Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Die Steuervergünstigung des § 8 GrEStG ist auch dann anwendbar, wenn die Kapitalabfindung zu umfangreichen Instandsetzungsarbeiten an neu erworbenen Grundstücken verwendet wird, vorausgesetzt, daß das Grundstück im Zeitpunkt des Erwerbs erheblich verwahrlost war, die Kapitalabfindung zur Instandsetzung des Grundstücks bewilligt und die Instandsetzung in zeitlichem Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks durchgeführt wird.

 

Normenkette

GrEStG § 8

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.), die Witwe eines gefallenen Kriegsteilnehmers, erwarb durch notariell beurkundeten Vertrag vom 23. September 1955 ein Grundstück mit aufstehendem Gebäude. Die Gegenleistung bestand

in der übernahme von auf dem Grundstück lastenden Hypotheken sowie von anderen Verpflichtungen der Voreigentümerin im Gesamtbetrag von rund ---------------- 6.240,- DM,

in der Verpflichtung zu monatlichen Rentenzahlungen im Kapitalwert (ß 15 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes - BewG -) von -------------- 15.763,20 DM insgesamt ------------------------------------- 22.003,20 DM.

Barzahlungen wurden nicht geleistet. Am 1. Oktober 1955 beantragte die Bfin. beim Versorgungsamt die Kapitalabfindung nach dem Bundesversorgungsgesetz. Diese wurde ihr am 28. Mai 1956 in Höhe von 5.184,- DM "zur Rückzahlung des zur Instandsetzung des Wohnhauses bei der Stadtsparkasse aufgenommenen Baudarlehens" bewilligt.

Die Bfin. machte geltend, daß das miterworbene Wohnhaus im Zeitpunkt des Ankaufs stark vernachlässigt gewesen sei und am Haus seit 1939 Reparaturen nicht vorgenommen worden seien. Der Nachholbedarf sei im Streitfall um so höher gewesen, als das Grundstück auch Bombenschäden erlitten habe. Die Voreigentümerin habe über keine Mittel verfügt, um die dringend notwendigen Reparaturarbeiten durchzuführen. Es sei von vornherein selbstverständlich gewesen, daß ein Käufer erhebliche Aufwendungen für die Instandsetzung des Wohngebäudes machen mußte. Das Grundstück sei an sich ohne Barzahlung verkauft worden. Der Ankauf sei aber nur sinnvoll gewesen, wenn der Käufer von vornherein zur Instandsetzung des vorhandenen Wohngebäudes bereit war und hierfür ein entsprechendes Kapital zur Verfügung stand. Demgemäß habe sie, die Bfin., sich vor dem Ankauf des Grundstücks vergewissert, daß sie vom Versorgungsamt eine Kapitalabfindung erhalten würde.

Das Finanzamt verneinte die Anwendbarkeit der Steuervergünstigung des § 8 Abs. 1 und 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG), weil die Bfin. die Kapitalabfindung zur wirtschaftlichen Stärkung und nicht zum Erwerb des Grundstücks erhalten habe, und zog diese zur Grunderwerbsteuer heran.

Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Die Berufung war dem Grunde nach erfolglos; lediglich die Höhe des Steuerbetrages wurde ermäßigt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht.

Den Ausführungen des Finanzgerichts zur Anwendbarkeit der Steuervergünstigung ist nur grundsätzlich zuzustimmen. Nach § 8 Abs. 2 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 GrEStG wird die Steuer in dem dort bezeichneten Umfang unter anderem dann nicht erhoben, wenn die Witwe eines gefallenen Kriegsteilnehmers ein Grundstück mit Hilfe einer Kapitalabfindung erwirbt. Nach geltendem Recht kommt es also darauf an, ob der Erwerb des Grundstücks mit Hilfe einer Kapitalabfindung stattfindet. Demnach könnte die Steuervergünstigung in aller Regel nicht gewährt werden, wenn die Kapitalabfindung lediglich zur Instandsetzung des angekauften Wohnhauses dienen soll. Die Bfin. hat jedoch im Streitfall Gründe besonderer Art geltend gemacht, die vielleicht doch die Anwendbarkeit der Steuervergünstigung rechtfertigen könnten und deshalb weiterer Prüfung bedürfen.

