April 1989 wurde die Besteuerungsgrundlage ermäßigt und mit 1 960 998 DM festgestellt.
Hiergegen richtete sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage. Mit dieser wurde im wesentlichen folgendes geltend gemacht: Auf den Tatbestand des § 1 Abs.1 Nr.3 GrEStG 1983 seien sinngemäß die zu § 1 Abs.3 GrEStG 1983 entwickelten Grundsätze anzuwenden. Danach sei das Grundstück zum maßgeblichen Zeitpunkt (grunderwerbsteuerrechtlich) bereits dem endgültigen Erwerber zuzurechnen gewesen. Zumindest sei die anteilige Gegenleistung für das Grundstück mit 0 DM zu bewerten. Wegen Ablauf der Festsetzungsfrist sei eine Steuerfestsetzung nicht mehr möglich gewesen.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Der Tatbestand des § 1 Abs.1 Nr.3 GrEStG 1983 sei mit der Eintragung der Verschmelzung eingetreten. Der Verkauf des Grundstücks stehe dem Anfall von Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs.1 Nr.3 GrEStG 1983 nicht entgegen. Durch diesen Erwerbsvorgang sei es nicht verhindert worden, daß die Klägerin an dem Grundstück zivilrechtliches Eigentum erlangt habe. Die Übereignungsverpflichtung aus dem Verkauf des Grundstücks könne die anteilige Gegenleistung nicht berühren. Festsetzungsverjährung sei zum Zeitpunkt des Ergehens des Bescheids noch nicht eingetreten gewesen. Die Klägerin sei ihrer Anzeigepflicht nach § 19 Abs.1 Satz 2 GrEStG 1983 nicht nachgekommen. Die Festsetzungsfrist habe deswegen im Streitfall erst mit Ablauf des 31. Dezember 1991 geendet (§§ 169 Abs.2 Nr.2, 170 Abs.2 Satz 1 Nr.1 der Abgabenordnung --AO 1977--).
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Mit dieser wird Verletzung materiellen Rechts gerügt. Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Feststellungsbescheid aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie des Feststellungsbescheids und der diesen bestätigenden Einspruchsentscheidung.
Durch die Verschmelzung der übertragenden Genossenschaft mit der Klägerin wurde zwar für das Grundstück der Tatbestand des § 1 Abs.1 Nr.3 GrEStG 1983 erfüllt. Zum Zeitpunkt des Ergehens des angefochtenen Bescheids war jedoch die Feststellungsfrist bereits abgelaufen.
1. Nach § 93e Abs.1 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (GenG) geht mit der Eintragung der Verschmelzung in das Genossenschaftsregister des Sitzes der übertragenden Genossenschaft das Vermögen dieser Genossenschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Genossenschaft über (vgl. Klaus Müller, Kommentar zum Gesetz betreffend Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, § 93e Anm.2). Es gelten die allgemeinen Grundsätze der Gesamtrechtsnachfolge, d.h. das Vermögen geht als Ganzes kraft Gesetzes, ohne daß es dazu (weiterer) Einzelübertragungsakte bedarf, auf die übernehmende Genossenschaft über. Dieser Eigentumsübergang erfaßt notwendigerweise alle Sachen, die zu diesem Zeitpunkt zivilrechtlich Eigentum der übertragenden Genossenschaft sind. Zum Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung in das Genossenschaftsregister war im Streitfall die übertragende Genossenschaft zivilrechtlich Eigentümerin des Grundstücks. Mit der Eintragung in das Genossenschaftsregister ist daher das Eigentum an diesem Grundstück kraft Gesetzes auf die Klägerin übergegangen und damit der Tatbestand des § 1 Abs.1 Nr.3 GrEStG 1983 für dieses Grundstück erfüllt.
