Entscheidungsstichwort (Thema)
Tatsächlicher Abzug eines Kinderfreibetrags als Voraussetzung für den Haushaltsfreibetrag
Leitsatz (amtlich)
Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß die Gewährung des Haushaltsfreibetrags nach § 32 Abs.7 EStG 1986 voraussetzt, daß bei dem Steuerpflichtigen ein Kinderfreibetrag tatsächlich zum Abzug kommt. Dies ist nicht der Fall, wenn der Steuerpflichtige die Kinderfreibeträge für die ihm zuzuordnenden Kinder auf den anderen Elternteil übertragen hat.
Orientierungssatz
Daß auch der andere Elternteil in diesem Fall keinen Anspruch auf den Haushaltsfreibetrag hat, erscheint verfassungsrechtlich unbedenklich, da insoweit bereits eine Entlastung durch den Kinderfreibetrag eintritt. Daß der Haushaltsfreibetrag unter diesen Umständen im Ergebnis ganz verlorengeht, rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme eines Verfassungsverstoßes.
Normenkette
EStG 1986 § 32 Abs. 6-7; AO 1977 § 361 Abs. 2; FGO § 69 Abs. 2 S. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) lebt seit 1985 von ihrem Ehemann dauernd getrennt; die Ehe wurde 1986 geschieden. Die beiden im Streitjahr 1986 zwölf und neun Jahre alten Kinder aus dieser Ehe waren zum 1.Januar 1986 mit Hauptwohnsitz bei der Klägerin gemeldet und wohnten auch im Haushalt der Mutter.
In ihrer Einkommensteuererklärung für 1986 erklärte die Klägerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und Unterhaltsleistungen ihres dauernd getrennt lebenden bzw. geschiedenen Ehemannes als sonstige Einkünfte. Sie gab in der Einkommensteuererklärung an, daß sie der Übertragung der Kinderfreibeträge auf den anderen Elternteil zugestimmt habe.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) versagte im Einkommensteuerbescheid den Haushaltsfreibetrag nach § 32 Abs.7 des Einkommensteuergesetzes 1986 (EStG); es ließ auch die geltend gemachten Kinderbetreuungskosten in Höhe von 2 x 480 DM nicht als außergewöhnliche Belastung zum Abzug zu.
Während des Einspruchsverfahrens beantragte die Klägerin die Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides in Höhe von 1 081 DM. Die Oberfinanzdirektion (OFD) gab der Beschwerde hinsichtlich der Versagung des Abzugs von Kinderbetreuungskosten statt. Im übrigen wies sie die Beschwerde als unbegründet zurück, weil das FA die Gewährung des Haushaltsfreibetrages zu Recht versagt habe. Voraussetzung für die Gewährung des Haushaltsfreibetrages sei, daß bei der Veranlagung tatsächlich ein Kinderfreibetrag angesetzt werde; nicht ausreichend sei, daß dem Steuerpflichtigen ein Anspruch auf einen Kinderfreibetrag zustehe. Die Übertragung des Kinderfreibetrages habe vielmehr zur Folge, daß für den ausgeschlossenen Elternteil die übrigen kindbedingten Steuerentlastungen entfielen; darunter falle auch der Haushaltsfreibetrag. Ein Verstoß gegen verfassungsrechtliche Grundsätze, insbesondere den Gleichheitssatz (Art.3 des Grundgesetzes ―GG―), sei darin nicht zu erblicken.
Die Klage blieb erfolglos.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie führt im wesentlichen aus:
Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts (FG) träten bei der Beurteilung der hier streitigen Frage Zweifel von erheblichem Gewicht auf. § 32 Abs.7 Satz 1 EStG lasse sich nicht eindeutig nach seinem Wortlaut auslegen. Die vom FG gewählte Auslegung, daß ein Kinderfreibetrag tatsächlich beim Steuerpflichtigen zum Abzug kommen müsse, sei nämlich nur eine denkbare Auslegung. Mit dem Wortlaut vereinbar sei auch ein Verständnis, nach dem dem übertragenden Elternteil der Kinderfreibetrag nur grundsätzlich zustehen müsse. Dann sei der Haushaltsfreibetrag auch im Streitfall zu gewähren, da eine Übertragung des Kinderfreibetrags voraussetze, daß er zumindest für eine juristische Sekunde dem Übertragenden zugestanden habe.
Die Vorschrift müsse deshalb nach ihrem Sinn und Zweck, insbesondere dem im Zusammenhang mit der Neufassung des § 32 EStG zutage getretenen Willen des Gesetzgebers interpretiert werden.
Mit der Neufassung durch das Gesetz zur leistungsfördernden Steuersenkung und zur Entlastung der Familie vom 26.Juni 1985 (Steuersenkungsgesetz 1986/1988 ―StSenkG 1986/1988―) habe zunächst dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 8.Juni 1977 1 BvR 265/75 (BStBl II 1977, 526) Rechnung getragen werden sollen. Dies sei mit der grundsätzlich hälftigen Gewährung des erhöhten Kinderfreibetrages für jeden Elternteil in § 32 Abs.6 Sätze 1 und 2 EStG geschehen. Hiermit sei insbesondere dem Grundsatz Rechnung getragen worden, daß nicht nur der betreuende, sondern auch der zum Barunterhalt verpflichtete Elternteil erhebliche Aufwendungen zu erbringen habe und der Gesetzgeber des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) von der Gleichwertigkeit beider Arten von Unterhaltsgewährung ausgehe.