Für die Einkommen- und Körperschaftsteuer gehören nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. zuletzt das Urteil I 176/54 U vom 25. Oktober 1955, Slg. Bd. 61 S. 489, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 III S. 388) die gesamten Aufwendungen für umfangreiche Instandsetzungsarbeiten, die der Erwerber eines neu erworbenen Wohngrundstückes im Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks vornimmt, wirtschaftlich in der Regel zu den Anschaffungskosten. Siehe dazu auch die Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1955 Abschn. 157 Abs. 3 (Bundesanzeiger Nr. 71 - Beilage -, BStBl 1956 I S. 75). In ähnlicher Weise ist bei der früheren Wertzuwachssteuer verfahren worden; dort wurden Arbeiten an neu erworbenen Grundstücken dann als Instandsetzung angesehen, wenn sie der Wiederherstellung eines durch den Vorbesitzer verwahrlosten Grundstücks dienten. Siehe dazu Storck-Will, Die Preußische Mustersteuerordnung für die Erhebung einer Wertzuwachssteuer, 1932, Anm. 11 zu § 8 (S. 260), sowie Müthling, Wertzuwachssteuerrecht, 4. Auflage, 1943, Anm. b zu § 8 Abs. 1 Ziff. 2 (S. 126). Entsprechendes gilt bei der Grunderwerbsteuer in den Fällen des Rettungserwerbs (ß 9 GrEStG), wenn ein steuerfrei erworbenes Grundstück vorteilhaft weiterveräußert wird. In diesen Fällen sind Aufwendungen des Erwerbes für Bauten, Umbauten und sonstige dauernde Verbesserungen des Grundstücks der beim Grundstückserwerb aufgewendeten Gegenleistung hinzuzurechnen (ß 9 Abs. 2 Satz 3 GrEStG). Dabei werden Aufwendungen, die im allgemeinen der laufenden Unterhaltung eines Gebäudes dienen, ausnahmsweise als dauernde Verbesserungen abgesehen, wenn das Gebäude im Zeitpunkt des Erwerbs erheblich verwahrlost war, wenn durch die Verwahrlosung der bestimmungsgemäße Gebrauch des Hauses gemindert und der Grundstückswert beeinträchtigt wurde und wenn die Aufwendungen der Beseitigung dieses Zustandes dienten. Das Grundstück muß demnach im Zeitpunkt des Erwerbs nicht nur reparaturbedürftig oder vernachlässigt, sondern in erheblichem Grade verwahrlost gewesen sein, so daß die Aufwendungen nicht lediglich zur Werterhaltung, sondern zur dauernden Werterhöhung des Grundstücks gemacht wurden. Siehe Boruttau-Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 5. Auflage, 1957, Bem. 15 Abs. 2 zu § 9 (S. 252).

Es ist als im Sinn des GrEStG liegend anzusehen, in dieser Weise auch bei Anwendung der Steuervergünstigung des § 8 GrEStG zu verfahren und die Aufwendungen für umfangreiche Instandsetzungsarbeiten an neu erworbenen Grundstücken dann als Teil der Gegenleistung und als im Sinn der bezeichneten Vorschrift verwendet anzusehen, wenn das Grundstück im Zeitpunkt des Erwerbs erheblich verwahrlost war, die Kapitalabfindung zur Instandsetzung des Grundstücks bestimmt ist und diese in zeitlichem Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb durchgeführt wird. Es kann im Sinn der Steuerbefreiung des § 8 GrEStG keinen Unterschied begründen, ob der Veräußerer des verwahrlosten Grundstücks dieses kurz vor der Veräußerung instandsetzt und die Kosten der Instandsetzung in den Kaufpreis einrechnet oder ob der Erwerber das erheblich verwahrloste Grundstück zu einem verminderten Kaufpreis erwirbt und dann auf seine Kosten instandsetzt.

Es bedarf mithin der Prüfung,

ob im Zeitpunkt des Erwerbs das von der Bfin. erworbene Wohngebäude als erheblich verwahrlost im Sinn der vorstehenden Ausführungen angesehen werden konnte und die Kapitalabfindung zur Instandsetzung des Grundstücks verwendet wurde,

ob das bei der Stadtsparkasse aufgenommene Baudarlehen von 6.000 DM ein Zwischenkredit im Sinn des Urteils des Senats II 30/53 S vom 3. Juni 1953 (Slg. Bd. 57 S. 550, BStBl 1953 III S. 211) war.

Nach dem zuletzt angeführten Urteil des Senats ist außerdem erforderlich, daß der Antrag auf Kapitalabfindung vor oder unverzüglich nach Abschluß des Kaufvertrags gestellt wird. Dieses Erfordernis kann im Streitfall (Kaufvertrag vom 23. September 1955 - Antrag auf Kapitalabfindung vom 1. Oktober 1955) unbedenklich als erfüllt angesehen werden.

Nach alledem war die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die nicht spruchreife Sache zur weiteren Prüfung und erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen. Diesem waren auch die Entscheidung über die Kosten der Rb. und die Feststellung des Wertes des Streitgegenstands zu übertragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409080

BStBl III 1958, 240

BFHE 1958, 625

BFHE 66, 625

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