Die Tatsache, daß das Grundstück zuvor (schuldrechtlich) an einen Dritten verkauft worden war, kann die Tatbestandsmäßigkeit des Eigentumsübergangs kraft Gesetzes nicht ausschließen. Die von der Rechtsprechung des erkennenden Senats zu § 1 Abs.3 GrEStG 1983 entwickelten Grundsätze über die grunderwerbsteuerrechtliche Zuordnung von Grundstücken zum Vermögen einer Gesellschaft (vgl. Senatsurteil vom 30. März 1988 II R 76/87, BFHE 153, 63, BStBl II 1988, 550 m.w.N.) lassen sich auf den Tatbestand des § 1 Abs.1 Nr.3 GrEStG 1983 nicht übertragen. Nach § 1 Abs.3 GrEStG 1983 wird im Grunde genommen besteuert die durch bestimmte gesellschaftsrechtliche Vorgänge geschaffene Möglichkeit, ein Grundstück wirtschaftlich gleichsam wie ein Eigentümer zu beherrschen und verwerten. Dies rechtfertigt es, bei der Frage, welche Grundstücke der Gesellschaft insofern zuzurechnen sind, auf allgemeine grunderwerbsteuerrechtliche Grundsätze zurückzugreifen. Der Tatbestand des § 1 Abs.1 Nr.3 GrEStG 1983 knüpft demgegenüber ausschließlich an die zivilrechtliche (sachenrechtliche) Eigentumsänderung an, die durch eine "grunderwerbsteuerrechtliche Zuordnung" weder negativ ausgeschlossen, noch positiv bewirkt werden kann. Selbst wenn im Streitfall eine schuldrechtliche Veräußerung des Grundstücks vor Wirksamkeit der Verschmelzung durch die übertragende Genossenschaft vorläge, würde dies daher grundsätzlich den Tatbestand des § 1 Abs.1 Nr.3 GrEStG 1983 nicht ausschließen. Es ist allerdings denkbar, daß in einem derartigen Fall im Ergebnis keine Grunderwerbsteuer anfällt. Zwar liegt bei der Verschmelzung von Genossenschaften regelmäßig eine Gesamtgegenleistung vor (vgl. Senatsurteil vom 19. Februar 1992 II R 79/89, BFH/NV 1992, 838, m.w.N.), bei deren Aufteilung der auf das Grundstück entfallende Teil aber wegen der zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs bestehenden Übereignungsverpflichtung zu Lasten des Gesamtrechtsnachfolgers mit 0 DM zu bewerten sein könnte. Im Streitfall hat sich jedoch nicht die übertragende, sondern die übernehmende Genossenschaft zur Übertragung des Eigentums am Grundstück auf einen Dritten schuldrechtlich durch Kaufvertrag verpflichtet. Dies ergibt sich aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Kaufvertrags. Die --grundbuchrechtlich möglicherweise noch erforderliche-- "Zustimmung" der übertragenden Genossenschaft zu der in dem von der übernehmenden Genossenschaft abgeschlossenen Kaufvertrag enthaltenen Auflassungserklärung macht die übertragende Genossenschaft nicht zur Veräußerin des Grundstücks. Es liegt vielmehr ein Weiterverkauf des Grundstücks durch die übernehmende (=erwerbende) Genossenschaft an einen Dritten vor, der seinerseits der Grunderwerbsteuer unterliegt, ohne daß er die Grunderwerbsteuerpflicht des durch die Verschmelzung verwirklichten Erwerbsvorgangs der übernehmenden Genossenschaft beeinflußt. Es bedarf keiner näheren Erörterung, daß ein schuldrechtlicher Verkauf mit der Grunderwerbsteuerfolge auch möglich ist, wenn der Veräußerer zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags selbst nicht sachenrechtlich Eigentümer dieses Grundstücks ist.
Im Streitfall ist daher durch die Eintragung der Verschmelzung der beiden Genossenschaften Grunderwerbsteuer entstanden.
2. Zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Feststellungsbescheids war jedoch die Feststellungsfrist bereits abgelaufen. Der Bescheid ist daher bereits deswegen rechtswidrig, ohne daß es darauf ankommt, ob die sonstigen Voraussetzungen des § 17 GrEStG 1983 vorliegen.
a) Nach § 181 Abs.1 Satz 1 AO 1977 gelten für die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sinngemäß auch die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung (§ 169 ff. AO 1977). Die Feststellungsfrist ergibt sich daher sinngemäß aus § 169 Abs.2 AO 1977. Diese Frist war im Streitfall bei Erlaß des Feststellungsbescheids bereits abgelaufen. Entgegen der Auffassung des FG lagen die Voraussetzungen für eine Anlaufhemmung nach § 170 Abs.2 Satz 1 Nr.1 AO 1977 nicht vor.