Gleichzeitig habe der Gesetzgeber in § 32 Abs.6 Satz 4 EStG für den Fall, daß die Voraussetzungen des § 26 Abs.1 EStG nicht vorlägen und ein Elternteil seiner Unterhaltspflicht nicht oder nur zu einem unwesentlichen Teil nachkomme, die Gewährung des Kinderfreibetrages in voller Höhe für den Elternteil vorgesehen, der dies beantrage und seinen eigenen Unterhaltsverpflichtungen in vollem Umfang nachkomme. Das gleiche sei auch für den Fall angeordnet worden, daß beide Elternteile sich auf die Übertragung geeinigt hätten. Unter Unterhaltsverpflichtung i.S. des § 32 Abs.6 Satz 4 EStG sei ausschließlich der Barunterhalt zu verstehen (Hinweis auf Abschn.181a Abs.2 der EinkommensteuerRichtlinien 1987 ―EStR 1987―). Die vom Gesetzgeber geschaffene Möglichkeit der Übertragung des Kinderfreibetrages beruhe deshalb offenbar auf dem Gedanken der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit; denn bei demjenigen Elternteil, der seiner Barunterhaltungsverpflichtung nicht oder nur unwesentlich nachkommen könne, trete keine zusätzliche Minderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ein, so daß auch die Gewährung des Kinderfreibetrages nicht gerechtfertigt sei.
Weitere steuerliche Nachteile sollten dem Elternteil, der seinen Kinderfreibetrag auf den anderen Elternteil übertrage, nach dem Willen des Gesetzgebers jedoch nicht entstehen. Insbesondere sei der Gesetzgeber davon ausgegangen, daß "die materiell-rechtlichen Vorschriften über den Abzug eines Haushaltsfreibetrages bei alleinstehenden Elternteilen … unter Berücksichtigung der Zuordnung von Kindern (§ 32 Abs.4 Sätze 2 und 3 EStG 1983) dem geltenden Recht entsprechen" (BT-Drucks. 10/2884, S.104). Der Haushaltsfreibetrag solle daher unabhängig von der Übertragung eines Kinderfreibetrags demjenigen Elternteil zustehen, in dessen Wohnung das Kind erstmals im Kalenderjahr mit Hauptwohnung gemeldet sei (§ 32 Abs.4 Satz 2 EStG 1983).
Für diese Auslegung des § 32 Abs.7 Satz 1 EStG sprächen auch die Ausführungen des BVerfG in seinem Beschluß in BStBl II 1977, 526, 534. Danach solle durch die Gewährung des Haushaltsfreibetrags der Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit Rechnung getragen werden, die bei dem betreffenden Steuerpflichtigen typischerweise gegenüber anderen alleinstehenden Steuerpflichtigen durch die Unterhaltung eines eigenen ―wegen des Kindes verteuerten― Hausstandes eintrete.
Gegen die Auslegung des FA spreche auch das unbillige Ergebnis, daß danach keinem der beiden Elternteile ein Haushaltsfreibetrag zustehe: Die Mutter könne den Haushaltsfreibetrag nicht in Anspruch nehmen, weil bei ihr kein Kinderfreibetrag zum Abzug komme. Bei dem Unterhalt leistenden Vater komme zwar ein Kinderfreibetrag zum Abzug, die Kinder seien ihm jedoch nicht zugeordnet, da sie im Haushalt der Mutter lebten (§ 32 Abs.7 Satz 2 EStG).
Das FA ist der Auffassung, daß ernstliche Zweifel gegen die Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheides in der streitigen Höhe nicht bestünden. Seine Auffassung werde nicht nur vom Richtliniengeber geteilt, sondern auch im Schrifttum einhellig vertreten. Abweichende Urteile von FG seien nicht bekannt geworden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Finanzbehörden waren nicht verpflichtet, die Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides in der jetzt noch streitigen Höhe auszusetzen.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheides i.S. des § 361 Abs.2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) bestehen in dem hier noch streitigen Punkt nicht. Denn gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfrage bewirken könnten, sind insoweit nicht ersichtlich.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 32 Abs.7 Satz 1 EStG setzt die Gewährung des Haushaltsfreibetrages u.a. voraus, daß bei dem Steuerpflichtigen ein Kinderfreibetrag tatsächlich zum Abzug kommt. Denn wenn das Gesetz verlangt, daß der Steuerpflichtige einen Kinderfreibetrag "erhält", so reicht es nicht aus, wenn ihm der Kinderfreibetrag nur grundsätzlich zusteht bzw. zustehen würde, wenn er ihn nicht übertragen hätte. Auch die Argumentation der Klägerin, es reiche aus, wenn der Kinderfreibetrag dem Steuerpflichtigen wenigstens eine juristische Sekunde lang zugestanden habe, geht fehl. Ihr ist schon deshalb nicht zu folgen, weil das Gesetz ersichtlich nicht auf einen vorübergehenden Zustand abstellt, sondern auf die Verhältnisse, wie sie sich im Zeitpunkt der Entscheidung über den Haushaltsfreibetrag bei der Einkommensteuerveranlagung darstellen. Die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung ist deshalb nach Auffassung des Senats ebenso eindeutig, als wenn formuliert worden wäre "wenn bei ihm auch ein Kinderfreibetrag zum Abzug kommt", wie die Klägerin dies zum Ausschluß von Zweifeln für notwendig erachtet.