Eine Anzeigepflicht der Klägerin (Steuerpflichtigen) nach dem allenfalls in Frage kommenden § 19 Abs.1 Satz 2 GrEStG 1983 bestand nicht, da der Erwerbsvorgang nach § 18 Abs.1 Satz 1 Nr.3 GrEStG 1983 von dem die Eintragung der Verschmelzung in das Genossenschaftsregister des Sitzes der übertragenden Genossenschaft vornehmenden Gericht dem FA hätte angezeigt werden müssen. Nach dieser Vorschrift haben die Gerichte, Behörden und Notare Anzeige zu erstatten über Zuschlagsbeschlüsse im Zwangsversteigerungsverfahren, Enteignungsbeschlüsse und andere Entscheidungen, durch die ein Wechsel im Grundstückseigentum bewirkt wird. Die Eintragung einer Verschmelzung in das Genossenschaftsregister, bei der der übertragenden Genossenschaft Grundstücke gehören, ist im Sinne dieser Vorschrift eine "Entscheidung, durch die ein Wechsel im Grundstückseigentum bewirkt wird". Die Eintragung der Verschmelzung hat --wie dargelegt-- zur Folge, daß Gesamtrechtsnachfolge eintritt. Die Eintragung bewirkt daher --sofern die Gesamtrechtsnachfolge auch Grundstücke erfaßt-- unmittelbar einen Wechsel im Grundstückseigentum. Die Eintragung ist auch eine Entscheidung i.S. des § 18 Abs.1 Satz 1 Nr.3 GrEStG 1983. Der Begriff Entscheidung im Sinne der Vorschrift ist keineswegs nur auf kontradiktorische Verfahren zugeschnitten. Dies ergibt sich bereits aus der Verknüpfung dieses Begriffs mit den Zuschlagbeschlüssen im Zwangsversteigerungsverfahren. Das Registergericht hat zu prüfen, ob alle Voraussetzungen einer Verschmelzung vorliegen. Erst wenn es diese Frage abschließend bejaht, erfolgt die beantragte Eintragung. Dem steht es nicht entgegen, daß die Eintragung verfahrensrechtlich aufgespalten ist in einerseits die Eintragungsverfügung (vgl. §§ 1, 2 der Verordnung über das Genossenschaftsregister, § 25 Abs.1 der Handelsregisterverfügung) und in andererseits die Ausführung der Verfügung (vgl. § 2 Abs.2 der Verordnung über das Genossenschaftsregister, § 28 der Handelsregisterverfügung). Auch wenn die Eintragungsverfügung nur eine für den inneren Dienst bestimmte gerichtliche Handlung ist (und deswegen keine beschwerdefähige Verfügung) und die im Vollzug der Verfügung erfolgende Eintragung eine gerichtliche Handlung ist, die den erstrebten Erfolg unmittelbar herbeiführt (vgl. Jansen, FGG, Kommentar, 2.Aufl., § 19 Anm.15 und 16), ist die Eintragung als solche gleichwohl als Entscheidung i.S. § 18 Abs.1 Satz 1 Nr.3 GrEStG 1983 anzusehen. Dies folgt aus dem Zweck dieser Vorschrift, es dem FA zu ermöglichen, alle grunderwerbsteuerrechtlich relevanten Rechtsvorgänge, mit denen andere staatliche Stellen befaßt sind, möglichst lückenlos zu erfassen. Die Tatsache, daß die Eintragung als solche nicht beschwerdefähig ist (vgl. Beschluß des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 21. März 1988 II ZB 69/87, BGHE 104, 61, 63 m.w.N.), ist in diesem Zusammenhang ohne Belang. Maßgebend für die Nichtbeschwerdefähigkeit der erfolgten Eintragung sind Publizitätsgründe, die der Rückgängigmachung der erfolgten Eintragung entgegenstehen. Das Registergericht kann auch erkennen, daß der Übergang des Vermögens (auch) ein Grundstück betrifft, da ihm die Schlußbilanz der übertragenden Genossenschaft vorzulegen ist (§ 93d Abs.3 GenG). Die Eintragung einer Verschmelzung von Genossenschaften in das Genossenschaftsregister der übertragenden Genossenschaft, die (auch) einen Wechsel im Grundstückseigentum bewirkt, ist daher nach § 18 Abs.1 Satz 1 Nr.3 GrEStG 1983 vom Registergericht dem zuständigen FA anzuzeigen (vgl. Hofmann, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 5.Aufl., § 18 Rdnr.5 a.E.; sowie zum früheren § 2 der Grunderwerbsteuer-Durchführungsverordnung von 1940; Jansen, a.a.O., § 130 Anm.11).
b) Die Anzeigepflicht des Gerichts schließt eine Anzeigepflicht der Klägerin nach § 19 Abs.1 Satz 2 GrEStG 1983 aus. Die Nichtanzeige durch die Klägerin bewirkt daher keine Anlaufhemmung nach § 170 Abs.2 Satz 1 Nr.1 AO 1977.