Nichts anderes ergibt sich im übrigen aus den von der Klägerin herangezogenen Gesetzgebungsmaterialien. Insbesondere läßt sich dem Hinweis, die materiellen Vorschriften über den Abzug eines Haushaltsfreibetrags bei alleinstehenden Elternteilen entsprächen "unter Berücksichtigung der Zuordnung von Kindern (§ 32 Abs.4 Sätze 2 und 3 EStG 1983) dem geltenden Recht" (BT-Drucks. 10/2884, S. 104), der von der Klägerin vermutete Wille des Gesetzgebers nicht entnehmen. Vielmehr sollte damit nur zum Ausdruck gebracht werden, daß die vorgeschlagene Regelung des Haushaltsfreibetrages hinsichtlich der Zuordnung von Kindern der Regelung in § 32 Abs.4 Sätze 2 und 3 EStG 1983 entspreche. Dieser Hinweis war zutreffend und berechtigt, da die bisherige Zuordnungsregelung aufrechterhalten geblieben ist und ―im Gegensatz zur früheren Rechtslage― nach dem EStG 1986 lediglich noch Bedeutung für die Gewährung des Haushaltsfreibetrages hat, was zur Angliederung dieser Regelung an den Abs.7 des § 32 EStG geführt hat (vgl. Schulze zur Wiesche, Deutsche Steuer-Zeitung/Ausgabe A ―DStZ/A― 1985, 482, 484). Es kann mithin keine Rede davon sein, daß der Haushaltsfreibetrag in jedem Fall demjenigen Elternteil zustehen soll, dem das Kind zuzuordnen ist. Dies ergibt sich im übrigen auch schon daraus, daß die Zuordnung des Kindes nur eine der Voraussetzungen für die Gewährung des Haushaltsfreibetrages bei dem Steuerpflichtigen ist.
Die vorstehende Rechtsauffassung entspricht ―soweit ersichtlich― der in der Literatur einhellig vertretenen Auffassung (Fitsch in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 32 Anm.97; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 32 EStG, Anm.193; Stephan in Littmann/Ritz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15.Aufl., § 32 EStG, Anm.147; Blümich/Stäuber, Einkommensteuergesetz, § 32, 13.Aufl., Anm.55; Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, 8.Aufl., § 32, Anm.13a; Klöckner, Der Betrieb ―DB― 1985, 2421, 2424; Scheurmann-Kettner/Lantau, Betriebs-Berater ―BB― 1985, 1405, 1410; Schulze zur Wiesche, a.a.O.).
Durchgreifende Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift bestehen nach Auffassung des Senats nicht. Durch den Haushaltsfreibetrag soll die Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden, die dem alleinstehenden Steuerpflichtigen zwangsläufig durch die Unterhaltung eines Haushalts erwächst, dem ein Kind angehört (Beschluß des BVerfG im BStBl II 1977, 526, 534; Stephan in Littmann/Bitz/Meincke, a.a.O., § 32 EStG Anm.143). Dabei geht der Gesetzgeber typisierend davon aus, daß der erhöhte (finanzielle) Aufwand bei dem Elternteil eintritt, dem das Kind zuzuordnen ist; dies ergibt sich aus der gleichzeitigen Koppelung an den Kinderfreibetrag. Tritt der erhöhte finanzielle Aufwand und damit die Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit durch die Unterhaltung des Kindes bei dem anderen Elternteil ein, so ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß der zuordnungsberechtigte Elternteil steuerlich nicht entlastet wird. Daß auch der andere Elternteil in diesem Fall keinen Anspruch auf den Haushaltsfreibetrag hat, erscheint ebenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich, da insoweit bereits eine Entlastung durch den Kinderfreibetrag eintritt. Daß der Haushaltsfreibetrag unter diesen Umständen im Ergebnis ganz verlorengeht, rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme eines Verfassungsverstoßes. Denn diese Folge tritt nicht zwangsläufig ein, sondern aufgrund der freien Entscheidung beider Ehegatten, den Kinderfreibetrag auf den nicht zuordnungsberechtigten Elternteil zu übertragen.
Fundstellen
Haufe-Index 63267 |
BFH/NV 1991, 16 |
BStBl II 1991, 230 |
BFHE 162, 570 |
BFHE 1991, 570 |
BB 1991, 470 (L) |
DB 1991, 1052 (KT) |
DStR 1991, 348 (KT) |
DStZ 1991, 277 (KT) |
HFR 1991, 346 (LT) |
StE 1991, 95 (K) |