Die Anzeigepflicht des Gerichts und deren Nichterfüllung haben keinen Einfluß auf den Lauf der Feststellungs-(Festsetzungs-) frist. Nach § 170 Abs.2 Satz 1 Nr.1 AO 1977 in der für den Streitfall maßgeblichen Fassung ist der Anlauf der Festsetzungsfrist gehemmt, wenn aufgrund gesetzlicher Vorschrift eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist. Die Abhängigkeit der Anlaufhemmung von der Voraussetzung des Bestehens einer Steuererklärungs- oder Steueranmeldungspflicht verhindert, daß der Steuerpflichtige durch --ggf. gezielt-- verspätete Abgabe seiner Erklärung oder Anmeldung den Handlungszeitraum des FA verkürzt. Die Verlängerung der vom Gesetzgeber grundsätzlich für ausreichend gehaltenen Vierjahresfrist ist demnach insoweit an das Bestehen einer Handlungspflicht des Steuerpflichtigen oder seiner Vertreter bzw. der für ihn zum Handeln Verpflichteten geknüpft. Von deren Verhalten hängt der konkrete Lauf der Frist im Einzelfall ab. Im Gegensatz zur Steuerklärung und Steueranmeldung kennen die Steuergesetze --wie § 18 GrEStG 1983 zeigt-- viele Anzeigepflichten, die nicht den Steuerpflichtigen, sondern von ihm unabhängige Dritte treffen. Die Reihung der Begriffe "Steuererklärung", "Steueranmeldung" und "Anzeige" in § 170 Abs.2 Satz 1 Nr.1 AO 1977 weist jedoch darauf hin, daß das Gesetz nur auf solche Anzeigen abstellen will, zu deren Erstattung der Steuerpflichtige verpflichtet ist, nicht aber auch auf solche, die von vom Steuerpflichtigen unabhängigen Dritten abzugeben sind. So stellt die Anlaufhemmung nach Nr.2 der Vorschrift ebenso auf das Verhalten des Steuerpflichtigen ab. Auch bei der Vorgängervorschrift (§ 145 Abs.2 der Reichsabgabenordnung) war der Lauf der Frist nicht vom Verhalten Dritter abhängig. Diese sich aus dem Zusammenhang, in dem die Vorschrift steht, ergebende Auslegung steht im Einklang mit der Überlegung, daß es mit den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens nicht ohne weiteres vereinbar ist, die Verjährung des Steueranspruchs aus Gründen hinauszuschieben, die der Steuerpflichtige nicht kennt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Dezember 1989 VI R 151/86, BFHE 159, 296, BStBl II 1990, 527). Die durch die Anlaufhemmung bewirkte Verlängerung der Feststellungs- (Festsetzungs-)frist kann daher nicht an Umstände anknüpfen, die der Steuerpflichtige weder beeinflussen kann noch notwendigerweise kennen muß. Andernfalls würde den Steuerpflichtigen die in der durch Anlaufhemmung mittelbar bewirkte "Verlängerung" der Frist liegende Benachteiligung treffen aufgrund des Verhaltens Dritter, die unabhängig von ihm handeln. Die Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare nach § 18 GrEStG 1983 führt daher zu keiner Anlaufhemmung nach § 170 Abs.2 Satz 1 Nr.1 AO 1977 (Ruban bei Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 170 AO Rdnr.19; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 170 Tz.2 c; a.A. Höllig in Koch/Scholtz, Abgabenordnung-AO 1977, 4.Aufl., § 170 Rz.8).
Die von anderen Grundsätzen ausgehende Entscheidung des FG ist aufzuheben. Der Feststellungsbescheid und die sie bestätigende Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und daher aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 65005 |
BFH/NV 1994, 51 |
BStBl II 1994, 866 |
BFHE 174, 185 |
BFHE 1995, 185 |
BB 1994, 1067 |
BB 1994, 1067-1069 (LT) |
DB 1994, 1170 (L) |
DStR 1994, 1190-1191 (KT) |
HFR 1994, 485-488 (LT) |
StE 1994, 296 (K) |